L 6 R 306/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 2478/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 306/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. April 1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 9. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 1997 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die vom Beigeladenen zu 1) an die Beklagte im Wege der Nachversicherung gezahlten Beiträge für die Klägerin der Beigeladenen zu 2) zu überweisen.

Die am 1966 geborene Klägerin war in der Zeit vom 08.10. 1993 bis 28.12.1995 als Referendarin im juristischen Vorbereitungsdienst Beamtin auf Widerruf im Dienste des Beigeladenen zu 1). Anschließend bezog sie Arbeitslosenhilfe. Unter Empfangnahme der am 12.12.1996 ausgestellten Urkunde, die die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bestätigt, wurde sie im Rahmen einer öffentlichen Sitzung am Landgericht München I am 08.01.1097 vereidigt und gleichzeitig als Pflichtmitglied in die Bayerische Rechtsanwaltsversorgung aufgenommen.

Am 21.08.1996 entrichtete der Beigeladene zu 1) an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für den Zeitraum des juristischen Vorbereitungsdienstes Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 12.115,89 DM, die diese an die kontoführende Beklagte weiterleitete. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin mit Schreiben vom 28.10.1996 über die vom Beigeladenen gezahlten Nachversicherungsbeiträge. Mit Schreiben vom 13.11.1996 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und beantragte die Zahlung der Nachversicherungsbeiträge an "das Versorgungswerk der Rechtsanwälte". Sie übersandte auch ein Schreiben an die Präsidentin des Oberlandesgerichts München vom 15.07.1996, aus dem der Anfang 1996 geäußerte Wunsch der Klägerin hervorgeht, die Nachversicherung zunächst zurückzustellen, weil ihre berufliche Zukunft noch ungewiss sei. Sie beabsichtige nun die Zulassung als Rechtsanwältin und bitte, alles Nötige zu veranlassen, damit die Nachversicherungsbeiträge nicht verloren gingen. Die Beklagte reichte das Schreiben der Klägerin an das Oberlandesgericht München weiter und bat um Überprüfung. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts München teilte der Klägerin mit, dass bei fristgerechter Ausübung des Wahlrechts innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes die durchgeführte Nachversicherung wieder aufgelöst werde. Sofern nach dem frist- wahrenden Antrag auf Nachversicherung zu einem noch zu bestimmenden Versorgungswerk die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung erlangt werde, würde die Klägerin die Voraussetzungen für die Nachversicherung im Versorgungswerk erfüllen. Mit Formblatt vom 09.12.1996 beantragte die Klägerin bei der Präsidentin des Oberlandesgerichts München die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwältin beim Amtsgericht München I und bei den Landgerichten München I und II. Mit Schreiben vom 11.12.1996 an die Beklagte unter Beifügung des Zulassungsantrags in Ablichtung teilte die Klägerin mit, die Nachversicherung solle bei der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung erfolgen. Weiter führte sie aus, dass diese Antragstellung für die Einhaltung der Jahresfrist maßgebend sein müsse, denn es liege nicht in ihrem Machtbereich, wann die Vereidigung stattfinde. Mit dem am 13.12.1996 beim Oberlandesgericht München eingegangenen Schreiben vom 11.12.1996 nahm die Klägerin den Widerspruch zurück, wies darauf hin, sie habe den Zulassungsantrag am 09.12.1996 abgegeben und bemerkte auch hier, entscheidend für die Einhaltung der Jahresfrist müsse die Antragstellung sein. In dem mit einfachem Brief versandten Schreiben vom 16.12.1996, laut Eingangsstempel der Klägerin am 20.12.1996 (Freitag) zugegangen, bat die Präsidentin des Landgerichts München I die Klägerin, sich an einem Vormittag - ausgenommen in der Zeit vom 23.12.1996 (Montag) bis 07.01.1997 - zur Vereidigung im Rahmen einer öffentlichen Sitzung und Empfangnahme der Urkunde einzufinden.

