Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8/10 U 2491/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1613/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 79/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 28. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1994 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Feststellung seiner Blasenkrebs-Erkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV ab Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 einschließlich nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte eine Blasenkrebserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) "Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine" – festzustellen und für die Zeit von Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren hat.
Der 1920 geborene Kläger war von Januar 1954 bis Ende September 1979 insgesamt 26 Jahre lang als angelernter Chemiearbeiter bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH, die ihren Betrieb seit längerem eingestellt hat, beschäftigt. Seit Oktober 1980 bezieht der Kläger Altersrente. Im Oktober 1990 – im Alter von 70 Jahren – wurde bei ihm ein Karzinom des Urothels/Übergangsepithels der Harnblase im Bereich der rechten Seitenwand (Klassifizierung: pTA NX MX G1) diagnostiziert, das in den Städtischen Kliniken F. operiert wurde. Bei der Kontrolle im Februar 1993 ergab sich im Bereich des Blasendachs ein kleines Tumorrezidiv (Klassifizierung: G2 pTA1), das ebenfalls entfernt wurde. Ein weiteres größeres Tumorrezidiv im linken Blasendach wurde im Januar 1994 nachgewiesen, weshalb der Kläger sich von Februar bis Juni 1994 einer lokalen Chemotherapie unterziehen musste. Bei weiteren Nachkontrollen wurde kein Rezidiv mehr festgestellt.
Bereits im Februar 1992 hatte der Dr. E. bei der Beklagten unter Hinweis auf die Übersicht in der IARC-Monografie Nr. 28 aus dem Jahre 1982 Anzeige wegen des Verdachts auf eine BK erstattet, verursacht durch den beruflichen Umgang mit aromatischen Aminen, speziell mit Beta-Naphthylamin (2-NA/BNA) als produktionsbedingte Verunreinigung der gängigsten in der Gummiindustrie verwendeten Alterungsschutzmittel/Antioxidantien wie Phenyl-alpha-Naphthylamin (PAN), Phenyl-beta-Naphthylamin (PBN), Aldol-1-Naphthylamin (AP). Bezüglich konkurrierender außerberuflicher Ursachen für ein Harnblasenkarzinom wurde angemerkt, dass der Kläger lediglich während der Kriegsjahre zwischen 1939 und 1945 Gelegenheitsraucher gewesen sei (sieben Zigaretten pro Woche) und auch phenacetinhaltige Schmerzmittel nicht eingenommen habe.
Zur beruflichen Exposition des Klägers bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH hat sich nach umfangreichen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren u.a. insbesondere durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten und den Dr. E. mit wiederholten Befragungen des Klägers und des ehemaligen Arbeitgebers sowie Auskunfterteilungen durch ehemalige, zum Teil leitende Betriebsangehörige aus dem Labor und den Arbeitsbereichen des Klägers (Dr. M., H. L., H. Sch., Dr. S., K. B., J. T., K. F., M. W.) insgesamt im Wesentlichen folgendes Bild ergeben: Der Kläger arbeitete bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH zunächst von 1954 bis 1955 (oder bis 1956/1957) in der Schaumgummiabteilung. Von 1956/1957 bis 1968 war er in der Förderbandabteilung tätig, bis 1965 in einer 12-Stunden- und danach in einer 8-Stunden-Schicht. In der Förderbandabteilung wurden in einer Halle von 80 x 40 x 10 m Größe Förderbänder u.a. für die Steinkohlenindustrie und – alle drei bis vier Wochen – weiße Förderbänder für die Lebensmittelindustrie sowie Gummipressplatten von 1 bis 2 m Größe und 3 bis 6 mm Dicke hergestellt. Hier hatte der Kläger insbesondere an in der Mitte der Halle stehenden langen Tischen zu 50 % rohe Förderbänder (Gewebebahnen) und zu 50 % 30 x 1 m große Gummibänder mit einer in einem separaten Mischraum hergestellten Kautschuklösung zu beschichten und in mehreren Schichten aufeinander zu legen/zu kleben (Konfektionierung) sowie nach dem Walzen der Förderbänder in einem Kalander bzw. nach Zuschneiden der Gummiplatten bei der Vulkanisierung für die Dauer von 20 bis 30 Minuten in den an beiden Seiten der Tische stehenden 10 m, 5 m und 2 m langen Vulkanisationspressen und einer Quadratmeterpresse unter Dampfentwicklung zu helfen und die vulkanisierten Teile ggf. zu kontrollieren und zu lagern. Während der Zeit in der Förderbandabteilung musste der Kläger täglich durch die Formartikelabteilung in den Mischraum fahren, um Gummirollen zur Verarbeitung als Pressplatten zu holen. Von 1969 bis 1979 gehörte der Kläger zur Abteilung Reifenrunderneuerung, die in einer Halle mit einer Größe von 80 x 50 x 12 m untergebracht war. Hier hatte er nur vertretungsweise 14 Tage pro Jahr abgeschliffene Reifen mit Kautschuklösung zu bespritzen. Im Übrigen war er zunächst fünf Jahre lang (1969 bis 1974) hauptsächlich mit der Herstellung von Reifenschläuchen befasst. Dabei hatte er die benötigten Rohgummimischungen im separaten Mischraum/Abwiegeraum der Abteilung zu bestellen und abzuholen, wobei er sich pro Schicht ca. eine Stunde lang im Mischraum aufgehalten haben soll. Die Gummimischungen wurden von ihm vom Mischraum auf Paletten mit Hubwagen in die Spritzerei gebracht, um sie zu Rohlingen zu formen. Dazu wurde der Rohgummi vom Kläger von der Palette in die Spritzmaschine/Extruder eingeführt. Anschließend wurden die Schläuche von ihm auf Länge geschnitten und auf einem Gestell gestapelt. Das Ventil wurde eingefügt, die Schlauchenden wurden aufgerauht, mit Kautschuklösung bestrichen, zusammengefügt und die fertigen rohen Schläuche in einer Vulkanisationspresse vulkanisiert. Nach dem Herausnehmen aus der Presse wurden die vulkanisierten Schläuche vom Kläger kontrolliert, ggf. repariert und im Lager gestapelt. Von 1974 bis 1979 war der Kläger in der Abteilung Reifenrunderneuerung in der Endkontrolle der runderneuerten Reifen eingesetzt und hatte – ca. 6 bis 7 m von den Vulkanisationspressen entfernt – die Reifen auf korrektes Profil, schadhafte Stellen, Luftblasen etc. zu kontrollieren und defekte Reifen auszusondern. Während seiner gesamten Tätigkeit bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH trug der Kläger bei unmittelbarem Hautkontakt mit Rohgummi oder vulkanisiertem Gummi keine Schutzhandschuhe und verwendete bei der Arbeit an den Vulkanisationspressen auch keinen Atemschutz. Für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Firma bis September 1979 erfolgte auch weder eine werksärztliche Betreuung noch wurden irgendwelche Messungen durchgeführt.
Nach den inzwischen durchgeführten Ermittlungen wurde bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH zumindest in der Abteilung Reifenrunderneuerung den Gummirezepturen das Alterungsschutzmittel PAN beigemengt, das herstellungsbedingt immer BNA enthält, das ebenso wie 4-Aminodiphenyl (4-ADP), Benzidin und 4-Chlor-o-toluidin (4-COT) zu den aromatischen Aminen gehört, die von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) in der MAK- und BAT-Werte-Liste als sog. K 1-Stoffe anerkannt sind. In der Förderbandabteilung wurden bei der Herstellung insbesondere von weißen Förderbändern demgegenüber offenbar keine verfärbenden Alterungsschutzmittel wie PAN verwendet, die aromatische Amine wie das BNA enthielten, sondern Vulkanox DDA – ein styrolisiertes Diphenylamin (SDPA) - und Flexzone 3 P (N-Isopropyl-N-phenyl-p-phenylendiamin-IPPD). Ob bei der Herstellung von Gummipressplatten in der Förderbandabteilung BNA-haltige Antioxidantien zum Einsatz kamen, konnte definitiv nicht ermittelt werden, ist jedoch auch nach Einschätzung des TAD der Beklagten aufgrund von Erfahrungen in der Gummiindustrie anzunehmen. Für die Zeit der Tätigkeit des Klägers in der Schaumgummiabteilung (1954/1955) wurde die Einwirkung aromatischer Amine sicher ausgeschlossen. Die Verunreinigung des in der Abteilung Reifenrunderneuerung und zum Teil auch in der Förderbandabteilung bei der Herstellung von Gummipressplatten zum Einsatz kommenden PAN mit BNA betrug unter Berücksichtigung von Angaben des ehemaligen Ltd. Werkarztes der B. AG Dr. K. bis 1967 100 bis 200 ppm und nach 1967 3 bis 5 ppm, nach einer Garantieauskunft der Firma B. AG – dem wichtigsten Hersteller von PAN und PBN – im Erkrankungsfall des V. H. hingegen bis 1967 maximal 500 ppm, von 1967 bis 1977 50 ppm, 1977 bis 1979 5 ppm und danach unter 3 ppm sowie nach Angaben des TAD der Beklagten Dr. Z. bis 1960 sogar 1.000 ppm, zwischen 1961 und 1970 500 ppm, 1971 bis 1980 50 ppm und nach 1980 3 ppm. Ausgehend von den zuletzt genannten günstigsten Inhaltsangaben hat der TAD für den Kläger unter Zugrundelegung einer Ausarbeitung von Erhard in der Art eines Dosis-Modells ("Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit der Verursachung von Blasenkrebs durch aromatische Amine in der Gummiindustrie – Fassung 7/99") inzwischen eine berufliche BNA-Gesamtdosis von 1,5 mgBNA durch die Tätigkeit bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH ermittelt (Förderbandabteilung 1956 bis 1969 1,24 mgBNA, Reifenrunderneuerung 1969 bis 1973 0,26 mgBNA, Reifenendkontrolle 1974 bis 1979 0,01 mgBNA = 1,5 mgBNA), während Dr. E. nach diesem Modell eine etwas geringere Gesamt-Dosis von 0,6 mgBNA errechnete.
In einem von der Beklagten auf die BK-Anzeige des Dr. E. seinerzeit eingeholten Gutachten vom 25. Juni 1993 des Dr. K. mit ergänzender Stellungnahme vom 10. März 1994 führte dieser u.a. aus, dass die in den letzten Jahren in der Gummiindustrie evident gewordene Häufung von Blasentumoren in jedem zur Anerkennung kommenden Einzelfall regelmäßig entweder mit der Exposition gegenüber Alterungsschutzmitteln im Mischraum, bei der Einwirkung von Rohgummimischungen oder aber beim Vulkanisieren mit der Entstehung von Dämpfen in Zusammenhang gebracht worden sei. Da eine Verwendung von mit BNA verunreinigtem PAN im Betrieb der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH oder jedenfalls im Arbeitsbereich des Klägers im Verwaltungsverfahren noch ausgeschlossen worden war, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1994 die Feststellung und Entschädigung der Blasenkrebserkrankung des Klägers als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV mit dieser Begründung ab.
Am 25. Juli 1994 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben. Das SG hat u.a. durch Prof. Dr. C., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universitätsklinik C-Stadt, unter dem 17. September 1996 ein Gutachten erstellen lassen. Darin wurde aufgrund des damaligen Ermittlungsergebnisses die Auffassung vertreten, dass die berufliche Einwirkung von BNA beim Kläger nicht hinreichend bewiesen und deshalb die haftungsbegründende Kausalität bezüglich der Einwirkung dieses Stoffes im Sinne der BK-Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV mit einem "non liquet" zu beurteilen sei. Durch Urteil vom 14. Oktober 1997 hat das SG die Klage daraufhin mit der Begründung abgewiesen, dass der Nachweis einer Exposition des Klägers gegenüber Blasenkrebs erzeugenden Substanzen, insbesondere BNA, nicht erbracht worden sei und die Exposition dem Umfang nach jedenfalls nicht ins Gewicht falle, da auch laut Aussage des Dr. E. zumindest ab 1967 die Verunreinigung von in Deutschland hergestelltem PAN mit BNA nur noch 3 bis 5 ppm betragen habe. Dies reiche aber für die Verursachung eines Blasenkrebses nicht aus, wie sich aus den Studien über nach 1950 in der Gummiindustrie Beschäftigte ergebe, die keine signifikante Blasenkrebserhöhung mehr gezeigt hätten.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Dezember 1997 Berufung eingelegt und u.a. geltend gemacht, dass die Beklagte bei dem bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH von September 1956 bis Dezember 1972 in der Konfektionierung von Schaumstoffen, Gummiballherstellung, Gummispritzerei und Förderbandabteilung beschäftigtem V. H. eine Blasenkrebserkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV anerkannt habe. Insgesamt sei der für ihn positiven Beurteilung des im Gerichtsverfahren mehrfach gehörten Dr. E. zu folgen, der u.a. zu Recht davon ausgegangen sei, dass das Zigarettenrauchen in seinem Fall als konkurrierende Ursache nicht ins Gewicht falle. Das gelte umso mehr, als er tatsächlich nur ab Frühjahr 1941 bis maximal Mai 1945 zwei bis drei Zigaretten die Woche geraucht habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Feststellung seiner Blasenkrebserkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV zu verurteilen, ab Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 einschließlich nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass es auch bei der nach dem Dosis-Modell von Erhard ermittelten beruflichen Gesamt-Dosis von 1,5 mgBNA, die angesichts des von Dr. E. ermittelten geringeren Wertes von 0,6 mgBNA eigentlich unbestritten sein dürfte, nach wie vor letztlich schon an der haftungsbegründenden Kausalität für eine BK nach der Nr. 1301 und jedenfall an der haftungsausfüllenden Kausalität fehle. Sie bezieht sich dazu insbesondere auf die Stellungnahmen ihrer Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dr. W. vom 22. Februar 1999 und 7. März 2000 und Dr. Z. vom 26. September 2000, eine gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage vom 8. Juni 2001 des Prof. Dr. X., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsklinik E.-N., und auf das im Berufungsverfahren noch eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. D ... Die gegenteilige Auffassung des Dr. E. werde dadurch widerlegt. Der Umstand, dass die BK-Nr. 1301 im Unterschied zu "neueren" BKen keine Mindestdosis bzw. keinen Grenzwert für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs enthalte, könne nicht bedeuten, dass die Dosis ohne Relevanz sei und bereits das Vorkommen von krebserzeugenden Stoffen in geringsten Spuren ausreiche. Zwar sei es plausibel, dass der Kläger ausgehend von seinen Angaben auch durch sein Rauchen kein signifikant erhöhtes Blasenkrebsrisiko gehabt habe. Daraus sei jedoch nichts für die Beantwortung der Frage abzuleiten, ob die berufliche Einwirkung der Dosis nach zur Herbeiführung einer Blasenkrebserkrankung geeignet gewesen sei, sondern nur, dass es sich beim Kläger überhaupt nicht um eine exogene Erkrankung, sondern um eine schicksalhafte Erkrankung gehandelt habe, zumal die Genese von Harnblasenkarzinomen vielfach unbekannt bleibe, auch Personen ohne berufliche Exposition und Nichtraucher betroffen seien und die Erkrankung beim Kläger in typischem Lebensalter eingetreten sei. Auch das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen habe im Urteil vom 10. Dezember 1996 – L-3/U - 31/92 – bei einem Mechaniker mit Kontakt zu Schmierstoffen und Ölen, in denen aromatische Amine von etwa 0,1 % enthalten gewesen seien, die Anerkennung einer BK nach der Nr. 1301 abgelehnt, weil eine Risikoverdoppelung nicht einmal annähernd erreicht worden sei. Eine Parallele zu der Erkrankungssache des V. H. bestehe nicht.
