L 6 R 31/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 208/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 31/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Klägerinnen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Juli 2004 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob den Klägerinnen gegenüber der Beklagten Zahlungen von Regelaltersrenten aus eigenen Ansprüchen und aus Ansprüchen deren Mutter und Bruders im Wege der Rechtsnachfolge von Todes wegen zustehen.

Die am 1935 geborene Klägerin zu 1) und die am 1929 geborene Klägerin zu 2) sind russische Staatsangehörige und die Töchter der am 1907 geborenen und im Jahre 1977 verstorbenen I.B. Der Bruder der Klägerinnen I.R. verstarb am 2003.

Am 27.01.1998 wandte sich die Klägerin zu 1) unter Hinweis auf den Tod der Mutter an die Beklagte, übersandte Unterlagen des Internationalen Suchdienstes - International Tracing Service (IST) - vom 28.06.1993 und beantragte Rentenleistungen aufgrund von etwaigen Ansprüchen der Familienangehörigen. Nach den Angaben des IST arbeiteten die ab 1942 in Augsburg gemeldeten Klägerinnnen, deren Mutter und Bruder in der Z. A. (vormals Fa. R.) und waren auch bei der Betriebskrankenkasse(BKK) versichert. Der IST gab an, die Klägerin zu 1) habe dort vom 01.12.1943 bis zu einem nicht genannten Zeitpunkt, die Klägerin zu 2) vom 03.12.1943 bis 30.04.1945, die Mutter der Klägerinnen vom 03.12.1943 bis 30.4.1945 und der Bruder der Klägerinnen vom 03.12.1943 bis 30.0.1945 gearbeitet. Eine Anfrage der Beklagten zu den Angaben des IST bei der BKK MAN Augsburg ergab, dass in den Mitgliedskarten der BKK Renk AG keine entsprechenden Mitgliedschaften festgestellt werden konnten.

Mit den am 25.09.1998 zugestellten Bescheiden vom 08.09.1998 an die einzelnen Familienmitglieder lehnte die Beklagte die Zahlung von Regelaltersrenten mit der Begründung ab, die für eine Bewilligung erforderliche Erfüllung der Wartezeit sei jeweils nicht erfüllt. Mit dem bei der Beklagten am 02.11.1998 eingegangenen Widerspruch trug die Klägerin zu 1) vor, die ganze Familie sei von deutschen Truppen in verschiedene Lager gebracht worden. Ab November 1942 hätten sie in einem Lager und vom 01.12.1943 in der Zahnräderfabrik Augsburg gearbeitet und seien bei der BKK versichert gewesen. Bis zur Befreiung im Mai 1945 hätten sie über einen Zeitraum von 42 Monaten gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheiden vom 20.01.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück mit der Begründung, der Widerspruch sei verspätet eingelegt worden.

Dagegen richteten sich die am 30.03.1999 erhobenen Klagen. In der Begründung wiederholte die Klägerin zu 1) und die Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen den bisherigen Vortrag und führte dazu aus, die vorgelegten Dokumente würden den Aufenthalt von Oktober 1992 bis Mai 1945 zur Zwangsarbeit in Deutschland bestätigen. In der Fabrik R. hätten alle Familienangehörigen 42 Monate gearbeitet. Sie seien auch versichert gewesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2004 wies das Sozialgericht Augsburg die Klagen ab. Ansprüche auf Rentenleistungen bestünden nicht. Die Klägerinnen sowie die verstorbene Mutter und der verstorbene Bruder der Klägerinnen seien jedenfalls nicht über einen Zeitraum von 60 Monaten in Deutschland beschäftigt gewesen. Für die Voraussetzungen einer Wartezeitfiktion bestünden keine Anhaltspunkte.

