S 1 AS 7/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 1 AS 7/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 B 15/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, die Energiekostenrückstände der Antragstellerin bei der S AG zu zahlen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu übernehmen.

Gründe:

I. Die am 00.00.1985 geborene Antragstellerin ist ledig und Mutter des am 00.00.2003 geborenen Kindes B. Die Antragstellerin ist alleinerziehend. Bis 31.12.2004 bezog sie laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Seit dem 01.01.2005 erhält sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch II &8211; (SGB II). Für den Monat Januar erhielt sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Kosten für Unterkunft und Heizung für sich und ihre Tochter i.H.v. insgesamt 677,18 Euro und im Monat Februar i.H.v. 1.514,42 Euro. Seit 01.03.2005 erhält sie Leistungen i.H.v. 400,00 Euro monatlich.

Im Februar teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass sie Energiekostenrückstände i.H.v. 837,24 Euro zu zahlen habe. Am 06.04.2005 unterbrach die S AG im Haushalt der Antragstellerin die Stromzufuhr, weil die offenen Forderungen nicht beglichen seien. Mit Bescheid vom 07.04.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Stromkosten mit der Begründung ab, die Stromkosten seien mit der Regelleistung abgegolten und daher durch die Antragstellerin zu leisten. Die Übernahme von Stromrückständen sei ihr daher nicht möglich.

Am 07.04.2005 hat die Antragstellerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren auf Übernahme der Stromrückstände. Sie macht geltend, die Unterbrechung der Stromzufuhr habe zur Folge, dass sie ihrer 15 monatigen Tochter kein warmes Essen bereiten und diese nicht baden könne. Dies sei unzumutbar.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Energiekostenrückstände zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin meint, sie sei zur Übernahme der Energiekostenrückstände nicht verpflichtet. Dies sei gemäß § 34 SGB XII vielmehr Sache der Stadt L.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Leistungsakte 000 Bezug genommen.

II.

Der Antrag, über den ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung gewähren. Grundsätzlich darf das Gericht zwar dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend die Grenzen der vorläufigen Regelung nicht überschreiten und damit das im Verwaltungs- und Klageverfahren verfolgte Ziel vorweg nehmen. Ausnahmsweise kann aber zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bei Vornahmesachen - wie der einstweiligen Anordnung - die Hauptsache vorweg genommen werden, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile für den Antragsteller entstünden. Die Entscheidung, ob in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles ausnahmsweise durch die einstweilige Anordnung die Hauptsache vorweg genommen werden darf, hängt damit wesentlich von der Bedeutung und Dringlichkeit des Anspruchs und der Schwere sowie der Irreparabilität des Schadens für den Antragsteller bzw. die Allgemeinheit ab.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass es im Falle der Antragstellerin zur Beseitigung ihrer gegenwärtigen Notlage einer gerichtlichen Entscheidung zur sofortigen Durchsetzung ihrer Ansprüche bedarf, weil ihr ansonsten unzumutbare und anders nicht gut zu machende Nachteile entstehen. Ebenso wie die Antragsgegnerin lehnt die Stadt L die vorläufige Übernahme der Energiekostenrückstände der Antragstellerin ab. Die Antragstellerin bezieht derzeit für sich und ihre 15 Monate alte Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 400 Euro monatlich. Hiervon ist sie nicht in der Lage, die Energiekostenrückstände in Höhe von mehr als 800 Euro zu zahlen. Die S AG hat die Energiezufuhr zur Wohnung der Antragstellerin wegen der Rückstände bereits am 06.04.2005 unterbrochen. Sie ist ohne Begleichung der Rückstände auch nicht bereit, die Energiezufuhr wieder herzustellen. Das Kind der Antragstellerin muss mit warmen Mahlzeiten und frischer Wäsche versorgt und warm gebadet werden. Auch der Antragstellerin ist eine regelmäßige Körperpflege nur sehr eingeschränkt mit kaltem Wasser möglich. Ferner ist zu besorgen, dass die im Kühlschrank befindlichen Lebensmittelvorräte verderben. Die Antragstellerin und ihr Kind haben kein Licht.

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin hat die Antragstellerin nach der hier gebotenen summarischen Prüfung auch den Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht. Derzeit spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin gemäß § 23 Abs. 1 SGB II dazu verpflichtet ist, die Energiekostenrückstände der Antragstellerin zu übernehmen. Wie die Antragsgegnerin selbst auch konzediert, sind Stromkosten Bestandteil der Regelleistung, die unabhängig davon, ob es sich um laufende Stromkosten oder aufgelaufene Stromschulden handelt, grundsätzlich aus der laufenden Regelleistung zu zahlen. Nach der genannten Vorschrift kommt darüber hinaus auch die Übernahme der Stromschulden im Wege der Darlehensgewährung in Betracht, wenn der Bedarf unabweisbar ist und nicht auf andere Weise gedeckt werden kann. Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerin ist wie bereits dargelegt nicht in der Lage, ihren Bedarf auf andere Weise zu decken. Die Stadt L hat die Übernahme der Schulden mit der Begründung abgelehnt, die Antragsgegnerin sei hierzu verpflichtet. Dies hat die Antragsgegnerin im Übrigen selbst jedenfalls bis zum 08.03.2005 so gesehen. Aus ihren bis dahin geltenden Weisungen ist zu entnehmen, dass sie sich in Fällen wie dem der Antragstellerin zur darlehensweisen Gewährung dieses unabweisbaren Bedarfs verpflichtet hielt. Eine überzeugende Begründung dafür, warum sich die Rechtslage nach dem 08.03.2005 geändert haben soll, hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt.
Rechtskraft
Aus
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