L 6 R 270/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 482/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 270/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Leistung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der am 1947 geborene Kläger hat in seinem Arbeitsleben zunächst eine Lehre als Appreteur (ohne Prüfungsabschluss) durchlaufen und war dann nach verschiedenen ungelernten Tätigkeiten ab dem Jahre 1975 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bei der Firma H. als Gerüstbauer tätig. Einen ersten am 20.07.1997 bei der Beklagten gestellten Antrag auf Leistung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit hat diese mit Bescheid vom 07.02.1998 und Widerspruchsbescheid vom 24.07.1998 abgelehnt. Auf Anfrage der Beklagten hatte die Firma F. H. mitgeteilt, der Kläger sei mit dem Auf- und Abbau von Gerüsten, als LKW-Fahrer (Führerschein Klasse 3) und als Ersatzfahrer für Lifter-Fahrzeuge (Führerschein Klasse 2) tätig gewesen. Hierfür benötige ein Arbeitnehmer ohne einschlägige Vorkenntnisse eine Ausbildung von einem Jahr. Es habe sich um eine angelernte Tätigkeit gehandelt.

Am 04.01.2001 beantragte der Kläger erneut die Zahlung einer Rente bei der Beklagten. Diese holte das von dem Orthopäden Dr.G. am 07.03.2001 erstattete Gutachten ein, der den Kläger noch für fähig erachtete, vollschichtig mittelschwere bis schwere Arbeiten im Wechsel zwischen Stehen und Gehen zu verrichten, und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.03.2001 und Widerspruchsbescheid vom 18.06.2001 ab, weil weder teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch nicht Berufsunfähigkeit gegeben seien. Zur Begründung hat die Beklagte weiter ausgeführt, der Kläger sei gesundheitlich noch in der Lage, unter Berücksichtigung der festgestellten Leistungseinschränkungen Tätigkeiten eines Pförtners, Magaziners, Kontrolleurs von Drehteilen, Warenkontrolleurs, Büroboten und sonstige leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben und vorgebracht, sein vom Versorgungsamt festgestellter Grad der Behinderung betrage 30. Seit 05.09.2000 beziehe er Arbeitslosenhilfe.

Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte des Orthopäden Dr.R., des Internisten Dr.R1. und des Allgemeinmediziners Dr.B. eingeholt. Die Firma H. hat in ihrer Auskunft vom 20.02.2002 mitgeteilt, der Kläger sei dort vom 01.07.1973 bis 08.07.1998 als Gerüstbauer beschäftigt gewesen; es habe sich um eine Facharbeit gehandelt. Seit dem Jahre 1991 sei der Beruf des Gerüstbauers ein Lehrberuf.

Der zum gerichtlich Sachverständigen bestellte Orthopäde Dr.P. kam im Gutachten vom 02.04.2002 zu der Auffassung, der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes täglich acht Stunden zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Einzel- und Gruppenakkord, Fließband- und taktgebundene Arbeiten, Arbeiten mit überwiegendem Stehen und in Zwangshaltung, mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel und mit häufigem Bücken sowie unter ständiger Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe. Der Kläger legte sodann die "Ehrenurkunde" der Handwerkskammer für Schwaben vom 22.11.1985 für "Treue und Fleiß während 10-jähriger handwerklicher Tätigkeit" vor und erklärte, hieraus ergebe sich, dass er Facharbeiter gewesen sei. Er verfüge sowohl über die theoretischen als auch die praktischen Fähigkeiten dieses Berufs. Nach Auskunft der Firma H. (Schreiben vom 21.08.2002 und 29.08.2002) hat die Anlernzeit ein Jahr betragen, der Kläger habe praktisch eine 10-jährige Ausbildung als Gerüstbauer gehabt, bis er seine "Facharbeiterurkunde" durch die Handwerkskammer Augsburg erhalten habe. Er sei immer über dem Tarif des gelernten Gerüstbauers bezahlt worden. Nunmehr betrage die Ausbildungszeit für den Beruf des Gerüstbauers drei Jahre.

Nach Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 09.09.2002) hat es sich bei der vom Kläger ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit um einen in 2-jähriger Ausbildung erlernbaren Beruf gehandelt, woraus sich kein Berufsschutz im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben könne.

