L 6 KR 665/03

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 306/01
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 665/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein konkreter Anlass für eine Beratung über die nahe liegende Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung besteht für eine Krankenkasse bei einer bekannten seelischen Behinderung des Versicherten (Unterbringung in einem psychiatrischen Landesfachkrankenhaus auf unabsehbare Zeit) und der Notwendigkeit der gesetzlichen Betreuung.

2. Eine Krankenkasse muss sich ggf. das Verhalten der Pflegeberaterin und der Pflegekasse zurechnen lassen.

3. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der sozialrechtlichen Herstellung sind unabhängig voneinander zu prüfen (vgl. BSG vom 27. Juli 2004 - Az.: B 7 SF 1/03 R).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Suhl vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten.

Mit Beschlüssen des Amtsgerichts Sonneberg (Az.: XVII 106/94) vom 8. November 1994 und 26. November 1999 wurde die Betreuerin M. G., vormals Mitarbeiterin des Vereins Volkssolidarität e.V. N. und nunmehr Mitarbeiterin des Betreuungsvereins B. e.V. N., als gesetzliche Betreuerin des Klägers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung bei notwendiger ärztlicher Heilbehandlung und Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden bestellt.

Der seit längerem seelisch behinderte Kläger war vom 1. August 1997 bis einschließlich 31. Juli 2000 bei der R.-Werkstätten gGmbH, einer Werkstatt für behinderte Menschen (vgl. §§ 136, 137 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX)) beschäftigt und bei der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. gesetzlich kranken- und pflegeversichert (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)). Der Beigeladene zu 1. leistete in dieser Zeit Hilfe in besonderen Lebenslagen als Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Aufgrund einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wurde der Kläger am 1. August 2000 in das Landesfachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie H. zum stationären Aufenthalt eingewiesen. Das Beschäftigungsverhältnis mit der R.-Werkstätten gGmbH endete zu diesem Zeitpunkt; Sozialhilfeleistungen gewährte der Beigeladenen zu 1. weiterhin. Er stellte mit Schreiben vom 3. August 2003 (der Geschäftstelle H. der Beklagten am 7. August 2000 zugegangen und am 9. August bei der Beigeladenen zu 2. eingegangen) "gemäß § 91a BSHG" einen Antrag auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI und machte einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend.

Ausweislich der von der R.-Werkstätten gGmbH unter dem 6. September 2000 erteilten Bescheinigung zur Sozialversicherung war der Kläger bei der Beklagten vom 1. März bis 31. Juli 2000 gemeldet.

Nach dem internen Vermerk des Sachbearbeiters H. vom 19. Oktober 2000 sollte ein Hausbesuch der Beklagten beim Kläger durchgeführt werden. Hierbei sollte ein Antrag auf Pflegeleistungen aufgenommen werden. Die Versicherungszeiten seien unklar. Zu prüfen sei, ob der Kläger noch bei der AOK versichert sei. Wahrscheinlich sei dies nicht der Fall.

Anlässlich des am 27. Oktober 2000 durchgeführten Hausbesuchs überreichte die im Auftrag der Beigeladenen zu 2. tätige Pflegeberaterin H. der Mitarbeiterin des Betreuungsvereins B. e.V. H. einen Antragsvordruck auf Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung. Sie vermerkte u.a. Folgendes im Besuchsbericht: "Der Versicherte wohnt nicht mehr im Kirchweg 73. Er befindet sich nach Auskunft des betreuten Wohnens im LNK H. Die gesetzliche Betreuerin ist Frau G. vom BV N. e.V. Der Antrag wird von ihr gestellt, wenn sie nächste Woche wieder kommt. Er wurde an Frau H. übergeben."

