S 8 AL 1538/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 8 AL 1538/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Eintritts einer Sperrzeit und die damit verbundene Aufhebung von Arbeitslosenhilfe für diesen Zeitraum. Der 1958 geborene Kläger war nach dem Abitur zunächst überwiegend als Sachbearbeiter und Angestellter tätig. Nach Abschluss seines juristischen Studiums und Referendariats im September 1990 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos. Seit 12.10.1990 bis heute bezieht der Kläger Leistungen der Beklagten. Vom 01.01.1993 bis 31.10.1994 besuchte er eine von der Beklagten geförderte Fortbildungsmaßnahme zum Fachreferenten für Öffentlichkeitsarbeit. Eine daraus resultierende Anstellung ergab sich nicht. Zuletzt bezog der Kläger Arbeitslosen¬hilfe.

Die Beklagte bot dem Kläger am 07.08.2002 eine Beschäftigung als Hausbetreuer bei der C. B. mbH an und forderte ihn auf, sich dort umgehend schriftlich zu bewerben. Die C. B. mbH teilte der Beklagten am 20.08.2002 mit, der Kläger habe sich am 14.08.2002 beworben. Er werde als Bewerber für nicht geeignet gehalten, da er die Übersendung angeforderter Unterlagen verweigert habe. Die Firma fügte zwei Schreiben des Klägers sowie zwei Antwortschreiben der Firma an den Kläger in Kopie bei.

Das Bewerbungs¬schreiben des Klägers vom 12.08.2002 war wie folgt formuliert:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

äußerst überrascht von einem Angebot des Arbeitsamtes als "Hausbetreuer" tätig zu sein, bewerbe ich mich. Zu meiner Person: Ich bin 44 Jahre alt, habe überwiegend in Hamburg in der Verwaltung gearbeitet, wobei meine letzte Tätigkeit im Bereich Öffentlichkeitsarbeit lag ... Dort beschäftigte ich mich mit konzeptionellen Fragen, den audiovisuellen Medien und redaktionellen Aufgaben.

Mein Berufsspektrum: Zu meinem Aufgabenkreis in allen Verwaltungseinheiten und Betrieben gehörten die klassischen Sachbearbeiteraufgaben, Umgang mit dem sog. "Bildschirm¬arbeitsplatz" und in den letzten Jahren auch Tätigkeiten im Intranet (mit Grundkenntnissen Internet).

Handwerkliche oder ordnungsdienstliche Erfahrungen gehören nicht zu meinem Lebenslauf. Ich möchte Sie um eine Eingangsbestätigung meiner Bewerbung bitten und darf Sie gleichzeitig um Übersendung einer genauen Arbeitsplatzbeschreibung (Einsatzort?/Kinder im Haus?) ersuchen. Da ich derzeit noch andere ABM-Bewerbungen laufen habe, erhoffe ich mir eine möglichst rasche Entscheidung Ihrerseits.

Mit freundlichen Grüßen ..."

Hierauf teilte die Firma dem Kläger mit Schreiben vom 15.08.2002 u.a. folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr D.,

wir bedanken uns für Ihr Interesse an einer Mitarbeit in unserem Unternehmen und bestätigen den Eingang Ihrer Bewerbung.

Um Sie weiter in dem Auswahlverfahren berücksichtigen zu können, benötigen wir noch einen detaillierten Lebenslauf sowie Kopien Ihrer Arbeitszeugnisse bzw. Bestätigung ehemaliger Arbeitgeber.

Wir bitten Sie uns diese per Post zuzusenden.

Für telefonische Rückfragen hierzu stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen ..."

Das Antwortschreiben des Klägers vom 16.08.2002 war wie folgt formuliert:

"Sehr geehrter Herr W.,

für die von Ihnen angebotene ABM-Stelle "Hausbetreuer" habe ich meine Bewerbung eigentlich alle für diese Position notwendigen Unterlagen beigefügt. Meines Wissens hatte ich auch einen detaillierten Lebenslauf beigelegt. Arbeitszeugnisse von ehemaligen Anstellungen als Hausbetreuer gibt es nicht, da ich nie als Hausbetreuer gearbeitet habe. Gleiches gilt für Arbeits¬zeugnisse aus dem handwerklichen Bereich, da ich noch nicht einmal in der Nähe der Dienstleistungsbranche tätig war, sondern überwiegend konzeptionell. Meine eingereichte Bewerbungsmappe soll daher als Entscheidungsgrundlage für Sie genügen und wird von anderen ABM-Trägern derzeit auch anstandslos akzeptiert.

Mit freundlichen Grüßen

P.S.: Vergessen Sie bitte nicht, mir eine Arbeitsplatzbeschreibung (Einsatzort) zuzusenden."

