L 10 AL 76/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 446/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 76/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung.

Der am 1948 geborene Kläger steht seit Jahren im Leistungsbezug der Beklagten, zuletzt bewilligte die Beklagte Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 01.05.2002. Die Beklagte forderte den Kläger am 30.09.2002 auf, beim Arbeitsamt Weißenburg am 07.10.2002 vorzusprechen. Zweck der Vorsprache sei die Prüfung der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs, insbesondere der Eigenbemühungen des Klägers hinsichtlich der Beschäftigungssuche. Der Kläger kam der Meldeaufforderung nach.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Meldeaufforderung wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2002 zurück. Der gesetzliche Grund für die Meldeaufforderung ergebe sich aus § 309 Abs 2 Nr 5 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG). Die Meldeaufforderung sei "vorsätzlich grob rechtsbeugend" ergangen. Von der Vorsitzenden der 5. Kammer des SG sei eine ordnungsgemäße Rechtsprechung nicht zu erwarten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.01.2003 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger sei nicht rechtsschutzbedürftig, da sich die Meldeaufforderung durch Zeitablauf erledigt und der Kläger den Termin auch wahrgenommen habe. Ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung bestehe nicht. Insbesondere ergebe sich dieses Interesse nicht aus der Gefahr einer Wiederholung, denn der Kläger könne im Voraus nicht verhindern, dass die Beklagte ihrer aus § 309 SGB III folgenden Verpflichtung nachkomme.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die Meldeaufforderung sei zu Unrecht ergangen, da ein zwingender Grund für sein persönliches Erscheinen nicht bestanden habe. Die Beklagte habe ihre Aufgaben in zeitgemäßer Form wahrzunehmen, so dass der Leistungsempfänger seine Pflicht zur persönlichen Meldung auch in schriftlicher Form oder fernmündlicher Form erfüllen könne. Dagegen setze die Anordnung, der persönlichen Meldung durch persönliches Erscheinen nachzukommen, die Notwendigkeit des Erscheinens und deren vorherige schriftliche Begründung voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der Rechtswidrigkeit ergebe sich insbesondere aus der Verbindung der Meldeaufforderung mit den Folgen etwaiger Säumnis. Selbst bei berechtigter Nichtbeachtung einer zukünftigen Aufforderung wäre er gezwungen, seinen Rechten und Leistungen hinterherzulaufen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2003 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 30.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2002 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass es sich bei der Meldeaufforderung vom 30.09.2002 um einen Verwaltungsakt handelt, dessen Aufhebung mit der Anfechtungsklage erreicht werden kann (§ 54 Abs 1 SGG). Die Meldeaufforderung nach § 309 SGB III bzw nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Vorschrift des § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.03.1980 als Verwaltungsakt qualifiziert worden, weil sie die allgemeine Mitwirkungspflicht für den Einzelfall mit Verpflichtungswirkung gegenüber dem Adressaten konkretisiere (SozR 4100 § 132 Nr 1 S 7). Im Übrigen spricht die mit Wirkung ab 02.01.2002 eingeführte Vorschrift des § 336 a Satz 1 Nr 5 SGB III (seit 01.01.2003 § 336 a Satz 1 Nr 4 SGB III) dafür, dass der Gesetzgeber selbst in der Meldeaufforderung nach § 309 SGB III einen Verwaltungsakt sieht.

Da sich die Meldeaufforderung vom 30.09.2002 durch Zeitablauf am 07.10.2002 erledigt hat und weitere Rechtsfolgen von ihr nicht ausgehen (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -), kann eine Aufhebung der Meldeaufforderung im Wege der Anfechtungsklage nicht mehr erreicht werden. Der Kläger kann jedoch entsprechend § 131 Abs 1 Satz 3 SGG die Feststellung beantragen, dass die Meldeaufforderung rechtswidrig war. Unmittelbar gilt § 131 Abs 1 Satz 3 SGG zwar nur für einen nach Klageerhebung erledigten Anfechtungsanspruch, allerdings ist eine Fortsetzungsfestellungsklage auch bei Erledigung vor Klageerhebung zulässig.

Jedoch bestand zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG kein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers. Nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtwidrig ist, wenn dieser sich durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das nach dieser Vorschrift erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nur dann vor, wenn dem angestrebten gerichtlichen Ausspruch über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungshandelns rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Bedeutung zwischen den Beteiligten zukommt (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5 S 13). Eine - hier allein in Betracht kommende - rechtliche Bedeutung kann der Kläger nicht mit einer bestehenden Wiederholungsgefahr begründen. Hierfür ist nicht der Umstand ausreichend, dass der Kläger der Meldepflicht nach § 309 SGB III unterliegt und befürchtet, zukünftig erneut einer Meldeaufforderung der Beklagten Folge leisten zu müssen. Vielmehr muss die konkrete Gefahr bestehen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 12 S 16, Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- Buchholz 310 § 113 Nr 284). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen. Denn es ist ungewiss, auf Grund welcher Sach- und Rechtsgrundlage eine zukünftige Meldeaufforderung ergehen wird. Insofern kann die Beklagte das persönliche Erscheinen des Klägers zum Einen zur Berufsberatung, Vermittlung oder zur Vorbereichtung aktiver Förderleistungen veranlassen (§ 309 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGB III), zum Anderen dient die Meldeaufforderung der Amtsermittlung durch die Beklagte, soweit leistungsrechtliche Sachverhalte zu klären sind (§ 309 Abs 2 Nrn 4, 5 SGB III).

Es mag sein, dass der Kläger im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Meldeaufforderungen die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung gerichtlich bestätigt haben möchte. Dies begründet jedoch nicht ein schutzwürdiges Interesse, der Wiederholung des erledigten Verwaltungsaktes vorzubeugen (BVerwGE 61, 164, 166), denn eine gerichtliche Sachentscheidung kann nur erfolgen, wenn noch nachteilige Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes bestehen. Insofern ist der Kläger zumutbar auf die Möglichkeiten des nachträglichen Rechtsschutzes zu verweisen, zumal bei Eilbedürftigkeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Entscheidung der Beklagten oder des Sozialgerichts erreicht werden kann (vgl § 86 a Abs 3 Satz 1 SGG iVm § 86 a Abs 2 Nr 4 SGG, § 336 a Satz 1 Nr 4 SGB III; § 86 b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG).

Dies zugrunde gelegt ist die Klage unzulässig und daher die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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