L 8 AL 96/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 18/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 96/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 24.07.1996 streitig.

Der 1947 geborene Kläger war von 1963 bis 31.12.1983 als Finanzbeamter tätig. Ihm wurde ab 27.02.1984 Arbeitslosenhilfe (Alhi) bewilligt, er bezog diese Leistung bis 14.06.1991. Seiner Ehefrau wurde auf ihren Antrag hin ab 15.06.1991 bis 14.06.1992 Beschäftigungshilfe in Höhe von insgesamt 45.746,50 DM bewilligt aufgrund der Angabe, der Kläger sei in ihrer Firma "B. " als EDV-Operator und Bilanzbuchhalter beschäftigt.

Mit Urteil des Schöffengerichts bei dem Amtsgericht Regensburg, 18 LS 222 Js 43681/93 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehungen und Betrugsdelikten zu Lasten der Beklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. In den Gründen des Urteils heißt es, der Kläger und seine Ehefrau hätten in den Jahren 1986 bis 1992 aus einer nicht genehmigten steuerberatenden Tätigkeit des Klägers Einnahmen in Höhe von mindestens 136.655,00 DM erzielt. Die Ehefrau des Klägers wurde zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Ehefrau habe zusammen mit dem Kläger unter der Angabe, dass dieser seit Jahren keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt habe, die Zahlung einer Beschäftigungshilfe von 45.647,50 DM betrügerisch erwirkt. Der festgestellte Sachverhalt bezüglich beider Verurteilungen beruhe auf den glaubwürdigen Geständnissen der Angeklagten, die diese jedoch erst nach einer Vielzahl von Hauptverhandlungen abgelegt hätten.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 31.08.1995, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30.01.1997, die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 27.02.1984 bis 14.06.1991 in Höhe von 102.201,20 DM auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Hiergegen erhob der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage (Klage S 6 AL 62/97). Die Beteiligten schlossen am 29.04.1999 einen Teilvergleich dahingehend, dass die Bewilligung der Alhi erst ab 01.01.1996 zurückgenommen und eine Erstattung von 80.113,50 DM gefordert wurde. Im Übrigen wies das SG mit Urteil vom 29.03.1999 die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung L 8 AL 155/99 nahm der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 25.05.2000 zurück.

Die Beklagte hob ebenso die Bewilligung der Beschäftigungshilfe mit Bescheid vom 06.12.1995 auf und forderte von der Ehefrau des Klägers die Erstattung von 45.647,50 DM.

Am 24.07.1996 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Er legte eine Arbeitsbescheinigung vor, in der angegeben ist, er sei vom 01.06.1991 bis 23.07.1996 als EDV-Operator, Bilanzbuchhalter bei der Firma B. beschäftigt gewesen. Er legte einen Anstellungsvertrag vom 06.06.1991 vor, in dem seine Ehefrau als Arbeitsgeberin angegeben ist, wonach er als Bilanzbuchhalter seit 15.06.1991 beschäftigt werde; zu seinen besonderen Obliegenheiten gehörten "Kundenberatung mit besonderen Anforderungen, Geschäfts- Zweigstellenleiter". In dem Arbeitsvertrag heißt es u. a., dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlungen habe, die nicht von der Beklagten bezuschusst würden.

Bereits zuvor hatte die Techniker Krankenkasse der Beklagten mit Schreiben vom 21.07.1995 mitgeteilt, dass seit 15.06.1991 laufend Pflichtbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt würden; nachdem man Kenntnis von den tatsächlichen Verhältnissen erhalten hat, sei man jedoch der Meinung, dass der Kläger selbständig tätig sei, jedoch habe sich dieser mit einer entsprechenden Beitragseinstufung nicht einverstanden erklärt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.10.1996 die Bewilligung von Alg mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden, weil er selbständig tätig gewesen sei. Bezüglich einer Erstattung der zu Unrecht geleisteten Beiträge möge er sich an die Einzugsstelle wenden. Aufgrund seiner Vorkenntnisse und seines bisherigen beruflichen Werdeganges habe er allein die Fachkenntnisse besessen und sei letztlich der Kopf des Betriebes gewesen, während die Tätigkeit seiner Ehefrau von untergeordneter Bedeutung gewesen sei.

Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, seine Ehefrau habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Sein persönlicher Werdegang sei nicht von selbständiger Tätigkeit geprägt gewesen. Die Vergütung habe in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Umfang der Arbeit gestanden und der ortsüblichen tariflichen Höhen entsprochen. Er sei den Weisungen der Ehefrau bezüglich Arbeitszeit, Ort, Dauer und Art der Dienstleistung unterworfen gewesen. Das Vorliegen eines Ehegattenarbeitsverhältnisses sei von der Beklagten im Rahmen der Förderung mit Beschäftigungshilfe geprüft und bejaht worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ihre Rechtsauffassung werde auch von der Techniker Krankenkasse Hamburg geteilt.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben, die er nicht begründet hat. Mit Urteil vom 29.03.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den Nachweis einer abhängigen Beschäftigung nicht geführt, sondern offensichtlich auch in diesem Verfahren von der Beklagten zu Unrecht Leistungen beziehen wollen. Falls seine Angaben in diesem Verfahren der Wahrheit entsprechen sollten, was für die Kammer nicht nachgewiesen sei, so hätte er einen Betrug zu Lasten der Krankenversicherung unternommen, da er bei dieser angegeben gehabt habe, seine Ehefrau sei nicht selbständig tätig, um in den Genuss der Familienversicherung für die Ehefrau zu kommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Im Hinblick auf eine mehrjährige Inhaftierung des Klägers im Zusammenhang mit einem anderen Strafverfahren ist mit Beschluss vom 11.07. 2000 das Ruhen des Verfahrens angeordet und auf Antrag der Beklagten vom 19.03.2003 wieder aufgenommen worden. Zu dem Erörterungstermin am 21.11.2003 ist die Ehefrau des Klägers als Zeugin geladen worden, jedoch nicht erschienen; hierfür hat der Kläger gesundheitliche Gründe angeführt und zur Sache ausgeführt, die Büroräume der Firma B. hätten sich in dem von ihm und seiner Ehefrau gemeinsam bewohnten Haus, dessen Alleineigentümer er sei, befunden. Gegenstand des Betriebes sei die Erledigung von Buchführungstätigkeiten jeglicher Art gewesen; unabhängig davon habe er in dieser Zeit verbotenerweise Steuererklärungen bearbeitet, wofür er bestraft worden sei. Seine Ehefrau sei gelernte Fotolaborantin und später als kaufmännische Angestellte in einem Steuerbüro tätig gewesen, wo sie allgemeine Büroarbeiten verrichtet habe. Ab Gründung der Firma seien Investitionen getätigt, insbesondere die EDV angeschafft worden. Als Betriebsausgaben seien an ihn Mietzahlungen erfolgt. Die Firma haben auch die Nebenkosten für die Büroräume getragen. Die Investitionen seien erst nach und nach getätigt worden. Er glaube Nachweise vorlegen zu können, wonach diese Investitionen von seiner Ehefrau getätigt worden seien.

Zu dem weiteren Erörterungstermin am 11.12.2004 ist die als Zeugin geladene Ehefrau erneut nicht erschienen; der Kläger hat unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinung erklärt, seine Ehefrau sei auf nicht absehbare Zeit aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, vor Gericht zu erscheinen. Er verweise auf ein an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 24.10. 1996, mit dem er u. a. die Vernehmung von Sachbearbeitern der Beklagten und des Finanzamtes Ingolstadt beantragt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.04.1999 und des Bescheides vom 18.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.1996 zu verurteilen, ihm ab 24.07.1996 Arbeitslosengeld zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie des Klageverfahrens des 6 AL 62/97 und des Berufungsverfahrens L 8 AL 155/99 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 44 Abs. 1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache weist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Alg hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg, da er die nach §§ 100 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat. Denn er hat innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist des § 104 Abs. 3 AFG, nämlich in der Zeit vom 24.07.1993 bis 23.07.1996, nicht in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden.

Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Der Kläger war aber nicht als Arbeitnehmer, sondern als Selbständiger tätig.

Der Kläger war nicht persönlich abhängig in dem Sinne, dass er in einen fremden Betrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht seiner Ehefrau in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung unterworfen gewesen wäre. Auch wenn bei Diensten höherer Art oder in Verbindung mit einem ehepartnerschaftlichen Verhältnis die Weisungsgebundenheit eingeschränkt sein kann, so darf sie nicht gänzlich fehlen; es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung verbleiben, die zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen muss (vgl. BSG SozR 3-4100 § 168, Nr.11). Es liegen keine Nachweise vor, dass der Kläger seine Tätigkeit nach den Weisungen seiner Ehefrau zu verrichten hatte. Der Versuch, den Sachverhalt durch Vernehmung der Ehefrau aufzuklären, war nicht erfolgreich, da die Ehefrau den Zeugenladungen unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen nicht nachkam und nach Angaben des Klägers nicht absehbar ist, ob und wann sie in der Lage sein würde, als Zeugin auszusagen.

Der vorliegende Anstellungsvertrag reicht nicht aus, um eine abhängige Beschäftigung zu beweisen, da es auf die tatsächlichen Umstände ankommt, unter denen die Tätigkeit verrichtet wurde. Insbesondere sprechen die übrigen bekannten Umstände gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Der Kläger war zuvor als Steuerberater selbständig tätig gewesen. Ob es sich bei der von ihm unter der Firmenbezeichnung B. verrichteten Tätigkeit um eine andere, verglichen mit der früheren Steuerberatertätigkeit, gehandelt hat, kann dahinstehen; denn auch bezüglich der von ihm angeführten Buchführungstätigkeiten besaß er aufgrund seines beruflichen Werdeganges die erforderlichen Fachkenntnisse, während seine Ehefrau als Fotolaborantin und als mit Büroarbeiten befasste kaufmännische Angestellte nicht in der Lage war, ihm diesbezüglich Anweisungen fachlicher Art zu erteilen. Zudem müsste nachgewiesen sein, dass die Ehefrau wirtschaftlich Inhaberin dieser Firma B. war, etwa weil sie auf eigene Rechnung die für den Betrieb der Firma erforderlichen Betriebsmittel angeschafft hatte. Entsprechende Nachweise hat der Kläger jedoch trotz Ankündigung nicht vorgelegt. Nach seinen Angaben befanden sich die Firmenräume in dem Haus, dessen Alleineigentümer er ist.

Weiterhin ist aufgrund der Tatsache, dass der Kläger früher selbständig tätig war, und ab Juni 1991 eine zumindest artverwandte Tätigkeit ausübte, der Nachweis besonderer Umstände erforderlich, die es plausibel erscheinen lassen, dass eine frühere selbständige Tätigkeit nun in persönlicher Abhängigkeit fortgesetzt wird (vgl. BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7). Steuerliche Gründe oder die Erlangung der mit Arbeitnehmereigenschaft verbundenen Ansprüche aus der Sozialversicherung oder eines Zuschusses in Form einer Beschäftigungshilfe sind jedenfalls keine Gesichtspunkte, die für den Übergang von der selbständigen Tätigkeit zur abhängigen Beschäftigung sprechen. Jedenfalls hätte es unter diesen Umständen der oben geforderten Nachweise bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Eigentums an den Betriebsmitteln bedurft.

Die vom Kläger beantragte Vernehmung von Sachbearbeitern der Beklagten und der Finanzämter war nicht erforderlich, da nicht erkennbar ist, dass die Aussagen dieser Zeugen zur Klärung der oben angesprochenen Sachverhaltsfragen hätten beitragen können. Soweit diese Sachbearbeiter damals von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen sein sollten, konnte ihre Auffassung nur auf den Angaben des Klägers und seiner Ehefrau beruhen, nicht jedoch auf eigenen Beobachtungen und Beurteilungen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Zudem war diesen Sachbearbeitern nicht bekannt, dass der Kläger vor dem 15.06. 1991 selbständig tätig war.

Somit wurde die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.04.1999 zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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