L 5 U 166/03

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 5 U 79/01
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 U 166/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 21. November 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, wie hoch die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für eine anerkannte Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiterer Hautkrankheiten ist.

Der Kläger ist am 1955 geboren. Er erlernte den Beruf eines Maschinenbauers. Später schulte er zum Feinmechaniker um und war als CNC-Dreher und Fräser beschäftigt.

Am 15. September 1998 zeigte der Hautarzt Dr. E an, dass der Kläger unter einem wiederkehrenden Ekzem und Austrocknung der Hände sowie Juckreiz leide. Diese Erscheinungen seien seit dem 4. August 1998 bekannt und vermutlich durch Bohr- und Schmieröle verursacht worden.

Nachdem die Beklagte eine Krankenkassenauskunft eingeholt hatte, erstattete der Hautarzt Dr. H am 19. November 1998 ein Gutachten, in dem er die Hauterscheinungen an den Händen als Berufskrankheit bezeichnete. Unter Berücksichtigung des weiteren Verlaufs empfahl Dr. H in der Stellungnahme vom 3. Mai 1999 eine weitergehende Begutachtung.

Bei einer Kur in Bad B im Mai und Juni 1999 stellten die behandelnden Ärzte eine Psoriasis am gesamten Körper fest. An den Händen fanden sich transgrediente Erytheme mit Schuppung und Hyperkeratosen. Die Behandlung war erfolgreich, doch empfahlen die Ärzte einen Arbeitsplatzwechsel (Bericht vom 15. Juni 1999). Inzwischen hatte auch die Präventionsabteilung der Beklagten festgestellt, dass der Kläger auf seinem letzten Arbeitsplatz hautgefährdend gearbeitet habe (Stellungnahme vom 23. Juli 1999). In seinem weiteren Gutachten vom 2. November 1999 stellte Dr. H daraufhin fest, dass ein beruflich bedingtes kumulativ-subtoxisches Ekzem an den Händen des Klägers vorhanden sei. Dieses Ekzem sei abgeheilt. Wolle der Kläger seine Tätigkeit als Dreher und Fräser wieder aufnehmen, müsse er entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen. Die Hauterscheinungen am übrigen Körper seien nicht ursächlich auf seine berufliche Arbeit zurückzuführen. Die Hautärztin Dr. D bestätigte im Wesentlichen die Befunde von Dr. H. Sie beurteilte die MdE am 21. Dezember 2000 mit 0 v. H ... Die Beklagte erteilte daraufhin den Bescheid vom 16. Januar 2001. Darin erkannte sie als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 5101 an:

abgeheiltes kumulatives subtoxisches Ekzem (Abnut- zungsjuckflechte aufgrund beständig wiederkehrender Schadstoffeinwirkungen über einen längeren Zeitraum) der Hände.

Ausdrücklich nicht als Folge der Berufskrankheit beschrieb die Beklagte in diesem Bescheid eine atopische Diathese (erblich bedingte Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen vom Soforttyp). Die Beklagte gewährte keine Verletztenrente, weil die MdE den Grad von 20 v. H. nicht erreichte. In dem Widerspruchsbescheid vom 26. April 2001 bestätigte die Beklagte ihre Entscheidung.

Am 25. Mai 2001 hat der Kläger Klage erhoben und sich zu deren Begründung auf die Stellungnahme des Hautarztes Dr. E vom 19. Juli 2001 gestützt. Dieser Arzt habe eine MdE von 20 v. H. im erlernten Beruf bescheinigt.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm infolge der Berufskrankheit eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 13. November 1999 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat den Hautarzt Prof. Dr. Dr. P als medizinischen Sachverständigen vernommen und von ihm eine ergänzende Allergietestung durchführen lassen. Sodann hat es mit Urteil vom 21. November 2003 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe keine Verletztenrente zu, weil die MdE für die Hautkrankheit nicht mindestens 20 v. H. erreiche. Bei ihm liege lediglich ein irritativ-toxisches Kontaktekzem der Hände vor, das durch den Kontakt mit Öl entstanden sei. In mehreren Allergietestungen - zuletzt durch Prof. Dr. Dr. P - habe eine Allergie gegen Kühlschmiermittel nicht nachgewiesen werden können. Dass der Kläger an einer trockenen Haut mit Disposition zur Entwicklung von Ekzemreaktionen leide, sei anlagebedingt. Für das Kontaktekzem der Hände ergebe sich nach den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Beruf- und Umweltdermatologie e. V. in Zusammenarbeit mit den Unfallversicherungsträgern keine MdE von mindestens 20 v. H. Die Hauterscheinungen an den Händen seien nämlich lediglich als leicht bis mittelgradig einzustufen. Bei den Untersuchungen sei nur an den Innenflächen der Hände eine leichte Schuppung ohne ekzematöse oder dyshidrotische Veränderungen aufgefallen. Im September 1999 seien die Hände völlig ekzemfrei gewesen. Mit diesen Feststellungen folge die Kammer den überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen.

