S 40 U 517/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 517/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalles vom 17.09.2000 über den 15.01.2001 hinaus.

Die 1945 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt selbstständige Taxifahrern und bei der Beklagten versichert. Am 17.09.2000, einem Sonntag, hatte die Klägerin eine Taxitour vom Hamburger F. zur R ... Hierbei beförderte sie einen stark angetrunkenen Fahrgast (über 2,0 Promille BAK), wobei es zu einer verbalen Auseinandersetzung im Taxi kam. In Höhe des H.-A.-Platzes verließ der Fahrgast auf der R. das Taxi ohne das Beförderungsentgelt zu entrichten. Die Klägerin stieg ebenfalls aus ihrem Taxi und verlangte ein Beförderungsentgelt in Höhe von DM 8,60. Nach Angaben der Klägerin habe der Fahrgast ihr dann vor dem Taxi zweimal auf den Hinterkopf geschlagen und gesagt: "Wenn du jetzt nicht abhaust, dann erschieße ich dich." Danach habe er in seine Jackentasche gegriffen und die Klägerin sei davon ausgegangen, dass der Fahrgast eine Pistole herausholen würde. In diesem Moment nahm sie ein Pfefferspray und sprühte es dem Fahrgast ins Gesicht. Sie ging zurück zu ihrem Fahrzeug und informierte die Polizei über diesen Vorfall. Da sich der Fahrgast vom Tatort entfernte, fuhr sie mit ihrem Taxi ca. 30 m hinter ihm her, um die Polizeinotrufzentrale ständig über den genauen Aufenthaltsort des Fahrgastes zu informieren. Nach ca. 3 bis 5 Minuten kam ein Polizeiwagen, nahm den Fahrgast fest und führte ihn direkt in die am Ort befindliche Polizeiwache Davidstraße ab. Die Polizisten baten die Klägerin, ebenfalls in die Polizeiwache zu kommen, damit eine Strafanzeige protokolliert werden konnte. Am Ende der Protokollierung ging die Klägerin zu ihrem Taxi, um den immer noch laufenden Taxameter abzulesen. Vom Fahrgast erhielt sie schließlich DM 31,00 (Fahrpreis plus Wartezeit). Aus dem Protokoll der Polizei vom Unfalltage ergab sich, dass dem Fahrgast der linke Arm fehlte, was die Klägerin nach ihren Angaben nicht bemerkte. Äußere Verletzungen konnte die Polizei bei der Klägerin nicht erkennen.

Nach dem gesamten Vorfall habe sich die Klägerin in ihr Taxi gesetzt und dort sei ihr wohl erst bewusst geworden, in welcher Gefahr sie sich befunden habe. Sie sei dann nach Hause gefahren und habe die Arbeit eingestellt.

Am 19.09.2000 suchte sie ihre Hausärztin auf, die ihrerseits die Klägerin an das B. Unfallkrankenhaus Hamburg (BUKH) überwies, wo eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert und mit Akupunktur behandelt wurde.

Am 22.09.2000 meldete die Klägerin das Unfallereignis telefonisch bei der Beklagten. In dem gefertigten Telefonvermerk wird zum Unfallhergang unter anderem ausgeführt: " er täuschte vor im Besitz einer Waffe zu sein und drohte der Klägerin sie zu erschießen."

Im neurologischen Befundbericht des BUKH vom 18.01.2001 wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des weiteren Behandlungsverlaufs nunmehr eine weitere Besserung der vorbeschriebenen psychischen Symptome zu verzeichnen war. Arbeitsfähigkeit wurde ab dem 15.01.201 festgestellt und insofern die durchgeführte Arbeit- und Belastungserprobung erfolgreich beendet. Mit der Klägerin wurde noch eine kurzfristige Weiterbehandlung in Form von Akupunkturbehandlungen im ambulanten Rahmen während der arbeitsfreien Zeit vereinbart, wobei eine Sitzung pro Woche vorgesehen war.

