L 3 U 117/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 91/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 117/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.01.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung des Verkehrsunfalls des Klägers vom 26.02.1998 als Arbeitsunfall streitig.

Der 1953 geborene Kläger, Bauzeichner bei der Fa. L. AG A. , erlitt am 26.02.1998 auf der Autobahn A 3 Regensburg/Passau im Gemeindebereich W. einen Unfall mit dem Firmen-Pkw, als er aus unbekannter Ursache nach einem Überholvorgang bei einer Geschwindigkeit von ca. 180 km/h nach rechts von der Fahrbahn abkam, an der Böschung in eine Strauch- und Baumgruppe fuhr und sich anschließend überschlug. Er erlitt multiple Frakturen und ein Schädelhirntrauma. Hinweise auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit wurden weder von den am Unfallort anwesenden Polizeibeamten noch vom Notarzt festgestellt. In der von der Bechäftigungsfirma L. AG am 16.04.1998 erstatteten Unfallanzeige wurde angegeben, dass S., Leiter der Abteilung Sonderkonstruktion, den Unfall auf der Rückfahrt von der Baustelle erlitten habe. Im Wegeunfallfragebogen vom 16.04.1098 führte die Firma, gestützt auf die Angaben der Ehefrau des Klägers, E. B. aus, dass der Kläger von der Baustelle C. gekommen sei und sich im Unfallzeitpunkt auf dem Weg nach A./Arbeitsstätte befunden habe.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen medizinischen Unterlagen und die polizeilichen Ermittlungsakten der Polizeiinspektion R. bei und befragte die Beschäftigungsfirma L ... Diese gab an, am Unfalltag sei der Kläger morgens nach C. gefahren und am Abend wieder zurück. Es habe sich um einen normalen Arbeitstag gehandelt, der Kläger sei normalerweise im Werk tätig, zwei bis dreimal im Monat auf Dienstgang. Zur Aufklärung der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit holte die Beklagte ferner Auskünfte des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 24.11.1998 und 08.03.1998 ein, zog einen Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr.K. und das Notarztprotokoll bei und beauftragte sodann Prof.Dr.E. , Institut für Rechtsmedizin der Universität M. , mit der Erstattung eines Gutachtens. Prof. Dr.E. kam zu der Auffassung, dass als Mindest-BAK zum Unfallzeitpunkt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Wert von 1,2 Promille angenommen werden könne. Bei dem im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder am 26.02.1998 um 16.11 Uhr bestimmten Alkoholspiegel, der Zeitpunkt der Blutentnahme sei nicht klärbar gewesen, habe es sich um einen Serumwert gehandelt. Es sei eine photometrische Einzelbestimmung vermutlich nach der ADH-Methode durchgeführt worden, die einen Serum-Alkoholwert von 1,4 Promille erbracht habe. Forensische Kriterien seien damit zwar nicht gegeben, es könne jedoch mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Wert korrekt wiedergegeben wurde und somit einer Umrechnung auf Vollblut zugrunde gelegt werden könne. Auf Grund des Alkoholverteilungsverhältnisses zwischen Serum und Vollblut von 1,2 zu 1 sei die mit 1,4 Promille bestimmte Serum-Alkoholkonzentration auf eine BAK (Vollblut) 1,2 Promille zu korrigieren. Der von der Beklagten gehörte Prof.Dr.K. , Leitender Arzt Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Kreiskrankenhauses T. , bewertete in seinem Gutachten vom 07.04.1999 die Unfallfolgen vom 01.03.1999 bis 15.03.1999 mit 70 v.H., vom 16.03.1999 bis 26.02.20001 mit 60 v.H. und anschließend voraussichtlich noch mit 40 v.H.

Mit Bescheid vom 27.04.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 26.02. 1998 ab. Sie ging zwar davon aus, dass der Kläger den Verkehrsunfall auf der Rückfahrt von einer Baustelle erlitten habe; die rechtlich allein wesentliche Unfallursache sei jedoch die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit (BAK-Wert von 1,2 Promille im Unfallzeitpunkt) gewesen. Da eine absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe und diese die rechtlich allein wesentliche Unfallursache sei, sei der ursächliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verloren gegangen.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger - unter Hinweis darauf, dass er den Überholvorgang nach der Aussage des Zeugen K. K. ordnungsgemäß durchgeführt und dann auf die Normalspur zurückgewechselt habe - geltend, dass das seiner Auffassung nach nicht erklärbare spätere Abkommen von der Fahrbahn vermutlich auf einen Sekundenschlaf zurückzuführen sei. Außerdem könne die Blutuntersuchung unmittelbar nach der ersten Notversorgung nach dem Unfall nicht für die rechtliche Beurteilung der BAK herangezogen werden. Die ermittelte BAK sei nicht nachvollziehbar. Sie sei nicht nach den Richtlinien des Bundesgesundheitsamtes (BGA) ermittelt worden, sondern auf Grund der Entnahme des Blutserums geschätzt worden. Es liege daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein genauer Promillewert vor, mit der Folge, dass nicht von absoluter Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden könne. Die von Prof.Dr.E. angeführte Wahrscheinlichkeit reiche für den Nachweis der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit nicht aus.

Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 16.08.1999 und des Prof.Dr.E. vom 26.01.2000 ein. Prof.Dr.E. führte aus, dass die mit nur einer Methode und einer Bestimmung (ADH-Methode) ermittelte BAK von 1,2 Promille nicht die Sicherheit und Beweiskraft habe wie eine unter forensischen Kriterien ermittelte BAK. Bei Gesamtwürdigung sei aber zumindest mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine BAK im Bereich von mindestens 1,2 Promille vorgelegen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück: Es sei mit Vollbeweis festgestellt, dass der BAK-Wert zum Unfallzeitpunkt bei mindestens 1,1 Promille gelegen habe und dies entspreche der absoluten Verkehrsuntüchtigkeit, so dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege.

Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu erbringen. Aus dem Gutachten des Prof.Dr.E. ergebe sich nicht der Vollbeweis der alkoholbedingten absoluten Verkehrsuntüchtigkeit, so dass sein Versicherungsschutz nicht verloren gegangen sei.

Das SG hat die einschlägigen medizinischen Unterlagen beigezogen, eine Auskunft der Beschäftigungsfirma L. AG vom 21.11.2001 und eine Stellungnahme des Prof.Dr.E. vom 27.11.2002 eingeholt und im Erörterungstermin am 17.01.2002 H. S. , Maschinenbautechniker, als Zeugen gehört. Prof.Dr.E. hat eingeräumt, dass im Vergleich zu einer üblichen forensischen Alkoholbestimmung (mit zwei verschiedenen Methoden und einem Mittelwert aus mindestens je zwei Einzelwerten) nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass im vorliegenden Fall ein Wert von über 1,1 Promille vorlag bzw. es sei ein Wert von unter 1,1 Promille bei höherer Streubreite bei lediglich einem Einzelwert auch nicht auszuschließen. Für das Abkommen von der Fahrbahn komme neben einem etwaigen Versagen des Fahrzeugs - dies sei jedoch nicht untersucht worden - ebensogut auch ein Moment der Unaufmerksamkeit in Betracht.

Mit Urteil vom 24.01.2003 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verurteilt, den Unfall des Klägers vom 26.02.1998 als Arbeits-/Wegeunfall anzuerkennen und dem Kläger die gesetzlichen Leistungen hierfür zu gewähren: Der Kläger habe bei dem vorgenannten Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht mit dem hierfür erforderlichen Beweismaßstab des Vollbeweises nachzuweisen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt: Sie könne sich der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung hinsichtlich der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit nicht anschließen. Auch wenn eine forensischen Zwecken genügende Blutalkoholbestimmung im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden sei, könne man sich nicht gegenüber der Tatsache verschließen, dass deren Ergebnis sich zumindest im Grenzbereich der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille bewege. Zumindest sei von einer relativen Fahruntüchtigkeit auszugehen. Zudem spreche auch das erwähnte Alkoholentzugssyndrom des Klägers für einen chronischen Alkoholabusus. Dies sei ein starkes Indiz für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit im Unfallzeitpunkt. Aktenkundig sei ebenfalls, dass der Kläger seit längerem familiäre Probleme und Konfliktsituationen mit seiner Ehefrau gehabt habe und deshalb zeitweise verstärkt Alkohol zu sich genommen habe. Er sei zwar bis zur Unfallstelle bereits 200 km unfallfrei gefahre, so dass auch eine nichtalkoholbedingte Unaufmerksamkeit für den Unfall ursächlich gewesen sein könne. Andererseits werde eine Aufmerksamkeitsstörung durch Alkoholeinwirkung verstärkt, so dass letzterer wieder ein wesentlicher Anteil am Unfall zukomme. Die Beklagte hat zur Frage, ob der Kläger sich am Unfalltag überhaupt auf der Baustelle in C. befunden hat, nochmals Ermittlungen durchgeführt. Der Kläger hat sich auf die Auskunft der Fa. L. vom 21.11.2001 berufen und hat Eintragungen aus seinem Terminkalender vorgelegt.

