Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 5/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Rahmen der Teilversorgung Anspruch auf Grundrente hat.
Der im August 1950 geborene, in Polen wohnhafte volksdeutsche Kläger besuchte von 1957 bis 1965 die Volksschule und sodann die Berufsschule der Kohlengrube "B ". Am 6. November 1965 hantierte er auf seinem Zimmer mit Munition, die er in einem Wald gesammelt hatte. Dabei explodierte ein Sprengkörper. Der Kläger erlitt mehrere Verletzungen. Er bezog deswegen in Polen eine Rente aus der Versicherung für Jugendliche in Schulen, die 1983 kapitalisiert wurde. Nach Abschluß seiner Schul- und Berufsausbildung arbeitete er bis 1990, zuletzt in Teilzeit, als Grundschullehrer. Seit 1978 erhält er eine Invalidenrente nach der Invalidengruppe III.
Bereits im März 1969 hatte sein Vater bei der beklagten Versorgungsverwaltung für ihn die Gewährung von Beschädigtenversorgung beantragt. Dabei gab er an, sein Sohn habe am 6. November 1965 im Munitionslager im Wald bei W eine Eierhandgranate gefunden und sei bei deren Explosion verletzt worden. Nach Beiziehung von Unterlagen der polnischen Sozialversicherungsanstalt ZUS lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. Januar 1972 und Widerspruchsbescheid vom 10. August 1973 bestandskräftig ab, weil wesentliche Bedingung für die Verletzungen des Klägers dessen eigenes Verhalten gewesen sei. Im Februar 1994 wiederholte der Kläger seinen Antrag. Nunmehr behauptete er, er habe Munition in der Nähe eines gesprengten deutschen Munitionslagers gefunden. Beim Spielen damit sei ein Fliegerabwehrgeschoß explodiert. Mit Bescheid vom 11. April 1994 und Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 1994 lehnte der Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung nach weiterer Sachaufklärung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung und der gesundheitlichen Schädigung des Klägers sei nicht gegeben. Zwar handele es sich bei der Explosion des Fliegerabwehrgeschosses um eine nachträgliche Auswirkung von kriegerischen Vorgängen iS der §§ 1 Abs 2 Buchst a und 5 Abs 1 Buchst e des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Sie sei jedoch nicht die wesentliche Ursache für die Körperverletzung, sondern das unvorsichtige Verhalten des Klägers. Er habe die Gefährlichkeit des Kampfmittels erkannt und hätte deshalb entsprechend seiner Einsicht handeln können und müssen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht ua geltend: Entgegen der Auffassung des LSG sei die Gefährlichkeit des daumengroßen Sprengkörpers von ihm seinerzeit nicht ausreichend erkannt worden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß er zum Zeitpunkt des Unfalls bereits die notwendige Verantwortungsreife gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2000 und des Sozialgerichts Münster vom 26. September 1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. April 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1994 sowie unter Rücknahme des Bescheides vom 28. Januar 1972 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1973 zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen der Schädigung vom 6. November 1965 Teilversorgung nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BVG.
A.
1. Der Senat kann in der Sache entscheiden. Das beklagte Land ist - entgegen der im Schrifttum (vgl Straßfeld, Die Versorgungsverwaltung 2001, 18 ff und Zeihe, SGb 2001, 116 ff) geäußerten Auffassungen - ordnungsgemäß durch die als "Landesversorgungsamt" bezeichnete Abteilung der Bezirksregierung Münster vertreten. Nach § 71 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) müssen sich die Länder in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch die Landesversorgungsämter vertreten lassen. Ob diese Voraussetzung hier erfüllt ist, richtet sich ua nach den im Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (ErrG) idF des Art 25 des Zweiten Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3. Mai 2000 (BGBl I, 632) enthaltenen Vorgaben (aA LSG NW; vgl die Urteile vom 25. Januar 2001 - L 7 SB 47/99, 30. Januar 2001 - L 6 SB 100/99 sowie 31. Januar 2001 - L 10 VS 28/00).
2. Die Auffassung des Senats beruht zunächst auf der Auslegung des § 1 ErrG idF des Zweiten Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3. Mai 2000, mit dem § 1 Abs 2 Satz 1 in seiner ursprünglichen Fassung vom 12. März 1951 (BGBl I, 169) gestrichen und § 1 neugefaßt worden ist. Die Vorschrift lautet nunmehr: "Die Versorgung der Kriegsopfer wird von Versorgungsämtern und Landesversorgungsämtern durchgeführt. Mehrere Länder können ein gemeinsames Landesversorgungsamt errichten". Gestrichen wurde die Regelung, daß die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter von den Ländern "als besondere Verwaltungsbehörden errichtet werden". Entgegen der mit dem Gesetzentwurf des Bundesrats (BR) verfolgten Absicht, das Errichtungsgesetz im vollen Umfang aufzuheben (vgl BT-Drucks 14/640, Begründung zu Art 33), wodurch die Bundesländer die volle Organisationsfreiheit für die Einrichtung und Gestaltung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen Behörden erlangt hätten, kam es infolge des Widerstandes der Bundesregierung (vgl BT-Drucks 14/640 zu Art 33 S 19, 20) im Zuge der Beratung der mit der Angelegenheit befaßten Bundestagsausschüsse (federführend war der Innenausschuß) zu der nunmehr geltenden Gesetzesfassung. Die neue Fassung entspricht dem durch den Einigungsvertrag Kap VIII Anl I Sachgebiet K Abschn III Nr 2 Buchst a, c, d in den Beitrittsländern ab 1. Januar 1991 begründeten Rechtszustand (vgl BGBl 1990 II, 885, 1068).
a) Das bedeutet allerdings nicht, daß ein Bundesland, das seine Versorgungsverwaltung modernisieren will, die Umgestaltung seiner Versorgungsbehörden entsprechend den in den Beitrittsländern entstandenen Strukturen vornehmen muß. Die Länder haben die bundesgesetzlich vorgegebene, das soziale Entschädigungsrecht (SER) betreffende Verwaltung als eigene Angelegenheit auszuführen (vgl Art 83 Grundgesetz (GG)). Sie regeln deshalb die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren selbständig, soweit nicht mit Zustimmung des BR ergangene Bundesgesetze und Verwaltungsvorschriften etwas anderes bestimmen (Art 84 Abs 1 GG).
b) Nach Art 84 Abs 1 GG steht den Ländern grundsätzlich die Organisationsgewalt für die Landeseigenverwaltung zu (vgl Dittmann in Sachs, GG-Komm, Art 84 RdNr 1). Sie haben das Recht, die für den Gesetzesvollzug erforderlichen Behörden einzurichten, müssen dabei aber die sachgerechte Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes sicherstellen (vgl BVerfGE 55, 274, 318; s dazu auch BVerfGE 75, 108, 250, 152). Das jeweils mit Zustimmung des BR zustande gekommene bundesgesetzliche "Programm" - eventuell ergänzt um Verwaltungsvorschriften (Art 84 Abs 2 GG) - begrenzt den Umfang der grundsätzlich den Ländern zustehenden Regelungskompetenz. Für den Fall, daß der Bund eine organisatorische Frage zwar geregelt hat, dies aber nicht vollständig geschehen ist, verbleibt dem betroffenen Land eine ergänzende Regelungsbefugnis (vgl dazu Hermes in Dreier, GG-Komm, Bd 3, 2000, Art 84 RdNr 19 ff, 25). Die Einrichtung von Behörden umfaßt sowohl deren Errichtung als auch ihre Ausgestaltung und innere Organisation, einschließlich Übertragung von Aufgaben und Befugnissen (vgl Pieroth in Jarras/ Pieroth, GG 5. Aufl 2000, Art 84 RdNr 3 mwN).
c) Die bundesrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung der Versorgungsbehörden der Länder sind insbesondere durch die Neufassung des § 1 ErrG entscheidend verringert worden. Der Umfang der Organisationsgewalt der Länder hat sich dadurch, daß diese die Versorgungsbehörden nicht mehr als besondere Verwaltungsbehörden errichten müssen, zu Gunsten der Länder verändert. Aus der nunmehr geltenden Fassung des § 1, nach der die Versorgung der Kriegsopfer von Versorgungsämtern und Landesversorgungsämtern durchgeführt wird und mehrere Länder ein gemeinsames Landesversorgungsamt errichten können, folgt: Die Länder müssen einerseits Landesversorgungsämter nicht mehr als selbständige Behörden einrichten. Andererseits dürfen sie aber die für die Kriegsopferversorgung zuständigen Behörden auch nicht gänzlich nach eigenem Ermessen errichten. Die Neufassung des § 1 ErrG stellt - wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt - einen Kompromiß zwischen den Interessen des Bundes und der Länder im Hinblick auf die Kompetenzabgrenzung des Art 84 Abs 1 GG dar. In dem Bericht des Innenausschusses wird klargestellt, daß neben der Fachaufsicht auch die Dienstaufsicht bei der obersten Landesbehörde, dem Sozialministerium, verbleibt und die Versorgungsämter als kompetente, fachlich eigenständige Sozialbehörden bestehen bleiben müssen (vgl BT-Drucks 14/2797, S 14). Durch die Neuregelung sollten aber auch die Eigenverantwortung und der Spielraum der Länder für Verwaltungsreformen, insbesondere auch bei der Gestaltung der Versorgungsverwaltung, erweitert werden (vgl Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 14. Wahlperiode 1998, Bd 200, Stenografische Berichte 82 bis 91, 90. Sitzung am 24. Februar 2000, S 8414, 8415, 8417).
d) Ferner müssen die Länder - wie der unveränderten Geltung des § 3 ErrG zu entnehmen ist - die in dieser Vorschrift festgelegte hierarchische Ordnung der Versorgungsbehörden unter Aufsicht der obersten Landesbehörde beibehalten, nicht dagegen die Eigenständigkeit der Versorgungsämter und Landesversorgungsämter. Der Grundsatz, daß die Versorgungsverwaltung nicht anderen Behörden übertragen werden darf, um der großen Bedeutung der Kriegsopferversorgung Rechnung zu tragen und eine fachlich hochqualifizierte Versorgung der Kriegsopfer sicherzustellen, von dem der Gesetzgeber bei Erlaß des ErrG ausgegangen ist (vgl BT-Drucks 1/1729, S 4 sowie § 4 ErrG), gilt nicht mehr. Die Länder dürfen jetzt, auch wenn sie weiterhin verpflichtet sind, eine leistungsfähige und qualifizierte, hierarchisch strukturierte Versorgungsverwaltung zu gewährleisten (vgl Stellungnahme der Bundesregierung zu Art 33 des Entwurfs eines Zuständigkeitslockerungsgesetzes - BT-Drucks 14/640, S 19, 20), die bisherigen Landesversorgungsämter anderen Behörden - gleich ob Mittelbehörden oder Oberbehörden - angliedern (vgl auch Verhandlungen des Deutschen Bundestages aaO, Anlage 4 S 8414, 8415). Dies ist aber nur zulässig, wenn die fachliche Qualität der Versorgungsverwaltung (vgl § 3 ErrG) durch Verwendung entsprechend ausgebildeter, in Versorgungsverwaltung und Versorgungsrecht kompetenter Bediensteter, erhalten bleibt.
e) Aus der Formulierung "unterstehen" in § 3 ErrG ist zu schließen, daß sich die Zuständigkeit der für die mit der Kriegsopferversorgung betrauten obersten Landesbehörde sowohl auf die Dienst- als auch auf die Fachaufsicht über das Landesversorgungsamt erstrecken muß (s dazu auch die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 3, BT-Drucks 1/1729, S 6).