Im Berufungsverfahren sind zur weiteren Sachaufklärung von Dr. E. die Stellungnahme vom 10. September 1998 und das arbeitsmedizinische Gutachten vom 28. Juli 1999 eingeholt worden, das sich u.a. auf die Akten der Beklagten im Erkrankungsfall V. H. stützt und in Erwiderungen auf Stellungnahmen des TAD der Beklagten unter dem 23. Dezember 1999, 1. August 2000, 12. Dezember 2001 und 24. Oktober 2001 noch weiter ergänzt worden ist. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV verursacht durch die berufliche Einwirkung von BNA festzustellen und zu entschädigen sei. Sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität sei gegeben und nicht etwa – wie auch Prof. Dr. X. meine – mit einem "non liquet" zu beurteilen. Durch eine Reihe von Studien, u.a. in der Bundesrepublik durchgeführte epidemiologische Studien – Flach (1967), Kunze et al (1992), Greiser und Molzahn (1997), E. et al (1993), Straif et al (1998) – werde bis in die neueste Zeit ein signifikant (um den Faktor 2,4 bis 2,9) erhöhtes relatives Blasenkrebs-Risiko bei Beschäftigten in der Gummiindustrie belegt. Selbst wenn entsprechend den Angaben von Korallus (1991) zunächst ausgeführt worden sei, dass PAN nach 1967 "nur" noch mit 3 bis 5 ppm BNA verunreinigt gewesen sei, so könne daraus entgegen der Ansicht des SG nicht abgeleitet werden, dass diese Konzentration eines der wichtigsten Kanzerogene im Bereich der menschlichen Harnblase ungefährlich sei. Tatsächlich sei die Konzentration von BNA im PAN bis Ende der 70er Jahre relevant und nach der Garantieauskunft der Firma B. AG in Sachen V. H. auch deutlich höher gewesen als ursprünglich angenommen. Insgesamt sei der Fall des Klägers mit dem Erkrankungsfall des V. H. durchaus vergleichbar, bei dem die Beklagte eine BK nach der Nr. 1301 anerkannt habe, weil eine Exposition gegen staubförmige, mit BNA verunreinigte Alterungsschutzmittel in der früheren Ballproduktion wegen der Nachbarschaft zum Mischraum nicht habe ausgeschlossen werden können und insbesondere ein häufiger Hautkontakt zu unvulkanisiertem Gummi bestanden habe. Eine ausreichend hohe berufliche Einwirkung des Klägers mit BNA könne unter Heranziehung des Dosis-Modells von Erhard (1999) schon deshalb nicht verneint werden, weil dieses – wie auch Prof. Dr. X. angemerkt habe – weitgehend spekulativ und nicht geeignet sei, im BK-Feststellungsverfahren Verwendung zu finden. So seien z.B. die ohne irgendeine Messung zugrunde gelegten Einwirkungen mit einatembaren Stäuben in der Wiegerei und Mischerei zu niedrig bzw. weitgehend spekulativ. Bei der Abschätzung der inhalativen Aufnahme werde zudem davon ausgegangen, dass die Gummimischungen 1 % BNA-kontaminiertes PAN enthalten hätten, obgleich der Anteil an PAN in Gummimischungen bis 5 % betragen haben könne. Auch die Abschätzung der BNA-Einwirkung durch Hautkontakt sei ohne jede Messung, z.B. Biomonitoring, rein spekulativ und wissenschaftlich nicht begründet. Das gelte auch für die Festlegung, dass die Aufnahme nur mit Stäuben und nicht auch durch Hautkontakt mit unvulkanisiertem Rohgummi möglich sei, zumal BNA von der DFG und Korallus (1998) als "hautresorptiv" eingestuft worden sei und dies biologisch auch plausibel sei. Zwar sei insgesamt der Versuch zu begrüßen, die kumulative Einwirkung mit BNA bei Beschäftigten in der deutschen Gummiindustrie abzuschätzen ähnlich z.B. dem Mainz-Dortmunder Dosis-Modell (MDD) und dem Vorschlag von 100 Benzo(a)pyren-BaP-Jahren für die Anerkennung eines Lungenkarzinoms bei der Einwirkung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe. In beiden Fällen hätten jedoch mehrere epidemiologische Studien vorgelegen, die eine Abschätzung der eingewirkten Dosis sowie des Erkrankungsrisikos zugelassen hätten. Demgegenüber gebe es keinerlei epidemiologische Studien, die die kumulative Dosis von beruflich aufgenommenen aromatischen Aminen in Beziehung zu dem Erkrankungsrisiko für Harnblasenkarzinome dargestellt hätten. Die Auffassung der Beklagten, dass eine geeignete Exposition nur vorliege, wenn das Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung um den Faktor 2 erhöht werde, sei u.a. unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 1999 – B 2 U 12/98 R – rechtlich nicht haltbar. Dass es manche BKen mit einem Dosiswert entsprechend dem Verdopplungsrisiko gebe (z.B. BK-Nr. 4104 – 25 Faserjahre, BK-Nr. 4110 – 100 Feinstaubjahre), heiße nicht, dass jede BK nur anerkannt werden könne, wenn der jeweilige Beschäftigte einem individuell verdoppelten Erkrankungsrisiko ausgesetzt gewesen sei. Das gelte insbesondere für BKen, bei denen der Verordnungsgeber wie bei der Nr. 1301 überhaupt keinen Dosiswert genannt habe. Es sei deshalb auch unzulässig, aus den epidemiologischen Studien über den Zusammenhang zwischen der kumulativ gerauchten Zigarettenmenge und dem Harnblasenkrebsrisiko eine BNA-Verdopplungsdosis zu berechnen und diese dann in Bezug zu setzen zu der – nach einem untauglichen Modell ermittelten – individuellen, beruflich aufgenommenen BNA-Dosis des Erkrankten. Das gelte umso mehr, als Zigarettenrauch außer aromatischen Aminen eine Vielzahl von anderen krebserzeugend wirkenden Gefahrstoffen enthalte, die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Entstehung des erhöhten Risikos von Rauchern in Bezug auf Harnblasenkarzinome beteiligt seien. Das zu kritisierende Dosis-Modell von Erhard (1990) sei allenfalls für einen Vergleich mit der Belastung des Klägers durch eigenes Aktivrauchen als dem wichtigsten außerberuflichen konkurrierenden Faktor für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms heranzuziehen und ergebe eine BNA-Dosis durch die berufliche Beschäftigung von 0,6 mg im Vergleich zu einer um ein Vielfaches niedrigeren BNA-Einwirkungen von 0,014 mg durch das Aktivrauchen von ca. sieben Zigaretten pro Woche in der Zeit von 1939 bis 1945, was einer Dosis gerauchter Zigaretten von 0,35 Packungsjahren entspreche. Ein erhöhtes außerberufliches Harnblasenkarzinomrisiko sei daraus nach der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur nicht herzuleiten. Die aus der anzuerkennenden BK resultierende MdE sei in Orientierung an Schönberger/Mehrtens/Valentin zwischen Diagnose des Tumors im Oktober 1990 bis Januar 1996, d.h. zwei Jahre nach dem letzten Rezidiv im Januar 1994, auf 50 v.H. und für die Zeit zwischen Januar 1996 und Januar 1999 auf 20 v.H. zu schätzen. Danach betrage die MdE wegen der zwischenzeitlichen Heilungsbewährung von mehr als fünf Jahren ohne Tumorrezidiv 0 v.H.
Auf Anregung des Dr. E. ist von Amts wegen ferner das Ergänzungsgutachten nach Aktenlage vom 2. Mai 2002 des Prof. Dr. C. eingeholt worden. Dieser hat abweichend von seinem früheren Gutachten vom 17. September 1996 nunmehr die haftungsbegründende Kausalität für die BK-Nr. 1301 bezüglich der Einwirkung von BNA bejaht, weil zwischenzeitlich die langjährige berufliche Einwirkung von BNA am Arbeitsplatz des Klägers vorwiegend durch Hautresorption aber auch in Dampf- oder Staubform über die Atemwege zweifelsfrei gesichert sei und die kumulative Dosis sicherheitstechnisch auf 1,5 mgBNA geschätzt worden sei. Bezüglich der haftungsausfüllenden Kausalität hat Prof. Dr. C. festgestellt, dass die Latenzzeit bis zum Auftreten des Harnblasenkarzinoms in Übereinstimmung mit den arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen stehe, ebenso die Lokalisation der bösartigen Neubildung am Übergangsepithel (Urothel) der Harnblase. Der Sachverständige empfahl noch weitere Ermittlungen durch Einholung eines Zusatzgutachtens zur Höhe der vom Kläger aufgenommenen kanzerogenen BNA-Dosis durch das Rauchen (Aktiv- und Passivrauchen/Haupt- und Nebenstromrauch), die im Einvernehmen mit den Beteiligten nicht durchgeführt worden ist.
