S 51 SO 267/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
51
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 SO 267/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 2. Juni 2005 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzielende Antrag, mit dem der in Folge einer Querschnittslähmung weitgehend auf den Rollstuhl angewiesene Antragsteller die Weiterbewilligung einer seit 1993 gewährten Haushaltshilfe begehrt, ist gemäß § 86 b Abs. 2 SGG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob angesichts des sog. Besitzstandspflegegeldes, das der Antragsteller - neben seinem Einkommen und ergänzenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - nach Angaben der Antragsgegnerin in monatlicher Höhe von 527,14 EUR bezieht, überhaupt ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit vorliegt. Denn der Antragsteller hat jedenfalls einen auf die Gewährung einer Haushaltshilfe gerichteten Anordnungsanspruch unter Berücksichtigung der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Rechtsänderungen nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 ZPO). Nach der Rechtsprechung der hamburgischen Sozialgerichte, der die Kammer folgt, scheidet seither die Gewährung einer Haushaltshilfe für Personen, die als erwerbsfähig im Sinne der Vorschriften des SGB II gelten, mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage grundsätzlich aus (vgl. LSG Hamburg, Beschl. v. 21.04.2005, - L 3 B 70/05 ER S0 -; SG Hamburg, Beschl. v. 09.05.2005, - S 56 SO 195/05 ER -; v. 20.05.2005, - S 53 SO 201/05 ER -; v. 08.06.2005, - S 53 SO 243/05 ER -; v. 09.06.2005, - S 50 AS 430/05 ER -; zu einem Einzelfall erheblicher Zweifel an der Erwerbsfähigkeit vgl. SG Hamburg, Beschl. v. 11.05.2005, - S 57 SO 185/05 ER -).

1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 27 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Danach kann Hilfe zum Lebensunterhalt auch Personen geleistet werden, die ein für den notwendigen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen oder Vermögen haben, jedoch einzelne für ihren Lebensunterhalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können. Die Vorschrift erfasst damit grundsätzlich Konstellationen, in denen ein Hilfesuchender einzelne Tätigkeiten, die zum notwendigen Lebensunterhalt gehören, wie z.B. das Reinigen der Wohnung oder der Wäsche, nicht verrichten kann. Die Anwendung dieser Vorschrift ist aber für den Antragsteller, der nach eigenen Angaben selbständig tätig ist und ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht, gemäß § 21 SGB XII, § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen. Nach diesen Vorschriften erhalten nämlich u.a. Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, in dem auch § 27 SGB XII enthalten ist.

2. Ein Anspruch auf die begehrte Leistung ergibt sich auch nicht aus § 70 SGB XII. Zwar ist die Anwendbarkeit dieser im Neunten Kapitel des SGB XII enthaltenen Vorschrift nicht durch § 21 SGB XII, § 5 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen. Ihre Voraussetzungen sind jedoch im Falle des Antragstellers nicht erfüllt. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sollen Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn keiner der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist. Sie umfassen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit (§ 70 Abs. 2 SGB XII). Die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts unterscheidet sich mithin von der Hilfe nach § 27 Abs. 3 SGB XII dadurch, dass in den Fällen des § 27 Abs. 3 SGB XII nur einzelne Tätigkeiten unterstützungsbedürftig sind, während es bei § 70 SGB XII um die Übernahme der gesamten Haushaltsführung geht (vgl. Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 70 Rdnr. 3; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 70 Rdnr. 3). Da der Antragsteller eigenen Angaben zu Folge eine selbständige Tätigkeit ausübt und im Übrigen auch in der Vergangenheit nur stundenweise Haushaltshilfe erhalten hat, geht es vorliegend nicht um eine vollständige Übernahme der Haushaltsführung, sondern lediglich um Hilfe bei einzelnen Verrichtungen, auf die § 70 SGB XII nicht anwendbar ist.

3. Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 73 SGB XII, wonach Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden können, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Gewährung von Leistungen nach § 73 SGB XII setzt jedoch voraus, dass eine Bedarfssituation vorliegt, die nicht den in den Kapiteln 3 bis 8 des SGB XII ausdrücklich geregelten Bedarfen zuzuordnen ist (vgl. Schlette, a.a.O., § 73 Rdnr. 3; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rdnr. 3). Mit der Vorschrift soll nämlich lediglich unbekannten Notlagen begegnet werden, sie ermöglicht dagegen nicht die Leistungsgewährung in Fällen, in denen die tatbestandlichen Voraussetzungen der ausdrücklich benannten Hilfen nicht gegeben sind (Wahrendorf a.a.O.).

4. Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht aus einem "erweiternden Verständnis von § 61 Abs. 5 Nr. 4 SGB XII" herleiten (so allerdings SG Oldenburg, Beschl. v. 30.05.2005, - S 2 SO 49/05 ER -). Die damit angesprochene Hilfe zur Pflege umfasst nach § 61 Abs. 2 SGB XII häusliche Pflege, Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege sowie stationäre Pflege und bestimmt sich inhaltlich nach den Regelungen der Pflegeversicherung für die in § 28 Abs. 1 Nr. 1, 5 bis 8 des Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Pflegeversicherung – (SGB XI) aufgeführten Leistungen. Keine der hiervon erfassten Vorschriften (vgl. §§ 36, 40, 41, 42 und 43 SGB XI) hat aber die vorliegend begehrten Mittel für die Bezahlung einer stundenweise tätigen Haushaltshilfe zum Gegenstand. Diese wären – wenn überhaupt – bei den Regelungen über das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen anzusiedeln. Auf die insoweit einschlägige Norm des § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI (ggf. i.V.m. § 37 SGB XI) nimmt § 61 Abs. 2 SGB XII aber nicht Bezug.

5. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller sein Begehren gegenüber der - hier nicht verfahrensbeteiligten - Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II (ARGE) ebenfalls nicht erfolgreich geltend machen dürfte, da das SGB II keinen Anspruch auf Haushaltshilfe vorsieht. Auch eine nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII mögliche abweichende Festlegung eines Bedarfs kennt das SGB II nicht (kritisch hierzu unter verfassungsrechtlicher Perspektive Däubler, NZS 2005 S. 225). Diese Umstände sind vom Gesetzgeber zu verantworten und können auch nur durch ihn beseitigt werden. Eine abweichende gerichtliche Entscheidung (vgl. SG Oldenburg, a.a.O.) oder eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht in Betracht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved