L 6 R 266/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1372/02.A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 266/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1948 geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina. In der Republik Österreich hat die Klägerin ab April 1968 bis November 1969 und ab März 1970 bis April 1972 Versicherungszeiten zurückgelegt. In ihrem Heimatland weist sie Versicherungszeiten ab März 1981 bis September 1987 und ab August 1994 bis Mai 1998 auf. In der Bundesrepublik Deutschland war sie mit Unterbrechungen ab März 1973 bis August 1980 versicherungspflichtig beschäftigt.

Die Klägerin gibt an, sie habe in ihrer Heimat den Beruf einer Taxifahrerin ausgeübt und in der Republik Österreich in einer Textilfabrik gearbeitet. Von 1994 bis 1998 sei sie selbständige Gastwirtin gewesen. In der Bundesrepublik Deutschland sei sie als Fabrikarbeiterin in der Elektroindustrie (Fa. S.) tätig gewesen, zuletzt am Fließband. Seit 02.10.1998 bezieht die Klägerin nach dem Recht ihres Heimatlandes Invalidenrente.

Am 14.11.1997 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2002 und Widerspruchsbescheid vom 05.08.2002 ab. Es liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor.

Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte dem im Zagreb erstellten Rentengutachten vom 12.07.1999 und weiteren medizinischen Unterlagen aus dem Herkunftsland der Klägerin, vor allem aber dem Gutachten von Dr.Sch. vom 12.03.2002, das auf der Untersuchung der Klägerin am 04.03.2002 beruht.

Dagegen richtet sich die am 29.10.2002 erhobene Klage mit dem Begehren, der Klägerin aufgrund ihres Antrages vom 14.11.1997 Rente wegen Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu bewilligen. Die Klägerin sei außerstande, irgendwelche Tätigkeiten zu verrichten. Die psychischen Störungen würden sich immer mehr verschlechtern. Sie leide auch an Herz- und Wirbelsäulenbeschwerden. Dazu legte sie einen ärztlichen Befundbericht der Poliklinik in Citluk vom 07.10.2002 vor.

Das Sozialgericht holte medizinische Sachverständigengutachten ein von der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin Dr.M. (Gutachten vom 06.09.2003) und von der Ärztin, Sozialmedizin, Dr.T. (Gutachten vom 18.10.2003). Die Sachverständigen stellten bei der Klägerin im Wesentlichen eine reaktive Depression mit vermehrter Ängstlichkeit und Somatisierungstendenzen, Bluthochdruck mit beginnender Rückwirkung auf Herz, Nieren und auf die Netzhautgefäße, bluthochdruckbedingte Kopfschmerzen, Anämie und Thrombozytose sowie Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden bei Fehl- und Überlastung und beginnenden Umbauveränderungen mit Funktionsstörungen der linken Schulter und des linken Hüft- und Kniegelenks fest. Nach der zusammenfassenden Beurteilung von Dr.T. ist die Klägerin gesundheitlich in der Lage, leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne Haltungskonstanz, ständiges Gehen und Überkopfarbeit, ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht acht Stunden täglich zu verrichten. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne sich auch noch auf neue einfache Berufstätigkeiten umstellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin sei nicht wenigstens berufsunfähig im Sinne des wegen der Antragstellung vor dem 01.01.2001 anzuwendenden § 43 Abs.2 SGB VI (a.F.). Die Untersuchung der Klägerin habe eine diffuse Klopfschmerzhaftigkeit über der Kalotte sowie eine Hypästhesie an den Fingern vier und fünf links und an der Außenseite des linken Beines ergeben. Die Kraft der linken Hand sei schmerzbedingt eingeschränkt. Es bestünde ein ängstlich-depressives Syndrom mit einer eher leichtgradig ausgeprägten Depressivität und einer leichten Affektlabilität. Im Bewegungsapparat und dem kardiovaskulären System bestünden Somatisierungstendenzen. Die psychophysische Minderbelastung der Klägerin sei auf den nur unzureichend behandelten Eisenmangel zurückzuführen. Die diastolische Füllungsstörung weise auf eine beginnende hypertensive Herzerkrankung hin, die Herzaktion zeige sich jedoch regelrecht und nicht beschleunigt. Angina pectoris-Beschwerden und Kopfschmerzen würden durch den Bluthochdruck hervorgerufen. Es sei auch eine hypertoniebedingte Nierenschädigung festzustellen, jedoch ohne eine Einschränkung der Nierenfunktion. Als Folge des Bluthochdrucks bestünden Netzhautgefäßveränderungen. Die chronische Blutarmut führe zu keinen gravierenden Funktionsstörungen wie Schwäche oder übermäßige Müdigkeit. Aufgrund der relativ diskreten klinischen Symptomatik seien aus den Blutbildveränderungen keine signifikanten Einschränkungen des Leistungsvermögens abzuleiten. Die Wirbelsäule sei in der Beweglichkeit nicht stärkergradig eingeschränkt. Im Bereich der großen Gelenke seien keine über das Alter hinausgehende Veränderungen festzustellen. Bezüglich des linken Armes bestünde keine dauerhafte Funktionsstörung. Der linke Oberarmmuskel sei in seinem Umfang nicht gemindert. Die Fußsohlenbeschwielung sei gut und seitengleich ausgeprägt. Die Beweglichkeit der Kniegelenke sei nicht, die der linken Hüfte um ein Drittel eingeschränkt. Obwohl die Klägerin die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Arbeiterin in einer Fernseherfabrik, die eine körperliche Belastbarkeit für mittelschwere Arbeiten und besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit voraussetze, nicht mehr ausüben könne, sei sie dennoch nicht berufsunfähig, denn der Klägerin seien als ungelernte Arbeiterin alle Berufstätigkeiten sozial zuzumuten, denen sie gesundheitlich gewachsen sei. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 SGB VI a.F., weil sie noch täglich acht Stunden leichte Arbeiten mit Einschränkungen verrichten könne. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß den ab 01.01.2001 geltenden §§ 43, 240 SGB VI bestünde ebenfalls nicht, weil die Klägerin einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben könne. Der Bezug von Invalidenrente nach bosnisch-herzogowinischem Recht führe nicht zwingend zu einem Rentenanspruch nach deutschem Recht. Ein solcher Anspruch sei allein nach deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen.