Stattdessen ist auf Anregung der Beklagten von Amts wegen noch das arbeitsmedizinische Gutachten vom 19. Dezember 2002 des Prof. Dr. D., Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der R.-Universität D-Stadt, mit ergänzender Stellungnahme vom 3. März 2004 eingeholt worden. Dieser Sachverständige hat bestätigt, dass es sich bei BNA um ein äußerst potentes tierexperimentelles und humanes Blasenkrebskarzinogen handelt und in mehreren epidemiologischen Studien bei exponierten Arbeitern ein deutliches, mehr als zweifach erhöhtes Blasenkrebsrisiko festgestellt worden ist. Gestützt auf die epidemiologische Datenlage und auch auf Informationen zum Wirkungsmechanismus sei BNA national wie auch international seit langem als gesichertes Humankanzerogen (K 1-Stoff) mit der Harnblase als Zielorgan eingestuft worden (DFG und BMA 1958, IARC 1982 und 1986) und hinter 4-ADP als die wirkungsstärkste Verbindung anzusehen. Jedoch lasse sich entsprechend den Ausführungen des Dr. E. aus keiner der epidemiologischen Studien in der englischen und deutschen Gummiindustrie eine Dosis-Wirkungs-Beziehung ableiten, welche eine direkte Schätzung oder Extrapolation des Blasenkrebsrisikos bei relativ geringer Exposition gegenüber aromatischen Aminen und die Ableitung einer Verdopplungsdosis erlaube. Es lägen lediglich Hinweise auf die Dosisrelevanz der Exposition vor. Im Falle des Klägers könne es bei einer vom TAD auf 1,5 mgBNA geschätzten beruflichen Gesamtbelastungsdosis mit BNA aus inhalativer Aufnahme, geringerer kutaner Resorption und der teilweise erfolgenden endogenen Dephenylierung von PAN zu BNA nur noch um die haftungsausfüllende Kausalität gehen. Diese könne mit Wahrscheinlichkeit aber nicht schon dann bejaht werden, wenn ein prinzipiell zur Herbeiführung eines – in der Mehrzahl exogen bedingten - Harnblasenkarzinoms geeigneter Stoff im Arbeitsbereich vorgekommen sei, sondern nur, wenn dieser Stoff auch in einer Intensität eingewirkt habe, die andere denkbare Krankheitsursachen, u.a. insbesondere das Zigarettenrauchen als wichtigstem nicht berufsbedingten Risikofaktor, in den Hintergrund treten ließen. Dass mit zunehmender beruflicher Einwirkungsdosis in der Regel das Erkrankungsrisiko und im Krankheitsfall die Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs ansteige, gelte in der Regel auch für krebserzeugende Substanzen. Zwar könnten Grenzwerte, bei denen statistisch das Erkrankungsrisiko gegenüber der nicht exponierten Gruppe verdoppelt sei und bei deren Unterschreitung die Kausalität im Einzelfall auszuschließen sei bzw. bei deren Erreichen sie u.U. erleichtert angenommen werden könne, nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber bestimmt werden, der sich dazu z.B. in den BK-Nrn. 4104 und 4111 entschlossen habe. Jedoch habe man sich am 21. März 2003 in H. bei einem Konsensusgespräch zwischen allen in dieser Angelegenheit beteiligten Fachkreisen und Wissenschaftlern auf den Gebieten der Epidemiologie, Arbeitsmedizin, Toxikologie, der Beklagten und der Industrie auf 10 Erfahrungssätze geeinigt, die als Konvention oder – weitergehend wie z.B. das MDD bei BKen der Nr. 2108 - als antizipiertes Sachverständigengutachten mit dem Ziel der Gleichbehandlung der Versicherten zumindest innerhalb des Zuständigkeitsbereichs eines Versicherungsträgers – hier der Beklagten – einzustufen seien. Zu der Vereinbarung gehöre u.a., dass die Überlegungen und Schätzungen von Erhard mangels geeigneterer Methoden zur Quantifizierung der beruflichen BNA-Belastung herangezogen werden könnten, wobei die durch Hautresorption aufgenommene Dosis jedoch noch durch wissenschaftliche Versuche überprüft werden müsse. Übereinstimmung habe auch darin bestanden, dass die Datenlage weder die Angabe einer "sicheren Dosis" noch die Ermittlung einer Dosis erlaube, bei der sich das Normalrisiko durch BNA-Einwirkung verdopple. In Ermangelung besserer Vergleichsmöglichkeiten sei schließlich unter Ziffer 8 der Vereinbarung bestimmt worden, dass die Anerkennung einer BK grundsätzlich in Betracht komme, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung krebserzeugender aromatischer Amine näherungsweise in dem Umfang erfolge, die bei einem Raucher zu einer Verdopplung des Blasenkrebsrisikos führe. Unter der – bisher noch nicht eindeutig geklärten – Annahme, dass die aromatischen Amine BNA und 4-ADP für das Blasenkrebsrisiko des Rauchers wesentlich seien, eine gleich starke kanzerogene Wirkung entfalteten und der Raucher auch noch 20 % des Nebenstromrauchs resorbiere, bestehe für den Raucher nach epidemiologischen Studien ein Verdopplungsrisiko für Harnblasenkarzinome bei 15 Packungsjahren bzw. bei einer kumulativen Gesamtdosis der einwirkenden aromatischen Amine von ca. 6 mg (Hauptstromrauch 2,39 mg/Nebenstromrauch 3,69 mg). Ausgehend davon und einem relativen Risiko von 1 für die unbelastete Normalbevölkerung betrage das relative Erkrankungsrisiko des Klägers bei einer beruflichen BNA-Einwirkung von 1,5 mg damit nur 1,25, so dass seine ehemalige Tätigkeit in der Gummiindustrie nicht als wesentliche Ursache für die Blasenkrebserkrankung angesehen werden könne, die im Übrigen auch im Bereich des Häufigkeitsgipfels der Erkrankung in der Normalbevölkerung aufgetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten Anspruch auf Feststellung des im Oktober 1990 diagnostizierten Harnblasenkarzinoms als BK und auf Gewährung von Verletztenrente in dem beantragten Umfang nach den im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung –RVO– (s. § 212 ff. Sozialgesetzbuch –SGB– VII).
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 548 RVO in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und so lange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 gemindert ist. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übliche Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten BKen gehören nach der Nr. 1301 in der seit der 3. BKV vom 18. Dezember 1936 inhaltsgleichen Fassung "Schleimhautveränderungen, Krebs oder anderen Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine". Für das Vorliegen des Tatbestandes dieser BK u.a. im Falle des Klägers ist zum einen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründenden Kausalität) und zum anderen zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (u.a. BSG SozR 3 2200 § 551 Nr. 16; Brackmann, Handbuch der Sozialversichersicherung, § 9 SGB VII, Rdnrn. 21 bis 23 a). Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96). Sie ist im Falle des Klägers mit dem Sachverständigen Dr. E. aber auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. C. in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 sowie des Prof. Dr. D. im Gutachten vom 19. Dezember 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 3. März 2004 zu bejahen, auch wenn letzterer zu einem für den Kläger negativen Ergebnis gelangt ist. Dieses lässt sich insbesondere nicht mit "10 Erfahrungssätzen" überzeugend begründen, auf die sich laut Mitteilung des Prof. Dr. D. Fachleute und Wissenschaftler aus dem Bereich der Epidemiologie, Arbeitsmedizin und Toxikologie sowie Vertreter der Beklagten und der Industrie am 21. März 2003 in H. bei einem Konsensusgespräch geeinigt haben.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht inzwischen fest und ist unter den Beteiligten auch unstreitig, dass der Kläger entgegen den Annahmen im Verwaltungsverfahren und zur Zeit des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. C. vom 17. September 1996 während seiner Tätigkeit als Chemiearbeiter bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH von Januar 1954 bis September 1979 zumindest in der Abteilung für Reifenrunderneuerung (1969 bis 1979) aber auch in der Zeit seines Einsatzes in der Förderbandabteilung (1956/1957 bis 1969) bei der Herstellung von Gummipressplatten und damit mehr als 20 Jahre gegenüber dem Alterungsschutzmittel PAN exponiert war, das seinerseits herstellungsbedingt immer mit BNA verunreinigt war. Die innere Belastung mit BNA erfolgte dabei durch die Inhalation von Stäuben insbesondere beim Aufenthalt im Mischraum, von Dämpfen insbesondere bei der Vulkanisation, durch kutane Resorption und durch die Möglichkeit einer endogenen metabolischen Dephenylierung von PAN zu BNA. Das BNA gehört zu den aromatischen Aminen, ist also ein "Listenstoff". Es ist außerdem nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine der wichtigsten chemischen Verbindungen, die insbesondere Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen können (s.a. das vom Bundesminister für Arbeit- und Sozialordnung –BMA- zur Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV herausgegebene "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung", BABl Fachteil Arbeitsschutz 1963, Seite 129, Abschnitt I). Wie auch von den Sachverständigen des vorliegenden Verfahrens, u.a. insbesondere Dr. E. und Prof. Dr. D., im Einzelnen dargelegt worden ist, gehört BNA ebenso wie die weiteren klassischen mehrkernigen aromatischen Amine 4-ADP und Benzidin und das einkernige C 4-COT zu den aromatischen Aminen, die gestützt auf die epidemiologische Datenlage wie auch auf Informationen zum Wirkungsmechanismus national (DFG und BMA) wie auch international (IARC, EU) als gesichertes Humankanzerogen (sog. K 1-Stoff) mit der Harnblase als Zielorgan eingestuft worden sind, wobei 4-ADP und BNA bereits in der ersten MAK-Werte-Liste als Humankanzerogene (K 1-Stoffe) genannte wurden (DFG und BMA 1958) und BNA nach 4-ADP das anerkannt potenteste Humankanzerogen für die Harnblase ist (s. dazu auch Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Auflage, § 9 SGB VII, Anhang IV, 1301, S. 232–2 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 1200 ff. und S. 1148 ff.). K 1-Stoffe sind Verbindungen, die nach eindeutigen Beweisen aus epidemiologischen Untersuchungen beim Menschen Krebs erzeugen bzw. beim Menschen einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1148). Bei aromatischen Aminen der Kategorie 1 wird die Kausalitätsbeurteilung im Allgemeinen als unproblematisch angesehen (s. Lauterbach a.a.O., § 9 SGB VII, Anhang IV, 1301, S. 232-19-), auch wenn Dosis-Wirkungs-Beziehungen den epidemiologischen Arbeiten zu allen vier humankanzerogenen Arbeitsstoffen im Sinne der Nr. 1301 unstreitig nicht zu entnehmen sind. Grenzwerte (MAK- und BAT-Werte), bei deren Einhaltung Erkrankungen nicht zu befürchten sind, sind insoweit nicht angegeben; das ist nur für krebserzeugende Arbeitsstoffe/aromatische Amine mit geringer Wirkungsstärke der Kategorie 4 und 5 vorgesehen (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1154). Auch die in § 35 Abs. 2 der Gef.StoffV (1999) getroffene Definition einer Zubereitung als krebserzeugend ab einer Konzentration von 0,01 % BNA entsprechend 100 mg/kg entsprechend 100 ppm kann nicht als Abschneidekriterium verwendet werden, wie Prof. Dr. D. im Ergänzungsgutachten vom 3. März 2004 unter Bezugnahme auf das Konsensusgespräch in H. vom 21. März 2003 ("Erfahrungssatz 4") in Übereinstimmung mit Dr. E. klargestellt hat, wobei hervorgehoben wurde, dass es auf die kumulative Einwirkung ankomme, bei der auch geringe Beiträge additiv zu berücksichtigen sind. Schon deshalb kann es auch nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob die Verunreinigung von PAN mit BNA nach 1967 unter 100 ppm lag bzw. "nur" noch 3 bis 5 ppm (Korallus) oder bis 1977 "nur" 50 ppm und bis 1979 "nur" 5 ppm (Garantieauskunft Firma B. AG im Erkrankungsfall V. H.) oder jedenfalls von 1971 bis 1980 "nur" noch 50 ppm (Erhard) betrug. Außerdem hat Dr. E. unwidersprochen dargelegt, dass durch eine Reihe von Studien, u.a. fünf in der Bundesrepublik durchgeführte epidemiologische Studien - Flach (1967), Kunze et al (1992), Greiser und Molzahn (1997), E. et al (1993), Straif et al (1998) – bis in die neueste Zeit ein signifikant erhöhtes Blasenkrebsrisiko bei Beschäftigten der Gummiindustrie belegt ist und es bislang keinen epidemiologischen Beleg dafür gibt, dass aufgrund der gesunkenen Kontamination der Alterungsschutzmittel PBN, PAN und AP mit BNA ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko nicht mehr vorliegt. Dem entspricht letztlich auch der von Prof. Dr. D. zitierte "Erfahrungssatz 1" aus dem Konsensusgespräch vom 21. März 2003, wenn dort mitgeteilt wird, dass das Risiko in der Gummiindustrie, eine Erkrankung der ableitenden Harnwege zu erleiden, (nach wie vor) durch den Umgang mit Alterungsschutzmitteln und deren Verunreinigung mit krebserzeugenden Aminen bestimmt ist und entsprechende Erkrankungen unter der Nr. 1301 zu bearbeiten sind, solange für eine andere berufliche Ursache keine hinreichenden Belege vorhanden sind. Dabei besteht unter Berücksichtung von "Erfahrungssatz 5" mit Dr. E. offenkundig auch Einigkeit darüber, dass es bis heute keine epidemiologische Studie gibt, die die kumulative Dosis von beruflich aufgenommenen aromatischen Aminen in Beziehung zu dem Erkrankungsrisiko für Harnblasenkarzinome dargestellt hat. Auch "Erfahrungssatz 5" bestätigt, dass die Datenlage für aromatische Amine weder die Angabe einer "sicheren Dosis" noch die Ermittlung einer Dosis erlaubt, bei der sich das Normalrisiko für Blasenkrebs verdoppelt. Dass sich das Erkrankungsrisiko der exponierten Personengruppe im Vergleich zur nicht belasteten Bevölkerung verdoppelt bzw. um mehr als den Faktor 2 erhöht, wird gemäß § 551 Abs. 1 Satz 3 für eine BK oder für eine Entschädigung wie eine BK nach § 551 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 grundsätzlich auch gar nicht verlangt, sondern nur eine Gefährdung "in erheblich höherem Grade" (s. BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 2 U 12/98 R = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, § 9 SGB VII, Rdnr. 16; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnrn. 161 c bis 162). Ein Verdopplungsrisiko ist insoweit auch weder Voraussetzung, um die generelle Geeignetheit eines Listenstoffs zur Herbeiführung einer bestimmten (Krebs) Erkrankung – die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (s. dazu BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 29/99 R) und damit auch die haftungsbegründende Kausalität bejahen zu können noch Bedingung für eine positive Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität im Einzelfall. Schon deshalb kann sich die Beklagte auch nicht auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 10. Dezember 1996 – L-3/U - 31/92 - berufen, das im Übrigen einen Kfz-Mechaniker betraf. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verordnungsgeber unter der Nr. 4104 für den asbestbedingten Lungenkrebs mit 25 Asbestfaserjahren und unter der Nr. 4111 für die chronisch obstruktive Bronchitis von Bergleuten mit 100 Feinstaubjahren eine konkrete Dosisbestimmung in Form von Dosisgrenzwerten getroffen hat, dies auch beim Lungenkrebs in Verbindung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit mindestens 100 BaP-Jahren vorgesehen ist (Empfehlung des Ärztlichen Beirats vom 5. Februar 1998 – BArBl 1998, 544) und diesen Dosisbestimmungen jeweils eine statistisch-epidemiologisch ermittelte arbeitsbedingte generelle Risikoverdopplungsdosis zugrunde liegt, die angenommen wird, wenn der zurechenbare arbeitsbedingte Anteil am Gesamtrisiko einer Krankheit größer als 50 % ist (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnrn. 102 a und 161 ff.). Zwar ist auch bei Listen-Nrn. wie der Nr. 1301 der Nachweis der Einwirkung krebserzeugender Gefahrstoffe am Arbeitsplatz nicht nur zeitlich, sondern möglichst auch quantitativ zu führen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1161; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnr. 141), zumal auch bei krebserzeugenden Substanzen mit zunehmender Einwirkungsdosis in der Regel das Erkrankungsrisiko und im Krankheitsfall die Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs zunimmt, zumindest aber die Beweisführung eines solchen Zusammenhangs erleichtert wird. Eine solche quantitative Abschätzung ist im vorliegenden Fall durch den TAD der Beklagten auf der Grundlage der von Erhard für verschiedene Arbeitsbereiche vorgenommenen Schätzungen der kumulativen Einwirkung von BNA mit der Feststellung einer Gesamtbelastungsdosis von 1,5 mgBNA (Förderbandabteilung 1956 bis 1969 1,24 mgBNA, Reifenrunderneuerung 1969 bis 1973 0,26 mgBNA, Reifenendkontrolle 1974 bis 1979 0,01 mgBNA = 1,5 mgBNA) auch geschehen, wobei zu Recht nicht die von Korallus oder der Firma B. AG, sondern die von Erhard aufgrund von Lieferantenangaben abgeleiteten Schätzungen der Anteile an BNA in Alterungsschutzmitteln für die verschiedenen Zeiträume zwischen 1956/57 und September 1979 (bis 1960 1000 ppm, bis 1970 500 ppm, bis 1979 50 ppm) zugrunde gelegt wurden, die laut "Erfahrungssatz 2", der Konsensusgruppe "bestmöglich fundiert" sind. Aus "Erfahrungssatz 3" ergibt sich im Übrigen, dass die Bedenken des Dr. E. und des Prof. Dr. X. gegen die Schätzungen der kumulativen Einwirkung von BNA durch Erhard auf der Grundlage der "wenigen verfügbaren Messdaten" grundsätzlich nicht unberechtigt sind, letztlich nur "geeignetere Methoden der Quantifizierung nicht bekannt sind" und jedenfalls die Abschätzung der durch Hautresorption aufgenommenen Dosis, die z.B. eine Aufnahme von BNA durch Hautkontakt mit unvulkanisiertem Rohgummi unberücksichtigt lässt, noch einer "Überprüfung durch wissenschaftliche Versuche" bedarf, die für den Kläger, der entsprechende Hautkontakte in nicht unbeträchtlichem Umfang hatte, allenfalls zu einer noch günstigeren Einschätzung führen könnte. Die vom TAD der Beklagten ermittelte kumulative Belastung des Klägers mit BNA von 1,5 mg kann danach einerseits nur als ungefähre Größe angesehen werden. Andererseits kann insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die für einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren geschätzte kumulative Belastungsdosis von 1,5 mgBNA auf einen der wirkungsstärksten K 1-Stoffe für Harnblasenkarzinome bezieht, keineswegs gesagt werden, dass sie unerheblich bzw. generell als ungeeignet anzusehen ist, diese Krankheit zu verursachen und es deshalb schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. Diese Feststellung wäre laut Dr. E. selbst bei der von ihm – unter anderen Prämissen – errechneten geringeren kumulativen Belastungsdosis von 0,6 mg BNA nicht erlaubt. Auch Prof. Dr. C. hatte in seinem ergänzenden Gutachten vom 2. Mai 2002 keinen Zweifel mehr, dass die haftungsbegründende Kausalität für Harnblasenkarzinome im Sinne der Nr. 1301 beim Kläger erfüllt ist. Ebenso ist Prof. Dr. D. davon bei wechselnder Argumentation – zumindest teilweise ausgegangen.