Er macht geltend, dass die nach Ablauf von fünf Jahren entstandenen Beweisschwierigkeiten, nämlich, dass sich Zeugen nicht mehr an seinen Besuch erinnern könnten, nicht ihm sondern der Beklagten anzulasten bzw. im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.01.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.01.2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat mit Recht die Beklagte verurteilt, den Unfall des Klägers vom 26.02.1998 als Arbeits-/Wegeunfall anzuerkennen und ihm deshalb die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung wegen der Folgen seines Unfalls vom 26.02.1998 gemäß § 8 Abs.1 und 2, 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII).

Der Kläger befand sich im Unfallzeitpunkt am 26.02.1998 zur Überzeugung des Senats auf dem Rückweg von der Baustelle in C. (Dienstreise). Nicht geklärt und wegen des fehlenden Erinnerungsvermögens des Klägers auch nicht mehr aufklärbar ist, ob er nach Erledigung der Arbeiten in C. zunächst in sein Büro bei der Fa. L. AG in A. fahren wollte oder unmittelbar zurück zu seiner Wohnung in A ... Sowohl seine Wohnung wie auch der regelmäßige Dienstort befinden sich in A ... In jedem Fall ist davon auszugehen, dass sich der Unfall auf einer versicherten Wegstrecke ereignete. Sowohl der örtliche wie auch der zeitliche Bezug sprechen hierfür. Soweit die Beklagte - erstmals im Laufe des Berufungsverfahrens - einwendet, dass ein Nachweis dafür, dass sich der Kläger am Unfalltag auf der Baustelle in C. aufgehalten habe, nicht geführt sei, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Zwar kann sich der Kläger wegen seiner retrograden Amnesie an Einzelheiten des Unfalltages nicht mehr erinnern, auch gibt es Zeugen für ein Zusammentreffen mit dem Kläger am Unfalltag in C. nicht (vgl. Zeugenaussage S. vor dem SG am 17.01.2002; Befragung des Baustellenleiters J. , Schreiben der Fa. L. vom 22.05.2003). Gleichwohl kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beschäftigungsfirma L. sowohl telefonisch wie auch später schriftlich am 21.11.2001 bestätigt hat, dass sich der Kläger am Unfalltag auf einer Dienstreise nach C. befunden hat, um dort die L.-Bauleistung beim Neubau der H.-Versicherung abzunehmen. Die Angaben über eine Fahrt zur Baustelle wiederholen sich sowohl in der Unfallanzeige des Arbeitgebers, im nachfolgenden Unfallfragebogen und auch in mehreren ärztlichen Berichten (z.B. Durchgangsarztbericht vom 13.03.1998, Augenarztbericht Dr.H.). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände ist folgerichtig die Beklagte dann sowohl in ihren Bescheiden davon ausgegangen, dass sich der Unfall des Klägers auf dem Rückweg von der Baustelle in C. ereignet hat (vgl. Bescheid vom 27.04.1999: "Unfall, als ... auf der Rückfahrt von einer Baustelle ...", Widerspruchsbescheid vom 17.03.2000: "Rückfahrt von der Baustelle"). Auch bei der Berufungseinlegung ging sie noch von einem grundsätzlich versicherten Rückweg von der Baustelle in C. aus (vgl. Bl.2 LSG-Akte oben: "er kam mit dem Pkw bei der Zurücklegung eines Betriebsweges von einer Baustelle in C. zum Firmensitz in A ... von der Fahrbahn ab").