Mit Telefax vom 6. November 2000 wandte sich der Beigeladene zu 1. nochmals an die Beklagte und bat sie, die "Antragsformalitäten" mit der gerichtlich bestellten Betreuerin zu erledigen. Als Sozialhilfeträger sei er bereit, die freiwilligen Versicherungsbeiträge zu übernehmen. Mit Schreiben vom 9. November 2000 teilte ihm die Beklagte mit, dass wegen Ablaufs der Drei-Monats-Frist des § 9 SGB V eine freiwillige Mitgliedschaft nicht möglich sei. Eine Kopie übersandte sie der Betreuerin G., die mit Schreiben vom 29. November 2000 Widerspruch einlegte und um "Rückversetzung" in den vorigen Stand mit dem Ziel der Feststellung einer freiwilligen Mitgliedschaft der Beklagten ab dem 1. August 2000 bat. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2001 den Widerspruch zurück.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. März 2003 unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 9. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2001 festgestellt, dass der Kläger zum 1. August 2000 der freiwilligen Versicherung der Beklagten beigetreten ist. Diesem sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 SGB X zu gewähren.

Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, Wiedereinsetzung komme nicht in Betracht, weil der Kläger oder die Betreuerin G. ihr den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung nicht innerhalb von drei Monaten nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Nr. SGB V nach Beendigung der Pflichtmitgliedschaft erklärt habe. Das Fristversäumnis sei nicht ohne Verschulden des Klägers - bzw. seiner Betreuerin, deren Handlungen ihm zuzurechnen seien - eingetreten. Die Pflegeberaterin H. habe bei ihrer Vorsprache am 27. Oktober 2000 der Mitarbeiterin H. lediglich die Antragsunterlagen für Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung überreicht. Innerhalb der Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 SGB V habe keine Aufklärung oder Beratung seitens der Beklagten stattgefunden. Es hätte der Betreuerin G. aufgrund ihrer Ausbildung als Berufsbetreuerin bekannt sein müssen, dass der Kläger zum 1. August 2000 aus der Pflichtversicherung ausgeschieden sei. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch komme nicht zur Anwendung, weil er gegenüber § 27 SGB X subsidiär sei. Überdies habe sie keine Pflicht verletzt. Sie sei dem Kläger wie jedem Versicherten nach Beendigung einer die Pflichtmitgliedschaft begründenden Beschäftigung gegenüber nicht zur Beratung bezüglich einer Anschlussversicherung verpflichtet. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass sich jeder Versicherte nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis um eine Anschlussbeschäftigung kümmere oder sich arbeitslos melde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 26. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils. Der Betreuerin des Klägers sei kein Antragsformular für die Aufnahme in die freiwillige Versicherung übereicht worden.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Der Senat hat den Beteiligten im Rahmen des Erörterungstermins vom 19. Juli 2004 Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Die zulässige und statthafte Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Kläger ab dem 1. August 2000 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden ist.

Da der Kläger aufgrund seiner seelischen Behinderung seit dem 1. August 1997 bei der als Werkstatt für behinderte Menschen nach §§ 136, 137 SGB XI anerkannten R. Werkstätten gGmbH beschäftigt war, unterlag er nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V der Versicherungspflicht.

Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes und der damit verbundenen Notwendigkeit eines längerfristigen stationären Aufenthaltes in einer Klinik für Psychiatrie musste er seine Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte beenden mit der Folge, dass seine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Ablauf des 31. Juli 2000 endete.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V können Personen der Versicherung beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V werden dabei nicht berücksichtigt. Der Beitritt ist innerhalb von drei Monaten anzuzeigen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V).

Unstreitig ist der Beitritt des Klägers der Beklagten nicht innerhalb des Dreimonatszeitraums nach Ende der Pflichtmitgliedschaft angezeigt worden sondern erst mit dem ihr am 1. Dezember 2000 zugegangenem Schriftsatz der Betreuerin G. vom 29. November 2000.