Hierauf teilte die Firma dem Kläger mit Schreiben vom 20.08.2002 u.a. folgendes mit:

Sehr geehrter Herr D.,

in unserem Schreiben vom 15.08.2002 haben wir von Ihnen einen detaillierten Lebenslauf ange¬fordert, da Ihr eingesandter Lebenslauf beispielsweise kein Aufschluss darüber gibt, in welchen Beschäftigungen Sie wie lange beschäftigt waren. Wir gehen davon aus, dass eine solche Kurz¬fassung auch den Anforderungen des Bewerbungsverfahrens bei anderen Arbeitgebern nicht ent¬spricht. Sie selbst haben in Ihrem Lebenslauf hinter der Überschrift vermerkt, dass es sich nur um Auszüge handelt. Insofern wissen Sie von der Unvollständigkeit.

Weiter haben wir von Ihnen Belege für ehemalige Beschäftigungsverhältnisse (Arbeitszeug¬nisse, Arbeitsbescheinigungen etc.) - nicht ausschließlich für Tätigkeiten als Hausbetreuer - ver¬geblich angefordert. Auch hier Fehlanzeige Ihrerseits.

Wir vermissen bei Ihnen die Bereitschaft, sich auf notwendige Spielregeln einzulassen. Inso¬fern sehen wir für Sie keine Möglichkeit der Beschäftigung bei uns ..."

Mit Bescheid vom 21.10.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen vom 06.09.2002 bis 28.11.2002 und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe während dieses Zeitraums mit der Begründung fest, der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechts¬folgen das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses vereitelt. Hiergegen legte der Kläger am 29.10.2002 Widerspruch ein. Die Bewerbung habe alle klassischen Details einer Bewerbung umfasst. Ein Vereitelungsverhalten liege von seiner Seite nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Bewerbung des Klägers sei unvollständig gewesen. Der Lebenslauf habe noch nicht einmal einen Hinweis auf das abgeschlossene Studium als Jurist enthalten. Die Formulierungen im Bewerbungs¬schreiben sowie seine ablehnende Haltung in dem Schreiben vom 16.08.2002 würden darauf schließen lassen, dass der Kläger an einer Einstellung tatsächlich nicht interessiert gewesen sei. Zumindest hätte sich dem Arbeitgeber dieser Eindruck aufdrängen müssen.

Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2002 Klage erhoben. Er trägt vor, seine Bewerbung habe der Beendigung der Arbeitslosigkeit gedient. Ihr könne kein eindeutiger Wille auf Arbeitsab¬lehnung entnommen werden. Der Lebenslauf sei nach seiner Ansicht vollständig gewesen. Weitere Unterlagen wie Arbeitszeugnisse habe er nicht übersenden können, da er über solche nicht verfüge.

In der mündlichen Verhandlung am 24.05.2004 hat die Beklagte den Bescheid vom 21.10.2002 und den Widerspruchsbescheid vom 10.12.2002 dahingehend abgeändert, dass die Sperrzeit vom 21.08.2002 bis 12.11.2002 läuft.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2002 und den Widerspruchsbescheid vom 10.12.2002 in Fassung des Änderungsbescheides vom 24.05.2004 aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie trägt vor, der Kläger habe spätestens mit dem Schreiben vom 16.08.2002 eine Einstellung vereitelt. Es wäre von dem Kläger zu erwarten gewesen, dem Arbeitgeber die Entscheidung darüber zu überlassen, welche Unterlagen für die Entscheidungsfindung notwendig sind, und diese nicht durch Spitzfindigkeiten und herablassende Formulierung, die sich besonders in den Unterstreichungen darstellen, zu brüskieren. Unter Berücksichtigung der juristischen Aus¬bildung des Klägers sei anzunehmen, dass er sich eingehend mit dem Begriff der Vereitelung eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt habe und mit seiner Bewerbung bewusst versucht habe, eben diese Vereitelung zu erreichen, ohne dass ihm dies nachzuweisen wäre.

Das Gericht hat von Amts wegen eine Auskunft der Fa. C. B. mbH eingeholt. Mit Schreiben vom 05.05.2003 hat die Firma u.a. mitgeteilt, dass aus ihrer Sicht der Kläger die Beschäftigung als Hausbetreuer nicht angenommen habe, sondern er sich bereits im Vorfeld noch nicht einmal an die allgemeinen Anforderungen an Bewerbungsunter¬lagen gehalten habe. Als Beschäftigungsträger habe die Firma die Aufgabe, Langzeitarbeitslose bei der Suche nach einem Arbeitsplatz im allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Diese Aufgabe könnte man allerdings nicht nachkommen, wenn Bewerber bereits vor der Einstellung mangelnde Kooperationsbereitschaft zeigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Festsetzung einer Sperrzeit von 12 Wochen Dauer ist nicht zu beanstanden.