Mit Urteil vom 09.04.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Selbst wenn dem Kläger Berufsschutz als Gerüstbauer zugebilligt werden müsse, sei er zumutbar auf Anlerntätigkeiten verweisbar, wie etwa die eines gehobenen Pförtners.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und an seiner Auffassung festgehalten, bei ihm sei von dem in 3-jähriger Ausbildungszeit erlernbaren Beruf eines Gerüstbauers auszugehen.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum gerichtlichen Sachverständigen bestellte Orthopäde Dr.N. kam im Gutachten vom 05.02.2004 zu der Auffassung, der Kläger könne täglich nurmehr drei bis vier Stunden arbeiten; es müsse ein ständiger Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen gewährleistet sein, es seien nur leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen möglich. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, Bücken oder Überstrecken sowie Akkord- oder Taktarbeit und Nässe oder Zugluft.

Der Senat holte sodann auf Anregung der Beklagten das von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.B1. am 27.08.2004 erstattete Gutachten ein, nach dessen Auffassung der Kläger noch leichte Tätigkeiten vollschichtig und kurzzeitig auch mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten in der Lage sei. Die Arbeit sollte möglichst wechselweise im Stehen, Gehen und Sitzen, überwiegend in sitzender Position, in geschlossenen Räumen ausgeübt werden, bei Ausschluss von Kälte und Nässe sei die Arbeit auch im Freien möglich. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen seien nicht mehr zumutbar. Überfordernd seien auch Tätigkeiten mit von außen gegebenem Zeittakt. Der Kläger könne mehr als 500 m zu einem öffentlichen Verkehrsmittel und von diesem mehr als 500 m zum Arbeitsplatz in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zurücklegen.

Der sodann zum gerichtlichen Sachverständigen bestellte Internist Dr.E. vertrat im Gutachten vom 12.01.2005 gleichfalls die Auffassung, dass der Kläger leichte Arbeiten noch acht Stunden täglich und kurzzeitig auch mittelschwere Tätigkeiten verrichten könne. Nicht mehr möglich seien schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten; zu vermeiden seien Tätigkeiten mit häufigem Bücken und häufigen Zwangshaltungen sowie solche mit vermehrtem Staubanfall und unter Einfluss von reizenden Gasen und Dämpfen.

Nachdem der Senat eine weitere Auskunft der Firma H. vom 29.03.2005 eingeholt hatte - es habe sich beim Kläger um eine Facharbeitertätigkeit mit einer Anlernzeit von einem Jahr gehandelt - haben die Beteiligten weiterhin an ihrer jeweiligen Auffassung festgehalten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 09.04.2003 sowie des Bescheides vom 20.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2001 zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrags vom 04.01.2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klageakten des Sozialgerichts Augsburg, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Augsburg hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 gültigen und gemäß § 300 Abs.2 SGB VI noch anwendbaren Vorschrift, soweit der Kläger geltend macht, Berufsunfähigkeit habe bereits vor dem 01.01.2001 vorgelegen, verneint. Ebenso liegt Berufsunfähigkeit nicht nach der ab 01.01.2001 gültigen Vorschrift des § 240 SGB VI vor. Nach §§ 43 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. nunmehr 240 Abs.2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als die Hälfte (§ 43 SGB VI a.F.) bzw. weniger als sechs Stunden (§ 240 Abs.2 SGB VI) gesunken ist. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.

Das zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist zweifellos bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls noch körperlich leichte Tätigkeiten möglichst wechselweise im Stehen, Gehen und sitzen, überwiegend aber in sitzender Position ganztägig (also etwa acht Stunden täglich) ausüben. Vermeiden sollte er Tätigkeiten mit häufigem Bücken und häufigen Zwangshaltungen, Tätigkeiten am Fließband sowie unter dem Einfluss von reizenden Gasen und Dämpfen. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da er die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr.10). Auch ist seine Umstellungsfähigkeit auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten nicht eingeschränkt.

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich aus dem Gutachten des Orthopäden Dr.P. für das Sozialgericht Augsburg sowie aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr.B1. sowie des Internisten Dr.E., wogegen die von dem Orthopäden Dr.N. vertretene Auffassung eines bereits zeitlich eingeschränkten Arbeitsleistungsvermögens nicht nachvollzogen werden kann.

