L 10 AL 271/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 377/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 271/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.05.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Aufforderungen der Beklagten an den Kläger, sich persönlich beim Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) zu melden.

Die Beklagte forderte den am 1948 geborenen Kläger am 02.04.2003 auf, beim Arbeitsamt W. am 08.04.2003 vorzusprechen. Der Kläger, der der Meldeaufforderung nachkam, erhob Widerspruch gegen diese Meldeaufforderung. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2003 zurück. Der gesetzliche Grund für die Meldeaufforderung ergebe sich aus § 309 Abs 2 Nrn 4, 5 Drittes buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Anlässlich des Ablaufs des Bewilligungsabschnitts am 30.04.2003 seien die Anspruchsvoraussetzungen für den weiteren Bezug von Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu prüfen gewesen. Hiergegen erhob der Kläger die unter dem Az. S 13 AL 377/03 geführte Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG).

Einer weiteren Aufforderung der Beklagten vom 14.07.2003, beim Arbeitsamt W. am 21.07.2003 vorzusprechen, kam der Kläger ebenfalls nach. Den Widerspruch des Klägers gegen diese Meldeaufforderung wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2003 zurück. Die Aufforderung sei zur Prüfung der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs, insbesondere der Eigenbemühungen des Klägers hinsichtlich der Beschäftigungssuche, ergangen (§ 309 Abs 2 Nr 5 SGB III). Der Kläger erhob dagegen Klage zum SG (S 13 AL 627/03).

Unter dem 09.10.2003 erging abermals eine Meldeaufforderung an den Kläger und zwar zur Vorsprache beim Arbeitsamt W. am 21.10.2003. Der Kläger kam dieser Meldeaufforderung nach. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch gegen diese Meldeaufforderung zurück. Die Aufforderung sei zwecks Prüfung der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch erfolgt. Hiergegen richtete sich die beim SG unter dem Az. S 13 AL 943/03 geführte Klage.

Einer erneuten Meldeaufforderung vom 14.01.2004, beim Arbeitsamt W. am 23.01.2004 vorzusprechen, kam der Kläger wiederum nach. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004). Dagegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 13 AL 187/04).

Zur Begründung seiner Klagen führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass ein zwingender Grund für sein persönliches Erscheinen nicht bestanden habe. Sein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderungen ergebe sich aus den Folgen etwaiger Säumnis. Selbst bei berechtigter Nichtbeachtung einer zukünftigen Aufforderung wäre er gezwungen, seinen Rechten und Leistungen hinterher zu laufen. Im Termin der mündlichen Verhandlung am 26.05.2004 gab der Kläger weiter an, dass es sein Staatsbürgerrecht sei, eine gerichtliche Feststellung zu erlangen.

Nach Verbindung der Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung wies das SG die Klagen mit Urteil vom 26.05.2004 ab. Nach Erledigung der Meldeaufforderungen sei das besondere Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderungen zu bejahen. Aus Sicht des Klägers bestehe eine Wiederholungsgefahr, da er mit weiteren Meldeaufforderungen zu rechnen habe. In der Sache selbst seien die Meldeaufforderungen rechtlich nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an seinem bisherigen Vorbringen fest.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 26.05.2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 02.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2003, der Bescheid vom 14.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2003, der Bescheid vom 09.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2003 sowie der Bescheid vom 14.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2004 rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und frisgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), jedoch nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klagen abgewiesen.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass es sich bei einer Meldeaufforderung um einen Verwaltungsakt handelt, dessen Aufhebung mit der Anfechtungsklage erreicht werden kann (§ 54 Abs 1 SGG). Die Meldeaufforderung nach § 309 SGB III bzw. nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Vorschrift des § 132 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.03.1980 als Verwaltungsakt qualifiziert worden, weil sie die allgemeine Mitwirkungspflicht für den Einzelfall mit Verpflichtungswirkung gegenüber dem Adressaten konkretisiere (SozR 4100 § 132 Nr 1 S 7). Im Übrigen spricht die mit Wirkung ab 02.01.2002 eingeführte Vorschrift des § 336a Satz 1 Nr 5 SGB III (seit 01.01.2003 § 336a Satz 1 Nr 4 SGB III) dafür, dass der Gesetzgeber selbst in der Meldeaufforderung nach § 309 SGB III einen Verwaltungsakt sieht.

Da sich die streitigen Meldeaufforderungen durch Zeitablauf erledigt haben und weitere Rechtsfolgen von ihnen nicht ausgehen (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-), kann eine Aufhebung der Meldeaufforderungen im Wege der Anfechtungsklage nicht mehr erreicht werden. Der Kläger kann jedoch entsprechend § 131 Abs 1 Satz 3 SGG die Feststellung beantragen, dass die Meldeaufforderungen rechtswidrig waren. Unmittelbar gilt § 131 Abs 1 Satz 3 SGG zwar nur für einen nach Klageerhebung erledigten Anfechtungsanspruch, allerdings ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch bei Erledigung vor Klageerhebung zulässig.

Indes geht das SG unzutreffend davon aus, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers bestand. Nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn dieser sich durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Das nach dieser Vorschrift erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nur dann vor, wenn dem angestrebten gerichtlichen Ausspruch über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungshandelns rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Bedeutung zwischen den Beteiligten zukommt (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5 S 13). Eine - hier allein in Betracht kommende - rechtliche Bedeutung kann der Kläger nicht mit einer bestehenden Wiederholungsgefahr begründen. Hierfür ist nicht der Umstand ausreichend, dass der Kläger der Meldepflicht nach § 309 SGB III unterliegt und befürchtet, zukünftig erneut einer Meldeaufforderung der Beklagten Folge leisten zu müssen. Vielmehr muss die konkrete Gefahr bestehen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 12 S 16, Bundesverwaltungsgericht -BVerwG- Buchholz 310 § 113 Nr 284). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen, denn es ist ungewiss, aufgrund welcher Sach- und Rechtsgrundlage eine zukünftige Meldeaufforderung ergehen wird. Insofern kann die Beklagte das persönliche Erscheinen des Klägers zum einen zur Berufsberatung, Vermittlung oder zur Vorbereitung aktiver Förderleistungen veranlassen (§ 309 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGB III), zum anderen dient die Meldeaufforderung der Amtsermittlung durch die Beklagte, soweit leistungsrechtliche Sachverhalte zu klären sind (§ 309 Abs 2 Nrn 4, 5 SGB III).

Es mag sein, dass der Kläger im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Meldeaufforderungen die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung gerichtlich bestätigt haben möchte. Dies begründet jedoch nicht ein schutzwürdiges Interesse, der Wiederholung des erledigten Verwaltungsaktes vorzubeugen (BVerwGE 61, 164, 166), denn eine gerichtliche Sachentscheidung kann nur erfolgen, wenn noch nachteilige Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes bestehen. Insofern ist der Kläger zumutbar auf die Möglichkeiten des nachträglichen Rechtsschutzes zu verweisen, zumal bei Eilbedürftigkeit im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Entscheidung der Beklagten oder des SG erreicht werden kann (vgl § 86a Abs 3 Satz 1 SGG iVm § 86a Abs 2 Nr 4 SGG, § 336a Satz 1 Nr 4 SGB III; § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG).

Dies zugrunde gelegt, ist die Klage unzulässig und daher die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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