Unter Würdigung der Gesamtumstände ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Weg befand. Nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine Tatsache - hier der versicherte Weg - dann bewiesen, wenn sie in so hohem Grad wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hierauf zu begründen. Der Richter darf und muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Nicht eine jede denkbare Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist erforderlich, sondern ein der Gewissheit nahekommende Grad der Wahrscheinlichkeit. Eigentümlichkeiten des Sachverhalts können Anlass sein, im Rahmen der Beweiswürdigung an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen. Das bedeutet, dass ein Unfallversicherungsträger oder auch das Gericht auf Grund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein kann (vgl. BSG vom 12.09.1990, HV-Info 24/1990; weitere Nachweise bei Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S.120, Fußnote 298). In der Rechtsprechung werden z.B. bei unfallbedingter Erinnerungslücke des Verletzten - wie beim Kläger - und beim Fehlen von Zeugen geringere Anforderungen gestellt. Das Fehlen von Zeugen spricht im vorliegenden Fall nicht gegen die Annahme, dass sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf der Rückfahrt von einem Arbeitseinsatz in C. befand, weil es sich bei diesem - abschließende Abnahmetätigkeit auf der Baustelle in C. - um einen solchen gehandelt hat, für den eine Besprechung vor Ort mit Arbeitskollegen, Vertragspartnern und dgl. nicht notwendig war. Vom Kläger wurden im Berufungsverfahren Blätter aus dem Terminkalender mit entsprechenden Eintragungen für den Zeitraum der gesamten Betreuung der Baustelle in C. , zuletzt auch für den Unfalltag vorgelegt. Zwar ist - insoweit teilt der Senat die Auffassung der Beklagten - davon auszugehen, dass die vorgelegten Unterlagen allein noch keinen Beweis für den Aufenthalt des Klägers auf der Baustelle in C. auch für den Unfalltag darstellen. Gleichwohl stellen sie in Verbindung mit den übrigen Auskünften der Beschäftigungsfirma einen weiteren bestärkenden Hinweis auf die versicherte Tätigkeit am Unfalltag in C. dar.

Der Versicherungsschutz ist entgegen der Auffassung der Beklagten - wie bereits das Sozialgericht eingehend und zutreffend dargelegt hat und hierauf wird Bezug genommen - auch nicht entfallen, weil der Kläger auf dem Rückweg unter Alkoholeinfluss gestanden hätte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG seit 30.06.1960 (BSGE 12, 242) schließt die auf Alkohol zurückzuführende Fahruntüchtigkeit eines Kraftfahrers den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht aus, sondern nur dann, wenn sie die unternehmensbedingten Umstände derart in den Hintergrund drängt, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen ist. Ob alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache war, hängt somit zunächst davon ab, ob Fahruntüchtigkeit vorlag. Diese muss unter Außerachtlassung von nur denkbaren Möglichkeiten nachgewiesen sein. Ebenso wie die sonstigen positiven Tatbestandsmerkmale in der Unfallversicherung des vollen Beweises bedürfen, wie z. B. die versicherte Tätigkeit, das Vorliegen einer Krankheit, gilt dies auch für das sogenannte "negative Tatbestandsmerkmal" der Fahruntüchtigkeit (BSGE 43, 111; 45, 283; Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 8 Anmerkung 12.43). Im vorliegenden Fall ist alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls nicht nachgewiesen. Von alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist ohne weitere Beweisanzeichen nach der neuen Rechtsprechung des BSG in Übereinstimmung mit dem Strafrecht ab einer BAK von 1,1 Promille auszugehen. (vgl. BSG vom 25.11.1992, 2 RU 40/91 = MESO B 330/63 mit Hinweis auf BGH). Auf Grund des Gutachtens des Prof.Dr. E. vom 13.04.1999 in Verbindung mit dessen ergänzenden Stellungnahmen vom 21.01.2000 und 27.11.2002 ist eine absolute Fahruntüchtigkeit im Grade des Vollbeweises nicht nachgewiesen. Die von Prof.Dr.E. eingeräumte hohe Wahrscheinlichkeit einer BAK von 1,2 bzw. 1,1 Promille reicht hierfür nicht aus. Entscheidend dabei ist, dass im vorliegenden Fall nur eine Bestimmung nach dem ADH-Verfahren im Labor des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. durchgeführt worden ist, die nach forensischen Grundsätzen nicht ausreicht.