Der Bescheid hat seine gesetzliche Grundlage in verfahrensrechtlicher Hinsicht in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Diesen Bestimmungen zufolge ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nur infolge einer besonders schwerwiegenden Verletzung der erforderlichen Sorgfalt nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe hat vom 21.08.2002 bis zum 12.11.2002 wegen des Eintritts einer Sperrzeit von 12 Wochen geruht, da der Kläger trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die ihm von der Beklagten angebotene Beschäftigung bei der Firma C. B. mbH ohne wichtigen Grund nicht angenommen hat bzw. die Anbahnung des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten verhindert hat (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Das Schreiben des Klägers vom 16.08.2002 enthält ein für den potenziellen Arbeitgeber so abschreckenden Inhalt, dass der Kläger schon allein wegen dieses Schreibens aus der Auswahl für den Arbeitgeber ausscheiden musste. Der Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 15.08.2002 zum Ausdruck gebracht, dass er für eine Einstellungs¬entscheidung noch weitere Unterlagen des Klägers benötigt. Darüber hinaus hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für telefonische Rückfragen zur Verfügung stehe. Diese Anfrage des Arbeitgebers ist der Kläger mit seinem Schreiben vom 16.08.2002 in provokanter Art und Weise begegnet. Der Kläger macht in diesem Schreiben deutlich, dass er die Überreichung weiterer Unterlagen nicht für erforderlich halte. Mit seinen im letzten Absatz des Schreibens enthaltenen Ausführungen macht er vielmehr dem Arbeitgeber Vorgaben dahingehend, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Einstellungsentscheidung zu treffen sei. Derartige Hin¬weise eines Bewerbers dürften für jeden Arbeitgeber inakzeptabel sein. Hinsichtlich der ange¬forderten Arbeitszeugnisse bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er solche entgegen dem Wunsch des Arbeitgebers nicht zu übersenden beabsichtige, da er Arbeitszeugnisse aus dem hand¬werk¬lichen Bereich bzw. als Hausbetreuer nicht besitze. Er weist dagegen nicht etwa darauf hin, dass er über gar keine Arbeitszeugnisse verfüge. Der Arbeitgeber konnte diese Ausführungen daher nur so verstehen, dass der Kläger in eigener Kompetenz beurteilt hat, ob ihm Arbeitszeugnisse, die für diesen konkreten Arbeitgeber interessant sein könnten, vorliegen. Der Arbeitgeber musste insoweit davon ausgehen, dass der Kläger nicht bereit ist, vorhandene Arbeitszeugnisse vorzulegen. Die Art des Antwortschreibens vom 16.08.2002, mit welchem der Kläger Bedingungen für die Entscheidungsgrundlage des Arbeitgebers vorgibt, ist aus Sicht eines Arbeitgebers als inakzeptabel anzusehen, die Formulierungen (z. B. "für diese Position ...", "meine eingereichte Bewerbungsmappe soll daher als Entscheidungsgrundlage für Sie genügen ...") erweisen sich zumindest teilweise als unangemessen bzw. geradezu bewusste Provokation des potenziellen Arbeitgebers. Auch die Reaktion des Arbeitgebers, die Empörung widerspiegelt, macht deutlich, dass der Arbeitgeber nach dem Schreiben vom 16.08.2002 eine Einstellung des Klägers nicht einmal ansatzweise und kurzfristig in Erwägung gezogen hat. Eine derart heftige Reaktion des Arbeitgebers ist als ausgesprochen ungewöhnlich anzusehen und spiegelt die Qualität des Bewerbungsverhaltens des Klägers wider. Der Kläger hat damit durch sein Bewerbungsverhalten das Zustande¬kommen eines Arbeitsverhältnisses vereitelt.

Die Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 24.05.2004 zu Recht den Beginn der Sperrzeit auf den 21.08.2002 festgesetzt. Gem. § 144 Abs. 3 SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperr¬zeit begründet. Der Kläger hat mit Schreiben vom 16.08.2002 das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, dieses Schreiben ist dem potenziellen Arbeitgeber am 20.08.2002 zugegangen, sodass die Sperrzeit am 21.08.2002 beginnt und kalendermäßig am 12.11.2002 abläuft. Nach dem Ende der Sperrzeit ergibt sich für den Kläger ab 13.11.2002 bis 28.11.2002 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Für den Zeitraum 21.08.2002 bis 05.09.2002 hat der Kläger bereits Leistungen erhalten. Ob eine Erstattung dieser Leistungen noch möglich ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die angebotene Stelle war auch zumutbar im Sinne des § 121 Abs. 3 SGB III. Das gebotene Arbeitsentgelt in Höhe von 1.458,00 EUR brutto entsprach im Jahr 2002 unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse des Klägers einem Nettoentgelt von 1.009,13 EUR und lag damit über der monatlichen Arbeitslosenhilfe des Klägers.

Die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III und damit die Reduzierung der Sperrzeit auf sechs Wochen kommt nicht in Betracht. Nach den Umständen dieses Einzelfalles ist die Festsetzung einer zwölfwöchigen Sperrzeit objektiv nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Grundsätzlich nicht zu beachten sind die wirtschaftlichen Folgen der Sperrzeit, die nicht Grundlagen des für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Verhaltens waren.

Die Beklagte war auch berechtigt, die Arbeitslosenhilfebewilligung für die Vergangenheit aufzuheben, da der Kläger mit dem Angebot darüber belehrt worden ist, dass bei Ablehnung der angebotenen Arbeit eine Sperrzeit eintritt und damit sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ruht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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