L 12 AL 72/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AL 107/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 72/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.03.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Insolvenzgeld, insbesondere ist streitig, ob sie die Antragsfrist versäumt hat.

Die 1977 geborene Klägerin arbeitete für die Firma T Sicherheitsdienst und Detektei T in X, deren Betriebsinhaber am 00.00.2002 verstarb. Am 22.01.2003 eröffnete das Amtsgericht Wuppertal das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Betriebsinhabers N O T. Nachdem sie mit Schreiben des Insolvenzverwalters, Rechtsanwalt X, vom 13.05.2003 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informiert worden war und sie seit November 2002 in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Sicherheitsunternehmen Q stand, machte sie mit ihrem Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld vom 19.05.2003 bei der Beklagten Arbeitsentgeltansprüche für August bis Oktober in Höhe von 589,95 EUR geltend. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.07.2003 ab, weil die Klägerin die Antragsfrist gemäß § 324 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) versäumt habe. Den nicht näher begründeten Widerspruch der Klägerin vom 17.07.2003 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2003 zurück.

Am 15.09.2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, sie habe die Versäumung der Antragsfrist im Sinne des § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht zu vertreten. Die Schwester des verstorbenen Betriebsinhabers habe sich als dessen Erbin ausgegeben und ihr sowie auch allen anderen Mitarbeitern zugesichert, den Betrieb fortzuführen. Sie habe dem geglaubt und keinen Anlass gehabt, daran zu zweifeln, dass die offenen Lohnansprüche noch erfüllt würden. Erst im Mai 2003 habe sie von dem Insolvenzverfahren Kenntnis erlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 10.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, antragsgemäß Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die Versäumung der Antragsfrist zu vertreten, weil sie sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I L und mit Urteil vom 12.03.2004 sodann die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt: "Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, weil sie die Antragsfrist versäumt hat.

Gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen. Diese Frist hat die Klägerin unstreitig versäumt, denn das Insolvenzereignis (Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers) gem. § 183 Abs. 1 Nr. 1 SGB III fand am 22.01.2003 statt, während der Antrag auf Insolvenzgeld erst am 19.05.2003 gestellt wurde.

Der Klägerin ist keine Nachfrist gem. § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III einzuräumen. Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insolvenzgeld nach dieser Vorschrift geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Der Arbeitnehmer hat gem. § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat.

Letzteres ist der Klägerin vorzuhalten. Sie stand unstreitig spätestens seit dem 01.01.2003 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis. Damit stand der Geltendmachung der offenen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis mit der Firma T nichts mehr im Wege. Insbesondere ausgeschiedene Arbeitnehmer müssen sich zügig um die Durchsetzung ihrer rückständigen Ansprüche bemühen, da Zurückhaltung den Arbeitsplatz nicht mehr sichern kann (Niesel in Niesel, SGB III, Rdnr. 23 zu § 324). Hätte die Klägerin sich innerhalb der Antragsfrist notfalls gerichtlich um die Durchsetzung ihrer Ansprüche bemüht, so hätte sie Kenntnis vom Insolvenzfall erlangt. Die Behauptung der Klägerin, die Schwester des Betriebsinhabers habe zugesichert, sie oder eine andere Firma werde die Firma T übernehmen, entlastet die Klägerin nicht. Sie stand seit dem 01.01.2003 in einem neuen Beschäftigungsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber, der auch mit der Schwester des Betriebsinhabers nicht in näherer Beziehung stand. Die bloße Behauptung eines Dritten, er werde die offenen Verbindlichkeiten - als Erbe oder im Wege eines Schuldbeitritts - übernehmen, ist nicht ausreichend, um das Unterlassen weiterer Schritte zur Verfolgung offener Arbeitsentgeltansprüche zu entschuldigen i.S.d. § 324 Abs. 3 S. 2 SGB III.

Da wegen der Versäumung der Antragsfrist bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht, brauchte die Kammer der Frage nicht nachzugehen, ob die Klägerin den Insolvenzgeldzeitraum richtig bestimmt hat. Hieran bestehen Zweifel, denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, für November und Dezember 2002 habe die Firma Q die Lohnzahlung übernommen, ohne dass mit dieser Firma ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Damit könnte die Firma Q im Wege des Schuldbeitritts Verbindlichkeiten der Firma T übernommen haben, so dass für November und Dezember 2002 Arbeitsentgeltansprüche nicht mehr offen stehen. In den gem. § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu bestimmenden dreimonatigen Insolvenzzeitraum fiele dann nur noch der Oktober 2002."

Gegen das ihr am 25.03.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.03.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie Folgendes vor: Wenn ihr vorgehalten werde, sie hätte ihre Ansprüche gegen die Firma T zwingend geltend machen müssen, weil sie inzwischen ein Beschäftigungsverhältnis mit der Firma Q gehabt habe, werde verkannt, dass die Firma T fortgeführt werden sollte. Eine notfalls gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil sie ihr Beschäftigungsverhältnis bei ihrem bisherigen Arbeitgeber habe aufrecht erhalten wollen. Die Firma Q habe sie nur für eine Übergangszeit beschäftigen wollen und zwischen diesem Unternehmen und der Firma T habe offensichtlich ein bestimmtes Beziehungsverhältnis bestanden. Bei der Firma Q habe sie bereits seit dem 17.11.2002 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, die ihr auch den Lohn für November und Dezember 2002 gezahlt habe. Auch ein Zuwarten mit der Geltendmachung von Arbeitsentgeltansprüchen von 6 Monaten bei der Abwicklung einer Erbsache bzw. Übernahme einer Firma in einem Erbfall, sei keineswegs überzogen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.03.2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2003 zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld in Höhe von 319,46 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat T. Q als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 13.07.2005 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin wegen Versäumens der zweimonatigen Antragsfrist (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III) kein Insolvenzgeld zu gewähren ist, weil ihr aus von ihr zu vertretenden Gründen keine Nachfrist einzuräumen ist (§ 324 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB III).

Zur Begründung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sache und Rechtslage den Entscheidungsgründen des Urteils vom 12.03.2004 an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das Berufungsvorbringen und die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme führen zu keinem anderen Ergebnis.

Nach wie vor hat sich die Klägerin auch zur Überzeugung des Senats nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung ihrer Arbeitsentgeltansprüche bemüht, weil sie, nachdem sie sich nach eigenem Vortrag von der Schwester des verstorbenen Betriebsinhabers auch bei persönlichen Vorsprachen und immer wieder telefonisch hinsichtlich der ausstehenden Arbeitsentgeltansprüche habe vertrösten lassen, noch zweieinhalb Monate nichts unternahm, obwohl auch der telefonische Kontakt zur Schwester des ehemaligen Betriebsinhabers ab Ende Februar 2002 völlig abgebrochen war. Spätestens nachdem die Schwester des ehemaligen Betriebsinhabers für die Klägerin nicht mehr erreichbar war, hat die Klägerin zumindest leicht fahrlässig (vgl. Niesel, SGB III, § 324 Rdnr. 23) die Durchsetzung ihrer Ansprüche unterlassen und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (vgl. zum vorliegend gültigen objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab: Palandt, BGB, 63. Auflage, § 276 Rdnr. 15).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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