Die danach zur Herbeiführung eines Harnblasenkarzinoms als grundsätzlich geeignet anzusehende berufliche Exposition des Klägers gegenüber BNA hat im konkreten Fall diese Krankheit mit Wahrscheinlichkeit tatsächlich auch zumindest wesentlich mitverursacht (haftungsausfüllende Kausalität). Das beim Kläger im Oktober 1990 festgestellte, sehr oberflächlich sitzende Karzinom des Urothels der Harnblase entspricht nach Lokalisation und Morphologie dem vom Verordnungsgeber in der Nr. 1301 benannten Krankheitsbild bzw. dem vorgestellten Schädigungserfolg (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt II und III; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1171, 1172). Die Expositionszeit von gut 20 Jahren (1956/57 bis 1979), die Latenzzeit (Intervall vom Beginn der erstmaligen Einwirkung bis zum Zeitpunkt der klinischen Diagnose) von ca. 34 Jahren (1956/57 bis Oktober 1990) und die Interimszeit (Zeitspanne zwischen Beendigung der Einwirkung und der Erstdiagnose) von guten 10 Jahren (September 1979 bis Oktober 1990) halten sich im Rahmen der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt IV; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1166 f). Zweifel daran sind auch von keinem der gehörten Gutachter und Sachverständigen geäußert worden. Das Auftreten des Blasenkarzinoms beim Kläger im Alter von 70 Jahren liegt bei einem mittleren Erkrankungsalter für Männer in der unbelasteten Normalbevölkerung von 69 Jahren (Frauen 74) zwar im Bereich des Häufigkeitsgipfels dieser Erkrankung in der Normalbevölkerung; eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation im Vergleich zum Häufigkeitsbereich in der Allgemeinbevölkerung (sog. Linksverschiebung) als Indiz für eine BK kann insoweit nicht festgestellt werden. Andererseits entspricht bei den häufigsten Berufskrebserkrankungen, u.a. dem Harnblasenkrebs, das Manifestationsalter aber auch den in der Allgemeinbevölkerung vorherrschenden Altersbereichen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1169), so dass das Erkrankungsalter des Klägers auch nicht als wesentliches Indiz gegen das Vorliegen einer BK nach der Nr. 1301 gewertet werden kann. Davon geht auch Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 3. März 2004 (Seite 38) aus. Wie der Sachverständige unter Bezugnahme auf eine Abhandlung von Preiss et al (2002) des Weiteren ausgeführt hat, ist die Mehrzahl der in der Bundesrepublik Deutschland jährlich auftretenden 16.000 Harnblasenkarzinomerkrankungen, von denen Männer doppelt so häufig wie Frauen betroffen sind, exogen und nicht endogen bedingt, wobei der wichtigste nicht berufsbedingte Risikofaktor das Zigarettenrauchen ist. Weitere gesicherte Risikofaktoren sind ionisierende Strahlen inklusive Radiotherapie, Arsen im Trinkwasser, Behandlung mit Cyclophosphamic und dem Schmerzmittel Phenacetin. Auch Kaffee und chronische Blasenentzündungen werden mit einem erhöhten Risiko für ein Karzinom der ableitenden Harnwege in Verbindung gebracht. Beim Kläger ist insoweit neben der beruflichen BNA-Einwirkung nach einhelliger Auffassung konkret nur die Inhalation von Zigarettenrauch näher zu diskutieren, wobei die Belastung durch eigenes gelegentliches Rauchen vor Jahrzehnten auch in dem vom Kläger gegenüber Dr. E. zunächst angegebenen Umfang (1939 bis 1945 7 Zigaretten pro Woche) im Vergleich zur späteren beruflichen BNA-Belastung von 1956/57 bis 1979 nicht nur nach Einschätzung des Dr. E., sondern auch des Prof. Dr. D. und der Beklagten ohne Relevanz ist (s. dazu auch BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 59/90). Aus "Erfahrungssatz 9" der Konsensusgruppe ergibt sich nichts anderes. Soweit Prof. Dr. C. in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 diesbezüglich noch einen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hatte, beruhte dies auf der irrtümlichen Annahme, dass beim Kläger anamnestisch möglicherweise eine kumulative Zigarettenrauchinhalationsdosis von 17 Packungsjahren statt 0,35 Packungsjahren zu diskutieren sein könnte. Soweit Prof. Dr. C. außerdem auch das Rauchverhalten von Arbeitskollegen des Klägers am Arbeitsplatz für aufklärungsbedürftig hielt, ist festzustellen, dass ein dadurch bedingtes Passivrauchen des Klägers ebenfalls als arbeitsbedingte Einwirkung zu werten wäre.
Die Verneinung einer BK der Nr. 1301 im Falle des Klägers durch Prof. Dr. D. und ihm folgend durch die Beklagte beruht letztlich allein oder jedenfalls ausschlaggebend darauf, dass eine kumulative berufliche Gesamtbelastungsdosis von 6 mgBNA, bei der vom Sachverständigen eine Verdopplung des Normalrisikos für Harnblasenkarzinome bei Zigarettenrauchern angenommen und auf Beschäftigte der Kautschukindustrie übertragen wird, beim Kläger nicht festgestellt bzw. geschätzt werden konnte und das relative Erkrankungsrisiko bei der tatsächlich geschätzten beruflichen Belastungsdosis von 1,5 mg nicht 2 (Risikoverdopplung), sondern nur 1,25 betragen hat. Mit dieser Begründung kann aus den schon dargelegten Erwägungen mit Dr. E. jedoch weder die haftungsbegründende Kausalität für die BK-Nr. 1301, die keine Dosisbestimmung enthält, noch die haftungsausfüllende Kausalität verneint werden. Mit der Forderung nach einer "mindestens notwendigen" kumulativen Gesamtbelastungsdosis von 6 mgBNA geht Prof. Dr. D. auch deutlich über "Erfahrungssatz 8" der Konsensusgruppe hinaus, in dem es lediglich heißt: "Die Anerkennung als BK kommt grundsätzlich in Betracht, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung krebserzeugender aromatischer Amine näherungsweise in dem Umfang erfolgte, die bei einem Raucher zu einer Verdopplung des Blasenkrebsrisikos führt". Der Vergleich mit dem Rauchen bei der quantitativen Einordnung der aufgenommenen Menge krebserzeugender aromatischer Amine ist laut "Erfahrungssatz 7" auch keineswegs zwingend, sondern bietet sich danach allenfalls "in Ermangelung besserer Vergleichsmöglichkeiten" an. Soweit es zur Begründung weiterhin heißt, "die in Zigarettenrauch nachweislichen aromatischen Amine sind bekannt, ebenso die Menge an Zigaretten, die bei Rauchern das Blasenkrebsrisiko verdoppeln", entkräftet dies auch nicht die grundsätzlichen Einwände des Dr. E., dass der zum Vergleich herangezogene Zigarettenrauch außer aromatischen Aminen noch eine Vielzahl anderer krebserzeugend wirkender Gefahrstoffe enthalte, die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Entstehung des erhöhten Harnblasenkrebsrisikos von Rauchern beteiligt seien, und bei den Rauchern/Passivrauchern im Übrigen der unmittelbare Hautkontakt mit BNA-kontaminierten Stoffen entfalle, aromatische Amine aber als "hautresorptiv" einzustufen seien. Auch Prof. Dr. C. hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 ausgeführt, dass BNA bei beruflich Beschäftigten vorwiegend durch Hautresorption aufgenommen wird (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt II; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1201). Schließlich wurde die kumulative Belastungsdosis von 6 mg, bei der sich das Blasenkrebsrisiko bei Zigarettenrauchern und entsprechend auch bei Beschäftigten der Gummiindustrie verdoppeln soll, erkennbar auch nicht von der Konsensusgruppe selbst, sondern vom Sachverständigen Prof. Dr. D. und Priv.-Doz. Dr. Y. errechnet und beruht ausweislich des Ergänzungsgutachtens vom 3. März 2004 auf einer Reihe von Unterstellungen und Annahmen, wobei sich die auf dieser Basis errechnete Verdopplungsdosis von 6 mg für Raucher in erster Linie aus der Belastung durch den Nebenstromrauch (= 3,69 mg bei Annahme einer 20 %igen Resorption des Nebenstromrauchs) und nicht aus der Belastung durch den Hauptstromrauch (= 2,39 mg) ergeben soll. Insgesamt ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dem Nachweis bzw. der Abschätzung einer kumulativen Lebensdosis BNA oder anderer aromatischer Amine der Kategorie 1 von "mindestens" oder auch nur "näherungsweise" 6 mg im Rahmen der Nr. 1301 unter welchem rechtlichen Aspekt auch immer eine entscheidungserhebliche Bedeutung im Sinne eines Ausschlußkriteriums beigemessen werden könnte. Vor allem kann keine Rede davon sein, dass mit diesem Dosiswert von 6 mg die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 1301 in Bezug auf Krebserkrankungen der Harnwege zur Gleichbehandlung aller Versicherten oder zumindest der bei der Beklagten Versicherten verbindlich konkretisiert wurden oder dass diesem Dosiswert bei der Anwendung der Nr. 1301 zumindest eine vergleichbare Bedeutung beigemessen werden kann, wie den nach dem MDD ermittelten "Richtwerten" bzw. "Orientierungswerten" im Rahmen der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (s. dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1; SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Dies schon deshalb nicht, weil es bislang an einer entsprechenden breiten Anerkennung eines Dosiswertes von 6 mg als "Grenzwert" oder auch nur als "Richt- oder Orientierungswert" fehlt.
Für das danach nach Überzeugung des Senats als BK nach der Nr. 1301 zu entschädigende Harnblasenkarzinom ist dem Kläger unter Berücksichtigung der Erstdiagnose im Oktober 1990 und der im Februar 1993 und Januar 1994 aufgetretenen Rezidive entsprechend dem Vorschlag des Dr. E. auch von Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Der Ansatz einer MdE von 50 v.H. bis zu zwei Jahren nach dem letzten Rezidiv und von 20 v.H. bis zu fünf Jahren nach dem letzten Rezidiv entspricht unter den gegebenen Umständen (Stadieneinteilung, histopathologisches Grading) allgemeinen Bewertungsrichtlinien (s. Schönberg/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1206) und ist im Übrigen auch unstreitig.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte eine Blasenkrebserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) "Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine" – festzustellen und für die Zeit von Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren hat.