3. Die Vorgaben des Bundesgesetzgebers sind vom Land NW im Zweiten Modernisierungsgesetz (2. ModernG) vom 9. Mai 2000 (GVBl NW 2000, 462) und durch die ergänzenden untergesetzlichen Reglungen in derzeit nicht zu beanstandender Weise beachtet worden.
a) Mit Auflösung des Landesversorgungsamtes des Landes NW durch Art 1 § 3 Satz 2 iVm Art 37 Abs 2 2. ModernG sind dessen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster - eine Landesmittelbehörde der allgemeinen und inneren Verwaltung, die dem Innenministerium (IM) nachgeordnet ist -, übertragen worden (Art 1 § 3 Satz 1 2. ModernG). Nach § 4 Abs 4 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen idF vom 28. November 2000 (Geschäftsordnung) nimmt die Bezirksregierung Münster neben anderen Aufgaben auch die Funktion eines Landesversorgungsamtes mit landesweiter Zuständigkeit wahr. Die Bediensteten des aufgelösten Landesversorgungsamtes sind in die Abt 10 der Bezirksregierung überführt worden. Diese Abteilung führt die (Zusatz)Bezeichnung "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" (Beschluss der Landesregierung vom 28. November 2000, vgl RdErl des IM vom 13. Dezember 2000 - VA -.00/36.00). Gemäß § 12 Abs 2, 3 Landesorganisationsgesetz NW ((LOG), GVBl 1962, 421), zuletzt geändert durch Art 10 des Gesetzes vom 9. Mai 2000 (GBl NW, 462), führt das IM die Dienstaufsicht über die Bezirksregierungen. Die Dienstaufsicht erstreckt sich grundsätzlich auf den Aufbau, die innere Ordnung, die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten der Behörden (§ 12 Abs 1 LOG). Für die Fachaufsicht (§ 13 LOG) über die Abt 10 der Bezirksregierung ist das Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie (MASQT) zuständig. Hinsichtlich der Dienstaufsicht gelten für Bedienstete der Abt 10 allerdings Ausnahmen (vgl § 12 Abs 2, 3 LOG). Sie unterliegen, soweit sie als sog "Klammerstelleninhaber" Fachaufgaben im Geschäftsbereich einer bestimmten obersten Landesbehörde wahrnehmen und dafür eine besondere Ausbildung besitzen, als Beamte oder Angestellte (vgl Art 11 § 1 Abs 1 2. ModernG) nicht der Dienstaufsicht des IM, sondern der des MASQT. Gemäß Art 11 § 2 2. ModernG bleibt das MASQT für eine Übergangsphase von fünf Jahren zudem für die Beamten des bisherigen Landesversorgungsamtes, die dem allgemeinen höheren Verwaltungsdienst angehören und vergleichbare Angestellte oberste Dienstbehörde iS des § 3 Abs 1 Landesbeamtengesetz NW. Das MASQT führt danach die Dienstaufsicht über Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes und vergleichbare Angestellte insoweit, als diese in der Abt 10 Aufgaben der Versorgungsverwaltung wahrnehmen und dafür eine spezielle Ausbildung besitzen. Die Dienstaufsicht beschränkt sich auf die personalrechtliche Aufsicht über die Pflichterfüllung des Amtsträgers im Innenverhältnis zu seinem Dienstherrn (vgl insoweit auch Straßfeld, aaO, 18, 21). Beamte des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes aus den übrigen Abteilungen der Bezirksregierung sollen nach einem Schreiben des IM vom 12. Dezember 2000 jedenfalls zunächst nicht in Abt 10 eingesetzt werden.
b) Die Abteilungen der Bezirksregierung werden von Abteilungsleitern als Vorgesetzte aller Beschäftigten geleitet (§ 17 Geschäftsordnung). Sie können sich - ebenso wie der Regierungspräsident/Vizepräsident - gemäß § 11 Geschäftsordnung im Einzelfall in die Bearbeitung von Angelegenheiten einschalten, sich auch Entscheidungen vorbehalten und sachliche Weisungen geben. Personalentscheidungen für den höheren Dienst der Abt 10 werden für eine Übergangszeit von fünf Jahren (ab 1. Januar 2001) nur im Einvernehmen mit dem Leiter dieser Abteilung getroffen (vgl § 16 Nr 6 Geschäftsordnung). Die Bestellung von Abteilungsleitern und ihre Ernennung obliegt im Rahmen seiner Dienstaufsicht dem IM (§ 17 Abs 1 Geschäftsordnung). Bei einer nicht dem IM zuzuordnenden Fachabteilung geschieht dies nach Maßgabe des § 17 Abs 2 im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde (§ 17 Abs 2 Geschäftsordnung). Für die Bestellung von Hauptdezernenten gilt ähnliches (vgl § 18 Abs 6 Geschäftsordnung).
c) Die im 2. ModernG enthaltenen landesrechtlichen Vorschriften über die Eingliederung des früheren Landesversorgungsamtes NW in die Bezirksregierung Münster und die aufgeführten Vorschriften der Geschäftsordnung lassen nach der insoweit gebotenen Gesamtschau nicht den Schluß zu, daß die Abt 10 - das "neue Landesversorgungsamt" - seine in der Art einer Gesamtrechtsnachfolge (vgl Straßfeld aaO, 19 mwN) übernommenen Aufgaben nicht in etwa gleicher Weise und Güte wie das frühere selbständige Landesversorgungsamt erfüllt. Die maßgeblichen Behörden- und Entscheidungsstrukturen und die Gestaltung von Dienst- und Fachaufsicht nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften lassen jedenfalls derzeit nicht die Gefahr erkennen, daß eine dem ErrG einschließlich verfassungsrechtlicher Vorgaben widersprechende, das SER betreffende Verwaltung durch die Bezirksregierung Münster erfolgt oder unmittelbar zu befürchten ist. Dafür sprechen entgegen den von Zeihe (aaO) und Straßfeld (aaO) vorgetragenen Bedenken neben der bereits gewürdigten Änderung des ErrG folgende weitere Überlegungen:
aa) Die der Abt 10 der Bezirksregierung Münster übertragenen Aufgaben (vgl Art 1 § 3 Satz 1 2. ModernG) werden nicht von dieser Abteilung, sondern von der Bezirksregierung als Behörde wahrgenommen. Unter Behörde wird eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln verstanden. Sie muß - zur Erfüllung der ihr übertragenen staatlichen Aufgaben und Zwecke - zudem mit einer gewissen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgestattet sein (vgl BVerfGE 10, 21, 48; Stelkens/Bonk/Leonhard, VwVfG-Komm, 3. Aufl 1990, RdNr 124, 127 f; Schroeder-Printzen, SGB X-Komm, 3. Aufl 1996, § 1 RdNr 7, 8). Diese Voraussetzungen treffen nur für die Bezirksregierung selbst, nicht aber für ihre einzelnen Abteilungen zu. Dies steht indessen nicht im Widerspruch zu den bundesgesetzlichen Regelungen des ErrG und des § 71 Abs 5 SGG.
bb) Unbedenklich für eine ordnungsgemäße Prozeßvertretung iS von § 71 Abs 5 SGG und der Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Aufgaben ist ferner der Status der Bezirksregierung als Landesmittelbehörde. Denn das ErrG schreibt in § 3 - wie oben bereits dargelegt - nur die hierarchische Struktur zwischen Versorgungsämtern, Landesversorgungsamt und oberste Landesbehörde vor, nicht aber, welchen Status das Landesversorgungsamt im Gefüge der Landesverwaltung haben muß. Daß die Landesversorgungsämter in den einzelnen Bundesländern bisher regelmäßig Landesoberbehörden waren, schränkt die Gestaltungsfreiheit der Länder nicht ein. Ihr Spielraum ergibt sich aus der oben erörterten, in Art 84 Abs 1 GG normierten Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern.
cc) Das Land NW hat mit der Übertragung der Aufgaben des bisherigen Landesversorgungsamtes auf die Bezirksregierung Münster auch nicht das Gebot außer acht gelassen, mit diesen Aufgaben dafür besonders qualifizierte Beamte und Angestellte zu betrauen. Davon kann jedenfalls zur Zeit ausgegangen werden. Das gilt auch im Hinblick auf die zwischen dem IM und dem MASQT geteilte Dienstaufsicht. Dem MASQT ist ein ausreichender Einfluß auf die Bestellung des Personals, auch der Leitungsebene eingeräumt. Soweit zwischen IM und MASQT Einvernehmen verlangt wird, erfordert das übergeordnete Interesse der Qualitätssicherung wenigstens die Aufrechterhaltung dieser Regelung. Solange deshalb Struktur und Gefüge der Abt 10 im Hinblick auf die zu wahrende fachliche und personelle Qualität der Versorgungsverwaltung nicht erheblich verändert werden, kann die Abt 10 der Bezirksregierung Münster unbedenklich als Landesversorgungsamt iS des ErrG wie auch des § 71 Abs 5 SGG angesehen werden, selbst wenn man eine Änderung des § 71 Abs 5 SGG - wie sie durch den Entwurf des 6. SGG-ÄndG angestrebt wird (vgl dazu BT-Drucks 14/5943 und BR-Drucks 132/01-Beschluss) - für wünschenswert hielte. Die dort vorgesehene Ergänzung des § 71 Abs 5 SGG durch die Worte "oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind" bedeutet nur eine Klarstellung und soll insbesondere im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse im Land NW erfolgen (vgl BR-Drucks aaO zu Art 1 Nr 28 Buchst b, 57).
Das Land NW wird allerdings auch in Zukunft dafür Sorge tragen müssen, daß die derzeit vorhandene Qualität der Versorgungsverwaltung im Rahmen der Bezirksregierung Münster ungeschmälert aufrechterhalten bleibt. Die Vertretung des Landes NW in Versorgungsangelegenheiten gemäß § 71 Abs 5 SGG (vor dem BSG) durch die Bezirksregierung Münster entspricht nach den derzeitigen landesrechtlichen Vorschriften und den damit einhergehenden tatsächlichen Gegebenheiten den bundesgesetzlichen Vorgaben.
B.
1. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf § 44 Abs 1 SGB X iVm §§ 64 Abs 1, 64e sowie der Auslandsversorgungsverordnung (AuslVersV) vom 30. Juni 1990 (BGBl I, 1321) stützen. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
2. Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch steht, wie das LSG mit Recht entschieden hat, nicht bereits § 7 Abs 2 BVG entgegen. Der in dieser Vorschrift verankerte Grundsatz des Ausschlusses einer Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln bei gleicher Schädigungsursache ist hier nicht einschlägig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt der Ausschluß von Leistungen nach dem BVG die Zugehörigkeit des Antragstellers zum Kriegsopferversorgungssystem (KOV-System) eines anderen Staates voraus (vgl BSG SozR 3-3100 § 7 Nr 1, 2, 6). In Polen gibt es ein KOV-System (vgl zB BSGE 64, 276, 279 = SozR 3100 § 64 Nr 7). Der Kläger bezieht aber vom polnischen Staat keine Versorgungsleistungen aus diesem System, sondern eine Invaliditätsrente nach der Invaliditätsgruppe III gemäß der Verordnung des Gesetzes vom 23. Januar 1968 über die allgemeine Versorgung von pensionsberechtigten Angestellten und Familien.
3. Nach § 64 e Abs 1 BVG iVm § 1 AuslVersV erhalten deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in Polen haben, im Hinblick auf die in § 64 e BVG genannten besonderen Gründe keine Vollversorgung, sondern Teilversorgung. Die Voraussetzungen dafür sind im einzelnen aufgrund des Art 1 Nr 29 des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 (BGBl I, 1211), in der genannten Vorschrift sowie in der AuslVersV geregelt. Für die Versorgungsverwaltung haben in diesem Zusammenhang die Richtlinien Ost 1990 vom 7. Dezember 1990 des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - Az: VI a 4/53340-9 - (vgl zB VdK, Handbuch des sozialen Entschädigungsrechts 1999, 267 ff) ergänzende Bedeutung.
a) Nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst a BVG erhält auf Antrag Versorgung, wer durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine Gesundheitsstörung erlitten hat. Nach § 5 Abs 1 Buchst e BVG gelten als unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG auch nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Das ist ua auch dann der Fall, wenn militärische Explosionskörper, infolge kriegseigentümlicher gefährlicher Umstände an frei zugänglichen Orten ungeschützt und dem Zugriff jedermanns zugänglich herumliegen (vgl zB BSGE 1, 72, 75; 6, 102, 103; 6, 188, 190; BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG; BSG VersorgB 1985, 119). Dem Versorgungsanspruch steht nicht entgegen, wenn derartige Sprengkörper vom Fundort fortgebracht werden und die weiterbestehende kriegseigentümliche Gefährlichkeit erst danach sich durch eine Explosion verwirklicht (BSG SozR 3100 § 8 Nr 1 S 4; BSGE 8, 275, 276; BSG BVBl 1964, 114). Zum Zeitpunkt der Schädigung muß aber die typisch kriegsbedingte Gefahr als solche weiterhin bestehen (vgl BSGE 24, 200, 201 = SozR Nr 42 zu § 5 BVG; BSG BVBl 1964, 114; BSG Breith 1977, 345 ff; BSG SozR 3100 § 8 Nr 1).
Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat sich der Kläger am 6. November 1965 durch Explosion eines von ihm in der Nähe seines Wohnortes in einem Wald um K gefundenen Kampfmittels, das aus einem gesprengten Munitionslager der deutschen Wehrmacht stammte, erhebliche Verletzungen zugezogen. In dem ungesicherten Waldgebiet fanden sich zahlreiche Blindgänger, die zu mehreren Unfällen Jugendlicher geführt haben. Das LSG hat daraus mit Recht geschlossen, daß hier ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich bestand, der auch nicht dadurch aufgehoben wurde, daß der Kläger das Kampfmittel gefunden, mit nach Hause genommen und damit hantiert hat (ebenso BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG und BSG in SozEntsch 9/3 § 5 Nr 66).
b) Kommen - wie hier - für eine Schädigung mehrere Umstände als Ursachen in Betracht, so ist für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs die vom BSG in ständiger Rechtsprechung (vgl bereits BSGE 1, 72; 150, 268) entwickelte Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach gilt als Ursache im Rechtssinn nicht jede Bedingung, gleichgültig mit welcher Intensität sie zum Erfolg beigetragen hat und in welchem Zusammenhang sie dazu steht. Als Ursachen sind vielmehr nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Das ist der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges als annähernd gleichwertig anzusehen sind. Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinn. Im einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere BSGE 16, 216, 218 sowie allgemein Bürck in Suchenwirth/Kunze/Krasney, Neurologische Begutachtung, 3. Aufl 2000 unter 2.6.2: Der Kausalitätsmaßstab im Versorgungsrecht S 54, 55).
Das LSG hat mit Recht festgestellt, daß hier mehrere Bedingungen zur Verletzung des Klägers beigetragen haben. Die Schädigung ist zunächst durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG herbeigeführt worden. Die aus deutschen Beständen zurückgelassene Munition lag an frei zugänglichen Orten und konnte - wie dies mehrfach vorgekommen ist - von jedermann gefunden werden. Die dadurch hervorgerufene Gefahr hat auch fortbestanden, nachdem der Kläger die von ihm gefundene Munition mit nach Hause genommen hatte. Denn das Verbringen von Sprengkörpern an einen anderen Ort beseitigt nicht die Explosionsgefahr.
c) Ob dem Verhalten des Klägers, insbesondere seinem Hantieren mit der Munition, die überragende Bedeutung für die erlittene Körperverletzung zukommt, hängt davon ab, wie sich die Gefahr verwirklicht hat und ob der Kläger die mit seinem Handeln verbundenen Gefahren subjektiv erkannt hat oder sie wenigstens hätte erkennen müssen und ob er auch der Gefahr entsprechend hätte handeln, insbesondere also die Gefahr hätte vermeiden können. Dies wirft die Frage auf, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Schädigung bereits die erforderliche Verantwortungsreife besaß. Für die Beurteilung dieser Frage sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl BSGE 1, 72, 76; BSGE 16, 216, 219 ff; BSG, Praxis 1969, 179 sowie BSG, Urteil vom 26. August 1971 - 9 RV 386/70 - unveröffentlicht).
Das Versorgungsrecht enthält keine spezielle Regelung dazu, wann ein junger Mensch die Fähigkeit besitzt, sich durch vernünftiges Verhalten vor einer Selbstschädigung zu bewahren. Entsprechende oder ähnliche Fragestellungen mußten aber schon auf anderen Rechtsgebieten behandelt werden.
So werden im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gefährliche Spielereien, die zu Unfällen geführt haben, oft als Ausfluß ungehemmten Spieltriebes von Jugendlichen angesehen und die in Betrieb oder Schule im jeweiligen Einzelfall aufgetretenen gruppenspezifischen und gruppendynamischen Vorgaben und Verhaltensweisen für die Feststellung der Verantwortlichkeit des Jugendlichen maßgeblich berücksichtigt. Insbesondere würdigt die Rechtsprechung die Steuerungsfähigkeit des Verhaltens Jugendlicher selbst bei von ihnen erkannter Gefährlichkeit ihres Tuns unter gruppendynamischen Aspekten, ohne allerdings eine feste Altersgrenze bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit von Jugendlichen zu ziehen. Nur wenn der Jugendliche zum Zeitpunkt des Unfalls volljährig war, wird angenommen, daß er die von Sprengkörpern ausgehenden Gefahren zutreffend einschätzen kann (vgl zum Vorstehenden zusammenfassend BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R -, unveröffentlicht sowie grundlegend BSGE 42, 42 ff = SozR 2200 § 550 Nr 14; BSGE 43, 113 ff = SozR 2200 § 550 Nr 26 sowie BSG SozR 2200 § 548 Nr 48).
Im Zivilrecht gilt für die Verantwortlichkeit eines jungen Menschen § 828 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist derjenige, der das 7., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Hat sich jemand selbst einen Schaden zugefügt, gilt ergänzend die Mitverschuldensregel des § 254 BGB (vgl Palandt/Heinrichs, Komm zum BGB, 59. Aufl 2000, § 254 RdNr 13 mwN). Für Fälle der Selbstschädigung kommt es danach darauf an, ob der Betreffende die Einsicht hat, daß man sich selbst vor Schaden bewahren muß. Ob diese Fähigkeit bei Kindern und Jugendlichen zwischen 7 und 18 Jahren vorhanden ist, läßt sich vor allem anhand ihrer geistigen Entwicklung beurteilen, dh die intellektuelle Fähigkeit, die Gefährlichkeit des eigenen Handelns zu erkennen, sich der Verantwortung für die Folgen des Handelns bewußt zu sein und dafür einstehen zu müssen. Es gilt hier ein objektiver Maßstab. Es kommt darauf an, ob der Jugendliche diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, deren ein normal entwickelter Jugendlicher entsprechenden Alters fähig ist (Palandt/Heinrichs, aaO, § 254 RdNr 13 und Palandt-Thomas, aaO, § 828 RdNr 4).