Gegen dieses dem Kläger am 3. Dezember 2003 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 19. Dezember 2003. Der Kläger rügt, dass das Sozialgericht die atopische Diathese nicht als Berufskrankheit anerkannt habe. Außerdem liege eine Allergie gegen Schmiermittel vor. Dem Kläger sei auch deswegen eine MdE von 20 v. H. zuzugestehen, weil er seine bisherigen Berufserfahrungen als Dreher und Fräser nicht mehr verwenden könne. An dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. P sei zu kritisieren, dass dieser seine Einschätzung der MdE nicht begründet habe.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 21. Novem- ber 2003 aufzuheben und den Bescheid der Beklag- ten vom 16. Januar 2001 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 26. April 2001 zu ändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, unter Anerkennung weiterer Hauterkrankungen als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat von dem Allgemeinarzt Werner F den Behandlungsbericht vom 4. Mai 2004 und von dem Hautarzt Dr. L den Bericht vom 24. März 2004 erhalten. In der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2004 hat sich die Hautärztin Dr. A gutachtlich geäußert. Das Beweis- und Ermittlungsergebnis ist den Beteiligten bekannt.

Auf den Inhalt der vorliegenden Akten wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das angefochtene Urteil und die umstrittenen Bescheide der Beklagten sind zu Recht ergangen.

Die gesetzlichen Anspruchsgrundlagen und die zur MdE-Einschätzung zu berücksichtigenden Tabellen und Maßstäbe hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Ebenso richtig ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass keine weitere Hauterkrankung auf die beruflichen Einflüsse zurückgeht und das anerkannte Hautleiden keine rentenauslösende MdE erreicht. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an.

Das Beweisergebnis im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dr. A bestätigt überzeugend, dass bei dem Kläger weder eine atopische Diathese noch eine Kontaktallergie gegen berufsspezifische Öle, Fette und Schmiermittel als Berufskrankheit im Sinne der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen ist. Die von der Beklagten anerkannte Berufskrankheit erreicht - so Frau Dr. A - nach dem Bamberger Merkblatt nicht den Grad von 20 v.H ... Insofern stimmen Prof. Dr. Dr. P und Dr. A voll überein. Die Mitteilungen der behandelnden Ärzte hat Frau Dr. A ausgewertet. Der Senat hat nach alldem keine Bedenken, sich den übereinstimmenden und überzeugenden Sachverständigenaussagen zu den rein medizinischen Problemen des Rechtsstreits anzuschließen.

Der Ansicht von Dr. E , die MdE betrage "im erlernten Beruf" 20 v.H., und den Ausführungen von Frau Dr. A zur besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers und zur Mitberücksichtigung einer orthopädischen Behinderung (GdB 40) folgt der Senat dagegen nicht. Ob diese Umstände bei der Einschätzung der MdE zu beachten sind, ist eine juristische und keine medizinische Frage. Der Senat vertritt hierzu die Ansicht, dass ein orthopädisches Leiden, welches bisher weder als Berufskrankheit noch als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt ist, für die Beurteilung der MdE unbeachtet bleibt. Denn nach §§ 8 und 9 SGB VII sind nur die gesundheitlichen Folgen von Arbeitsunfällen und anerkannten Berufskrankheiten zu entschädigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Höhe der MdE grundsätzlich nicht nach den Beeinträchtigungen im erlernten oder ausgeübten Beruf richtet. Die MdE ist vielmehr ein Maßstab, der sich an den theoretisch verbliebenen Einsatzmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens orientiert (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die individuelle Betroffenheit im Beruf des Verletzten wird dadurch berücksichtigt, dass sich der Jahresarbeitsverdienst nach der letzten Erwerbstätigkeit bemisst. Deshalb ist es auch nur in seltenen Ausnahmefällen möglich, die Härteklausel des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII anzuwenden. Nach dieser Bestimmung findet eine MdE-Erhöhung statt, wenn die Berufskrankheit oder die Unfallfolgen eine Erwerbstätigkeit nur noch unter einem unzumutbaren sozialen Abstieg erlauben. Ein solcher Abstieg liegt im allgemeinen nicht schon dann vor, wenn ein gelernter Handwerker durch eine Berufskrankheit gezwungen ist, seinen Beruf aufzugeben (Kasseler Kommentar § 56 SGB VII Rdz. 28 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dieser Auffassung ist auch der Senat gerade im Falle der Berufskrankheit 5101. Bei ihr ist die Berufsaufgabe ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal. Dann aber kann die beruflich bedingte Berufsaufgabe nicht auch noch ein Kriterium für die MdE-Einschätzung sein.

Aus all diesen Gründen ist die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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