Mit Bescheid vom 09.06.1997 lehnte die Beklagte den am 13.01. 1997 gestellten Antrag der Klägerin auf Nachversicherung bei der Beigeladenen zu 2) wegen versäumter Jahresfrist ab. Eine Nachversicherung in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sei gemäß § 186 SGB VI nur möglich, wenn der Versicherte innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung Mitglied in dieser Versorgungseinrichtung werde. Das Beamtenverhältnis habe hier am 28.12.1995 geendet. Damit seien die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten. Die Mitgliedschaft in der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung habe jedoch erst am 08.01.1997 begonnen. Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht damit gerechnet habe, dass zwischen Weihnachten und Neujahr eine Vereidigung nicht stattfinde. Es dürfe ihr nicht angelastet werden, dass eine Vereidigung nicht habe durchgeführt werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen richtet sich die am 06.10.1997 zum Sozialgericht München erhobene Klage. Die Schließung des Landgerichts München I zum Jahreswechsel könne der Klägerin nach Treu und Glauben nicht angelastet werden. In analoger Anwendung der §§ 187 ff. BGB seien die Tage der Schließung als staatlich anerkannte Feiertage zu behandeln. Die Klägerin habe das Schreiben vom 16.12.1996 erst am Mittag des 20.12.1996 erhalten, und damit nicht rechtzeitig.

Mit Urteil vom 27.04.1999 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte, die Nachversicherungsbeiträge der Beigeladenen zu 2) zu übertragen. Die Beklagte sei hierzu aufgrund der vorliegend einzigartig besonderen Umstände nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet. Die Klägerin sei infolge einer Verkettung mehrerer außergewöhnlicher Umstände so zu stellen, als wäre die Zulassung zur Rechtsanwaltsversorgung rechtzeitig erfolgt. Das Versäumen der Jahresfrist sei bei Summierung der außergewöhnlichen Umstände dem Beigeladenen zu 1) anzulasten und der Beklagten zuzurechnen. Die Justizverwaltung sei über den drohenden Fristablauf informiert gewesen, sodass der am 09.12.1996 beim Oberlandesgericht München gestellte Antrag mit besonderer Beachtung zu behandeln gewesen wäre. Auch das Schreiben der Klägerin vom 11.12.1996 habe einen Hinweis auf den drohenden Fristablauf enthalten. Die Justizverwaltung hätte sich veranlasst sehen müssen, für eine zeit- und fristgerechte Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Sorge zu tragen. Das Schreiben vom 16.12.1996 hätte nicht im normalen Verwaltungswege der Endunterzeichnung und auch nicht im normalen Postwege zugestellt werden dürfen. Dem Beigeladenen zu 1) sei weiterhin vorzuhalten, dass die von der Justizverwaltung gleichzeitig mit der Urkundenüberreichung praktizierte Vereidigung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht erforderlich gewesen wäre. Dazu hätte die alsbaldige Vereidigung nach Aushändigung der Urkunde ausgereicht. Die Urkunde hätte noch vor Ablauf der Jahresfrist ausgehändigt werden können. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegenüber dem zuständigen Sozialleistungsträger könne auch bestehen, wenn ihm selbst ein Fehlverhalten nicht vorzuhalten sei, jedoch ein Fehlverhalten einer Behörde vorliege, die im Sinne einer Funktionseinheit arbeitsteilig in das Verfahren eingeschaltet sei. Durch das Fehlverhalten der Beklagten zu 1) sei der Klägerin ein Anspruchsverlust hinsichtlich der Nachversicherungsmöglichkeit entstanden. In Weiterführung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den Urteilen vom 17.12.1980 - 12 RK 34/80 - und vom 26.10.1982 - RK 37/81 - sei es in diesem Einzelfall wegen der besonderen Risikoverteilung im Sozialversicherungsrecht gerechtfertigt, der Beklagten dieses Fehlverhalten zuzurechnen.

Am 28.06.1999 ging die Berufung der Beklagten gegen dieses ihr am 16.06.1999 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug sie vor, die Jahresfrist gemäß § 186 Abs.1 Nr.2 SGG gehöre zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Nachversicherung bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Werde die Jahresfrist versäumt, bestünde kein Wahlrecht mehr, sodass die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung durchgeführt werde. Die zeitliche Beschränkung des Rechts auf Sondernachentrichtung sei aus den Systemerfordernissen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten. Die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könnten hier keine Anwendung finden. Eine Funktionseinheit zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1) bestünde nicht. Die Klägerin habe bei der Antragstellung erst mit Schreiben vom 09.12.1996 mit dem Fristablauf rechnen müssen. Mit der Annahme des Sozialgerichts, die Versicherungsbeiträge seien für die Klägerin verloren, habe das Sozialgericht die Lebensbiographie der Klägerin vorweggenommen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.