Nach § 3 Satz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dafür ist entscheidend, daß der 14 bis 18-jährige Jugendliche die Tatumstände kennt und als verboten einschätzt, dh das Unrechtbewußtsein muß sich auf die Tatbestandsverwirklichung erstrecken (vgl BGHSt 10, 35 ff). Hat er kein Unrechtbewußtsein, ist zu prüfen, ob er zur Tatzeit reif genug war, es zu haben (vgl Diemer in Diemer/Schoreit/Sonnen, Komm zum JGG, 3. Aufl 1999, § 3 RdNr 8). Diese Prüfung hat - dem Maßstab der Vorwerfbarkeit entsprechend - individuell nach der geistigen und sittlichen Entwicklung des betreffenden Jugendlichen zu erfolgen. Gradmesser kann allerdings der erfahrungsgemäß durchschnittliche Entwicklungsstand von Jugendlichen der gleichen Altersgruppe sein. Besondere Umstände, wie zB die Motorik des Spieltriebs, der Forschungs- und Erprobungsdrang, Impulsivität und Affektreaktionen von Jugendlichen sind stets zu berücksichtigen. In derartigen Fällen kann es an der subjektiven Seite der Fahrlässigkeit fehlen (BGH NJW 1984, 1558 f).
Gegen eine Anwendung der zivil- und jugendstrafrechtlichen Maßstäbe spricht, daß der im Sozialrecht anzuwendenden Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung grundsätzlich Elemente des Verschuldens im straf- aber auch zivilrechtlichen Sinn fremd sind (vgl vor allem BSGE 16, 216, 220; BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG sowie BSG, Urteil vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 -, VdK Mitt 1961, 274). Für die Abwägung, inwieweit das Verhalten eines Jugendlichen als eine von mehreren Ursachen zum Erfolg - also zur Selbstschädigung - beigetragen hat, geht es nicht darum, ob und inwieweit der Betreffende ein Unrechtsbewußtsein hatte und ihm sein Verhalten - wie im Strafrecht - vorzuwerfen ist, auch nicht darum, ob er objektiv fahrlässig wie im Zivilrecht (§ 276 BGB) einem anderen oder sich selbst Schaden zugefügt hat, sondern nur darum, inwieweit der kriegseigentümliche Gefahrenbereich im Einzelfall zum Zeitpunkt des Unfallereignisses (noch) bestand und die Gefahr subjektiv von dem Beschädigten erkannt worden ist oder nach Lage der Umstände hätte erkannt werden müssen - subjektive Erkennbarkeit -, so daß er dementsprechend sein Verhalten hätte einrichten und die Gefahr vermeiden können (vgl BSGE 16, 216, 220; BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/9 RV 1328/56 in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 1) Nr 8; sowie BSG Urteile vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 aaO und 26. August 1971 - 9 RV 386/70 - unveröffentlicht). Dafür ist mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG bei Jugendlichen insbesondere auf ihr Lebensalter, die schulische und/oder berufliche Ausbildung, aber auch auf die sonstige persönliche Entwicklung abzustellen. Bei etwa 15 ½-jährigen Jugendlichen hat das BSG die erforderliche Einsichts- und Willensfähigkeit, entsprechend zu handeln, mehrfach bejaht (vgl BSGE 1, 72 ff; BSG, Urteil vom 17. April 1962 - 10 RV 299/59 - in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 1) Nr 20 sowie Urteil vom 15. August 1967 - 10 RV 150/65 - ebenda § 5 Nr 66). Bei einem 14 ½-jährigen hat das BSG dies im Hinblick auf dessen kindliche Unbekümmertheit verneint (vgl BSG Nr 29 zu § 5 BVG) bzw bezweifelt (vgl Urteil vom 26. August 1971 - 9 RV 386/70 unveröffentlicht). Unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Grundsätze, die der Senat für zutreffend hält, hat das LSG festgestellt, daß der Kläger, nachdem er die Gefährlichkeit des Munitionsfundes und des Umgangs damit erkannt hatte, in der Lage war, dieser Einsicht entsprechend zu handeln. Diese Schlußfolgerung widerspricht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht allgemeinen Erfahrungen und den Denkgesetzen und steht mit den sonstigen Feststellungen des LSG in Einklang. Der damals mehr als 15 Jahre alte Kläger war zu dem Zeitpunkt bereits berufstätig. Er hatte eine Lehre zum Grubenelektriker begonnen. Außerdem besaß er gute intellektuelle Fähigkeiten, die durch entsprechende Schulzeugnisse und sein späteres berufliches Fortkommen - er war als Lehrer tätig - belegt sind. Ohne Rechtsfehler hat das LSG aufgrund dieser Feststellungen angenommen, daß das Verhalten des Klägers gegenüber den anderen Bedingungen, die für die Schädigung im naturwissenschaftlichen Sinne mitursächlich sind, an Bedeutung derart überwiegt, daß es als überragende Bedingung iS der sozialrechtlichen Kausalitätsnorm angesehen werden muß. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht konkret über die Gefährlichkeit seines Handelns aufgeklärt worden war und er auch keine eigenen Erfahrungen bezüglich der Wirkungsweise von Kampfmitteln hatte.
4. Die Entscheidung des BSG vom 11. April 1985 - 4b/9a RV 21/84 (VersorgB 1985, 119) zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Im damaligen Fall hatte wenige Tage nach Kriegsende ein 15 ½-jähriger Jugendlicher eine Handgranate aus den Beständen der deutschen Wehrmacht gefunden, sie unbeabsichtigt ausgelöst und in eine Scheune geworfen, wo sie explodierte und ein Mädchen verletzte, das sich - vom Schädiger offensichtlich unbemerkt - gerade dort aufhielt. Zur Begründung ist das BSG in jenem Fall von folgenden Überlegungen ausgegangen: Wenn durch das Auslösen einer Handgranate ein Dritter verletzt werde, bilde der kriegseigentümliche Gefahrenbereich eine wesentliche Teilursache für dessen Schädigung. Der Schädiger habe durch sein Hantieren mit Sprengkörpern keine neue und überragende Ursache für die Schädigung gesetzt. Mit der Rechtsprechung des BSG in SozR Nr 29 zu § 5 BVG vermöge der erkennende Senat nach allgemeiner Lebenserfahrung einem 15 ½-jährigen eine entsprechende Verantwortungsreife noch nicht zuzuerkennen.
Die zitierte Entscheidung ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß "40 Jahre nach Kriegsende" eine individuelle Aufklärung der Einsichtsfähigkeit des Schädigers zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung als nicht mehr möglich war. Im vorliegenden Falle ließen sich hingegen genügend Fakten ermitteln, um die Verantwortungsreife des Klägers zum Zeitpunkt des Urteils beurteilen zu können. Daß das BSG in seinem Urteil vom 11. April 1985 (aaO) zur Verantwortungsreife eines 15 ½-jährigen eine Aussage in Form eines allgemeinen Erfahrungssatzes getroffen hat, macht die Annahme des LSG, daß der Kläger hier die erforderliche Verantwortungsreife besaß, nicht unrichtig. Einerseits fehlt in der Entscheidung von 1984 jeder Hinweis darauf, worauf das BSG die Existenz des von ihm angenommenen Erfahrungssatzes stützt. Andererseits kann von einem allgemeinen Erfahrungssatz nur die Rede sein, wenn er unzweifelhaft und ohne Ausnahme gilt (so insbesondere BFH vom 21. Oktober 1997 - VIII R 18/96 in BFH/NV 1998, 582 ff; BVerwG vom 25. Juli 1990 - 3 CB 9/90 in IFLA 1992, 107 ff; im übrigen ist bezüglich "Erfahrungssätze" vieles streitig, vgl zB BFHE 157, 165; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 20; BSG vom 24. August 1960 - 9 RV 806/60 - unveröffentlicht; sowie BSG vom 16. Juli 1965 - 8 RV 971/63 in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 2) Nr 24). Das BSG hat aber - wie bereits erwähnt - in anderen Entscheidungen die Verantwortungsreife 15 ½-jähriger Jugendlicher im Umgang mit gefundenem Kriegsmaterial für die eingetretenen Schädigungsfolgen aus den festgestellten Umständen des jeweiligen Falles bejaht (vgl die Urteile vom 15. August 1967 - 10 RV 150/65 - und vom 17. April 1962 - 10 RV 299/59 - in SozEntsch BSG 9/3 § 5 Nr 66 und § 1 (b 1) Nr 20 sowie BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG und BSGE 1, 72 ff). Im letztgenannten Fall hat das BSG sogar einen gegenteiligen Satz aufgestellt, nämlich, daß ein 15 ½-jähriger Kraftfahrzeugschlosserlehrling, der mit einem herumliegenden Gewehr hantiert und dabei eine Explosion auslöst "in aller Regel die Fähigkeit hat, das gefährliche seines Handelns zu erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten".
Der Senat verkennt nicht, daß im Einzelfall trotz späterer erfolgreicher Schul- und Berufsausbildung einem über 15 Jahre alten Jugendlichen die Verantwortungsreife fehlen kann, sich dem Reiz einer erkannten Gefahr (hier: dem Hantieren mit der gefundenen Munition) zu entziehen. Dafür müssen aber gewichtige Anhaltspunkte vorliegen. Nur wenn das der Fall ist, besteht die Möglichkeit, die Verantwortungsreife zum Zeitpunkt der Schädigung durch die explodierte Munition zu verneinen. Auf solche Umstände, die eine abweichende Beurteilung der Verantwortungsreife eines über 15-jährigen erlauben, hat der Kläger weder hingewiesen, noch sind dafür irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich.
5. Über die Frage, ob der polnische Staat Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Dies wäre möglicherweise in einem Schadensersatzprozeß des Klägers gegen den polnischen Staat zu klären. Der Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem BVG hängt davon nicht ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Rahmen der Teilversorgung Anspruch auf Grundrente hat.
Der im August 1950 geborene, in Polen wohnhafte volksdeutsche Kläger besuchte von 1957 bis 1965 die Volksschule und sodann die Berufsschule der Kohlengrube "B ". Am 6. November 1965 hantierte er auf seinem Zimmer mit Munition, die er in einem Wald gesammelt hatte. Dabei explodierte ein Sprengkörper. Der Kläger erlitt mehrere Verletzungen. Er bezog deswegen in Polen eine Rente aus der Versicherung für Jugendliche in Schulen, die 1983 kapitalisiert wurde. Nach Abschluß seiner Schul- und Berufsausbildung arbeitete er bis 1990, zuletzt in Teilzeit, als Grundschullehrer. Seit 1978 erhält er eine Invalidenrente nach der Invalidengruppe III.
Bereits im März 1969 hatte sein Vater bei der beklagten Versorgungsverwaltung für ihn die Gewährung von Beschädigtenversorgung beantragt. Dabei gab er an, sein Sohn habe am 6. November 1965 im Munitionslager im Wald bei W eine Eierhandgranate gefunden und sei bei deren Explosion verletzt worden. Nach Beiziehung von Unterlagen der polnischen Sozialversicherungsanstalt ZUS lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. Januar 1972 und Widerspruchsbescheid vom 10. August 1973 bestandskräftig ab, weil wesentliche Bedingung für die Verletzungen des Klägers dessen eigenes Verhalten gewesen sei. Im Februar 1994 wiederholte der Kläger seinen Antrag. Nunmehr behauptete er, er habe Munition in der Nähe eines gesprengten deutschen Munitionslagers gefunden. Beim Spielen damit sei ein Fliegerabwehrgeschoß explodiert. Mit Bescheid vom 11. April 1994 und Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 1994 lehnte der Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung nach weiterer Sachaufklärung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung und der gesundheitlichen Schädigung des Klägers sei nicht gegeben. Zwar handele es sich bei der Explosion des Fliegerabwehrgeschosses um eine nachträgliche Auswirkung von kriegerischen Vorgängen iS der §§ 1 Abs 2 Buchst a und 5 Abs 1 Buchst e des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Sie sei jedoch nicht die wesentliche Ursache für die Körperverletzung, sondern das unvorsichtige Verhalten des Klägers. Er habe die Gefährlichkeit des Kampfmittels erkannt und hätte deshalb entsprechend seiner Einsicht handeln können und müssen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht ua geltend: Entgegen der Auffassung des LSG sei die Gefährlichkeit des daumengroßen Sprengkörpers von ihm seinerzeit nicht ausreichend erkannt worden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß er zum Zeitpunkt des Unfalls bereits die notwendige Verantwortungsreife gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2000 und des Sozialgerichts Münster vom 26. September 1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 11. April 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1994 sowie unter Rücknahme des Bescheides vom 28. Januar 1972 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1973 zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen der Schädigung vom 6. November 1965 Teilversorgung nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BVG.
A.
1. Der Senat kann in der Sache entscheiden. Das beklagte Land ist - entgegen der im Schrifttum (vgl Straßfeld, Die Versorgungsverwaltung 2001, 18 ff und Zeihe, SGb 2001, 116 ff) geäußerten Auffassungen - ordnungsgemäß durch die als "Landesversorgungsamt" bezeichnete Abteilung der Bezirksregierung Münster vertreten. Nach § 71 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) müssen sich die Länder in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit durch die Landesversorgungsämter vertreten lassen. Ob diese Voraussetzung hier erfüllt ist, richtet sich ua nach den im Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (ErrG) idF des Art 25 des Zweiten Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3. Mai 2000 (BGBl I, 632) enthaltenen Vorgaben (aA LSG NW; vgl die Urteile vom 25. Januar 2001 - L 7 SB 47/99, 30. Januar 2001 - L 6 SB 100/99 sowie 31. Januar 2001 - L 10 VS 28/00).
2. Die Auffassung des Senats beruht zunächst auf der Auslegung des § 1 ErrG idF des Zweiten Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3. Mai 2000, mit dem § 1 Abs 2 Satz 1 in seiner ursprünglichen Fassung vom 12. März 1951 (BGBl I, 169) gestrichen und § 1 neugefaßt worden ist. Die Vorschrift lautet nunmehr: "Die Versorgung der Kriegsopfer wird von Versorgungsämtern und Landesversorgungsämtern durchgeführt. Mehrere Länder können ein gemeinsames Landesversorgungsamt errichten". Gestrichen wurde die Regelung, daß die Versorgungsämter und Landesversorgungsämter von den Ländern "als besondere Verwaltungsbehörden errichtet werden". Entgegen der mit dem Gesetzentwurf des Bundesrats (BR) verfolgten Absicht, das Errichtungsgesetz im vollen Umfang aufzuheben (vgl BT-Drucks 14/640, Begründung zu Art 33), wodurch die Bundesländer die volle Organisationsfreiheit für die Einrichtung und Gestaltung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen Behörden erlangt hätten, kam es infolge des Widerstandes der Bundesregierung (vgl BT-Drucks 14/640 zu Art 33 S 19, 20) im Zuge der Beratung der mit der Angelegenheit befaßten Bundestagsausschüsse (federführend war der Innenausschuß) zu der nunmehr geltenden Gesetzesfassung. Die neue Fassung entspricht dem durch den Einigungsvertrag Kap VIII Anl I Sachgebiet K Abschn III Nr 2 Buchst a, c, d in den Beitrittsländern ab 1. Januar 1991 begründeten Rechtszustand (vgl BGBl 1990 II, 885, 1068).
a) Das bedeutet allerdings nicht, daß ein Bundesland, das seine Versorgungsverwaltung modernisieren will, die Umgestaltung seiner Versorgungsbehörden entsprechend den in den Beitrittsländern entstandenen Strukturen vornehmen muß. Die Länder haben die bundesgesetzlich vorgegebene, das soziale Entschädigungsrecht (SER) betreffende Verwaltung als eigene Angelegenheit auszuführen (vgl Art 83 Grundgesetz (GG)). Sie regeln deshalb die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren selbständig, soweit nicht mit Zustimmung des BR ergangene Bundesgesetze und Verwaltungsvorschriften etwas anderes bestimmen (Art 84 Abs 1 GG).
b) Nach Art 84 Abs 1 GG steht den Ländern grundsätzlich die Organisationsgewalt für die Landeseigenverwaltung zu (vgl Dittmann in Sachs, GG-Komm, Art 84 RdNr 1). Sie haben das Recht, die für den Gesetzesvollzug erforderlichen Behörden einzurichten, müssen dabei aber die sachgerechte Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes sicherstellen (vgl BVerfGE 55, 274, 318; s dazu auch BVerfGE 75, 108, 250, 152). Das jeweils mit Zustimmung des BR zustande gekommene bundesgesetzliche "Programm" - eventuell ergänzt um Verwaltungsvorschriften (Art 84 Abs 2 GG) - begrenzt den Umfang der grundsätzlich den Ländern zustehenden Regelungskompetenz. Für den Fall, daß der Bund eine organisatorische Frage zwar geregelt hat, dies aber nicht vollständig geschehen ist, verbleibt dem betroffenen Land eine ergänzende Regelungsbefugnis (vgl dazu Hermes in Dreier, GG-Komm, Bd 3, 2000, Art 84 RdNr 19 ff, 25). Die Einrichtung von Behörden umfaßt sowohl deren Errichtung als auch ihre Ausgestaltung und innere Organisation, einschließlich Übertragung von Aufgaben und Befugnissen (vgl Pieroth in Jarras/ Pieroth, GG 5. Aufl 2000, Art 84 RdNr 3 mwN).
c) Die bundesrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung der Versorgungsbehörden der Länder sind insbesondere durch die Neufassung des § 1 ErrG entscheidend verringert worden. Der Umfang der Organisationsgewalt der Länder hat sich dadurch, daß diese die Versorgungsbehörden nicht mehr als besondere Verwaltungsbehörden errichten müssen, zu Gunsten der Länder verändert. Aus der nunmehr geltenden Fassung des § 1, nach der die Versorgung der Kriegsopfer von Versorgungsämtern und Landesversorgungsämtern durchgeführt wird und mehrere Länder ein gemeinsames Landesversorgungsamt errichten können, folgt: Die Länder müssen einerseits Landesversorgungsämter nicht mehr als selbständige Behörden einrichten. Andererseits dürfen sie aber die für die Kriegsopferversorgung zuständigen Behörden auch nicht gänzlich nach eigenem Ermessen errichten. Die Neufassung des § 1 ErrG stellt - wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt - einen Kompromiß zwischen den Interessen des Bundes und der Länder im Hinblick auf die Kompetenzabgrenzung des Art 84 Abs 1 GG dar. In dem Bericht des Innenausschusses wird klargestellt, daß neben der Fachaufsicht auch die Dienstaufsicht bei der obersten Landesbehörde, dem Sozialministerium, verbleibt und die Versorgungsämter als kompetente, fachlich eigenständige Sozialbehörden bestehen bleiben müssen (vgl BT-Drucks 14/2797, S 14). Durch die Neuregelung sollten aber auch die Eigenverantwortung und der Spielraum der Länder für Verwaltungsreformen, insbesondere auch bei der Gestaltung der Versorgungsverwaltung, erweitert werden (vgl Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 14. Wahlperiode 1998, Bd 200, Stenografische Berichte 82 bis 91, 90. Sitzung am 24. Februar 2000, S 8414, 8415, 8417).
d) Ferner müssen die Länder - wie der unveränderten Geltung des § 3 ErrG zu entnehmen ist - die in dieser Vorschrift festgelegte hierarchische Ordnung der Versorgungsbehörden unter Aufsicht der obersten Landesbehörde beibehalten, nicht dagegen die Eigenständigkeit der Versorgungsämter und Landesversorgungsämter. Der Grundsatz, daß die Versorgungsverwaltung nicht anderen Behörden übertragen werden darf, um der großen Bedeutung der Kriegsopferversorgung Rechnung zu tragen und eine fachlich hochqualifizierte Versorgung der Kriegsopfer sicherzustellen, von dem der Gesetzgeber bei Erlaß des ErrG ausgegangen ist (vgl BT-Drucks 1/1729, S 4 sowie § 4 ErrG), gilt nicht mehr. Die Länder dürfen jetzt, auch wenn sie weiterhin verpflichtet sind, eine leistungsfähige und qualifizierte, hierarchisch strukturierte Versorgungsverwaltung zu gewährleisten (vgl Stellungnahme der Bundesregierung zu Art 33 des Entwurfs eines Zuständigkeitslockerungsgesetzes - BT-Drucks 14/640, S 19, 20), die bisherigen Landesversorgungsämter anderen Behörden - gleich ob Mittelbehörden oder Oberbehörden - angliedern (vgl auch Verhandlungen des Deutschen Bundestages aaO, Anlage 4 S 8414, 8415). Dies ist aber nur zulässig, wenn die fachliche Qualität der Versorgungsverwaltung (vgl § 3 ErrG) durch Verwendung entsprechend ausgebildeter, in Versorgungsverwaltung und Versorgungsrecht kompetenter Bediensteter, erhalten bleibt.
e) Aus der Formulierung "unterstehen" in § 3 ErrG ist zu schließen, daß sich die Zuständigkeit der für die mit der Kriegsopferversorgung betrauten obersten Landesbehörde sowohl auf die Dienst- als auch auf die Fachaufsicht über das Landesversorgungsamt erstrecken muß (s dazu auch die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 3, BT-Drucks 1/1729, S 6).
3. Die Vorgaben des Bundesgesetzgebers sind vom Land NW im Zweiten Modernisierungsgesetz (2. ModernG) vom 9. Mai 2000 (GVBl NW 2000, 462) und durch die ergänzenden untergesetzlichen Reglungen in derzeit nicht zu beanstandender Weise beachtet worden.
a) Mit Auflösung des Landesversorgungsamtes des Landes NW durch Art 1 § 3 Satz 2 iVm Art 37 Abs 2 2. ModernG sind dessen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster - eine Landesmittelbehörde der allgemeinen und inneren Verwaltung, die dem Innenministerium (IM) nachgeordnet ist -, übertragen worden (Art 1 § 3 Satz 1 2. ModernG). Nach § 4 Abs 4 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen idF vom 28. November 2000 (Geschäftsordnung) nimmt die Bezirksregierung Münster neben anderen Aufgaben auch die Funktion eines Landesversorgungsamtes mit landesweiter Zuständigkeit wahr. Die Bediensteten des aufgelösten Landesversorgungsamtes sind in die Abt 10 der Bezirksregierung überführt worden. Diese Abteilung führt die (Zusatz)Bezeichnung "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" (Beschluss der Landesregierung vom 28. November 2000, vgl RdErl des IM vom 13. Dezember 2000 - VA -.00/36.00). Gemäß § 12 Abs 2, 3 Landesorganisationsgesetz NW ((LOG), GVBl 1962, 421), zuletzt geändert durch Art 10 des Gesetzes vom 9. Mai 2000 (GBl NW, 462), führt das IM die Dienstaufsicht über die Bezirksregierungen. Die Dienstaufsicht erstreckt sich grundsätzlich auf den Aufbau, die innere Ordnung, die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten der Behörden (§ 12 Abs 1 LOG). Für die Fachaufsicht (§ 13 LOG) über die Abt 10 der Bezirksregierung ist das Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie (MASQT) zuständig. Hinsichtlich der Dienstaufsicht gelten für Bedienstete der Abt 10 allerdings Ausnahmen (vgl § 12 Abs 2, 3 LOG). Sie unterliegen, soweit sie als sog "Klammerstelleninhaber" Fachaufgaben im Geschäftsbereich einer bestimmten obersten Landesbehörde wahrnehmen und dafür eine besondere Ausbildung besitzen, als Beamte oder Angestellte (vgl Art 11 § 1 Abs 1 2. ModernG) nicht der Dienstaufsicht des IM, sondern der des MASQT. Gemäß Art 11 § 2 2. ModernG bleibt das MASQT für eine Übergangsphase von fünf Jahren zudem für die Beamten des bisherigen Landesversorgungsamtes, die dem allgemeinen höheren Verwaltungsdienst angehören und vergleichbare Angestellte oberste Dienstbehörde iS des § 3 Abs 1 Landesbeamtengesetz NW. Das MASQT führt danach die Dienstaufsicht über Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes und vergleichbare Angestellte insoweit, als diese in der Abt 10 Aufgaben der Versorgungsverwaltung wahrnehmen und dafür eine spezielle Ausbildung besitzen. Die Dienstaufsicht beschränkt sich auf die personalrechtliche Aufsicht über die Pflichterfüllung des Amtsträgers im Innenverhältnis zu seinem Dienstherrn (vgl insoweit auch Straßfeld, aaO, 18, 21). Beamte des höheren allgemeinen Verwaltungsdienstes aus den übrigen Abteilungen der Bezirksregierung sollen nach einem Schreiben des IM vom 12. Dezember 2000 jedenfalls zunächst nicht in Abt 10 eingesetzt werden.
b) Die Abteilungen der Bezirksregierung werden von Abteilungsleitern als Vorgesetzte aller Beschäftigten geleitet (§ 17 Geschäftsordnung). Sie können sich - ebenso wie der Regierungspräsident/Vizepräsident - gemäß § 11 Geschäftsordnung im Einzelfall in die Bearbeitung von Angelegenheiten einschalten, sich auch Entscheidungen vorbehalten und sachliche Weisungen geben. Personalentscheidungen für den höheren Dienst der Abt 10 werden für eine Übergangszeit von fünf Jahren (ab 1. Januar 2001) nur im Einvernehmen mit dem Leiter dieser Abteilung getroffen (vgl § 16 Nr 6 Geschäftsordnung). Die Bestellung von Abteilungsleitern und ihre Ernennung obliegt im Rahmen seiner Dienstaufsicht dem IM (§ 17 Abs 1 Geschäftsordnung). Bei einer nicht dem IM zuzuordnenden Fachabteilung geschieht dies nach Maßgabe des § 17 Abs 2 im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde (§ 17 Abs 2 Geschäftsordnung). Für die Bestellung von Hauptdezernenten gilt ähnliches (vgl § 18 Abs 6 Geschäftsordnung).
c) Die im 2. ModernG enthaltenen landesrechtlichen Vorschriften über die Eingliederung des früheren Landesversorgungsamtes NW in die Bezirksregierung Münster und die aufgeführten Vorschriften der Geschäftsordnung lassen nach der insoweit gebotenen Gesamtschau nicht den Schluß zu, daß die Abt 10 - das "neue Landesversorgungsamt" - seine in der Art einer Gesamtrechtsnachfolge (vgl Straßfeld aaO, 19 mwN) übernommenen Aufgaben nicht in etwa gleicher Weise und Güte wie das frühere selbständige Landesversorgungsamt erfüllt. Die maßgeblichen Behörden- und Entscheidungsstrukturen und die Gestaltung von Dienst- und Fachaufsicht nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften lassen jedenfalls derzeit nicht die Gefahr erkennen, daß eine dem ErrG einschließlich verfassungsrechtlicher Vorgaben widersprechende, das SER betreffende Verwaltung durch die Bezirksregierung Münster erfolgt oder unmittelbar zu befürchten ist. Dafür sprechen entgegen den von Zeihe (aaO) und Straßfeld (aaO) vorgetragenen Bedenken neben der bereits gewürdigten Änderung des ErrG folgende weitere Überlegungen:
aa) Die der Abt 10 der Bezirksregierung Münster übertragenen Aufgaben (vgl Art 1 § 3 Satz 1 2. ModernG) werden nicht von dieser Abteilung, sondern von der Bezirksregierung als Behörde wahrgenommen. Unter Behörde wird eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln verstanden. Sie muß - zur Erfüllung der ihr übertragenen staatlichen Aufgaben und Zwecke - zudem mit einer gewissen Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgestattet sein (vgl BVerfGE 10, 21, 48; Stelkens/Bonk/Leonhard, VwVfG-Komm, 3. Aufl 1990, RdNr 124, 127 f; Schroeder-Printzen, SGB X-Komm, 3. Aufl 1996, § 1 RdNr 7, 8). Diese Voraussetzungen treffen nur für die Bezirksregierung selbst, nicht aber für ihre einzelnen Abteilungen zu. Dies steht indessen nicht im Widerspruch zu den bundesgesetzlichen Regelungen des ErrG und des § 71 Abs 5 SGG.
bb) Unbedenklich für eine ordnungsgemäße Prozeßvertretung iS von § 71 Abs 5 SGG und der Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Aufgaben ist ferner der Status der Bezirksregierung als Landesmittelbehörde. Denn das ErrG schreibt in § 3 - wie oben bereits dargelegt - nur die hierarchische Struktur zwischen Versorgungsämtern, Landesversorgungsamt und oberste Landesbehörde vor, nicht aber, welchen Status das Landesversorgungsamt im Gefüge der Landesverwaltung haben muß. Daß die Landesversorgungsämter in den einzelnen Bundesländern bisher regelmäßig Landesoberbehörden waren, schränkt die Gestaltungsfreiheit der Länder nicht ein. Ihr Spielraum ergibt sich aus der oben erörterten, in Art 84 Abs 1 GG normierten Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern.
cc) Das Land NW hat mit der Übertragung der Aufgaben des bisherigen Landesversorgungsamtes auf die Bezirksregierung Münster auch nicht das Gebot außer acht gelassen, mit diesen Aufgaben dafür besonders qualifizierte Beamte und Angestellte zu betrauen. Davon kann jedenfalls zur Zeit ausgegangen werden. Das gilt auch im Hinblick auf die zwischen dem IM und dem MASQT geteilte Dienstaufsicht. Dem MASQT ist ein ausreichender Einfluß auf die Bestellung des Personals, auch der Leitungsebene eingeräumt. Soweit zwischen IM und MASQT Einvernehmen verlangt wird, erfordert das übergeordnete Interesse der Qualitätssicherung wenigstens die Aufrechterhaltung dieser Regelung. Solange deshalb Struktur und Gefüge der Abt 10 im Hinblick auf die zu wahrende fachliche und personelle Qualität der Versorgungsverwaltung nicht erheblich verändert werden, kann die Abt 10 der Bezirksregierung Münster unbedenklich als Landesversorgungsamt iS des ErrG wie auch des § 71 Abs 5 SGG angesehen werden, selbst wenn man eine Änderung des § 71 Abs 5 SGG - wie sie durch den Entwurf des 6. SGG-ÄndG angestrebt wird (vgl dazu BT-Drucks 14/5943 und BR-Drucks 132/01-Beschluss) - für wünschenswert hielte. Die dort vorgesehene Ergänzung des § 71 Abs 5 SGG durch die Worte "oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind" bedeutet nur eine Klarstellung und soll insbesondere im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse im Land NW erfolgen (vgl BR-Drucks aaO zu Art 1 Nr 28 Buchst b, 57).
Das Land NW wird allerdings auch in Zukunft dafür Sorge tragen müssen, daß die derzeit vorhandene Qualität der Versorgungsverwaltung im Rahmen der Bezirksregierung Münster ungeschmälert aufrechterhalten bleibt. Die Vertretung des Landes NW in Versorgungsangelegenheiten gemäß § 71 Abs 5 SGG (vor dem BSG) durch die Bezirksregierung Münster entspricht nach den derzeitigen landesrechtlichen Vorschriften und den damit einhergehenden tatsächlichen Gegebenheiten den bundesgesetzlichen Vorgaben.
B.
1. Der Kläger kann sein Begehren nicht auf § 44 Abs 1 SGB X iVm §§ 64 Abs 1, 64e sowie der Auslandsversorgungsverordnung (AuslVersV) vom 30. Juni 1990 (BGBl I, 1321) stützen. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
2. Dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch steht, wie das LSG mit Recht entschieden hat, nicht bereits § 7 Abs 2 BVG entgegen. Der in dieser Vorschrift verankerte Grundsatz des Ausschlusses einer Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln bei gleicher Schädigungsursache ist hier nicht einschlägig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt der Ausschluß von Leistungen nach dem BVG die Zugehörigkeit des Antragstellers zum Kriegsopferversorgungssystem (KOV-System) eines anderen Staates voraus (vgl BSG SozR 3-3100 § 7 Nr 1, 2, 6). In Polen gibt es ein KOV-System (vgl zB BSGE 64, 276, 279 = SozR 3100 § 64 Nr 7). Der Kläger bezieht aber vom polnischen Staat keine Versorgungsleistungen aus diesem System, sondern eine Invaliditätsrente nach der Invaliditätsgruppe III gemäß der Verordnung des Gesetzes vom 23. Januar 1968 über die allgemeine Versorgung von pensionsberechtigten Angestellten und Familien.
3. Nach § 64 e Abs 1 BVG iVm § 1 AuslVersV erhalten deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in Polen haben, im Hinblick auf die in § 64 e BVG genannten besonderen Gründe keine Vollversorgung, sondern Teilversorgung. Die Voraussetzungen dafür sind im einzelnen aufgrund des Art 1 Nr 29 des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 (BGBl I, 1211), in der genannten Vorschrift sowie in der AuslVersV geregelt. Für die Versorgungsverwaltung haben in diesem Zusammenhang die Richtlinien Ost 1990 vom 7. Dezember 1990 des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - Az: VI a 4/53340-9 - (vgl zB VdK, Handbuch des sozialen Entschädigungsrechts 1999, 267 ff) ergänzende Bedeutung.
a) Nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Buchst a BVG erhält auf Antrag Versorgung, wer durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine Gesundheitsstörung erlitten hat. Nach § 5 Abs 1 Buchst e BVG gelten als unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG auch nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge, die einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Das ist ua auch dann der Fall, wenn militärische Explosionskörper, infolge kriegseigentümlicher gefährlicher Umstände an frei zugänglichen Orten ungeschützt und dem Zugriff jedermanns zugänglich herumliegen (vgl zB BSGE 1, 72, 75; 6, 102, 103; 6, 188, 190; BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG; BSG VersorgB 1985, 119). Dem Versorgungsanspruch steht nicht entgegen, wenn derartige Sprengkörper vom Fundort fortgebracht werden und die weiterbestehende kriegseigentümliche Gefährlichkeit erst danach sich durch eine Explosion verwirklicht (BSG SozR 3100 § 8 Nr 1 S 4; BSGE 8, 275, 276; BSG BVBl 1964, 114). Zum Zeitpunkt der Schädigung muß aber die typisch kriegsbedingte Gefahr als solche weiterhin bestehen (vgl BSGE 24, 200, 201 = SozR Nr 42 zu § 5 BVG; BSG BVBl 1964, 114; BSG Breith 1977, 345 ff; BSG SozR 3100 § 8 Nr 1).
Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat sich der Kläger am 6. November 1965 durch Explosion eines von ihm in der Nähe seines Wohnortes in einem Wald um K gefundenen Kampfmittels, das aus einem gesprengten Munitionslager der deutschen Wehrmacht stammte, erhebliche Verletzungen zugezogen. In dem ungesicherten Waldgebiet fanden sich zahlreiche Blindgänger, die zu mehreren Unfällen Jugendlicher geführt haben. Das LSG hat daraus mit Recht geschlossen, daß hier ein kriegseigentümlicher Gefahrenbereich bestand, der auch nicht dadurch aufgehoben wurde, daß der Kläger das Kampfmittel gefunden, mit nach Hause genommen und damit hantiert hat (ebenso BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG und BSG in SozEntsch 9/3 § 5 Nr 66).
b) Kommen - wie hier - für eine Schädigung mehrere Umstände als Ursachen in Betracht, so ist für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs die vom BSG in ständiger Rechtsprechung (vgl bereits BSGE 1, 72; 150, 268) entwickelte Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach gilt als Ursache im Rechtssinn nicht jede Bedingung, gleichgültig mit welcher Intensität sie zum Erfolg beigetragen hat und in welchem Zusammenhang sie dazu steht. Als Ursachen sind vielmehr nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Das ist der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges als annähernd gleichwertig anzusehen sind. Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinn. Im einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere BSGE 16, 216, 218 sowie allgemein Bürck in Suchenwirth/Kunze/Krasney, Neurologische Begutachtung, 3. Aufl 2000 unter 2.6.2: Der Kausalitätsmaßstab im Versorgungsrecht S 54, 55).
Das LSG hat mit Recht festgestellt, daß hier mehrere Bedingungen zur Verletzung des Klägers beigetragen haben. Die Schädigung ist zunächst durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung iS des § 1 Abs 2 Buchst a BVG herbeigeführt worden. Die aus deutschen Beständen zurückgelassene Munition lag an frei zugänglichen Orten und konnte - wie dies mehrfach vorgekommen ist - von jedermann gefunden werden. Die dadurch hervorgerufene Gefahr hat auch fortbestanden, nachdem der Kläger die von ihm gefundene Munition mit nach Hause genommen hatte. Denn das Verbringen von Sprengkörpern an einen anderen Ort beseitigt nicht die Explosionsgefahr.
c) Ob dem Verhalten des Klägers, insbesondere seinem Hantieren mit der Munition, die überragende Bedeutung für die erlittene Körperverletzung zukommt, hängt davon ab, wie sich die Gefahr verwirklicht hat und ob der Kläger die mit seinem Handeln verbundenen Gefahren subjektiv erkannt hat oder sie wenigstens hätte erkennen müssen und ob er auch der Gefahr entsprechend hätte handeln, insbesondere also die Gefahr hätte vermeiden können. Dies wirft die Frage auf, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Schädigung bereits die erforderliche Verantwortungsreife besaß. Für die Beurteilung dieser Frage sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (vgl BSGE 1, 72, 76; BSGE 16, 216, 219 ff; BSG, Praxis 1969, 179 sowie BSG, Urteil vom 26. August 1971 - 9 RV 386/70 - unveröffentlicht).
Das Versorgungsrecht enthält keine spezielle Regelung dazu, wann ein junger Mensch die Fähigkeit besitzt, sich durch vernünftiges Verhalten vor einer Selbstschädigung zu bewahren. Entsprechende oder ähnliche Fragestellungen mußten aber schon auf anderen Rechtsgebieten behandelt werden.
So werden im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung gefährliche Spielereien, die zu Unfällen geführt haben, oft als Ausfluß ungehemmten Spieltriebes von Jugendlichen angesehen und die in Betrieb oder Schule im jeweiligen Einzelfall aufgetretenen gruppenspezifischen und gruppendynamischen Vorgaben und Verhaltensweisen für die Feststellung der Verantwortlichkeit des Jugendlichen maßgeblich berücksichtigt. Insbesondere würdigt die Rechtsprechung die Steuerungsfähigkeit des Verhaltens Jugendlicher selbst bei von ihnen erkannter Gefährlichkeit ihres Tuns unter gruppendynamischen Aspekten, ohne allerdings eine feste Altersgrenze bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit von Jugendlichen zu ziehen. Nur wenn der Jugendliche zum Zeitpunkt des Unfalls volljährig war, wird angenommen, daß er die von Sprengkörpern ausgehenden Gefahren zutreffend einschätzen kann (vgl zum Vorstehenden zusammenfassend BSG, Urteil vom 7. November 2000 - B 2 U 40/99 R -, unveröffentlicht sowie grundlegend BSGE 42, 42 ff = SozR 2200 § 550 Nr 14; BSGE 43, 113 ff = SozR 2200 § 550 Nr 26 sowie BSG SozR 2200 § 548 Nr 48).
Im Zivilrecht gilt für die Verantwortlichkeit eines jungen Menschen § 828 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist derjenige, der das 7., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Hat sich jemand selbst einen Schaden zugefügt, gilt ergänzend die Mitverschuldensregel des § 254 BGB (vgl Palandt/Heinrichs, Komm zum BGB, 59. Aufl 2000, § 254 RdNr 13 mwN). Für Fälle der Selbstschädigung kommt es danach darauf an, ob der Betreffende die Einsicht hat, daß man sich selbst vor Schaden bewahren muß. Ob diese Fähigkeit bei Kindern und Jugendlichen zwischen 7 und 18 Jahren vorhanden ist, läßt sich vor allem anhand ihrer geistigen Entwicklung beurteilen, dh die intellektuelle Fähigkeit, die Gefährlichkeit des eigenen Handelns zu erkennen, sich der Verantwortung für die Folgen des Handelns bewußt zu sein und dafür einstehen zu müssen. Es gilt hier ein objektiver Maßstab. Es kommt darauf an, ob der Jugendliche diejenige Sorgfalt außer acht gelassen hat, deren ein normal entwickelter Jugendlicher entsprechenden Alters fähig ist (Palandt/Heinrichs, aaO, § 254 RdNr 13 und Palandt-Thomas, aaO, § 828 RdNr 4).
Nach § 3 Satz 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist ein Jugendlicher strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dafür ist entscheidend, daß der 14 bis 18-jährige Jugendliche die Tatumstände kennt und als verboten einschätzt, dh das Unrechtbewußtsein muß sich auf die Tatbestandsverwirklichung erstrecken (vgl BGHSt 10, 35 ff). Hat er kein Unrechtbewußtsein, ist zu prüfen, ob er zur Tatzeit reif genug war, es zu haben (vgl Diemer in Diemer/Schoreit/Sonnen, Komm zum JGG, 3. Aufl 1999, § 3 RdNr 8). Diese Prüfung hat - dem Maßstab der Vorwerfbarkeit entsprechend - individuell nach der geistigen und sittlichen Entwicklung des betreffenden Jugendlichen zu erfolgen. Gradmesser kann allerdings der erfahrungsgemäß durchschnittliche Entwicklungsstand von Jugendlichen der gleichen Altersgruppe sein. Besondere Umstände, wie zB die Motorik des Spieltriebs, der Forschungs- und Erprobungsdrang, Impulsivität und Affektreaktionen von Jugendlichen sind stets zu berücksichtigen. In derartigen Fällen kann es an der subjektiven Seite der Fahrlässigkeit fehlen (BGH NJW 1984, 1558 f).
Gegen eine Anwendung der zivil- und jugendstrafrechtlichen Maßstäbe spricht, daß der im Sozialrecht anzuwendenden Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung grundsätzlich Elemente des Verschuldens im straf- aber auch zivilrechtlichen Sinn fremd sind (vgl vor allem BSGE 16, 216, 220; BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG sowie BSG, Urteil vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 -, VdK Mitt 1961, 274). Für die Abwägung, inwieweit das Verhalten eines Jugendlichen als eine von mehreren Ursachen zum Erfolg - also zur Selbstschädigung - beigetragen hat, geht es nicht darum, ob und inwieweit der Betreffende ein Unrechtsbewußtsein hatte und ihm sein Verhalten - wie im Strafrecht - vorzuwerfen ist, auch nicht darum, ob er objektiv fahrlässig wie im Zivilrecht (§ 276 BGB) einem anderen oder sich selbst Schaden zugefügt hat, sondern nur darum, inwieweit der kriegseigentümliche Gefahrenbereich im Einzelfall zum Zeitpunkt des Unfallereignisses (noch) bestand und die Gefahr subjektiv von dem Beschädigten erkannt worden ist oder nach Lage der Umstände hätte erkannt werden müssen - subjektive Erkennbarkeit -, so daß er dementsprechend sein Verhalten hätte einrichten und die Gefahr vermeiden können (vgl BSGE 16, 216, 220; BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/9 RV 1328/56 in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 1) Nr 8; sowie BSG Urteile vom 25. April 1961 - 11 RV 1008/60 aaO und 26. August 1971 - 9 RV 386/70 - unveröffentlicht). Dafür ist mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG bei Jugendlichen insbesondere auf ihr Lebensalter, die schulische und/oder berufliche Ausbildung, aber auch auf die sonstige persönliche Entwicklung abzustellen. Bei etwa 15 ½-jährigen Jugendlichen hat das BSG die erforderliche Einsichts- und Willensfähigkeit, entsprechend zu handeln, mehrfach bejaht (vgl BSGE 1, 72 ff; BSG, Urteil vom 17. April 1962 - 10 RV 299/59 - in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 1) Nr 20 sowie Urteil vom 15. August 1967 - 10 RV 150/65 - ebenda § 5 Nr 66). Bei einem 14 ½-jährigen hat das BSG dies im Hinblick auf dessen kindliche Unbekümmertheit verneint (vgl BSG Nr 29 zu § 5 BVG) bzw bezweifelt (vgl Urteil vom 26. August 1971 - 9 RV 386/70 unveröffentlicht). Unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Grundsätze, die der Senat für zutreffend hält, hat das LSG festgestellt, daß der Kläger, nachdem er die Gefährlichkeit des Munitionsfundes und des Umgangs damit erkannt hatte, in der Lage war, dieser Einsicht entsprechend zu handeln. Diese Schlußfolgerung widerspricht - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht allgemeinen Erfahrungen und den Denkgesetzen und steht mit den sonstigen Feststellungen des LSG in Einklang. Der damals mehr als 15 Jahre alte Kläger war zu dem Zeitpunkt bereits berufstätig. Er hatte eine Lehre zum Grubenelektriker begonnen. Außerdem besaß er gute intellektuelle Fähigkeiten, die durch entsprechende Schulzeugnisse und sein späteres berufliches Fortkommen - er war als Lehrer tätig - belegt sind. Ohne Rechtsfehler hat das LSG aufgrund dieser Feststellungen angenommen, daß das Verhalten des Klägers gegenüber den anderen Bedingungen, die für die Schädigung im naturwissenschaftlichen Sinne mitursächlich sind, an Bedeutung derart überwiegt, daß es als überragende Bedingung iS der sozialrechtlichen Kausalitätsnorm angesehen werden muß. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht konkret über die Gefährlichkeit seines Handelns aufgeklärt worden war und er auch keine eigenen Erfahrungen bezüglich der Wirkungsweise von Kampfmitteln hatte.
4. Die Entscheidung des BSG vom 11. April 1985 - 4b/9a RV 21/84 (VersorgB 1985, 119) zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Im damaligen Fall hatte wenige Tage nach Kriegsende ein 15 ½-jähriger Jugendlicher eine Handgranate aus den Beständen der deutschen Wehrmacht gefunden, sie unbeabsichtigt ausgelöst und in eine Scheune geworfen, wo sie explodierte und ein Mädchen verletzte, das sich - vom Schädiger offensichtlich unbemerkt - gerade dort aufhielt. Zur Begründung ist das BSG in jenem Fall von folgenden Überlegungen ausgegangen: Wenn durch das Auslösen einer Handgranate ein Dritter verletzt werde, bilde der kriegseigentümliche Gefahrenbereich eine wesentliche Teilursache für dessen Schädigung. Der Schädiger habe durch sein Hantieren mit Sprengkörpern keine neue und überragende Ursache für die Schädigung gesetzt. Mit der Rechtsprechung des BSG in SozR Nr 29 zu § 5 BVG vermöge der erkennende Senat nach allgemeiner Lebenserfahrung einem 15 ½-jährigen eine entsprechende Verantwortungsreife noch nicht zuzuerkennen.
Die zitierte Entscheidung ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß "40 Jahre nach Kriegsende" eine individuelle Aufklärung der Einsichtsfähigkeit des Schädigers zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung als nicht mehr möglich war. Im vorliegenden Falle ließen sich hingegen genügend Fakten ermitteln, um die Verantwortungsreife des Klägers zum Zeitpunkt des Urteils beurteilen zu können. Daß das BSG in seinem Urteil vom 11. April 1985 (aaO) zur Verantwortungsreife eines 15 ½-jährigen eine Aussage in Form eines allgemeinen Erfahrungssatzes getroffen hat, macht die Annahme des LSG, daß der Kläger hier die erforderliche Verantwortungsreife besaß, nicht unrichtig. Einerseits fehlt in der Entscheidung von 1984 jeder Hinweis darauf, worauf das BSG die Existenz des von ihm angenommenen Erfahrungssatzes stützt. Andererseits kann von einem allgemeinen Erfahrungssatz nur die Rede sein, wenn er unzweifelhaft und ohne Ausnahme gilt (so insbesondere BFH vom 21. Oktober 1997 - VIII R 18/96 in BFH/NV 1998, 582 ff; BVerwG vom 25. Juli 1990 - 3 CB 9/90 in IFLA 1992, 107 ff; im übrigen ist bezüglich "Erfahrungssätze" vieles streitig, vgl zB BFHE 157, 165; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 20; BSG vom 24. August 1960 - 9 RV 806/60 - unveröffentlicht; sowie BSG vom 16. Juli 1965 - 8 RV 971/63 in SozEntsch BSG 9/3 § 1 (b 2) Nr 24). Das BSG hat aber - wie bereits erwähnt - in anderen Entscheidungen die Verantwortungsreife 15 ½-jähriger Jugendlicher im Umgang mit gefundenem Kriegsmaterial für die eingetretenen Schädigungsfolgen aus den festgestellten Umständen des jeweiligen Falles bejaht (vgl die Urteile vom 15. August 1967 - 10 RV 150/65 - und vom 17. April 1962 - 10 RV 299/59 - in SozEntsch BSG 9/3 § 5 Nr 66 und § 1 (b 1) Nr 20 sowie BSG SozR Nr 29 zu § 5 BVG und BSGE 1, 72 ff). Im letztgenannten Fall hat das BSG sogar einen gegenteiligen Satz aufgestellt, nämlich, daß ein 15 ½-jähriger Kraftfahrzeugschlosserlehrling, der mit einem herumliegenden Gewehr hantiert und dabei eine Explosion auslöst "in aller Regel die Fähigkeit hat, das gefährliche seines Handelns zu erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten".
Der Senat verkennt nicht, daß im Einzelfall trotz späterer erfolgreicher Schul- und Berufsausbildung einem über 15 Jahre alten Jugendlichen die Verantwortungsreife fehlen kann, sich dem Reiz einer erkannten Gefahr (hier: dem Hantieren mit der gefundenen Munition) zu entziehen. Dafür müssen aber gewichtige Anhaltspunkte vorliegen. Nur wenn das der Fall ist, besteht die Möglichkeit, die Verantwortungsreife zum Zeitpunkt der Schädigung durch die explodierte Munition zu verneinen. Auf solche Umstände, die eine abweichende Beurteilung der Verantwortungsreife eines über 15-jährigen erlauben, hat der Kläger weder hingewiesen, noch sind dafür irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich.
5. Über die Frage, ob der polnische Staat Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Dies wäre möglicherweise in einem Schadensersatzprozeß des Klägers gegen den polnischen Staat zu klären. Der Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem BVG hängt davon nicht ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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