Mit Bescheid vom 19.04.2001 stellte die Beklagte den unfallbedingten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit von 17.09.2000 bis 14.01.2001 fest. Gegen die Höhe des festgesetzten Verletztengeldes legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein.

Am 27.08.2002 stellte sich die Klägerin auf eigene Veranlassung erneut im BUKH vor. Im neurologischen Befundbericht an die Beklagte vom 28.08.2002 wurde unter anderem ausgeführt: " die gesamte psychische Situation habe sich insbesondere durch den Gerichtsprozess im Herbst des Jahres 2001 verschlechtert. Bei dem Verfahren vor dem Amtsgericht sei argumentiert worden, dass das Ganze auf eine höhere Ebene weitergeleitet werden müsste. Bei dem Schöffengericht sei es dann letztlich so gewesen, dass "Aussage gegen Aussage" gestanden und man den Täter freigesprochen habe. Das habe sie zum völligen Zusammenbruch gebracht. Seitdem gehe überhaupt nichts mehr und sie habe auch schon gedacht, dass ihr Leben keinen Sinn mehr habe. Inzwischen sei sie erneut seit Anfang Juli arbeitsunfähig geschrieben. Sie warte jetzt auf einem Platz in einer psychotherapeutischen Einrichtung."

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. Dr. W. (Facharzt für Nervenheilkunde, physikalische und rehabilitative Medizin) am 04.12.2002 ein nervenärztliches Zusammenhangsgutachten. Zusammenfassend führte der Gutachter aus, dass sich aus psychiatrischer Sicht bei der Klägerin eine anhaltende, mittelschwer ausgeprägte depressive Symptomatik feststellen lasse. Es handele sich hierbei um eine Zweiterkrankung im Sinne eines unfallfremden Nachschadens. Die depressive Symptomatik habe sich manifestiert, nachdem die Klägerin ab dem 15.01.2001 über mehr als ein Jahr hinweg nach dem Abklingen der unfallbedingten Belastungsreaktion wieder beruflich als Taxifahrern tätig geworden sei. Eine mit Unfallfolgen zu begründende Erwerbsminderung liege daher nicht vor.

Vom 10.12.2002 bis 11.03.2003 war die Klägerin in stationärer psychiatrischer Behandlung im Krankenhaus G ...

Mit Bescheid vom 24.01.2003 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Unfalles vom 17.09.2000 über den 15.01.2001 hinaus ab. Zur Begründung führte sie aus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem Körperschaden ein innerer ursächlicher, zeitlicher und örtlicher Zusammenhang bestehen müsse. Dies bedeute, dass das äußere Ereignis rechtlich wesentliche Ursache für den Körperschaden sein müsse. Ein solcher Zusammenhang sei insbesondere nach den Ausführungen von Dr. Dr. W. nicht gegeben.

Den Widerspruch der Klägerin vom 14.02.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.11. 2003 zurück, weil der ursächliche Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich sei.

Mit ihrer am 15.12.2003 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und ist der Meinung, die Beklagte habe sich nicht mit dem Entlassungsbericht der Klinik G. auseinander gesetzt. Aus diesem ergebe sich, dass ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis vorliegen würde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, wegen des Unfalles vom 17.09.2000 über den 15.01.2001 hinaus Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und hält diese für rechtmäßig.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Weiter hat das Gericht die Akte des Versorgungsamtes Hamburg über die Klägerin beigezogen, in der sich der Entlassungsbericht der Klinik G. befindet.

Auf Veranlassung des Gerichts hat der medizinische Sachverständige Dr. F. nach ambulanter nervenärztlicher Untersuchung am 23.03.2005 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet und dieses im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 15.04.2005 erläutert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 15.04.2005 sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten und des Versorgungsamtes Hamburg. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung der Kammer.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalles von 17.09.2000 über den 15.01.2001 hinaus. Die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang (mehr) zum erlittenen Arbeitsunfall.

Es steht nach Überzeugung der Kammer nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die von der Klägerin geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.09.2000 sind.

Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls Anspruch auf näher bezeichnete Leistungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (vgl. § 7 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (vgl. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).

Zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes müssen die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und die Gesundheitsstörung im so genannten Vollbeweis gesichert sein, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit ist für die ursächlichen Zusammenhänge zwischen versicherter Tätigkeit und dem Unfallereignis (so genannter haftungsbegründender Zusammenhang) sowie zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung (so genannter haftungsausfüllender Zusammenhang) erforderlich.

Die Klägerin hat am 17.09.2000 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem es zu einer akuten Belastungsreaktion gekommen ist, die zu Ansprüchen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum 15.01.2001 geführt haben. Das Gericht konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass das Unfallereignis im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit die von der Klägerin angegebenen Gesundheitsstörungen über den 15.01.2001 rechtlich wesentlich verursacht hat. Es liegt nach Auffassung der Kammer nach diesem Zeitpunkt eine mittelschwere depressive Störung mit dissoziativem Erleben vor. Die psychische Dekompensation, die bei der Klägerin Ende 2001 bzw. Mitte 2002 durch den "Freispruch des Täters" ausgelöst wurde, ist rechtlich wesentlich nicht mehr dem versicherten Unfallgeschehen zuzurechnen. Es handelt sich insoweit um eine unfallunabhängige Gesundheitsstörung.

Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden "Lehre von der wesentlichen Bedingung" ist ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung (so genannte haftungsausfüllende Kausalität) nur dann zu berücksichtigen, wenn nach einer wertenden Betrachtungsweise dem versicherten Unfallereignis eine wesentliche Bedeutung für den Eintritt des Gesundheitsschadens zukommt. Nach dieser Theorie genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio sine qua non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führen würde. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu der Gesundheitsstörung und zu dessen Eintritt "wesentlich" beigetragen haben.

Daher ist im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität selbstständig zu prüfen, ob die geltend gemachte Gesundheitsstörung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist (Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 8 SGB VII, Rn. 7, 21, 257). Das heißt, dass nicht jede Gesundheitsstörung, die durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht bzw. ausgelöst wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit anerkannt wird, sondern nur diejenige, die "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursachen wesentlich sind und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursachen zum Eintritt der Gesundheitsstörung abgeleitet werden (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).

Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsstörung eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsstörung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287). Diese hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt hingegen nicht (vgl. BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 RVO aF; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3 1300 § 48 Nr. 67).

Nach Abwägung der Umstände im Falle der Klägerin ist die Kammer nicht der Überzeugung, dass mit der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit im Sinne der Kausalitätslehre festgestellt werden kann, dass die von ihr geltend gemachten Gesundheitsstörungen über den 15.01.2001 hinaus auf das Unfallereignis vom 17.09.2000 zurückzuführen sind. Damit fehlt es hier an der erforderlichen haftungsausfüllenden Kausalität.

Der erforderliche medizinische Zusammenhang wird von keinem, der die Klägerin behandelnden Ärzte bestätigt. Die Gutachter Dr. Dr. W. und Dr. F. kommen beide zum Ergebnis, dass die von der Klägerin begehrte weitere Entschädigung nicht in einem Unfallzusammenhang steht. Den schlüssigen Aussagen beider Gutachter schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage insoweit an. Insbesondere hat Dr. F. überzeugend ausgeführt, dass die nach dem Unfall aufgetretene akute Belastungsreaktion (Anpassungsstörung/Angststörung) in der Regel zu einer Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Monaten führen kann. Die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit von ca. vier Monaten bei der Klägerin entspreche daher genau der geltenden medizinischen Lehrmeinung.

Die Klägerin hat auch keine posttraumatische Belastungsstörung durch das Unfallereignis erlitten. Die Kammer folgt hierbei der medizinischen Lehrmeinung, die Dr. F. anhand des gültigen und anzuwendenden Diagnosemodells - DSM-IV - in seinem Gutachten und in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargestellt und erläutert hat. Der Gutachter hat schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin an keiner posttraumatischen Belastungsstörung leitet, weil insoweit die Kriterien des DSM-IV nicht erfüllt sind. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt nicht in dem Maße traumatisiert, dass das A2-Kriterium (die Reaktion der Person umfasst intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen), sowie das Vermeidungskriterium C. erfüllt wären. Beides konnte durch die detaillierte Unfallschilderung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt werden, so dass für die Kammer feststeht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung bei der Klägerin nicht vorgelegen hat. Weiter ergibt sich dies aus der Tatsache, dass die Klägerin bereits ein paar Tage nach dem Unfallereignis in der Lage war, bei der Beklagten selbst eine telefonische Unfallmeldung zu machen und hierbei das Unfallereignis am Telefon schildern konnte.

Auch aus dem Entlassungsbericht der Klinik G. ergibt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen der psychischen Dekompensation der Klägerin Mitte 2002 und dem Unfallereignis. Vielmehr ist dem Bericht zu entnehmen, dass sich der Zustand der Klägerin im Jahre 2002 durch einen Bandscheibenvorfall und nach dem zweiten Prozess gegen den Täter, der freigesprochen wurde, rapide verschlechtert habe.

Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass der Strafprozess gegen den Fahrgast in einem naturwissenschaftlich-philosophischen Zusammenhang steht und das Unfallgeschehen durch die Beteiligung der Klägerin wieder in ihr Bewusstsein gelangt ist. Diese Geschehensabläufe im strafgerichtlichen Prozess mit der psychischen Dekompensierung der Klägerin können nach Auffassung der Kammer aber nicht mehr der gesetzlichen Unfallversicherung zugerechnet werden. Das Unfallereignis ist nicht (mehr) rechtlich wesentliche Ursache dafür, dass durch den Prozess bei der Klägerin eine weitere Gesundheitsstörung eingetreten ist. Es würde den Rahmen des Schutzbereiches der gesetzlichen Unfallversicherung sprengen, wenn jeder Ursache, die ein allgemeines Lebensrisiko darstellt, als "wesentlich" durch das Ereignis bedingt anzusehen wäre. Dass ein "Täter" aus Sicht des "Opfers" zu Unrecht in einem Strafprozess - möglicherweise aus Mangel an Beweisen - freigesprochen wird, gehört regelmäßig zum allgemeinen Lebensrisiko und kann nur in Ausnahmefällen der gesetzlichen Unfallversicherung zugerechnet werden. Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise dann vorliegen, wenn bei dem Opfer durch die Tat eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, und das Opfer dann im Strafprozess durch ihre Aussagen das Unfallgeschehen erneut "durchleben" muss. Da es vorliegend bei der Klägerin nicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen ist, liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Zwar war im vorliegenden Fall keine "Krankheitsanlage" oder gar ein "Vorschaden" im Sinne einer bereits bestehenden psychischen Erkrankung vor dem Unfallereignis feststellbar. Dies bedeutet aber nicht, dass damit automatisch das Unfallereignis als wesentliche Ursache der psychogenen Störung zu werten ist. Vielmehr muss bei psychischen Störungen der Schweregrad des Unfallereignisses, der Schweregrad des Unfallerlebens, der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und psychischen Folgen, die Persönlichkeit des betroffenen Menschen in seinem sozialen Gefüge und seiner jeweiligen Lebenssituation sowie mögliche sekundäre Motive und psychosoziale Faktoren aus dem persönlichen Umfeld berücksichtigt werden (Zeit/Jung, Psychiatrische Anamnesen im Gutachten, 2.Aufl., 2004, S.123 m.w.N.). Hierbei ist zu beachten, dass die Klägerin seit dem 15.01.2001 bis Juli 2002 nicht mehr arbeitsunfähig - ärztlich festgestellt - war, so dass auch der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und den psychischen Folgen nicht mehr bestand.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits und beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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