Der Beigeladene zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin ist der Auffassung, das Urteil des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden. Sie sei unter Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte der Beigeladene zu 1) die Aushändigung der Zulassungsurkunde rechtzeitig vorgenommen. Die verspätete Aushändigung und das Überschreiten der Jahresfrist beruhe nicht auf einer Nachlässigkeit ihrerseits. Die Beigeladene zu 1) hätte für die rechtzeitige Aushändigung der Urkunde Sorge tragen müssen. Deren Fehler habe bei ihr auch zu einem echten Anspruchsverlust geführt, weil es so gut wie sicher sei, dass sie Rechtsanwältin bleiben werde. Das Fehlverhalten der Beigeladenen zu 1) müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) würden arbeitsteilig zusammenwirken. Zwischen beiden Behörden bestehe eine Funktionseinheit. Die Verkettung mehrerer außergewöhnlicher Umstände würde einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch rechtfertigen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.1999 kann keinen Bestand haben. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch hat, die von dem Beigeladenen zu 1) zur Nachversicherung der Klägerin an den Beklagten entrichteten Beiträge an den Beigeladenen zu 2) zu überweisen.

Gemäß § 8 Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI werden Personen nachversichert, die wie die Klägerin als Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nach § 184 Abs.2 SGB VI nicht gegeben sind. Die Nachversicherung erstreckt sich auf den Zeitraum, in dem die Versicherungsfreiheit oder die Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen hat. § 8 Abs.2 SGB VI beinhaltet die Voraussetzungen und den Umfang der Nachversicherung von Personen, die im Hinblick auf eine spezielle Sicherung versicherungsfrei waren und deren Versorgungsanwartschaft sich nicht realisiert hat oder deren Versorgungsanspruch weggefallen ist. Ohne die Versicherungsfreiheit der Klägerin als Beamtin auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gemäß § 5 Abs.1 Nr.1 SGB VI hätte Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung zur Berufsausbildung gemäß § 1 Nr.1 SGB VI bestanden.

Bei der Klägerin trat der Nachversicherungsfall mit dem Ende des Vorbereitungsdienstes am 28.12.1995 ein. Aufschubgründe gemäß § 184 Abs.2 SGB VI lagen nicht vor, weil sich die Klägerin arbeitslos meldete und Arbeitslosenhilfe bezog. Damit waren die Voraussetzungen für die Nachversicherung der Klägerin erfüllt und die Nachversicherungsbeiträge fällig. Gemäß § 184 Abs.1 SGB VI war damit der Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Nachversicherungsbeiträge unverzüglich zu zahlen (BSG SozR 2400 § 124 Nr.5 m.w.N.). Der Beigeladene zu 1) hat dementsprechend die Nachversicherung nach §§ 181 ff. SGB VI rechtmäßig durchgeführt und die Beiträge überwiesen.

Für eine Verpflichtung der Beklagten, diese Nachversicherungsbeiträge nun an den Beigeladenen zu 2) zu überweisen, besteht keine rechtliche Grundlage. Nach § 186 Abs.1 Nr.2 SGB VI können Nachzuversichernde beantragen, dass der Arbeitgeber die Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zahlt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied dieser Einrichtung werden. Dieser Antrag kann gemäß § 186 Abs.3 SGB VI nur innerhalb eines Jahres nach dem Eintritt der Voraussetzungen für die Nachversicherung gestellt werden.

Die Klägerin hat diesen Antrag rechtzeitig, spätestens mit dem bei der Beklagten am 16.12.1996 eingegangenen Schreiben gestellt. Allerdings ist sie erst am 08.01.1997, also nach Ablauf der Jahresfrist, gemäß § 186 Abs.1 Nr.2 SGB VI Mitglied der Beigeladenen zu 2) geworden. Ab dem 08.01.1997 konnte aber die Klägerin das ihr durch § 186 SGB VI eingeräumte fristgebundene Recht, die Nachversicherung entweder in der gesetzlichen Rentenversicherung oder in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu wählen, nicht mehr ausüben. Die Nachversicherungsbeiträge gelten somit gemäß § 185 Abs.2 Satz 1 SGB VI als rechtzeitig gezahlte Pflichtbeiträge.

