S 8 AS 4/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 4/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit von Januar bis März 2005.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger erhielt bis zum 31.12.2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG von der Stadt B. Mit Bescheid vom 22.10.2004 hatte die Stadt B die laufende Hilfe ab dem 20.10.2004 gekürzt, weil der Kläger ein Arbeitsverhältnis bei der Firma G GmbH wegen unentschuldigten Fehlens verloren hatte. Er habe am 22.10.2004 ausdrücklich erklärt, dass er kein Interesse mehr an der Beibehaltung des Arbeitsplatzes gehabt habe. Die Stadt B wertete dieses Verhalten als Arbeitsverweigerung und kürzte die Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung ab 20.10.2004 und gestützt auf § 25 Abs. 1 BSHG um 25 % des Regelsatzes. Der Bescheid enthält folgende weitere Ausführungen: "Ich weise jedoch bereits jetzt darauf hin, dass eine Vorsprache bei meiner Stelle Hilfe zur Arbeit alleine nicht ausreicht, mich von der Aufgabe ihres gezeigten arbeitsverweigernden Verhaltens zu überzeugen. Vielmehr bleibt bei einer erneuten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Orientierungs-/Qualifizierungsmaßnahme zunächst ihr Verhalten an ihrem Arbeits-/Maßnahmeplatz abzuwarten um feststellen zu können, inwiefern sie ihr gezeigtes arbeitsverweigerndes Verhalten aufgegeben haben."

Mit Bescheid vom 06.12.2004 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld II. Sie kürzte hierbei die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 345,00 EURO um %, d.h. um 104,00 EURO. Im Bescheid wurde dieser Betrag als "Einkommen" bezeichnet.

Im Widerspruchsverfahren erklärte der Kläger, er habe kein Einkommen. Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, Grundlage für die Kürzung der Regelleistung sei die Entscheidung des Sozialamtes zur Absenkung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Kläger hielt eine Übertragung der Kürzung der Sozialhilfe auf das Arbeitslosengeld II für rechtswidrig.

Mit Bescheid vom 27.01.2005 wies die Beklagte den Widerspruch insoweit zurück. Sie stützte die Entscheidung auf § 65 e Abs. 2 SGB II. Hiernach sei sie berechtigt, Entscheidungen des Trägers der Sozialhilfe mit der Maßgabe fortzusetzen, dass die Höhe der Absenkung 30 % der Regelleistung betrage. Die Kürzung erfolge gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II für 3 Monate. Mit Bescheid vom 01.02.2005 willigte die Beklagte ab 01.04.2005 die volle Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 345,00 EURO.

Hiergegen richtete sich die am 14.02.2005 erhobene Klage. Der Kläger meint, eine Übertragung der Entscheidung des Sozialamtes auf das Arbeitslosengeld II belaste ihn unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 06.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ungekürzte Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält sich gemäß § 65 e Abs. 2 SGB II für berechtigt, aufgrund der Entscheidung des Sozialamtes die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes für 3 Monate um 30 % abzusenken.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Grundsätzlich hat der Kläger gemäß §§ 19 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 2 SGB II eine monatliche Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 345,00 EURO zu beanspruchen. Indes hat die Beklagte diese Leistung zu Recht gemäß § 65 e Abs. 2 SGB II abgesenkt. Nach dieser Vorschrift wirken Entscheidungen des Trägers der Sozialhilfe über eine Minderung der Hilfe zum Lebensunterhalt bei den Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes mit der Maßgabe fort, dass für die Höhe der Absenkung § 31 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden ist.

Bei dem Bescheid der Stadt B vom 22.10.2004 handelt es sich um eine Entscheidung des Trägers der Sozialhilfe über eine Minderung zur Hilfe zum Lebensunterhalt. Allerdings ist in dieser Entscheidung die Dauer der Kürzung nicht datumsmäßig bestimmt. Auch § 65 e Abs. 2 SGB II enthält keine Regelung darüber, wie lange die Absenkung zu erfolgen hat. Für diesen Fall wird vertreten, dass eine Fortwirkung nur dann in Betracht kommt, wenn der Sozialhilfebescheid hinreichend bestimmt eine Einschränkung oder Kürzung für eine bestimmte über den 31. Dezember 2004 hinausreichende Zeit anordnet. Bei einem Sozialhilfebescheid, der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt bis auf weiteres bewilligt und hierbei eine Kürzung vorsieht, sei dies im Regelfall nicht der Fall. Auch ein Bescheid, durch den nach § 25 Abs. 1 BSHG die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt eingestellt worden ist, sei kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, so dass sich seine Wirkung vorbehaltlich abweichender ausdrücklicher Regelungen auf den sich an den Einstellungstag anschließenden nächstfolgenden Zeitraum, in der Regel auf den betreffenden Monat erstrecke (Berlit, in: LPKH-SGB II, §§ 65 e Rn 13). Hiernach wäre eine Übertragung der Kürzungsentscheidung nach § 65 e Abs. 2 ausgeschlossen.

Dem steht jedoch bereits der Wortlauf von § 65 e Abs. 2 SGB II entgegen. Die Vorschrift bestimmt, dass Entscheidungen des Trägers der Sozialhilfe bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes fortwirken. Der Gesetzgeber bringt hiermit zum Ausdruck, dass Kürzungsentscheidungen grundsätzlich nicht deswegen entfallen, weil am 01.01.2005 das SGB II mit der neuen Leistung "Arbeitslosengeld II" in Kraft getreten ist. Hierfür sprechen auch Sinn und Zweck der Leistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 soll die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können. Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, wenn Kürzungsentscheidungen der Sozialämter aufgrund von Arbeitsverweigerung allein aufgrund des Inkrafttretens des SGB II wirkungslos würden. Zudem enthält der Bescheid vom 22.10.2004 hinreichend bestimmt die Regelung, dass die Kürzungsentscheidung sofort wirken soll, bis der Kläger durch eine erneute Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Orientierungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahme gezeigt hat, dass er sich nicht mehr arbeitsverweigernd verhält.

Die Beklagte hat hinsichtlich der Dauer der Absenkung gemäß § 65 e Abs. 2 SGB II zutreffend die Regelung des § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II entsprechend angewandt. Nach dieser Vorschrift dauern Absenkung und Wegfall 3 Monate. Dieser Sanktionszeitraum kann rechtsfehlerfrei auch auf § 65 e Abs. 2 SGB II übertragen werden, zumal der Kläger insoweit eine Begünstigung erfährt, weil der Bescheid des Sozialamtes überhaupt nicht befristet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. SGG. Angesichts der Tatsache, dass das SGB II am 01.01.2005 in Kraft getreten ist und noch keine Rechtsprechung hierzu vorliegt, hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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