Der Kläger war auch nicht nachweisbar relativ fahruntüchtig. Relative Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn die BAK unterhalb des Grenzwertes von 1,1 °/oo liegt, aber aufgrund sonstiger Beweisanzeichen sog. alkoholtypischer Ausfallserscheinungen der Nachweis von Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (BSGE 45, 285; Ricke, KassKomm § 8 SGB VII Rdnr.117). Als alkoholtypisch sind grundsätzlich (nur) solche Verhaltensweisen zu bewerten, die sich nur durch den Alkohol erklären lassen, die bei unter Alkoholeinfluss fahrenden Personen wesentlich öfter vorkommen als gewöhnlich. Allein ein Fehlverhalten, ein Fahrfehler oder Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung lassen den zwingenden Schluss auf alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht zu. Nicht alkoholtypisch sind Verhaltensweisen, die, wenn auch objektiv fehlerhaft, bei einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern in vergleichbaren Situationen vorkommen können. Als alkoholtypische Beweisanzeichen hat das BSG angesehen die Fahrweise des Betroffenen wie überhöhte Geschwindigkeit, Fahren in Schlangenlinien, plötzliches Bremsen oder wie das LSG Berlin im Urteil vom 18.01.2001 - Az.: L 3 U 121/99 - ausführt: Missachten von Vorfahrtszeichen oder roter Ampel oder das Überqueren einer größeren Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit.

Die typischen Ausfallserscheinungen müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Annahmen und Vermutungen reichen ebenso wie die bloße Wahrscheinlichkeit nicht aus (BSGE 35, 216, 218; BSG SozR 2200 § 550 Nr.29).

Derartige typische Ausfallserscheinungen sind beim Kläger nicht nachgewiesen. Das Abkommen von der rechten Fahrbahn bei einer Geschwindigkeit von 180 km/h, nachdem vorher ein Überholvorgang bei dieser Geschwindigkeit ordnungsgemäß beendet worden war, ist zwar ein Fehlverhalten, jedoch keine Verhaltensweise, die zwingend auf alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit schließen lässt. Im Vergleich mit dem gewöhnlichen Verhalten von Verkehrsteilnehmern kann der Schluss, dass das Abkommen von der Straße bei hoher Geschwindigkeit für einen unter Alkoholeinfluss stehenden Kraftfahrer typisch oder sogar nur durch Alkoholgenuss erklärbar ist, nicht mit hinreichender Sicherheit gezogen werden. Denn ein solches Fehlverhalten ist nicht nur durch Sekundenschlaf, sondern gerade auch durch kurzfristige Unachtsamkeit, wie sie Prof.Dr.E. in seinem Gutachten vom 27.11.2002 konzediert, z.B. durch Zigarettenanzünden oder Aufheben eines Gegenstandes oder Bedienen des Radiogerätes bei einer derart hohen Geschwindigkeit erklärbar. Darüber hinaus konnte nach Auffassung des Senats nicht unberücksichtigt bleiben, dass beim Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles, nachdem er ca. 200 km der Wegstrecke bereits zurückgelegt hatte, auch von dem Zeugen K. bezüglich der Fahrweise gerade keine alkoholtypischen Anzeichen in oben genanntem Sinne beobachtet worden waren.

Nach allem ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt alkoholbedingt fahruntüchtig war. Damit besteht Versicherungsschutz, und es erübrigen sich Überlegungen, ob alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Unfallursache war.

Da der Kläger der allgemeinen Wegegefahr erlegen ist, hat das Sozialgericht zu Recht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 26.02.1998 gemäß § 56 SGB VII zu gewähren. Die Berufung der Beklagten ist daher unbegründet und zurückzuweisen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Senat nicht von Entscheidungen des BSG abweicht und damit die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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