L 19 R 95/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 455/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 95/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen beanspruchen kann.

Der 1934 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er hat in Deutschland in der Zeit vom 13.09.1968 bis 24.09.1980 versicherungspflichtig gearbeitet. Auf seinen Antrag vom 13.03.1987 erstattete ihm die Beklagte mit Bescheid vom 21.04.1987 die in dem genannten Zeitraum von ihm zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Beiträge (Arbeitnehmeranteil) in Höhe von insgesamt 17.741,16 DM. Den Bescheid stellte die Beklagte mit Einschreiben-Rückschein zu. Nach dem Rückschein, der sich in den Akten der Beklagten befindet, wurde der Bescheid dem Kläger am 18.05.1987 zugestellt.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben ohne Datum (Eingang: 03.11.1999) unmittelbar an das Sozialgericht Bayreuth (SG). Er führte aus, dass die Beklagte nach seiner Rückkehr in die Türkei die von ihm geleisteten Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erstattet habe ("nahm ich meine Versicherungsprämie als Geld an"). Die Beiträge seiner Arbeitgeber seien nicht erstattet worden. Er sei 65 Jahre alt und begehre Rentenleistungen ("möchte wissen, ob ich pensioniert").

Mit Schreiben vom 08.11.2002, das in die türkische Sprache übersetzt wurde, bat das SG den Kläger um Mitteilung, ob sein Schreiben vom November 1999 als Klage gegen den Bescheid vom 21.04.1987 - diese wäre unzulässig - oder als zulässiger Antrag an die Beklagte auf Erstattung der Arbeitgeberbeiträge gewertet werden solle. Der Kläger gab hierzu an, dass das Schreiben vom November 1999 als Klage gegen den Bescheid vom 21.04.1987 anzusehen sei. Mit weiterem Schreiben vom 27.03.2003 wies das SG den Kläger in türkischer Sprache darauf hin, dass eine Klage gegen den Bescheid nach 14 Jahren unzulässig sei und daher keine Aussicht auf Erfolg habe. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Auf die Anhörung zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides teilte der Kläger unter dem 23.01.2004 mit, dass sich seine Klage gegen den Bescheid vom 21.04.1987 richte und er die Erstattung der Arbeitgeberbeiträge begehre.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 27.09.2004 wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er begehre von der Beklagten die ihm zustehenden Leistungen, insbesondere die Erstattung seiner Beiträge ("meine Prämie") und der Arbeitgeberbeiträge ("Arbeitgeberprämie").

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 27.09.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.04.1987 zu verurteilen, auch die von seinen Arbeitgebern in der Zeit vom 13.09.1968 bis 24.09.1980 entrichteten Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Versichertenakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie erweist sich jedoch als unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hat zutreffend in seiner Entscheidung und in den vorhergehenden - in türkischer Sprache abgefassten - Schreiben an den Kläger vom 08.11.2002 und 27.03.2003 darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 21.04.1987 nicht mehr angefochten werden kann.

Der Bescheid vom 21.04.1987 ist unanfechtbar geworden, nachdem der Kläger nicht den gegen diesen Bescheid vorgesehenen Rechtsbehelf innerhalb der Frist eingelegt hat (§ 77 SGG). Der Kläger hätte gegen den Bescheid vom 21.04.1987 innerhalb der Frist von drei Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides am Wohnsitz des Klägers in der Türkei Widerspruch oder Klage erheben müssen (entsprechend § 87 Abs 1 Satz 2 SGG; § 78 Abs 2 SGG in der bis 28.09.1990 geltenden Fassung). Selbst wenn die Klage gegen den Bescheid vom 21.04.1987 gleichzeitig als Erhebung eines Widerspruches angesehen werden sollte, ist die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen. Für die Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG besteht kein Anlass. Mithin ist der Bescheid vom 21.04.1987 unanfechtbar geworden und nach § 77 SGG für alle Beteiligten bindend.

Nach alledem ist es dem Senat verwehrt, in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen. Die Berufung ist vielmehr zurückzuweisen, weil die Klage unzulässig war.

Ohne dass es darauf ankommt, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass aufgrund der Beitragserstattung gemäß § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis 31.12.1991 geltenden Fassung alle Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus den vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen sind. Insbesondere eine Versichertenrente kann nicht mehr verlangt werden. Die wiederholte Erstattung der von ihm entrichteten Beiträge kann der Kläger ebenfalls nicht verlangen, zumal er in der Klageschrift selbst angegeben hat, dass er die erstatteten Beiträge nach Rückkehr in seine Heimat erhalten hat. Die Erstattung der Arbeitgeberbeiträge kommt auch nicht in Betracht. Nach § 210 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bzw nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden § 1303 Abs 1 RVO werden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. Verfassungsrechtliche Bedenken kommen der Begrenzung der Beitragserstattung aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Hälfte der entrichteten Beiträge (Arbeitnehmeranteil) nicht zu (vgl Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1986, SozR 2200 § 1303 Nr 34).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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