Am 16.12.2004 gingen die Berufungen gegen diesen am 17.11.2004 im Ausland zugestellten Gerichtsbescheid beim Sozialgericht Augsburg ein. In der Begründung heißt es, es sei zwar verstanden worden, dass ein Rentenanspruch eine fünfjährige Beschäftigung voraussetze, der Krieg habe aber nicht so lange gedauert.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden Klägerinnen beantragen sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29.07. 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 08.09.1998 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, aufgrund des Antrags vom 27.01.1998 Regelaltersrenten aus eigenen Ansprüchen sowie aus Ansprüchen der Mutter und des Bruders der Klägerinnen im Wege der Rechtsnachfolge von Todes wegen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 29.07.2004 ist nicht zu beanstanden. Die Entscheidungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sind rechtmäßig. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Zahlung von Rentenleistungen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Klagen nicht wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist unbegründet waren. In analoger Anwendung des § 87 Abs.1 Satz 2 SGG betrug die Widerspruchsfrist seinerzeit für Zustellungen im Ausland drei Monate (BSG, Urteil vom 21.10.1998 - B 9 V 7/98 R). Erst ab 02.01.2002 ist auch die Dreimonatsfrist für die Einlegung des Widerspruchs in das Gesetz eingeführt worden. Die Bescheide wurden am 25.09.1998 zugestellt und der Widerspruch ging am 02.11.1998 ein, also innerhalb der Frist von drei Monaten.

Die Klage auf Zahlung von Rentenleistungen aus einem etwaigen zu Lebzeiten der Mutter erworbenem Anspruch kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil im Zeitpunkt des Todes der Mutter weder ein solcher Anspruch festgestellt, noch mangels gestelltem Antrag ein Verwaltungsverfahren anhängig war(vgl. § 59 Satz 2 SGB I). Erst mit der Antragstellung eines Versicherten ist ein Anspruch erhoben und beginnt die Vererblichkeit der aus ihm erwachsenden und bis zum Todestag fällig werdenden Leistungen. Die Erben können nicht das Rentenverfahren für einen Verstorbenen erstmals in Gang setzen. Ein etwaiger Anspruch der Mutter auf Rentenleistungen wäre also mit dem Tode der Mutter erloschen (vgl. BSG, Urteil vom 26.3.1963 - 1 RA 243/62).

Dessen ungeachtet sind aber sowohl bei der Mutter und dem Bruder der Klägerinnen, aber auch bei den Klägerinnen selbst, Rentenansprüche erst gar nicht entstanden. Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen dann, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs.1 SGB I). Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die allgemeine Wartezeit für einen Anspruch auf Regelaltersrente beträgt fünf Jahre (§ 50 Abs.1 Satz 1 SGB VI). Dies bedeutet, dass der Rentenversicherungsträger nur dann Regelaltersrente zahlen kann, wenn diese Mindestversicherungszeit erfüllt, also mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist. Dazu bestimmt § 51 Abs.1 SGB VI, dass auf diese Wartezeit von fünf Jahren nur Kalendermonate mit Beitragszeiten anzurechnen sind. Nach § 55 Abs.1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten solche, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Sofern für Zeiten vor dem 01.01.1950 die Versicherungsunterlagen fehlen, aber glaubhaft gemacht werden kann, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde und dafür Beiträge gezahlt wurden, gibt § 286a SGB VI die Möglichkeit der Anerkennung dieser Zeiten. Zwar ist aus den Mitteilungen des IST zu entnehmen, dass für alle Familienangehörigen eine Versicherung bei der BKK bestanden hat. Allerdings konnte die BKK Beitragszahlungen nicht bestätigen. Aber auch wenn die Zahlung von Versicherungsbeiträgen unterstellt würde, würden diese nicht ausreichen, die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren zu belegen. Das Sozialgericht ist zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass jedenfalls die erforderlichen 60 Kalendermonate an Beitragszeiten nicht nachgewiesen sind. Dies ergibt sich sowohl aus den Angaben der Klägerinnen selbst, die eine Beschäftigungszeit von nur 42 Monate angeben, als auch aus den Angaben des IST, denen jedenfalls eine längere Beschäftigungszeit nicht zu entnehmen ist. Eine ersatzweise Entrichtung freiwilliger Beiträge ist schon deshalb ausgeschlossen, weil ein entsprechendes internationales Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit Russland nicht existiert.

Auch im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass die Sonderregelungen für die Annahme einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach den §§ 53, 245, 245a SGB nicht eingreifen.

Die Berufungen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 27.07.2004 waren somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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