Am 13.05.2004 ging die Berufung der Klägerin gegen das ihr am 08.03.2004 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug sie vor, sie sei außerstande, irgend welche Tätigkeiten zu verrichten. Insbesondere würden chronische psychische Störungen vorliegen. Sie verfüge über wesentliche Kenntnisse einer gelernten Berufskraftfahrerin. Deshalb sei Berufsschutz anzunehmen.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16.02. 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrages vom 14.11.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und der Akte des Bayer. Landessozialgericht sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16.02.2004 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nach den bis 31.12.2000 gültigen §§ 43, 44 SGB VI noch nach den ab 01.01.2001 maßgeblichen Vorschriften der §§ 43, 240 SGB VI einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Senat folgt diesbezüglich in vollem Umfang den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides und sieht daher gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass der Senat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr.M. und Dr.T. keine Veranlassung sah, eine weitere Begutachtung anzuordnen. Bei den Untersuchungen konnte auf internistischem, psychiatrischem und orthopädischem Gebiet keine Leistungseinschränkung in einem Ausmaß gefunden werden, das eine zeitliche Leistungsminderung der Klägerin zur Folge hätte. Gerade die in der Berufungsbegründung angesprochenen chronischen psychischen Störungen konnten in der von der Klägerin beschriebenen Ausprägung im Rahmen der Begutachtungen nicht festgestellt werden. Die Gesundheitsstörung auf psychiatrischem Gebiet führt lediglich zu einer leichtgradig geminderten Leistungsfähigkeit. Auf internistischem Gebiet ergab sich insbesondere kein Hinweis auf eine Herzleistungsminderung. Die chronische Blutarmut bewirkt bei der Klägerin keine Schwäche oder übermäßige Müdigkeit. Die nur diskrete klinische Symptomatik hat somit keine wesentlichen Einschränkung des Leistungsvermögens zur Folge. Auf orthopädischem Gebiet ist die Klägerin wesentlich nur durch eine Funktionsstörung der linken Schulter beeinträchtigt, die zum Beispiel Überkopfarbeiten nicht mehr zulässt. Auch im Übrigen bestehen keine Hinweise auf dauerhafte Funktionsstörungen, die eine quantitative Leistungseinschränkung begründen könnten. Insbesondere ergibt sich keine wesentliche Bewegungseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule. Lediglich die Hüftbeweglichkeit links zeigt sich um ein Drittel eingeschränkt. Die gut und seiten- gleich ausgeprägte Fußsohlenbeschwielung zeigt, dass aufgrund der geäußerten Beschwerden im Bereich der unter Extremitäten keine erhebliche Schonbedürftigkeit besteht. Auch wenn im Zuge der vom Sozialgericht veranlassten Begutachtungen im Vergleich zu dem von der Beklagten eingeholten Gutachten eine Verschlechterung insofern eingetreten ist, als sich eine stärkergradige Einschränkung der Hüftgelenksfunktion links zeigte, weichen die sozialmedizinisch-rechtlichen Beurteilungen aufgrund des klinischen Gesamteindrucks im Ergebnis nicht voneinander ab.

Die Sachverständigen haben im Übrigen schlüssig dargestellt, dass die Klägerin unter den genannten Einschränkungen acht Stunden täglich arbeiten kann. Der Senat weist daraufhin, dass nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht Berufsunfähigkeit bereits dann nicht vorliegt, wenn eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 240 Abs.2 Satz 4 SGB VI).

Das Sozialgericht hat die Klägerin zutreffend als ungelernte Arbeiterin eingestuft, der somit nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar sind, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Bei der Bestimmung des maßgebenden Berufs des Versicherten ist grundsätzlich von der zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr.21 ff. m.w.N.) und nicht, wie die Klägerin meint, von dem in der Vergangenheit in ihrer Heimat ausgeübten Beruf einer Taxifahrerin. Ein Berufsschutz kann damit schon deshalb, unabhängig von einer tatsächlich erworbenen Qualifikation als Kraftfahrerin, nicht angenommen werden.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 16.02.2004 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved