S 10 AL 40/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 40/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2005 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 28.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2005 dazu verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit ab dem 22.12.2004 ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Gründe:

I. Der Kläger wendet sich gegen die Minderung seines Anspruches auf Zahlung von Arbeitslosengeld um 1.050,00 EUR, welche die Beklagte mit einer verspäteten Arbeitsuchendmeldung begründet.

Der im Jahre 1964 geborene Kläger stand vom 22.03.2004 – 20.12.2004 in einem Arbeitsverhältnis bei der Fa. S in U, welches laut Arbeitsbescheinigung bis zum 20.12.2004 befristet war.

Am 22.12.2004 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 11.01.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er sich um 92 Tage zu spät arbeitslos gemeldet habe und insofern der Anspruch auf Arbeitslosengeld sich nach § 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung mindere (längstens jedoch für 30 Tage). Daraus ergäbe sich insofern ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.050,00 EUR. Die Höhe des Abzuges von der täglichen Leistung betrage 18,80 EUR. Die Anrechnung beginne am 22.12.2004 und ende voraussichtlich mit Ablauf des 15.02.2005. Mit Bewilligungsbescheid vom 28.01.2005 wurde Arbeitslosengeld ab dem 22.12.2004 unter Anrechnung des Minderungsbetrages bewilligt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 20.01.2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 11.02.2005 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 11.03.2005 erhobene Klage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2005 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 28.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2005 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit ab dem 22.12.2004 ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten (Kunden-Nr. 76309) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Die Beteiligten sind mit gerichtlichem Schreiben vom 14.06.2005 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

II. Gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher angehört worden.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch die Bescheide vom 11.01.2005 und 28.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2005 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn diese Bescheide sind rechtswidrig.

Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitslosengeld zu Unrecht gemäß § 140 SGB III um 1.050,00 EUR gemindert, denn die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich das Arbeitslosengeld, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt

1.) bei einem Bemessungsentgelt bis zu 400,00 Euro 7,00 EUR, 2.) bei einem Bemessungsentgelt bis zu 700,00 Euro 35,00 EUR und 3.) bei einem Bemessungsentgelt über 700,00 Euro 50,00 EUR

für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet (§ 140 Abs. 1 Satz 3 SGB III).

Gemäß § 37 b SGB III in der ab dem 01.07.2003 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen (§ 37 b Satz 1 und Satz 2 SGB III).

Für die Beurteilung der Frage, wann von einer "unverzüglichen" Meldung ausgegangen werden kann, wird man auf die aus dem Zivilrecht bekannte allgemeine Formel "ohne schuldhaftes Zögern" zurückgreifen können (vgl. Gagel Kommentar zum SGB III § 37 b RdNr. 5). Daraus folgt, dass eine Verletzung der in § 37 b SGB III normierten Obliegenheit nur dann angenommen werden kann, wenn die verspätete Meldung schuldhaft, also zumindest fahrlässig, herbeigeführt wurde. Dies setzt wiederum voraus, dass die dem Versicherten aufgelegte Obliegenheit hinreichend bestimmt ist.

In Fällen der Arbeitsuchendmeldung nach befristeten Arbeitsverhältnissen kann ein Verschulden schon deshalb nicht festgestellt werden, weil sich aus dem Gesetz in keinster Weise ergibt, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung zu erfolgen hat. Während § 37 b Satz 1 SGB III für Personen, deren Versicherungspflichtverhältnisse (durch Kündigung) enden noch klar regelt, dass die Meldung beim Arbeitsamt unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen habe, legt § 37 b Satz 2 SGB III für befristete Arbeitsverhältnisse lediglich fest, dass die Meldung frühestens 3 Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen habe. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen hat, ist dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen.

Die seitens der Beklagten vertretene Auffassung, die Meldung habe in diesen Fällen binnen 7 Tage nach dem in § 37 b Satz 2 SGB III genannten frühesten Zeitpunkt zu erfolgen, findet im Gesetz keine Stütze. Kann dem § 37 b SGB III aber aufgrund der insofern unklaren Formulierung nicht entnommen werden, bis wann die Arbeitsuchendmeldung in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse spätestens zu erfolgen hat, so kann dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts eine Obliegenheitsverletzung nicht vorgeworfen werden, wenn dieser sich 2 Tage nach Ablauf der Befristung arbeitsuchend meldet.

Die angefochtenen Bescheide waren daher aufzuheben bzw. abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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