Der 1920 geborene Kläger war von Januar 1954 bis Ende September 1979 insgesamt 26 Jahre lang als angelernter Chemiearbeiter bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH, die ihren Betrieb seit längerem eingestellt hat, beschäftigt. Seit Oktober 1980 bezieht der Kläger Altersrente. Im Oktober 1990 – im Alter von 70 Jahren – wurde bei ihm ein Karzinom des Urothels/Übergangsepithels der Harnblase im Bereich der rechten Seitenwand (Klassifizierung: pTA NX MX G1) diagnostiziert, das in den Städtischen Kliniken F. operiert wurde. Bei der Kontrolle im Februar 1993 ergab sich im Bereich des Blasendachs ein kleines Tumorrezidiv (Klassifizierung: G2 pTA1), das ebenfalls entfernt wurde. Ein weiteres größeres Tumorrezidiv im linken Blasendach wurde im Januar 1994 nachgewiesen, weshalb der Kläger sich von Februar bis Juni 1994 einer lokalen Chemotherapie unterziehen musste. Bei weiteren Nachkontrollen wurde kein Rezidiv mehr festgestellt.
Bereits im Februar 1992 hatte der Dr. E. bei der Beklagten unter Hinweis auf die Übersicht in der IARC-Monografie Nr. 28 aus dem Jahre 1982 Anzeige wegen des Verdachts auf eine BK erstattet, verursacht durch den beruflichen Umgang mit aromatischen Aminen, speziell mit Beta-Naphthylamin (2-NA/BNA) als produktionsbedingte Verunreinigung der gängigsten in der Gummiindustrie verwendeten Alterungsschutzmittel/Antioxidantien wie Phenyl-alpha-Naphthylamin (PAN), Phenyl-beta-Naphthylamin (PBN), Aldol-1-Naphthylamin (AP). Bezüglich konkurrierender außerberuflicher Ursachen für ein Harnblasenkarzinom wurde angemerkt, dass der Kläger lediglich während der Kriegsjahre zwischen 1939 und 1945 Gelegenheitsraucher gewesen sei (sieben Zigaretten pro Woche) und auch phenacetinhaltige Schmerzmittel nicht eingenommen habe.
Zur beruflichen Exposition des Klägers bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH hat sich nach umfangreichen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren u.a. insbesondere durch den Technischen Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten und den Dr. E. mit wiederholten Befragungen des Klägers und des ehemaligen Arbeitgebers sowie Auskunfterteilungen durch ehemalige, zum Teil leitende Betriebsangehörige aus dem Labor und den Arbeitsbereichen des Klägers (Dr. M., H. L., H. Sch., Dr. S., K. B., J. T., K. F., M. W.) insgesamt im Wesentlichen folgendes Bild ergeben: Der Kläger arbeitete bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH zunächst von 1954 bis 1955 (oder bis 1956/1957) in der Schaumgummiabteilung. Von 1956/1957 bis 1968 war er in der Förderbandabteilung tätig, bis 1965 in einer 12-Stunden- und danach in einer 8-Stunden-Schicht. In der Förderbandabteilung wurden in einer Halle von 80 x 40 x 10 m Größe Förderbänder u.a. für die Steinkohlenindustrie und – alle drei bis vier Wochen – weiße Förderbänder für die Lebensmittelindustrie sowie Gummipressplatten von 1 bis 2 m Größe und 3 bis 6 mm Dicke hergestellt. Hier hatte der Kläger insbesondere an in der Mitte der Halle stehenden langen Tischen zu 50 % rohe Förderbänder (Gewebebahnen) und zu 50 % 30 x 1 m große Gummibänder mit einer in einem separaten Mischraum hergestellten Kautschuklösung zu beschichten und in mehreren Schichten aufeinander zu legen/zu kleben (Konfektionierung) sowie nach dem Walzen der Förderbänder in einem Kalander bzw. nach Zuschneiden der Gummiplatten bei der Vulkanisierung für die Dauer von 20 bis 30 Minuten in den an beiden Seiten der Tische stehenden 10 m, 5 m und 2 m langen Vulkanisationspressen und einer Quadratmeterpresse unter Dampfentwicklung zu helfen und die vulkanisierten Teile ggf. zu kontrollieren und zu lagern. Während der Zeit in der Förderbandabteilung musste der Kläger täglich durch die Formartikelabteilung in den Mischraum fahren, um Gummirollen zur Verarbeitung als Pressplatten zu holen. Von 1969 bis 1979 gehörte der Kläger zur Abteilung Reifenrunderneuerung, die in einer Halle mit einer Größe von 80 x 50 x 12 m untergebracht war. Hier hatte er nur vertretungsweise 14 Tage pro Jahr abgeschliffene Reifen mit Kautschuklösung zu bespritzen. Im Übrigen war er zunächst fünf Jahre lang (1969 bis 1974) hauptsächlich mit der Herstellung von Reifenschläuchen befasst. Dabei hatte er die benötigten Rohgummimischungen im separaten Mischraum/Abwiegeraum der Abteilung zu bestellen und abzuholen, wobei er sich pro Schicht ca. eine Stunde lang im Mischraum aufgehalten haben soll. Die Gummimischungen wurden von ihm vom Mischraum auf Paletten mit Hubwagen in die Spritzerei gebracht, um sie zu Rohlingen zu formen. Dazu wurde der Rohgummi vom Kläger von der Palette in die Spritzmaschine/Extruder eingeführt. Anschließend wurden die Schläuche von ihm auf Länge geschnitten und auf einem Gestell gestapelt. Das Ventil wurde eingefügt, die Schlauchenden wurden aufgerauht, mit Kautschuklösung bestrichen, zusammengefügt und die fertigen rohen Schläuche in einer Vulkanisationspresse vulkanisiert. Nach dem Herausnehmen aus der Presse wurden die vulkanisierten Schläuche vom Kläger kontrolliert, ggf. repariert und im Lager gestapelt. Von 1974 bis 1979 war der Kläger in der Abteilung Reifenrunderneuerung in der Endkontrolle der runderneuerten Reifen eingesetzt und hatte – ca. 6 bis 7 m von den Vulkanisationspressen entfernt – die Reifen auf korrektes Profil, schadhafte Stellen, Luftblasen etc. zu kontrollieren und defekte Reifen auszusondern. Während seiner gesamten Tätigkeit bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH trug der Kläger bei unmittelbarem Hautkontakt mit Rohgummi oder vulkanisiertem Gummi keine Schutzhandschuhe und verwendete bei der Arbeit an den Vulkanisationspressen auch keinen Atemschutz. Für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Firma bis September 1979 erfolgte auch weder eine werksärztliche Betreuung noch wurden irgendwelche Messungen durchgeführt.
Nach den inzwischen durchgeführten Ermittlungen wurde bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH zumindest in der Abteilung Reifenrunderneuerung den Gummirezepturen das Alterungsschutzmittel PAN beigemengt, das herstellungsbedingt immer BNA enthält, das ebenso wie 4-Aminodiphenyl (4-ADP), Benzidin und 4-Chlor-o-toluidin (4-COT) zu den aromatischen Aminen gehört, die von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) in der MAK- und BAT-Werte-Liste als sog. K 1-Stoffe anerkannt sind. In der Förderbandabteilung wurden bei der Herstellung insbesondere von weißen Förderbändern demgegenüber offenbar keine verfärbenden Alterungsschutzmittel wie PAN verwendet, die aromatische Amine wie das BNA enthielten, sondern Vulkanox DDA – ein styrolisiertes Diphenylamin (SDPA) - und Flexzone 3 P (N-Isopropyl-N-phenyl-p-phenylendiamin-IPPD). Ob bei der Herstellung von Gummipressplatten in der Förderbandabteilung BNA-haltige Antioxidantien zum Einsatz kamen, konnte definitiv nicht ermittelt werden, ist jedoch auch nach Einschätzung des TAD der Beklagten aufgrund von Erfahrungen in der Gummiindustrie anzunehmen. Für die Zeit der Tätigkeit des Klägers in der Schaumgummiabteilung (1954/1955) wurde die Einwirkung aromatischer Amine sicher ausgeschlossen. Die Verunreinigung des in der Abteilung Reifenrunderneuerung und zum Teil auch in der Förderbandabteilung bei der Herstellung von Gummipressplatten zum Einsatz kommenden PAN mit BNA betrug unter Berücksichtigung von Angaben des ehemaligen Ltd. Werkarztes der B. AG Dr. K. bis 1967 100 bis 200 ppm und nach 1967 3 bis 5 ppm, nach einer Garantieauskunft der Firma B. AG – dem wichtigsten Hersteller von PAN und PBN – im Erkrankungsfall des V. H. hingegen bis 1967 maximal 500 ppm, von 1967 bis 1977 50 ppm, 1977 bis 1979 5 ppm und danach unter 3 ppm sowie nach Angaben des TAD der Beklagten Dr. Z. bis 1960 sogar 1.000 ppm, zwischen 1961 und 1970 500 ppm, 1971 bis 1980 50 ppm und nach 1980 3 ppm. Ausgehend von den zuletzt genannten günstigsten Inhaltsangaben hat der TAD für den Kläger unter Zugrundelegung einer Ausarbeitung von Erhard in der Art eines Dosis-Modells ("Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit der Verursachung von Blasenkrebs durch aromatische Amine in der Gummiindustrie – Fassung 7/99") inzwischen eine berufliche BNA-Gesamtdosis von 1,5 mgBNA durch die Tätigkeit bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH ermittelt (Förderbandabteilung 1956 bis 1969 1,24 mgBNA, Reifenrunderneuerung 1969 bis 1973 0,26 mgBNA, Reifenendkontrolle 1974 bis 1979 0,01 mgBNA = 1,5 mgBNA), während Dr. E. nach diesem Modell eine etwas geringere Gesamt-Dosis von 0,6 mgBNA errechnete.
In einem von der Beklagten auf die BK-Anzeige des Dr. E. seinerzeit eingeholten Gutachten vom 25. Juni 1993 des Dr. K. mit ergänzender Stellungnahme vom 10. März 1994 führte dieser u.a. aus, dass die in den letzten Jahren in der Gummiindustrie evident gewordene Häufung von Blasentumoren in jedem zur Anerkennung kommenden Einzelfall regelmäßig entweder mit der Exposition gegenüber Alterungsschutzmitteln im Mischraum, bei der Einwirkung von Rohgummimischungen oder aber beim Vulkanisieren mit der Entstehung von Dämpfen in Zusammenhang gebracht worden sei. Da eine Verwendung von mit BNA verunreinigtem PAN im Betrieb der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH oder jedenfalls im Arbeitsbereich des Klägers im Verwaltungsverfahren noch ausgeschlossen worden war, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1994 die Feststellung und Entschädigung der Blasenkrebserkrankung des Klägers als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV mit dieser Begründung ab.
Am 25. Juli 1994 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben. Das SG hat u.a. durch Prof. Dr. C., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universitätsklinik C-Stadt, unter dem 17. September 1996 ein Gutachten erstellen lassen. Darin wurde aufgrund des damaligen Ermittlungsergebnisses die Auffassung vertreten, dass die berufliche Einwirkung von BNA beim Kläger nicht hinreichend bewiesen und deshalb die haftungsbegründende Kausalität bezüglich der Einwirkung dieses Stoffes im Sinne der BK-Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV mit einem "non liquet" zu beurteilen sei. Durch Urteil vom 14. Oktober 1997 hat das SG die Klage daraufhin mit der Begründung abgewiesen, dass der Nachweis einer Exposition des Klägers gegenüber Blasenkrebs erzeugenden Substanzen, insbesondere BNA, nicht erbracht worden sei und die Exposition dem Umfang nach jedenfalls nicht ins Gewicht falle, da auch laut Aussage des Dr. E. zumindest ab 1967 die Verunreinigung von in Deutschland hergestelltem PAN mit BNA nur noch 3 bis 5 ppm betragen habe. Dies reiche aber für die Verursachung eines Blasenkrebses nicht aus, wie sich aus den Studien über nach 1950 in der Gummiindustrie Beschäftigte ergebe, die keine signifikante Blasenkrebserhöhung mehr gezeigt hätten.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Dezember 1997 Berufung eingelegt und u.a. geltend gemacht, dass die Beklagte bei dem bei der Firma P. – BTR Gummiwerke GmbH von September 1956 bis Dezember 1972 in der Konfektionierung von Schaumstoffen, Gummiballherstellung, Gummispritzerei und Förderbandabteilung beschäftigtem V. H. eine Blasenkrebserkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV anerkannt habe. Insgesamt sei der für ihn positiven Beurteilung des im Gerichtsverfahren mehrfach gehörten Dr. E. zu folgen, der u.a. zu Recht davon ausgegangen sei, dass das Zigarettenrauchen in seinem Fall als konkurrierende Ursache nicht ins Gewicht falle. Das gelte umso mehr, als er tatsächlich nur ab Frühjahr 1941 bis maximal Mai 1945 zwei bis drei Zigaretten die Woche geraucht habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Feststellung seiner Blasenkrebserkrankung als BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV zu verurteilen, ab Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 einschließlich nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass es auch bei der nach dem Dosis-Modell von Erhard ermittelten beruflichen Gesamt-Dosis von 1,5 mgBNA, die angesichts des von Dr. E. ermittelten geringeren Wertes von 0,6 mgBNA eigentlich unbestritten sein dürfte, nach wie vor letztlich schon an der haftungsbegründenden Kausalität für eine BK nach der Nr. 1301 und jedenfall an der haftungsausfüllenden Kausalität fehle. Sie bezieht sich dazu insbesondere auf die Stellungnahmen ihrer Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) Dr. W. vom 22. Februar 1999 und 7. März 2000 und Dr. Z. vom 26. September 2000, eine gutachtliche Stellungnahme nach Aktenlage vom 8. Juni 2001 des Prof. Dr. X., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsklinik E.-N., und auf das im Berufungsverfahren noch eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. D ... Die gegenteilige Auffassung des Dr. E. werde dadurch widerlegt. Der Umstand, dass die BK-Nr. 1301 im Unterschied zu "neueren" BKen keine Mindestdosis bzw. keinen Grenzwert für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs enthalte, könne nicht bedeuten, dass die Dosis ohne Relevanz sei und bereits das Vorkommen von krebserzeugenden Stoffen in geringsten Spuren ausreiche. Zwar sei es plausibel, dass der Kläger ausgehend von seinen Angaben auch durch sein Rauchen kein signifikant erhöhtes Blasenkrebsrisiko gehabt habe. Daraus sei jedoch nichts für die Beantwortung der Frage abzuleiten, ob die berufliche Einwirkung der Dosis nach zur Herbeiführung einer Blasenkrebserkrankung geeignet gewesen sei, sondern nur, dass es sich beim Kläger überhaupt nicht um eine exogene Erkrankung, sondern um eine schicksalhafte Erkrankung gehandelt habe, zumal die Genese von Harnblasenkarzinomen vielfach unbekannt bleibe, auch Personen ohne berufliche Exposition und Nichtraucher betroffen seien und die Erkrankung beim Kläger in typischem Lebensalter eingetreten sei. Auch das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen habe im Urteil vom 10. Dezember 1996 – L-3/U - 31/92 – bei einem Mechaniker mit Kontakt zu Schmierstoffen und Ölen, in denen aromatische Amine von etwa 0,1 % enthalten gewesen seien, die Anerkennung einer BK nach der Nr. 1301 abgelehnt, weil eine Risikoverdoppelung nicht einmal annähernd erreicht worden sei. Eine Parallele zu der Erkrankungssache des V. H. bestehe nicht.