Ob die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 SGB X erfüllt sind, lässt der Senat offen. Diese kommt nur in Betracht, wenn der Betreuer als Vertreter des - wie hier - handlungsunfähigen Betreuten (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X) ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 14. Mai 2002 – Az.: B 12 KR 14/01 R in SozR 3-2500 § 9 Nr. 4). Grundsätzlich ist dies der Fall, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den gesamten Umständen vernünftigerweise zuzumuten ist (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 7. Auflage 2002, § 67, Rdnr. 3). Der seit 1994 für den Kläger tätigen und somit mit seinen Lebensumständen vertrauten Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Vermögens- und Gesundheitssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden ist nach diesem subjektiven Maßstab zuzumuten, dass sie aus dem Anlass der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischem Krankenhaus und der Beendigung der Tätigkeit des Klägers in der Werkstatt für Behinderte seinen sozialrechtlichen- bzw. versicherungsrechtlichen Status ggf. durch Nachfragen bei den zuständigen Sozialleistungsträgern überprüft. Denn sie hatte ihrer Einlassung zufolge von diesen Vorgängen unmittelbar Kenntnis erlangt. Insoweit könnte sie (leicht) fahrlässig die Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 SGB V nicht eingehalten haben.

Letztlich ist dies aber nicht erheblich, weil der Kläger im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt wird, als habe er diese Frist eingehalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 15. Dezember 1994 – Az.: 4 RA 64/93, nach juris) muss dabei der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger eine Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis mit dem Anspruchssteller, die ihm gerade diesem gegenüber oblag, (objektiv) rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt haben (Pflichtverletzung), sei es durch eigene Organe (Behörden, Stellen, Beliehene), sei es durch andere Leistungsträger (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I)) oder deren Organe, falls diese durch das SGB oder durch Vertrag (vgl. §§ 93, 88 ff. SGB X, § 2 Abs. 2 Halbs. 2 SGB I) mit der Erfüllung dieser Pflicht für ihn beauftragt waren (sog. Funktionseinheit). Diese Pflichtverletzung muss als nicht hinwegdenkbare Bedingung neben anderen Bedingungen zumindest gleichwertig (ursächlich) bewirkt haben, dass dem Betroffenen ein (verfahrensrechtliches oder materielles Leistungs-, Gestaltungs- oder Abwehr-) Recht, das ihm im jeweiligen Sozialrechtsverhältnis nach den oder aufgrund der Vorschriften des SGB gegen den Leistungsträger zugestanden hätte, nicht mehr, nicht in dem vom Primärrecht bezweckten Umfang oder überhaupt nicht zusteht (sog. sozialrechtlicher Nachteil). Zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil muss ein Schutzzweckzusammenhang gegeben sein. D.h. die verletzte Pflicht muss darauf gerichtet sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (vgl. BSG, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Ein konkreter Anlass zur Beratung des Klägers bzw. seiner Betreuerin über die nahe liegende Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung (letztlich auf Kosten des Sozialhilfeträgers) war angesichts seiner der Beklagten seit langen bekannten seelischen Behinderung und der Notwendigkeit seiner gesetzlichen Betreuung gegeben. Insoweit kann unentschieden bleiben, ob die Beklagte den Kläger auch in dem - hier nicht gegebenen - Fall, dass keine besondere Schutzbedürftigkeit vorgelegen hätte, aus Anlass des Ausscheidens aus der gesetzlichen Krankenversicherung u.a. über die Möglichkeit des Beitritts als freiwilliges Mitglied innerhalb der Dreimonatsfrist beraten müsste (vgl. Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. Februar 2004 – Az.: L 2 KR 27/02 unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. November 1998 – Az.: L 5 KR 44/97, im Ergebnis auch Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. September 2003 – Az.: L 15 KR 31/01, sämtlich nach juris) oder ob bei Beendigung der Pflichtversicherung und der Möglichkeit der Weiterversicherung regelmäßig der Sozialleistungsträger nicht zur Beratung verpflichtet ist (vgl. Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, Urteil vom 6. Mai 2002 – Az.: L 1 KR 30/01, m.w.N.).

