L 1 KR 4/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 1913/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 4/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozial- gerichts Hamburg vom 6. Januar 2005 wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 63.824,50 EUR festgestellt. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die Anerkennung der Klägerin als Pflegedienstleitung und ein Anspruch auf Schadensersatz streitig.

Die am XX.XXXXXX 1958 geborene Klägerin ist gelernte Arzthelferin und staatlich aner¬kannte Altenpflegerin. Sie hat eine berufsbegleitende Weiterbildung für Lei¬tungs¬kräfte in der ambulanten Pflege unter dem Titel "Soziales Management" absol¬viert. Die Klägerin übte von 1982 bis 1986 eine Tätigkeit als Altenpflegerin aus. Sie war von 1989 bis 1990 als Arzthelferin und im An¬schluss an eine Tätigkeit als Pflegekraft und Bürogehilfin erneut als Altenpflegerin beschäf¬tigt (von 1993 bis 1997). Nach einer entsprechen¬den Bescheinigung ihres damaligen Arbeitgebers war sie vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1997 als stellvertretende Leiterin der Ambulanten Pflege und vom 1. Januar 1998 bis 30. September 1999 als verantwortliche Pflege¬kraft in der Ambu¬lanten Pflege in der Geschäftsstelle N. bzw. der Bezirksge¬schäftsstelle N. der M. H. gGmbH tätig. Zuletzt war sie bis zum September 2002 bei der Firma m. t. Pflegedienst und S. GmbH als Alten¬pflegerin beschäf¬tigt. Diese Tätigkeit hat sie nach ihren An¬gaben aus gesundheitli¬chen Gründen auf¬gegeben und ist seitdem arbeitslos. Die Klägerin kann nach ihrem Vorbringen zwar nicht mehr als Pflegerin, aber noch als Leiterin eines Pflegedienstes arbeiten und meint, sie wäre als solche auch angestellt worden, wenn dem nicht der Versorgungsvertrag (gemeint ist der zwischen der VdAK/AEV Landesvertretung Hamburg mit Wirkung für sämtliche Beklagten und verschiedenen Pflegebetrie¬ben bzw. ihren Verbänden mit Betriebssitz im Land Hamburg abgeschlossene Vertrag gemäß § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege) entgegengestanden hätte. Nach erfolglosem Herantreten an die Beklagten, die nicht bereit waren, eine Anerkennung der Klägerin als Pflege¬dienstleitung auszusprechen, hat die Klägerin Klage mit dem An¬trag erhoben, die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, sie - die Klägerin - als Pfle¬gedienstleitung eines ambulanten Pflegedienstes anzuerkennen und die Beklagten zu verpflichten, ihr - der Klägerin - Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen einem Entgelt aus einer Beschäftigung als Pflegedienstleitung und den Leistungen aus der Arbeitslosenversi¬cherung zu gewähren.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2005 abgewie¬sen. Die Klä¬gerin erfülle die Voraussetzungen, wel¬che ohne Verstoß gegen höher¬rangiges Recht im Versorgungsvertrag zwischen den Beklagten und den hamburgi¬schen Pflegebe¬trieben festgelegt worden seien, für eine Tätigkeit als Pflegedienst¬leitung nicht. Ein Anspruch auf Scha¬densersatz gegen die Beklagten sei daher nicht gegeben.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der zwischen den Beklagten und den Hamburger Pflegediensten nach § 132a Abs. 2 SGB V geschlossene Versorgungsvertrag greife in ihr Grundrecht auf freie Be¬rufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein. Es verstößt bereits gegen den Vorbehalt des Gesetzes, dass in diesem Vertrag gere¬gelt sei, was den bisher nicht zustande gekommenen Rahmenempfeh¬lungen nach § 132a Abs. 1 SGB V vorbehalten sei. Vertraglich sei vereinbart worden, dass die Voraussetzungen zur fachlichen Leitung eines Pflegedienstes zur häuslichen Krankenpflege nur Per¬sonen erfüllen, die u. a. die Erlaubnis zur Führung der Berufs¬bezeichnung "Kranken¬schwester" oder "Krankenpfleger", "Kinderkrankenschwester" oder "Kinderkranken¬pfleger" entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in der jeweils gültigen Fas¬sung besitzen (§ 17 Satz 1 Buchst. a des Vertrages). Zu Unrecht seien staatlich an¬erkannte Altenpflegerinnen unberücksichtigt geblieben. Für eine solche Differenzie¬rung bestehe kein sachlicher Grund. Es liege deswegen auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Soweit die Ausbildung in den beiden Berufsbe¬reichen unter¬schiedlich sein sollte, seien diese Unterschiede jedenfalls durch die be¬rufliche Pra¬xis der Klägerin im Altenpflegebereich kompensiert. Das gelte erst Recht ange¬sichts ihrer zusätzli¬chen Ausbildung als Arzthelferin. Als Schaden werde die Diffe¬renz zwischen den Leistungen der Arbeitslosenversicherung und einem Ein¬kommen als Pfle¬gedienstleitung geltend gemacht. Hinsichtlich der Scha¬denser¬satzforderung könne sie nicht mehr auf den Zivilrechtsweg verwiesen wer¬den. Die Zuständigkeit des Rechts¬mittelgerichts ergebe sich bereits aus § 17a Abs. 5 Ge¬richtsverfassungs¬ge¬setz (GVG).

Die Klägerin beantragt, in Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Januar 2005 festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, sie als Pfle¬gedienst¬leitung eines ambulanten Pflegedienstes anzuerkennen und ihr ent¬sprechend der Bezifferung in den Schreiben vom 26. Januar 2005 und 9. März 2005 Schadensersatz zu gewähren.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass es an einer Rechtsgrundlage für den geltend ge¬machten Anerkennungsanspruch fehle. Rechtsbeziehungen bestünden nur zu den Leistungserbringern. Leistungserbringerin wolle die Klägerin nicht werden. Ein Scha¬denser¬satzanspruch könne ihr nicht zustehen.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 6. April 2005 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündli¬chen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Be¬rufung der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsge¬setz (SGG)) ist nicht begründet. Die Klage ist insgesamt unzulässig.

Dem Senat erschließt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht eindeutig, ob diese ihr Begehren auf eine Anerkennung als Pflegedienstleitung im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder der Feststellungsklage verfolgen will. Rechtsschutzziel dürfte wohl die Erlangung der Anerkennung durch die Beklagte sein. Dieses Ziel kann grundsätzlich durch allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG verfolgt werden, sodass diese Kla¬geart statthaft wäre. Eine solche Klage ist hier jedoch wegen fehlender Klagebefugnis un¬zulässig, denn der Anspruch auf die beantragte Leistung ist schon von seiner Art her ausgeschlossen (vgl. Ulmer in Henning, SGG, § 54 Rz 110). Weder gesetzliche noch vertragliche Regelungen sehen überhaupt die Anerkennung einer natürlichen Person als Pflegedienstleitung durch die Beklagte vor.

Aber auch als Feststellungsklage entsprechend dem Wortlaut des ge¬stellten Antrags ist die Klage unzulässig. Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Begehrens, die Beklagten zur Anerkennung der Klägerin als Pflegedienstleitung zu verpflichten, nicht vor.

Dabei kann unent¬schieden bleiben, ob eine Feststellungsklage bereits wegen ihrer Subsidiarität gegenüber einer Leistungsklage auch dann unzulässig ist, wenn sie sich gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts richtet, und ob eine Un¬zulässigkeit schon daraus folgt, dass es der Klägerin um die Feststellung einer ein¬zelnen Verpflichtung geht und eine solche Klage als Ele¬mentenfeststellung nicht möglich ist. Es fehlt nämlich bereits an einem (aktuellen) Rechtsverhältnis, dessen Be¬stehen oder Nichtbestehen festgestellt werden kann. Die Klägerin be¬schränkt sich allein auf die Behauptung, die Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Pflegedienstleitung zu erfüllen, und führt nichts dazu aus, aus wel¬cher rechtlichen Beziehung eine Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung dieser Voraussetzung auch nur denkbar fol¬gen könnte. Eine solche rechtliche Beziehung ist auch nicht ersichtlich.

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis setzt nicht nur voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können, sondern es müssen auch tatsächlich normierte, nicht bloß be¬hauptete Pflichten streitig sein (vgl. Bundes¬verwaltungsgericht (BVerwG) 23.2.92 – 3 C 50/89, BVerwGE 89, 327, vgl. auch Bundessozial¬gericht (BSG) 20.12.01 – B 4 RA 50/01 R, SGb 2002, 275). Die Klägerin steht in keinem Rechtsverhältnis zu den Be¬klag¬ten. Dabei werden als Rechtsverhältnis gemeinhin die rechtlichen Beziehungen an¬gesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sach¬ver¬halt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis meh¬rerer Perso¬nen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (BVerwG, aaO). Eine sol¬che öffentlich-rechtliche Norm ist nicht ersichtlich. Die Klägerin ist nur potentielle Be¬werberin auf eine Leitungsstelle. Ein Rechtsverhältnis der Beklagten zur Klägerin er¬gibt sich auch nicht aus dem zwischen der VdAK/AEV Landesvertretung Hamburg (mit Wirkung für sämtliche Beklagten) und verschiedenen Pflegebetrie¬ben (bzw. ihren Verbänden) mit Betriebssitz im Land Hamburg abgeschlossenen Vertrag gemäß § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (in der seit 1.1.2003 geltenden Fassung), in dessen § 17 die fachlichen Voraussetzungen für die verantwortliche Pflegefachkraft geregelt sind. Diese aus Gründen der Qualitätssi¬cherung geschaffene Regelung bezieht die Klägerin nicht über einen drittschützen¬den Cha¬rakter in den Regelungsbereich mit ein. Der Vertrag und auch die §§ 132, 132a SGB V betreffen die Rechtsbe¬ziehungen zwischen den Leistungs¬erbringern und den Kran¬kenkassen. Die Wahrung beruflicher oder wirtschaftlicher Interessen der bei den Leistungserbringern beschäf¬tigten Arbeitnehmer und erst recht der potentiellen Ar¬beitnehmer ist damit auch nicht mittelbar bezweckt. Da die Klägerin weder direkt noch indirekt Adressat der §§ 132, 132a SGB V oder des Vertrages zwischen den Beklagten und den Pfle¬gebetrieben ist, fehlt es nach alledem an einem Rechtsverhältnis.

Darüber hinaus fehlt es auch an dem für die Klagbefugnis erforderlichen Feststel¬lungsinteresse. Ein solches lässt sich allein mit einer rein wirt¬schaftli¬chen Betroffen¬heit – wie sie hier behauptet wird - nicht begründen (BSG 17.3.99 – B 1 KR 3/98 BH, SozR 3-2500 § 13 Nr. 19).

Soweit das Sozialgericht das Begehren darauf reduziert, festzustellen, dass die Klägerin die Voraus¬setzungen für eine Tätigkeit als Pflegedienstleitung erfülle, ergibt sich auch kein günstigeres Ergebnis. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Feststellung, da es hinsichtlich dieses Begehrens an den Sachurteilsvor¬aussetzungen mangelt, denn auch insoweit fehlt es zumindest an dem er¬forderlichen Feststellungsinteresse.

Auch die (isolierte) Frage, ob der Vertrag gegen höher¬rangiges Recht verstößt, kann im Wege der Feststellungsklage nicht entschieden werden, denn das Sozialversiche-rungs¬recht kennt keine abstrakte Normenkon¬trolle.

Soweit die Klägerin mit der Klage einen Anspruch auf Schadensersatz geltend macht, ist die Klage unzulässig, weil das Sozialgericht für Schadensersatzan¬sprüche aus Amts¬pflichtverletzung nicht zu¬ständig ist (Art. 34 GG). Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Sozialgericht seine Zuständigkeit nicht - auch nicht konkludent - im Sinne des § 17a Abs. 5 GVG bejaht, sondern ausdrücklich offen ge¬las¬sen. Daher ist der Senat nicht ge¬hindert, seine Zuständigkeit zu vernei¬nen. Eine Verweisung an das zuständige Zivil¬gericht (§ 71 GVG) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin trotz gerichtli¬chen Hinweises auf einer Ent¬schei¬dung durch den Senat bestanden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungs¬gerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Gerichtskostengesetz in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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