L 19 (9) AL 116/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AL 215/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 (9) AL 116/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.05.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Insolvenzgeld für die Monate Juli und August 2002. Der Kläger war bei der Firma Q GmbH & Co KG in L als Druckerhilfskraft tätig. Am 20.08.2002 stellte die Gemeinschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenz-verfahrens. Am 28.01.2003 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld (Az.: 91 IN 101/02) über das Vermögen der Arbeitgeberin des Klägers des Insolvenzverfahren er-öffnet.

Am 02.09.2002 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld, den die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2003 mit der Begründung ablehnte, dass nach den ihr vorliegenden Unterlagen des Insolvenzverwalters für den Insolvenzgeldzeitraum keine offenen Arbeitsentgeltansprüche mehr bestünden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, dass zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht Krefeld ein Rechtsstreit (Az.: 11 SA 826/03) an-hängig sei, in dem Lohn für die Zeit vom 01.08.2002 bis 23.08.2002 in Höhe von 1.581,68 Euro brutto geltend gemacht werde. Diese Forderung beziehe sich auf den Zeitraum, in dem der Kläger für die Gemeinschuldnerin noch Arbeitsleistungen erbracht habe. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2003 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass maßgeblicher Insolvenzgeldzeitraum die Zeit vom 01.09.2002 bis 30.11.2002 sei. Innerhalb dieses Zeitraums habe der Kläger keine offenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt gehabt.

Mit der am 25.07.2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe für die Monate Juli und August 2002 noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen seine frühere Arbeitgeberin. Am 20.08.2002 habe die Gemeinschuldnerin beim Amtsgericht Krefeld einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Amtsgericht habe am selben Tage Rechtsanwalt L zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraumes müsse richtlinienkonform erfolgen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in seiner Entscheidung vom 15.05.2003 (C-160/01) festgestellt, dass die Regelung des § 183 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung (SGB III) der Richtlinie 80/987 EWG des Rates vom 20.10.1980 widerspreche. Gemäß Art. 2 Abs. 1 a der Richtlinie gelte ein Arbeitnehmer als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden sei. Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne trete folglich mit der Einreichung des Insolvenzantrages ein. Für die Monate Juli und August 2002 müsse Insolvenzgeld gezahlt werden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2003 zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Monate Juli und August 2002 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an der angefochtenen Entscheidung festgehalten.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 04.05.2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Weder nationales noch supranationales Recht könne den Anspruch des Klägers stützen. In § 183 Abs. 1 SGB III biete keine Grundlage für den Anspruch des Klägers. Ob § 183 Abs. 1 SGB III mit Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.10.1980 in Einklang stehe, könne dahingestellt bleiben. Aus der Richtlinie könne der Kläger jedenfalls keine unmittelbaren Ansprüche ableiten.

Gegen das ihm am 10.05.2004 zugestellte Urteil hatte der Kläger am 07.06.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Kläger geltend, das Urteil des Sozialgerichts sei fehlerhaft, weil es sich ausschließlich am Wortlaut der Vorschrift des § 183 SGB III orientiere. Der Sachverhalt weise die Besonderheit auf, dass die Ansprüche auf Arbeitsentgelt für Juli und August 2002 innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten bezogen auf den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren lägen. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der insolvenzrechtliche Schutz von Vergütungsansprüchen europarechtskonform umgesetzt werden, wenn innerstaatliches Recht gegen höherrangiges Europarecht verstoße.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.05.2004 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass sie durch die Vorschrift des § 183 SGB III gebunden sei, auch wenn die Vorschrift der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zuwiderlaufe. Dem Kläger stehe nur der Weg über eine Amtshaftungsklage offen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten sowie auf der Prozessakte und die Akten des Arbeitsgerichts Krefeld (11 Sa 826/03) verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat für die Monate Juli und August 2002 keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.

Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei

1) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2) Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3) vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Als Insolvenzereignis kommt hier nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 28.01.2003 in Betracht. War, wie hier, das Arbeitsverhältnis vor dem Insolvenzereignis (28.01.2003) bereits beendet, endet die 3-Monats-Frist mit dem letzten Tage des Arbeitsverhältnisses. Folglich hätte der Kläger gegenüber der Beklagten nur für die Zeit vom 28.10.2002 bis zum 27.01.2002 Ansprüche geltend machen müssen. Dem Kläger geht es jedoch um Arbeitsentgeltansprüche für die Monate Juli und August 2002, so dass die Voraussetzungen für den Insolvenzgeldanspruch nicht erfüllt sind.

Der Insolvenzgeldzeitraum kann auch nicht dadurch vorverlegt werden, dass auf den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 20.08.2002 abgestellt wird. Eine derartige Auffassung findet im eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III keine Stütze.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte lässt sich auch nicht auf die Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vom 20.10.1980 (Richtlinie 80/987(EWG, Abl. EG Nr. L 382 v. 28.10.1980) stützen. Der Senat schließt sich der einschlägigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an, wonach für die Bestimmung des Insolvenzgeldzeitraumes ausschließlich die im Gesetz genannten Insolvenzereignisse bestimmend sind. Das BSG hat in seinen Urteilen vom 18.12.2003 (Az.: B 11 AL 27/03 R, SozR 4-4100 § 141b Nr. 1) und vom 20.06.2001 (Az.: B 11 AL 3/01 R SozR 3-4001 § 141 b Nr. 23) zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 141 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeführt, die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens sei das den Anspruch auf Konkursausfallgeld (jetzt Insolvenzgeld) bestimmende Insolvenzereignis. Zwar habe der EuGH am 15.05.2003 (C - 160/01, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 2371) entschieden, Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Rates vom 20.10.1980 seien dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung nationalen Rechtes entgegenständen, in der der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers als der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht der Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrages definiert werde. Das hier anzuwendende deutsche Recht - § 141 b AFG (jetzt § 181 SGB III -), das nicht auf den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung abstelle, sei eindeutig und könne nicht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH ausgelegt werden. Der 3-Monats-Zeitraum sei nach deutschem Recht ausgehend vom Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens (jetzt Insolvenzverfahrens) zu bestimmen.

Unmittelbar kann der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte aus der Richtlinie 80/987 EWG ableiten (BSG, Urteil vom 18.12.2003, a. a. O.). Es bleibt ihm nur ein etwaiger Anspruch auf Schadenersatz wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinie, der sich nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland richten müsste.

Unabhängig davon überlässt Art. 3 Satz 2 der Richtlinie 2002/74/EG vom 23.09.2002 (Amtsblatt Nr. L 270 v. 08.10.2002, S. 10) nunmehr den Mitgliedsstaaten die Festlegung des für den Insolvenzgeldzeitraum maßgeblichen Zeitpunkts. Bei Erlass des Ablehnungsbescheides vom 10.03.2003 entsprach die Vorschrift des § 183 SGB III europäischem Recht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Anhaltspunkte für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) haben sich nicht ergeben.
Rechtskraft
Aus
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