Im Berufungsverfahren sind zur weiteren Sachaufklärung von Dr. E. die Stellungnahme vom 10. September 1998 und das arbeitsmedizinische Gutachten vom 28. Juli 1999 eingeholt worden, das sich u.a. auf die Akten der Beklagten im Erkrankungsfall V. H. stützt und in Erwiderungen auf Stellungnahmen des TAD der Beklagten unter dem 23. Dezember 1999, 1. August 2000, 12. Dezember 2001 und 24. Oktober 2001 noch weiter ergänzt worden ist. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine BK nach der Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV verursacht durch die berufliche Einwirkung von BNA festzustellen und zu entschädigen sei. Sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität sei gegeben und nicht etwa – wie auch Prof. Dr. X. meine – mit einem "non liquet" zu beurteilen. Durch eine Reihe von Studien, u.a. in der Bundesrepublik durchgeführte epidemiologische Studien – Flach (1967), Kunze et al (1992), Greiser und Molzahn (1997), E. et al (1993), Straif et al (1998) – werde bis in die neueste Zeit ein signifikant (um den Faktor 2,4 bis 2,9) erhöhtes relatives Blasenkrebs-Risiko bei Beschäftigten in der Gummiindustrie belegt. Selbst wenn entsprechend den Angaben von Korallus (1991) zunächst ausgeführt worden sei, dass PAN nach 1967 "nur" noch mit 3 bis 5 ppm BNA verunreinigt gewesen sei, so könne daraus entgegen der Ansicht des SG nicht abgeleitet werden, dass diese Konzentration eines der wichtigsten Kanzerogene im Bereich der menschlichen Harnblase ungefährlich sei. Tatsächlich sei die Konzentration von BNA im PAN bis Ende der 70er Jahre relevant und nach der Garantieauskunft der Firma B. AG in Sachen V. H. auch deutlich höher gewesen als ursprünglich angenommen. Insgesamt sei der Fall des Klägers mit dem Erkrankungsfall des V. H. durchaus vergleichbar, bei dem die Beklagte eine BK nach der Nr. 1301 anerkannt habe, weil eine Exposition gegen staubförmige, mit BNA verunreinigte Alterungsschutzmittel in der früheren Ballproduktion wegen der Nachbarschaft zum Mischraum nicht habe ausgeschlossen werden können und insbesondere ein häufiger Hautkontakt zu unvulkanisiertem Gummi bestanden habe. Eine ausreichend hohe berufliche Einwirkung des Klägers mit BNA könne unter Heranziehung des Dosis-Modells von Erhard (1999) schon deshalb nicht verneint werden, weil dieses – wie auch Prof. Dr. X. angemerkt habe – weitgehend spekulativ und nicht geeignet sei, im BK-Feststellungsverfahren Verwendung zu finden. So seien z.B. die ohne irgendeine Messung zugrunde gelegten Einwirkungen mit einatembaren Stäuben in der Wiegerei und Mischerei zu niedrig bzw. weitgehend spekulativ. Bei der Abschätzung der inhalativen Aufnahme werde zudem davon ausgegangen, dass die Gummimischungen 1 % BNA-kontaminiertes PAN enthalten hätten, obgleich der Anteil an PAN in Gummimischungen bis 5 % betragen haben könne. Auch die Abschätzung der BNA-Einwirkung durch Hautkontakt sei ohne jede Messung, z.B. Biomonitoring, rein spekulativ und wissenschaftlich nicht begründet. Das gelte auch für die Festlegung, dass die Aufnahme nur mit Stäuben und nicht auch durch Hautkontakt mit unvulkanisiertem Rohgummi möglich sei, zumal BNA von der DFG und Korallus (1998) als "hautresorptiv" eingestuft worden sei und dies biologisch auch plausibel sei. Zwar sei insgesamt der Versuch zu begrüßen, die kumulative Einwirkung mit BNA bei Beschäftigten in der deutschen Gummiindustrie abzuschätzen ähnlich z.B. dem Mainz-Dortmunder Dosis-Modell (MDD) und dem Vorschlag von 100 Benzo(a)pyren-BaP-Jahren für die Anerkennung eines Lungenkarzinoms bei der Einwirkung polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe. In beiden Fällen hätten jedoch mehrere epidemiologische Studien vorgelegen, die eine Abschätzung der eingewirkten Dosis sowie des Erkrankungsrisikos zugelassen hätten. Demgegenüber gebe es keinerlei epidemiologische Studien, die die kumulative Dosis von beruflich aufgenommenen aromatischen Aminen in Beziehung zu dem Erkrankungsrisiko für Harnblasenkarzinome dargestellt hätten. Die Auffassung der Beklagten, dass eine geeignete Exposition nur vorliege, wenn das Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung um den Faktor 2 erhöht werde, sei u.a. unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. März 1999 – B 2 U 12/98 R – rechtlich nicht haltbar. Dass es manche BKen mit einem Dosiswert entsprechend dem Verdopplungsrisiko gebe (z.B. BK-Nr. 4104 – 25 Faserjahre, BK-Nr. 4110 – 100 Feinstaubjahre), heiße nicht, dass jede BK nur anerkannt werden könne, wenn der jeweilige Beschäftigte einem individuell verdoppelten Erkrankungsrisiko ausgesetzt gewesen sei. Das gelte insbesondere für BKen, bei denen der Verordnungsgeber wie bei der Nr. 1301 überhaupt keinen Dosiswert genannt habe. Es sei deshalb auch unzulässig, aus den epidemiologischen Studien über den Zusammenhang zwischen der kumulativ gerauchten Zigarettenmenge und dem Harnblasenkrebsrisiko eine BNA-Verdopplungsdosis zu berechnen und diese dann in Bezug zu setzen zu der – nach einem untauglichen Modell ermittelten – individuellen, beruflich aufgenommenen BNA-Dosis des Erkrankten. Das gelte umso mehr, als Zigarettenrauch außer aromatischen Aminen eine Vielzahl von anderen krebserzeugend wirkenden Gefahrstoffen enthalte, die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Entstehung des erhöhten Risikos von Rauchern in Bezug auf Harnblasenkarzinome beteiligt seien. Das zu kritisierende Dosis-Modell von Erhard (1990) sei allenfalls für einen Vergleich mit der Belastung des Klägers durch eigenes Aktivrauchen als dem wichtigsten außerberuflichen konkurrierenden Faktor für die Entstehung eines Harnblasenkarzinoms heranzuziehen und ergebe eine BNA-Dosis durch die berufliche Beschäftigung von 0,6 mg im Vergleich zu einer um ein Vielfaches niedrigeren BNA-Einwirkungen von 0,014 mg durch das Aktivrauchen von ca. sieben Zigaretten pro Woche in der Zeit von 1939 bis 1945, was einer Dosis gerauchter Zigaretten von 0,35 Packungsjahren entspreche. Ein erhöhtes außerberufliches Harnblasenkarzinomrisiko sei daraus nach der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur nicht herzuleiten. Die aus der anzuerkennenden BK resultierende MdE sei in Orientierung an Schönberger/Mehrtens/Valentin zwischen Diagnose des Tumors im Oktober 1990 bis Januar 1996, d.h. zwei Jahre nach dem letzten Rezidiv im Januar 1994, auf 50 v.H. und für die Zeit zwischen Januar 1996 und Januar 1999 auf 20 v.H. zu schätzen. Danach betrage die MdE wegen der zwischenzeitlichen Heilungsbewährung von mehr als fünf Jahren ohne Tumorrezidiv 0 v.H.
Auf Anregung des Dr. E. ist von Amts wegen ferner das Ergänzungsgutachten nach Aktenlage vom 2. Mai 2002 des Prof. Dr. C. eingeholt worden. Dieser hat abweichend von seinem früheren Gutachten vom 17. September 1996 nunmehr die haftungsbegründende Kausalität für die BK-Nr. 1301 bezüglich der Einwirkung von BNA bejaht, weil zwischenzeitlich die langjährige berufliche Einwirkung von BNA am Arbeitsplatz des Klägers vorwiegend durch Hautresorption aber auch in Dampf- oder Staubform über die Atemwege zweifelsfrei gesichert sei und die kumulative Dosis sicherheitstechnisch auf 1,5 mgBNA geschätzt worden sei. Bezüglich der haftungsausfüllenden Kausalität hat Prof. Dr. C. festgestellt, dass die Latenzzeit bis zum Auftreten des Harnblasenkarzinoms in Übereinstimmung mit den arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen stehe, ebenso die Lokalisation der bösartigen Neubildung am Übergangsepithel (Urothel) der Harnblase. Der Sachverständige empfahl noch weitere Ermittlungen durch Einholung eines Zusatzgutachtens zur Höhe der vom Kläger aufgenommenen kanzerogenen BNA-Dosis durch das Rauchen (Aktiv- und Passivrauchen/Haupt- und Nebenstromrauch), die im Einvernehmen mit den Beteiligten nicht durchgeführt worden ist.
Stattdessen ist auf Anregung der Beklagten von Amts wegen noch das arbeitsmedizinische Gutachten vom 19. Dezember 2002 des Prof. Dr. D., Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin der R.-Universität D-Stadt, mit ergänzender Stellungnahme vom 3. März 2004 eingeholt worden. Dieser Sachverständige hat bestätigt, dass es sich bei BNA um ein äußerst potentes tierexperimentelles und humanes Blasenkrebskarzinogen handelt und in mehreren epidemiologischen Studien bei exponierten Arbeitern ein deutliches, mehr als zweifach erhöhtes Blasenkrebsrisiko festgestellt worden ist. Gestützt auf die epidemiologische Datenlage und auch auf Informationen zum Wirkungsmechanismus sei BNA national wie auch international seit langem als gesichertes Humankanzerogen (K 1-Stoff) mit der Harnblase als Zielorgan eingestuft worden (DFG und BMA 1958, IARC 1982 und 1986) und hinter 4-ADP als die wirkungsstärkste Verbindung anzusehen. Jedoch lasse sich entsprechend den Ausführungen des Dr. E. aus keiner der epidemiologischen Studien in der englischen und deutschen Gummiindustrie eine Dosis-Wirkungs-Beziehung ableiten, welche eine direkte Schätzung oder Extrapolation des Blasenkrebsrisikos bei relativ geringer Exposition gegenüber aromatischen Aminen und die Ableitung einer Verdopplungsdosis erlaube. Es lägen lediglich Hinweise auf die Dosisrelevanz der Exposition vor. Im Falle des Klägers könne es bei einer vom TAD auf 1,5 mgBNA geschätzten beruflichen Gesamtbelastungsdosis mit BNA aus inhalativer Aufnahme, geringerer kutaner Resorption und der teilweise erfolgenden endogenen Dephenylierung von PAN zu BNA nur noch um die haftungsausfüllende Kausalität gehen. Diese könne mit Wahrscheinlichkeit aber nicht schon dann bejaht werden, wenn ein prinzipiell zur Herbeiführung eines – in der Mehrzahl exogen bedingten - Harnblasenkarzinoms geeigneter Stoff im Arbeitsbereich vorgekommen sei, sondern nur, wenn dieser Stoff auch in einer Intensität eingewirkt habe, die andere denkbare Krankheitsursachen, u.a. insbesondere das Zigarettenrauchen als wichtigstem nicht berufsbedingten Risikofaktor, in den Hintergrund treten ließen. Dass mit zunehmender beruflicher Einwirkungsdosis in der Regel das Erkrankungsrisiko und im Krankheitsfall die Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs ansteige, gelte in der Regel auch für krebserzeugende Substanzen. Zwar könnten Grenzwerte, bei denen statistisch das Erkrankungsrisiko gegenüber der nicht exponierten Gruppe verdoppelt sei und bei deren Unterschreitung die Kausalität im Einzelfall auszuschließen sei bzw. bei deren Erreichen sie u.U. erleichtert angenommen werden könne, nur im Wege der Rechtssetzung durch den Verordnungsgeber bestimmt werden, der sich dazu z.B. in den BK-Nrn. 4104 und 4111 entschlossen habe. Jedoch habe man sich am 21. März 2003 in H. bei einem Konsensusgespräch zwischen allen in dieser Angelegenheit beteiligten Fachkreisen und Wissenschaftlern auf den Gebieten der Epidemiologie, Arbeitsmedizin, Toxikologie, der Beklagten und der Industrie auf 10 Erfahrungssätze geeinigt, die als Konvention oder – weitergehend wie z.B. das MDD bei BKen der Nr. 2108 - als antizipiertes Sachverständigengutachten mit dem Ziel der Gleichbehandlung der Versicherten zumindest innerhalb des Zuständigkeitsbereichs eines Versicherungsträgers – hier der Beklagten – einzustufen seien. Zu der Vereinbarung gehöre u.a., dass die Überlegungen und Schätzungen von Erhard mangels geeigneterer Methoden zur Quantifizierung der beruflichen BNA-Belastung herangezogen werden könnten, wobei die durch Hautresorption aufgenommene Dosis jedoch noch durch wissenschaftliche Versuche überprüft werden müsse. Übereinstimmung habe auch darin bestanden, dass die Datenlage weder die Angabe einer "sicheren Dosis" noch die Ermittlung einer Dosis erlaube, bei der sich das Normalrisiko durch BNA-Einwirkung verdopple. In Ermangelung besserer Vergleichsmöglichkeiten sei schließlich unter Ziffer 8 der Vereinbarung bestimmt worden, dass die Anerkennung einer BK grundsätzlich in Betracht komme, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung krebserzeugender aromatischer Amine näherungsweise in dem Umfang erfolge, die bei einem Raucher zu einer Verdopplung des Blasenkrebsrisikos führe. Unter der – bisher noch nicht eindeutig geklärten – Annahme, dass die aromatischen Amine BNA und 4-ADP für das Blasenkrebsrisiko des Rauchers wesentlich seien, eine gleich starke kanzerogene Wirkung entfalteten und der Raucher auch noch 20 % des Nebenstromrauchs resorbiere, bestehe für den Raucher nach epidemiologischen Studien ein Verdopplungsrisiko für Harnblasenkarzinome bei 15 Packungsjahren bzw. bei einer kumulativen Gesamtdosis der einwirkenden aromatischen Amine von ca. 6 mg (Hauptstromrauch 2,39 mg/Nebenstromrauch 3,69 mg). Ausgehend davon und einem relativen Risiko von 1 für die unbelastete Normalbevölkerung betrage das relative Erkrankungsrisiko des Klägers bei einer beruflichen BNA-Einwirkung von 1,5 mg damit nur 1,25, so dass seine ehemalige Tätigkeit in der Gummiindustrie nicht als wesentliche Ursache für die Blasenkrebserkrankung angesehen werden könne, die im Übrigen auch im Bereich des Häufigkeitsgipfels der Erkrankung in der Normalbevölkerung aufgetreten sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat entgegen der Ansicht des SG und der Beklagten Anspruch auf Feststellung des im Oktober 1990 diagnostizierten Harnblasenkarzinoms als BK und auf Gewährung von Verletztenrente in dem beantragten Umfang nach den im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung –RVO– (s. § 212 ff. Sozialgesetzbuch –SGB– VII).
Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 548 RVO in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und so lange ein Verletzter infolge des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 gemindert ist. Nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übliche Bevölkerung ausgesetzt sind. Zu den vom Verordnungsgeber in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten BKen gehören nach der Nr. 1301 in der seit der 3. BKV vom 18. Dezember 1936 inhaltsgleichen Fassung "Schleimhautveränderungen, Krebs oder anderen Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine". Für das Vorliegen des Tatbestandes dieser BK u.a. im Falle des Klägers ist zum einen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründenden Kausalität) und zum anderen zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht (u.a. BSG SozR 3 2200 § 551 Nr. 16; Brackmann, Handbuch der Sozialversichersicherung, § 9 SGB VII, Rdnrn. 21 bis 23 a). Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann (u.a. BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96). Sie ist im Falle des Klägers mit dem Sachverständigen Dr. E. aber auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. C. in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 sowie des Prof. Dr. D. im Gutachten vom 19. Dezember 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 3. März 2004 zu bejahen, auch wenn letzterer zu einem für den Kläger negativen Ergebnis gelangt ist. Dieses lässt sich insbesondere nicht mit "10 Erfahrungssätzen" überzeugend begründen, auf die sich laut Mitteilung des Prof. Dr. D. Fachleute und Wissenschaftler aus dem Bereich der Epidemiologie, Arbeitsmedizin und Toxikologie sowie Vertreter der Beklagten und der Industrie am 21. März 2003 in H. bei einem Konsensusgespräch geeinigt haben.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht inzwischen fest und ist unter den Beteiligten auch unstreitig, dass der Kläger entgegen den Annahmen im Verwaltungsverfahren und zur Zeit des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. C. vom 17. September 1996 während seiner Tätigkeit als Chemiearbeiter bei der Firma P. – B. Gummiwerke GmbH von Januar 1954 bis September 1979 zumindest in der Abteilung für Reifenrunderneuerung (1969 bis 1979) aber auch in der Zeit seines Einsatzes in der Förderbandabteilung (1956/1957 bis 1969) bei der Herstellung von Gummipressplatten und damit mehr als 20 Jahre gegenüber dem Alterungsschutzmittel PAN exponiert war, das seinerseits herstellungsbedingt immer mit BNA verunreinigt war. Die innere Belastung mit BNA erfolgte dabei durch die Inhalation von Stäuben insbesondere beim Aufenthalt im Mischraum, von Dämpfen insbesondere bei der Vulkanisation, durch kutane Resorption und durch die Möglichkeit einer endogenen metabolischen Dephenylierung von PAN zu BNA. Das BNA gehört zu den aromatischen Aminen, ist also ein "Listenstoff". Es ist außerdem nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine der wichtigsten chemischen Verbindungen, die insbesondere Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege hervorrufen können (s.a. das vom Bundesminister für Arbeit- und Sozialordnung –BMA- zur Nr. 1301 der Anlage 1 zur BKV herausgegebene "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung", BABl Fachteil Arbeitsschutz 1963, Seite 129, Abschnitt I). Wie auch von den Sachverständigen des vorliegenden Verfahrens, u.a. insbesondere Dr. E. und Prof. Dr. D., im Einzelnen dargelegt worden ist, gehört BNA ebenso wie die weiteren klassischen mehrkernigen aromatischen Amine 4-ADP und Benzidin und das einkernige C 4-COT zu den aromatischen Aminen, die gestützt auf die epidemiologische Datenlage wie auch auf Informationen zum Wirkungsmechanismus national (DFG und BMA) wie auch international (IARC, EU) als gesichertes Humankanzerogen (sog. K 1-Stoff) mit der Harnblase als Zielorgan eingestuft worden sind, wobei 4-ADP und BNA bereits in der ersten MAK-Werte-Liste als Humankanzerogene (K 1-Stoffe) genannte wurden (DFG und BMA 1958) und BNA nach 4-ADP das anerkannt potenteste Humankanzerogen für die Harnblase ist (s. dazu auch Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Auflage, § 9 SGB VII, Anhang IV, 1301, S. 232–2 ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 1200 ff. und S. 1148 ff.). K 1-Stoffe sind Verbindungen, die nach eindeutigen Beweisen aus epidemiologischen Untersuchungen beim Menschen Krebs erzeugen bzw. beim Menschen einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1148). Bei aromatischen Aminen der Kategorie 1 wird die Kausalitätsbeurteilung im Allgemeinen als unproblematisch angesehen (s. Lauterbach a.a.O., § 9 SGB VII, Anhang IV, 1301, S. 232-19-), auch wenn Dosis-Wirkungs-Beziehungen den epidemiologischen Arbeiten zu allen vier humankanzerogenen Arbeitsstoffen im Sinne der Nr. 1301 unstreitig nicht zu entnehmen sind. Grenzwerte (MAK- und BAT-Werte), bei deren Einhaltung Erkrankungen nicht zu befürchten sind, sind insoweit nicht angegeben; das ist nur für krebserzeugende Arbeitsstoffe/aromatische Amine mit geringer Wirkungsstärke der Kategorie 4 und 5 vorgesehen (s. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1154). Auch die in § 35 Abs. 2 der Gef.StoffV (1999) getroffene Definition einer Zubereitung als krebserzeugend ab einer Konzentration von 0,01 % BNA entsprechend 100 mg/kg entsprechend 100 ppm kann nicht als Abschneidekriterium verwendet werden, wie Prof. Dr. D. im Ergänzungsgutachten vom 3. März 2004 unter Bezugnahme auf das Konsensusgespräch in H. vom 21. März 2003 ("Erfahrungssatz 4") in Übereinstimmung mit Dr. E. klargestellt hat, wobei hervorgehoben wurde, dass es auf die kumulative Einwirkung ankomme, bei der auch geringe Beiträge additiv zu berücksichtigen sind. Schon deshalb kann es auch nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob die Verunreinigung von PAN mit BNA nach 1967 unter 100 ppm lag bzw. "nur" noch 3 bis 5 ppm (Korallus) oder bis 1977 "nur" 50 ppm und bis 1979 "nur" 5 ppm (Garantieauskunft Firma B. AG im Erkrankungsfall V. H.) oder jedenfalls von 1971 bis 1980 "nur" noch 50 ppm (Erhard) betrug. Außerdem hat Dr. E. unwidersprochen dargelegt, dass durch eine Reihe von Studien, u.a. fünf in der Bundesrepublik durchgeführte epidemiologische Studien - Flach (1967), Kunze et al (1992), Greiser und Molzahn (1997), E. et al (1993), Straif et al (1998) – bis in die neueste Zeit ein signifikant erhöhtes Blasenkrebsrisiko bei Beschäftigten der Gummiindustrie belegt ist und es bislang keinen epidemiologischen Beleg dafür gibt, dass aufgrund der gesunkenen Kontamination der Alterungsschutzmittel PBN, PAN und AP mit BNA ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko nicht mehr vorliegt. Dem entspricht letztlich auch der von Prof. Dr. D. zitierte "Erfahrungssatz 1" aus dem Konsensusgespräch vom 21. März 2003, wenn dort mitgeteilt wird, dass das Risiko in der Gummiindustrie, eine Erkrankung der ableitenden Harnwege zu erleiden, (nach wie vor) durch den Umgang mit Alterungsschutzmitteln und deren Verunreinigung mit krebserzeugenden Aminen bestimmt ist und entsprechende Erkrankungen unter der Nr. 1301 zu bearbeiten sind, solange für eine andere berufliche Ursache keine hinreichenden Belege vorhanden sind. Dabei besteht unter Berücksichtung von "Erfahrungssatz 5" mit Dr. E. offenkundig auch Einigkeit darüber, dass es bis heute keine epidemiologische Studie gibt, die die kumulative Dosis von beruflich aufgenommenen aromatischen Aminen in Beziehung zu dem Erkrankungsrisiko für Harnblasenkarzinome dargestellt hat. Auch "Erfahrungssatz 5" bestätigt, dass die Datenlage für aromatische Amine weder die Angabe einer "sicheren Dosis" noch die Ermittlung einer Dosis erlaubt, bei der sich das Normalrisiko für Blasenkrebs verdoppelt. Dass sich das Erkrankungsrisiko der exponierten Personengruppe im Vergleich zur nicht belasteten Bevölkerung verdoppelt bzw. um mehr als den Faktor 2 erhöht, wird gemäß § 551 Abs. 1 Satz 3 für eine BK oder für eine Entschädigung wie eine BK nach § 551 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 grundsätzlich auch gar nicht verlangt, sondern nur eine Gefährdung "in erheblich höherem Grade" (s. BSG, Urteil vom 23. März 1999 – B 2 U 12/98 R = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, § 9 SGB VII, Rdnr. 16; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnrn. 161 c bis 162). Ein Verdopplungsrisiko ist insoweit auch weder Voraussetzung, um die generelle Geeignetheit eines Listenstoffs zur Herbeiführung einer bestimmten (Krebs) Erkrankung – die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (s. dazu BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 – B 2 U 29/99 R) und damit auch die haftungsbegründende Kausalität bejahen zu können noch Bedingung für eine positive Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität im Einzelfall. Schon deshalb kann sich die Beklagte auch nicht auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 10. Dezember 1996 – L-3/U - 31/92 - berufen, das im Übrigen einen Kfz-Mechaniker betraf. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verordnungsgeber unter der Nr. 4104 für den asbestbedingten Lungenkrebs mit 25 Asbestfaserjahren und unter der Nr. 4111 für die chronisch obstruktive Bronchitis von Bergleuten mit 100 Feinstaubjahren eine konkrete Dosisbestimmung in Form von Dosisgrenzwerten getroffen hat, dies auch beim Lungenkrebs in Verbindung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit mindestens 100 BaP-Jahren vorgesehen ist (Empfehlung des Ärztlichen Beirats vom 5. Februar 1998 – BArBl 1998, 544) und diesen Dosisbestimmungen jeweils eine statistisch-epidemiologisch ermittelte arbeitsbedingte generelle Risikoverdopplungsdosis zugrunde liegt, die angenommen wird, wenn der zurechenbare arbeitsbedingte Anteil am Gesamtrisiko einer Krankheit größer als 50 % ist (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnrn. 102 a und 161 ff.). Zwar ist auch bei Listen-Nrn. wie der Nr. 1301 der Nachweis der Einwirkung krebserzeugender Gefahrstoffe am Arbeitsplatz nicht nur zeitlich, sondern möglichst auch quantitativ zu führen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1161; Lauterbach, a.a.O., § 9 SGB VII, Rdnr. 141), zumal auch bei krebserzeugenden Substanzen mit zunehmender Einwirkungsdosis in der Regel das Erkrankungsrisiko und im Krankheitsfall die Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Zusammenhangs zunimmt, zumindest aber die Beweisführung eines solchen Zusammenhangs erleichtert wird. Eine solche quantitative Abschätzung ist im vorliegenden Fall durch den TAD der Beklagten auf der Grundlage der von Erhard für verschiedene Arbeitsbereiche vorgenommenen Schätzungen der kumulativen Einwirkung von BNA mit der Feststellung einer Gesamtbelastungsdosis von 1,5 mgBNA (Förderbandabteilung 1956 bis 1969 1,24 mgBNA, Reifenrunderneuerung 1969 bis 1973 0,26 mgBNA, Reifenendkontrolle 1974 bis 1979 0,01 mgBNA = 1,5 mgBNA) auch geschehen, wobei zu Recht nicht die von Korallus oder der Firma B. AG, sondern die von Erhard aufgrund von Lieferantenangaben abgeleiteten Schätzungen der Anteile an BNA in Alterungsschutzmitteln für die verschiedenen Zeiträume zwischen 1956/57 und September 1979 (bis 1960 1000 ppm, bis 1970 500 ppm, bis 1979 50 ppm) zugrunde gelegt wurden, die laut "Erfahrungssatz 2", der Konsensusgruppe "bestmöglich fundiert" sind. Aus "Erfahrungssatz 3" ergibt sich im Übrigen, dass die Bedenken des Dr. E. und des Prof. Dr. X. gegen die Schätzungen der kumulativen Einwirkung von BNA durch Erhard auf der Grundlage der "wenigen verfügbaren Messdaten" grundsätzlich nicht unberechtigt sind, letztlich nur "geeignetere Methoden der Quantifizierung nicht bekannt sind" und jedenfalls die Abschätzung der durch Hautresorption aufgenommenen Dosis, die z.B. eine Aufnahme von BNA durch Hautkontakt mit unvulkanisiertem Rohgummi unberücksichtigt lässt, noch einer "Überprüfung durch wissenschaftliche Versuche" bedarf, die für den Kläger, der entsprechende Hautkontakte in nicht unbeträchtlichem Umfang hatte, allenfalls zu einer noch günstigeren Einschätzung führen könnte. Die vom TAD der Beklagten ermittelte kumulative Belastung des Klägers mit BNA von 1,5 mg kann danach einerseits nur als ungefähre Größe angesehen werden. Andererseits kann insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die für einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren geschätzte kumulative Belastungsdosis von 1,5 mgBNA auf einen der wirkungsstärksten K 1-Stoffe für Harnblasenkarzinome bezieht, keineswegs gesagt werden, dass sie unerheblich bzw. generell als ungeeignet anzusehen ist, diese Krankheit zu verursachen und es deshalb schon an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. Diese Feststellung wäre laut Dr. E. selbst bei der von ihm – unter anderen Prämissen – errechneten geringeren kumulativen Belastungsdosis von 0,6 mg BNA nicht erlaubt. Auch Prof. Dr. C. hatte in seinem ergänzenden Gutachten vom 2. Mai 2002 keinen Zweifel mehr, dass die haftungsbegründende Kausalität für Harnblasenkarzinome im Sinne der Nr. 1301 beim Kläger erfüllt ist. Ebenso ist Prof. Dr. D. davon bei wechselnder Argumentation – zumindest teilweise ausgegangen.