Bereits durch den am 7. August 2000 in der Geschäftsstelle H. eingegangenen "Antrag" des Beigeladenen zu 1. auf einen Kostenzuschuss nach § 43a SGB XI und Geltendmachung eines entsprechenden Erstattungsanspruches durch die Beigeladene zu 1. war ihr zur Kenntnis gekommen, dass der Kläger sich auf unabsehbare Zeit in einem psychiatrischen Landesfachkrankenhaus befand und als pflegebedürftig zumindest nach Stufe I angesehen wurde. Somit ergab sich für die Beklagte zu diesem Zeitpunkt ein Anlass, den versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu überprüfen und ihn - bzw. seine Betreuerin - entsprechend seiner behinderungsbedingt erhöhten Schutzbedürftigkeit hinsichtlich der Aufrechterhaltung des (Kranken-)versicherungsschutzes und Einhaltung der entsprechenden Mitteilungsfristen zu beraten. Aufgrund der der Beklagten am 27. September 2000 zugegangenen von der R. Werkstatt gGmbH ausgestellten Bescheinigung der Sozialversicherung hätte diese ebenfalls in diesem Sinne tätig werden müssen. Denn sie hätte daraus ableiten müssen, dass die Voraussetzungen einer Pflichtmitgliedschaft bei ihr nicht mehr vorlagen. Dass die Beklagte auch selbst einen Anlass zur Überprüfung des Versicherungsverhältnisses gesehen hatte, ergibt sich aus der von dem Sachbearbeiter H. am 19. Oktober 2000 gefertigten Aktennotiz, die den Zweck hatte, ein "Pflegegespräch" bzw. eine Beratung mit dem Kläger u.a. zu Klärung des Versicherungsverhältnisses anzubahnen.

Eine weitere Pflichtverletzung resultiert aus der Vorsprache der Pflegeberaterin H. am 27. Oktober 2000 im Büro der Betreuerin. Sie hätte in Ausführung der Aktennotiz vom 19. Oktober 2000 die versicherungsrelevanten Fakten ermitteln und die Betreuerin auf die bis Ende Oktober 2000 bestehende Weiterversicherungsmöglichkeit hinweisen bzw. entsprechende Schritte einleiten müssen, damit die ortabwesende Betreuerin noch fristgerecht eine Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung abgeben konnte. Dies ist nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten nicht geschehen. Aufgrund der gesetzlich konkretisierten funktionalen Zusammenarbeit mit der Pflegekasse muss sich die Beklagte das Verhalten der Pflegeberaterin bzw. der Beigeladenen zu 2. zurechnen lassen. So haben die Pflegekassen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB XI die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen und Hilfen anderer Träger zu unterrichten und zu beraten, zumal die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung auch in der Sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind (§ 20 Abs. 1 SGB XI) und die Möglichkeit der Weiterversicherung innerhalb einer Dreimonatsfrist nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht gegeben ist (§ 26 Abs. 1 SGB XI).

Da der Kläger in Folge dessen seinen Versicherungsschutz verloren hat, besteht am Eintritt des sozialrechtlichen Schadens kein Zweifel, zumal sich der Beigeladene zu 1. bereit erklärt hat, die Beiträge zur freiwilligen Versicherung aus Sozialhilfemitteln zu erstatten.

Dass die Betreuerin - möglicherweise in Kenntnis des Geschehensablaufs, insbesondere der Aufgabe der Tätigkeit des Klägers in der Werkstatt für Behinderte - fahrlässig keine Vorkehrungen getroffen hatte, um die Dreimonatsfrist des § 9 Abs. 2 SGB V einzuhalten, ist unerheblich. Denn ihr Verhalten wäre allenfalls gleichwertig zu der Pflichtverletzung der Beklagten bzw. der der Beklagten aufgrund der Funktionseinheit zuzurechnenden Pflichtverletzung der Beigeladenen zu 2. (vgl. BSG, a.a.O.).

Ein Schutzzweckzusammenhang liegt offensichtlich vor, weil die hier unterlassene Beratung der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes des Klägers dient.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Abs. 1 SGB X und der sozialrechtlichen Herstellung unabhängig voneinander zu prüfen (vgl. z.B. BSG vom 27. Juli 2004 – Az.: B 7 SF 1/03 R, nach juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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