Die vom Gesetzgeber für das Wahlrecht im Sinne des § 186 SGB VI bestimmte zeitliche Schranke von einem Jahr ab dem Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung für den Erwerb der Mitgliedschaft bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung ist vom Bundessozialgericht als verfassungskonform und als den Systemerfordernissen der gesetzlichen Rentenversicherung geboten bewertet worden (BSG, Urteil vom 11.02.1988 - 4/11a RA 9/87). Zweck der Nachversicherung ist die Schließung der durch den Ausfall der beamtenrechtlichen Versorgung ausgelösten sozialen Sicherungslücke. Dementsprechend darf auch die Nachentrichtung von Beiträgen nur unter besonderen Voraussetzungen aufgeschoben werden, nämlich dann, wenn ein durch den Ausfall der beamtenrechtlichen Versorgung zu besorgendes Schutzbedürfnis nach Maßgabe des § 184 Abs.2 SGB VI nicht bzw. voraussichtlich nur vorübergehend besteht. Diesem Schutzkonzept hat der Gesetzgeber durch § 186 SGB VI Rechnung getragen (BSG SozR 2400 § 124 Nr.5).

Zwar betrifft § 186 SGB VI auch Personen, bei denen es fraglich sein kann, ob die Sicherungslücke zweckmäßig durch eine Nachversicherung beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu schließen ist. Insbesondere bei Pflichtmitgliedern berufsständischer Versorgungseinrichtungen, die aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, kann es nach den Umständen des Einzelfalls sowie des durch diese Einrichtungen gewährten Schutzes dem Grundgedanken der Nachversicherung mehr entsprechen, die Beiträge an die berufsständische Einrichtung abzuführen. Auf welchem Weg die mit der Nachversicherung verfolgten Ziele eher erreicht werden können, entzieht sich jedoch einer abschließenden Beurteilung durch den Bundesgesetzgeber. Denn einerseits werden Art und Umfang des durch derartige Einrichtungen gewährten Schutzes weithin durch die Gesetzgebung der Länder festgelegt, andererseits sind häufig die Umstände des Einzelfalls für die Zweckmäßigkeit der einen oder anderen Lösung ausschlaggebend. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber für den Regelfall die Nachversicherung beim zuständigen Rentenversicherungsträger vorgeschrieben und für den Ausnahmefall, dass dem Schutzbedürfnis des Nachzuversichernden durch die Zahlung an eine berufsständische Versorgungseinrichtung wirksamer Rechnung getragen werden kann, dem Nachzuversichernden das Wahlrecht gemäß § 186 SGB VI eingeräumt.

Die Entscheidung über den für die betroffene Person zweckmäßigen Weg setzt aber voraus, dass der Schutz durch die berufsständische Einrichtung alsbald nach dem Ausscheiden des Nachzuversichernden wirksam wird. Nur dann stellt sich für den Nachzuversichernden die Frage, mit welchem Weg er besser geschützt wird. Weil im Regelfall eine gewisse Zeit beansprucht wird, bis ein zunächst versicherungsfreier Beschäftigter Pflichtmitglied einer berufsständischen Einrichtung wird, hält es sich im Regelungsrahmen der Nachversicherungsbestimmungen, dass der Bundesgesetzgeber einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Nachversicherungsfall und der Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Einrichtung dann noch als gegeben erachtet, wenn der Schutz durch die berufsständische Einrichtung innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden beginnt (BSG SozR 2400 § 124 Nr.6). Das Bundessozialgericht hat darauf hingewiesen, dass die Frage der Nachversicherung nicht für unbestimmte Dauer nach dem Ende der versicherungsfreien Beschäftigung unklar oder in der Schwebe bleiben kann. Besteht etwa nach einem Unfall gemäß § 8 Abs.1 SGB VII, den ein Versicherter bei einer in den §§ 2, 3 oder § 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, die in einem solchen Fall vorzeitiger Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs.1 Nr.1 SGB VI auch einen anspruchsauslösenden Versicherungsfall begründen kann, soll keine Ungewissheit bestehen, welchen Versicherungsträger der Nachversicherte in Anspruch nehmen kann. Gerade wegen der durch die Nachversicherung begründeten sozialrechtlichen Beziehungen ist nur zeitlich beschränkt eine Übertragung wirksam nachentrichteter Beiträge auf eine berufsständische Versorgungseinrichtung möglich. Das Bundessozialgericht hat auch ausgeführt, dass § 186 SGB VI ebenso dem wohlverstandenen rechtlichen Interesse des Nachversicherten dienen soll. Denn wer mangels einer Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung im Wege der Nachversicherung Mitglied des Rentenversicherungsträgers geworden ist, wird sich dort häufig alsbald rentenrechtlich "eingerichtet" haben, indem er z.B. im Anschluss an die nachentrichteten Beiträge freiwillige Beiträge entrichtet oder aufgrund beantragter Pflichtversicherung rentenrechtliche Positionen begründet hat. Der Gesetzgeber hat im Übrigen nur die Aufgabe, typische Sachverhalte zu regeln. Er muss nicht Einzelfälle regeln, bei denen es sich anders zugetragen hat (BSG, Urteil vom 11.02.1988 - 4/11a RA 9/87).

Die Jahresfrist in § 186 Abs.1 Nr.2 SGB VI ist eine Ausschlussbzw. Verfallfrist (Hauck-Noftz, Gesamtkommentar zum Sozialgesetzbuch § 186 SGB VI Rndr.13), auf die die bürgerlich-rechtlichen Regelungen für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gemäß §§ 187 bis 193 BGB nach Maßgabe des § 26 SGB X Anwendung finden. Fällt danach das Ende der Frist auf einen Sonntag, Feiertag oder Samstag, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 26 Abs.1 Satz 1 SGB X). Die Frist verlängert sich damit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht bis zu 08.01.1997.

Bei der Frist nach § 186 Abs.1 Nr.2 SGB VI kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X nicht in Betracht. Von einer absolut wirkenden Ausschlussfirst ist auszugehen, wenn die Vorschrift "mit der Frist steht und fällt" (von Wulffen SGB X, § 27 Rndr.4 m.w.N.; vgl. BSG, Urteil vom 30.01. 1997 - 4 RA 110/95). Dies ist vorliegend der Fall. Ausschließlicher Sinn und Zweck des § 186 Abs.1 Nr.2 SGB VI ist die Festlegung der Jahresfrist. Die Beiträge und Rentenanwartschaften, die durch die Nachversicherung bei dem Rentenversicherungsträger begründet werden, sollen nur in bemessenem Abstand an eine berufsständische Versorgungseinrichtung weitergeleitet werden können, um den sonst bestehenden "Schwebezustand" einzugrenzen. Wie oben dargestellt gebieten es die bereits beim Rentenversicherungsträger begründeten rentenrechtlichen Positionen, eine nicht ohne weiteres verrückbare zeitliche Schranke zur Ausübung des Wahlrechts gemäß § 186 SGB VI zu setzen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann ein Anspruch der Klägerin auf Überweisung der Nachversicherungsbeiträge nicht über die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hergeleitet werden, wie sie in den vom Sozialgericht zitierten Urteilen des Bundessozialgericht vom 17.12.1980 - 12 RK 34/80 und vom 26.10.1982 - 12 RK 37/81 beschrieben sind, denn ein der Beklagten zurechenbares Fehlverhalten ist nicht erkennbar.

Das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs greift, sofern ein Sozialleistungsträger eine dem Versicherten gegenüber obliegende Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, insbesondere eine Auskunfts-, Beratungs- oder Betreuungspflicht verletzt hat und dadurch sozialrechtlich ein Schaden zugefügt wurde. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolgen gerichtet, welche eingetreten wären, wenn der Versicherungsträger die ihm obliegenden Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte, wobei die Pflichtverletzung ursächlich für den sozialrechtlichen Schaden gewesen sein muss (BSG SozR § 10 Nr.25). Die Nebenpflichten eines Sozialleistungsträgers beinhalten, dem Antragsteller zu den Leistungen zu verhelfen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch hat. Er hat dabei auch auf die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die nach den Umständen des Einzelfalls klar zu Tage liegen (BSGE 46, 124, 126; 49, 30).

Das Sozialgericht hat zunächst zutreffend festgestellt, dass der Beklagten ein pflichtwidriges Verhalten nicht vorzuwerfen ist. Die Beklagte hat insbesondere die Klägerin mit Schreiben vom 28.10.1996 und damit rechtzeitig über die erfolgte Nachversicherung informiert und auch unverzüglich den bei ihr eingegangenen Antrag der Klägerin auf Nachversicherung bei der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung am 20.12.1996 an den Beigeladenen weitergeleitet. Auch ein Auskunfts- oder Beratungsfehler liegt nicht vor.

Ob ein Fehlverhalten des Beigeladenen zu 1) vorlag, ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn auch wenn ein solches entsprechend den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil zu begründen wäre, könnte es der Beklagten nicht zugerechnet werden.

Das Verhalten einer anderen Behörde kann einem Sozialleistungsträger dann zugerechnet werden, wenn zwischen beiden eine sog. Funktionseinheit besteht (KassKomm-Seewald vor §§ 38-47 SGB I m.w.N.). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden, um Fehler im Verwaltungsablauf schon mit den der Verwaltung möglichen Mitteln auszugleichen. Es soll bei der Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht darauf ankommen, welche der in den Verwaltungsablauf eingeschalteten Stellen pflichtwidrig gehandelt hat, sofern nur der entstandene Nachteil durch eine Amtshandlung der für diese zuständige Verwaltungsstelle ausgleichbar ist. Die organisatorische Verlagerung von Teilen eines Verwaltungsverfahrens auf eine andere Behörde ist damit grundsätzlich kein entscheidendes Argument gegen die Begründetheit des Anspruchs (BSGE 51, 89; 57, 288, 290).

Zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen besteht aber im vorliegenden Fall eine solche Funktionseinheit gerade nicht. Die Justizverwaltung ist nicht arbeitsteilig in den Verwaltungsablauf zur Wahrnehmung von Aufgaben der Beklagten eingeschaltet. Für die Vollziehung der Nachversicherung ist ausschließlich der Rentenversicherungsträger zuständig. Der Beigeladene zu 1) ist im Rahmen der von dem Beklagten im Zuge der Nachversicherung vorzunehmenden Amtshandlungen nicht organisatorisch eingebunden. Dies folgt auch schon daraus, weil die Beklagte befugt ist, gegenüber dem Beigeladenen zu 1) als öffentlich-rechtlichem Arbeitgeber die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern. Insofern besteht zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen ein Über- und Unterordnungsverhältnis, das eine organisatorische Verlagerung von Aufgaben ausschließt (BSG, Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 66/93 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in einem vergleichbaren Fall, in dem es eine Funktionseinheit zwischen Rentenversicherungsträger und Justizbehörde verneint, ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob bei einer tatsächlich vorliegenden Pflichtverletzung die Durchsetzung eines Anspruchs auf dem zuständigen Rechtsweg möglich wäre (BSG Urteil vom 24.04.1996 - 5/4 RA 36/93). Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob bei der Klägerin überhaupt ein Schaden als Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vorliegt. Denn die Nachversicherungsbeiträge, die ausschließlich aus dem Vermögen des Beigeladenen zu 1) entrichtet worden sind, werden durch den Ausschluss der Wahlmöglichkeit nach Ablauf der Jahresfrist nicht ohne weiteres zu wirtschaftlich oder rechtlich nutzlosen Aufwendungen. Diese können in der Zukunft möglicherweise durchaus Bedeutung erlangen (BSG SozR 2400 § 124 Nr.6; Urteil vom 18.09.1996 - 5/4 RA 77/94).

Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass die in Rechtsfragen ausgebildete Klägerin eine im Grunde naheliegende Möglichkeit selbstverantwortlich nicht genutzt hat, um den drohenden Fristablauf zu vermeiden. Bei sorgfältiger Beachtung der Gesetzeslage hätte sich die Klägerin, trotz des Hinweises des Landgerichts München I auf die erst später bestehende Vereidigungsmöglichkeit im Rahmen einer öffentlichen Sitzung, geradezu veranlasst sehen müssen, die bereits am 12.12.1996 ausgestellte Zulassungsurkunde noch rechtzeitig ausgehändigt zu bekommen. Denn die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird nach § 12 Abs.2 Satz 1 BRAO bereits mit der Aushändigung der Urkunde wirksam. Der Eid kann auch erst später, nämlich gemäß § 26 BRAO alsbald nach der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft geleistet werden. Die Klägerin hat jedoch keine Maßnahme ergriffen, z.B. in Form eines Telefonats beim Landgericht München I mit der Schilderung der Interessenlage, um damit noch vor Ablauf der Jahresfrist die Empfangnahme der Zulassungsurkunde zu ermöglichen.

Schließlich kann das Klagebegehren auch nicht über § 26 SGB IV, der Vorschriften zur Beanstandung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge enthält, begründet werden. Denn der Beigeladene zu 1) hat, wie oben dargestellt, die Beiträge zur Nachversicherung der Klägerin zu Recht an die Beklagte gezahlt.

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.04.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar und wurden auch nicht vorgetragen. Der Rechtssache kommt eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs.2 Nr.1 SGG nicht zu, weil die hier zur Anwendung kommenden Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind. Die Entscheidung des Senats weicht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, sondern beruht gerade auf der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, so dass auch der Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs.2 Nr.2 SGG ausscheidet. Ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, wurde nicht geltend gemacht (§ 160 Abs.2 Nr.3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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