Die danach zur Herbeiführung eines Harnblasenkarzinoms als grundsätzlich geeignet anzusehende berufliche Exposition des Klägers gegenüber BNA hat im konkreten Fall diese Krankheit mit Wahrscheinlichkeit tatsächlich auch zumindest wesentlich mitverursacht (haftungsausfüllende Kausalität). Das beim Kläger im Oktober 1990 festgestellte, sehr oberflächlich sitzende Karzinom des Urothels der Harnblase entspricht nach Lokalisation und Morphologie dem vom Verordnungsgeber in der Nr. 1301 benannten Krankheitsbild bzw. dem vorgestellten Schädigungserfolg (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt II und III; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1171, 1172). Die Expositionszeit von gut 20 Jahren (1956/57 bis 1979), die Latenzzeit (Intervall vom Beginn der erstmaligen Einwirkung bis zum Zeitpunkt der klinischen Diagnose) von ca. 34 Jahren (1956/57 bis Oktober 1990) und die Interimszeit (Zeitspanne zwischen Beendigung der Einwirkung und der Erstdiagnose) von guten 10 Jahren (September 1979 bis Oktober 1990) halten sich im Rahmen der arbeitsmedizinischen Erkenntnisse (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt IV; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1166 f). Zweifel daran sind auch von keinem der gehörten Gutachter und Sachverständigen geäußert worden. Das Auftreten des Blasenkarzinoms beim Kläger im Alter von 70 Jahren liegt bei einem mittleren Erkrankungsalter für Männer in der unbelasteten Normalbevölkerung von 69 Jahren (Frauen 74) zwar im Bereich des Häufigkeitsgipfels dieser Erkrankung in der Normalbevölkerung; eine zeitliche Vorverlegung der Krankheitsmanifestation im Vergleich zum Häufigkeitsbereich in der Allgemeinbevölkerung (sog. Linksverschiebung) als Indiz für eine BK kann insoweit nicht festgestellt werden. Andererseits entspricht bei den häufigsten Berufskrebserkrankungen, u.a. dem Harnblasenkrebs, das Manifestationsalter aber auch den in der Allgemeinbevölkerung vorherrschenden Altersbereichen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1169), so dass das Erkrankungsalter des Klägers auch nicht als wesentliches Indiz gegen das Vorliegen einer BK nach der Nr. 1301 gewertet werden kann. Davon geht auch Prof. Dr. D. in seinem Gutachten vom 3. März 2004 (Seite 38) aus. Wie der Sachverständige unter Bezugnahme auf eine Abhandlung von Preiss et al (2002) des Weiteren ausgeführt hat, ist die Mehrzahl der in der Bundesrepublik Deutschland jährlich auftretenden 16.000 Harnblasenkarzinomerkrankungen, von denen Männer doppelt so häufig wie Frauen betroffen sind, exogen und nicht endogen bedingt, wobei der wichtigste nicht berufsbedingte Risikofaktor das Zigarettenrauchen ist. Weitere gesicherte Risikofaktoren sind ionisierende Strahlen inklusive Radiotherapie, Arsen im Trinkwasser, Behandlung mit Cyclophosphamic und dem Schmerzmittel Phenacetin. Auch Kaffee und chronische Blasenentzündungen werden mit einem erhöhten Risiko für ein Karzinom der ableitenden Harnwege in Verbindung gebracht. Beim Kläger ist insoweit neben der beruflichen BNA-Einwirkung nach einhelliger Auffassung konkret nur die Inhalation von Zigarettenrauch näher zu diskutieren, wobei die Belastung durch eigenes gelegentliches Rauchen vor Jahrzehnten auch in dem vom Kläger gegenüber Dr. E. zunächst angegebenen Umfang (1939 bis 1945 7 Zigaretten pro Woche) im Vergleich zur späteren beruflichen BNA-Belastung von 1956/57 bis 1979 nicht nur nach Einschätzung des Dr. E., sondern auch des Prof. Dr. D. und der Beklagten ohne Relevanz ist (s. dazu auch BSG, Urteil vom 28. Juni 1991 – 2 RU 59/90). Aus "Erfahrungssatz 9" der Konsensusgruppe ergibt sich nichts anderes. Soweit Prof. Dr. C. in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 diesbezüglich noch einen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen hatte, beruhte dies auf der irrtümlichen Annahme, dass beim Kläger anamnestisch möglicherweise eine kumulative Zigarettenrauchinhalationsdosis von 17 Packungsjahren statt 0,35 Packungsjahren zu diskutieren sein könnte. Soweit Prof. Dr. C. außerdem auch das Rauchverhalten von Arbeitskollegen des Klägers am Arbeitsplatz für aufklärungsbedürftig hielt, ist festzustellen, dass ein dadurch bedingtes Passivrauchen des Klägers ebenfalls als arbeitsbedingte Einwirkung zu werten wäre.
Die Verneinung einer BK der Nr. 1301 im Falle des Klägers durch Prof. Dr. D. und ihm folgend durch die Beklagte beruht letztlich allein oder jedenfalls ausschlaggebend darauf, dass eine kumulative berufliche Gesamtbelastungsdosis von 6 mgBNA, bei der vom Sachverständigen eine Verdopplung des Normalrisikos für Harnblasenkarzinome bei Zigarettenrauchern angenommen und auf Beschäftigte der Kautschukindustrie übertragen wird, beim Kläger nicht festgestellt bzw. geschätzt werden konnte und das relative Erkrankungsrisiko bei der tatsächlich geschätzten beruflichen Belastungsdosis von 1,5 mg nicht 2 (Risikoverdopplung), sondern nur 1,25 betragen hat. Mit dieser Begründung kann aus den schon dargelegten Erwägungen mit Dr. E. jedoch weder die haftungsbegründende Kausalität für die BK-Nr. 1301, die keine Dosisbestimmung enthält, noch die haftungsausfüllende Kausalität verneint werden. Mit der Forderung nach einer "mindestens notwendigen" kumulativen Gesamtbelastungsdosis von 6 mgBNA geht Prof. Dr. D. auch deutlich über "Erfahrungssatz 8" der Konsensusgruppe hinaus, in dem es lediglich heißt: "Die Anerkennung als BK kommt grundsätzlich in Betracht, wenn die arbeitsbedingte Einwirkung krebserzeugender aromatischer Amine näherungsweise in dem Umfang erfolgte, die bei einem Raucher zu einer Verdopplung des Blasenkrebsrisikos führt". Der Vergleich mit dem Rauchen bei der quantitativen Einordnung der aufgenommenen Menge krebserzeugender aromatischer Amine ist laut "Erfahrungssatz 7" auch keineswegs zwingend, sondern bietet sich danach allenfalls "in Ermangelung besserer Vergleichsmöglichkeiten" an. Soweit es zur Begründung weiterhin heißt, "die in Zigarettenrauch nachweislichen aromatischen Amine sind bekannt, ebenso die Menge an Zigaretten, die bei Rauchern das Blasenkrebsrisiko verdoppeln", entkräftet dies auch nicht die grundsätzlichen Einwände des Dr. E., dass der zum Vergleich herangezogene Zigarettenrauch außer aromatischen Aminen noch eine Vielzahl anderer krebserzeugend wirkender Gefahrstoffe enthalte, die mit großer Wahrscheinlichkeit an der Entstehung des erhöhten Harnblasenkrebsrisikos von Rauchern beteiligt seien, und bei den Rauchern/Passivrauchern im Übrigen der unmittelbare Hautkontakt mit BNA-kontaminierten Stoffen entfalle, aromatische Amine aber als "hautresorptiv" einzustufen seien. Auch Prof. Dr. C. hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 2. Mai 2002 ausgeführt, dass BNA bei beruflich Beschäftigten vorwiegend durch Hautresorption aufgenommen wird (s. auch Merkblatt zur Nr. 1301, a.a.O., Abschnitt II; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1201). Schließlich wurde die kumulative Belastungsdosis von 6 mg, bei der sich das Blasenkrebsrisiko bei Zigarettenrauchern und entsprechend auch bei Beschäftigten der Gummiindustrie verdoppeln soll, erkennbar auch nicht von der Konsensusgruppe selbst, sondern vom Sachverständigen Prof. Dr. D. und Priv.-Doz. Dr. Y. errechnet und beruht ausweislich des Ergänzungsgutachtens vom 3. März 2004 auf einer Reihe von Unterstellungen und Annahmen, wobei sich die auf dieser Basis errechnete Verdopplungsdosis von 6 mg für Raucher in erster Linie aus der Belastung durch den Nebenstromrauch (= 3,69 mg bei Annahme einer 20 %igen Resorption des Nebenstromrauchs) und nicht aus der Belastung durch den Hauptstromrauch (= 2,39 mg) ergeben soll. Insgesamt ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dem Nachweis bzw. der Abschätzung einer kumulativen Lebensdosis BNA oder anderer aromatischer Amine der Kategorie 1 von "mindestens" oder auch nur "näherungsweise" 6 mg im Rahmen der Nr. 1301 unter welchem rechtlichen Aspekt auch immer eine entscheidungserhebliche Bedeutung im Sinne eines Ausschlußkriteriums beigemessen werden könnte. Vor allem kann keine Rede davon sein, dass mit diesem Dosiswert von 6 mg die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 1301 in Bezug auf Krebserkrankungen der Harnwege zur Gleichbehandlung aller Versicherten oder zumindest der bei der Beklagten Versicherten verbindlich konkretisiert wurden oder dass diesem Dosiswert bei der Anwendung der Nr. 1301 zumindest eine vergleichbare Bedeutung beigemessen werden kann, wie den nach dem MDD ermittelten "Richtwerten" bzw. "Orientierungswerten" im Rahmen der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV (s. dazu im Einzelnen BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R = SozR 4-2700 § 9 Nr. 1; SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Dies schon deshalb nicht, weil es bislang an einer entsprechenden breiten Anerkennung eines Dosiswertes von 6 mg als "Grenzwert" oder auch nur als "Richt- oder Orientierungswert" fehlt.
Für das danach nach Überzeugung des Senats als BK nach der Nr. 1301 zu entschädigende Harnblasenkarzinom ist dem Kläger unter Berücksichtigung der Erstdiagnose im Oktober 1990 und der im Februar 1993 und Januar 1994 aufgetretenen Rezidive entsprechend dem Vorschlag des Dr. E. auch von Oktober 1990 bis Januar 1996 Verletztenrente nach einer MdE von 50 v.H. und ab Februar 1996 bis Januar 1999 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Der Ansatz einer MdE von 50 v.H. bis zu zwei Jahren nach dem letzten Rezidiv und von 20 v.H. bis zu fünf Jahren nach dem letzten Rezidiv entspricht unter den gegebenen Umständen (Stadieneinteilung, histopathologisches Grading) allgemeinen Bewertungsrichtlinien (s. Schönberg/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 1206) und ist im Übrigen auch unstreitig.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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