Bei der Untersuchung durch Dr.B1. gab der Kläger an, er habe kaum noch Kraft und müsse nach einer Wegstrecke von bereits 300 Metern stehen bleiben wegen seiner Herzschmerzen. Weitergehen könne er erst nach 10 bis 15 Minuten. Schmerzen träten auch im Bereich der Nacken- und Schulterregion mit Ausstrahlung in die Arme auf.

Der Sachverständige weist zunächst auf das deutlich ausgeprägte Übergewicht des Klägers (168 cm/85 kg) hin. Abgesehen von einer diffusen Drucküberempfindlichkeit im Bereich der Schulter- und Nackenregion und der Lumbalregion war bei der Untersuchung des Bewegungsapparates kein eindeutig pathologischer Befund zu erheben. Hinweise auf eine radikuläre Irritation oder Schädigung waren nicht zu erheben. Die elektromyographische und elektroneurographische Untersuchung ergab ein leicht ausgeprägtes Karpaltunnel-Syndrom beidseits sowie ein leicht- bis mittelgradig ausgeprägtes Sulcus-Ulnaris-Syndrom am linken Arm.

Bei den vom Kläger angegebenen Schulter- und Nackenbeschwerden handelt es sich diagnostisch um ein myogenes Kraniozervikalsyndrom, dem nach den Feststellungen des Sachverständigen zum Teil die röntgenologisch festgstellten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule zugrunde liegen. Hinweise auf das Vorliegen einer aktuellen Irritation oder Schädigung einer dem Plexus zervicobrachialis zugehörigen Nervenwurzel ergaben sich nicht.

Dr.B1. bezeichnet das festgestellte Lumbalsyndrom als Ausdruck erheblicher degenerativer Wirbelsäulenveränderungen. So hat eine am 11.02.2004 durchgeführte lumbale MRT Hinweise auf eine langstreckige multisegmentale lumbale Spinalstenose ergeben sowie eine intraspinale Recessusstenose in Höhe L5/S1 und in geringerer Ausprägung auch in der darüber liegenden Etage. Eine dadurch hervorgerufene Kompression der Nervenwurzeln L4 links sowie L5 und S1 beidseits konnte der Sachverständige aber nicht bestätigen. Die Abschwächung des Patellarsehnenreflexes links kann als Hinweis auf eine leichtgradige Schädigung der Nervenwurzel L4 rechts gewertet werden, woraus derzeit keine typische radikuläre Reizerscheinung resultiert. Weder an den Armen noch an den Beinen konnte Dr.B1. ein sensibles oder motorisches Defizit feststellen. Der Sachverständige betont, dass trotz der knöchernen Einengung des lumbalen Spinalkanals zur Zeit nicht die typische Beschwerdesymptomatik einer Claudicatio spinalis besteht. Bei diesem Krankheitsbild entwickelt sich eine gehstreckenabhängige radikuläre Beschwerdesymptomatik, die sich typischerweise durch Hinhocken oder Hinsetzen, also durch eine Beugung der Wirbelsäule innerhalb von ein oder zwei Minuten lindern oder beheben lässt. Eine derartige Beschwerdesymptomatik liegt beim Kläger insbesondere hinsichtlich seiner Angaben über die ihm mögliche Gehstrecke und die Dauer von 10 bis 15 Minuten bis eine Linderung eintritt, nicht vor. Dr.B1. betont, dass die vom Kläger angegebene Indikation (täglich sechs Tabletten Voltaren) durch die vom Sachverständigen durchgeführte Serumspiegeluntersuchung nicht nachgewiesen werden konnte. Daraus ergibt sich, dass der Kläger entgegen seiner beim Sachverständigen gemachten Angaben das Schmerzmittel nicht oder nur unregelmäßig einnimmt, woraus sich auch Hinweise auf die Intensität der angegebenen Schmerzsymptomatik ergeben.

Die Taubheitsgefühle an den Händen sind beim Kläger Ausdruck eines beidseitigen Karpaltunnel-Syndroms, das bereits im Jahre 1997 beschrieben wurde. Dass sich der Kläger noch nicht zu einem kleinen und relativ komplikationsarmen operativen Eingriff entschließen konnte, spricht dafür, dass er hierdurch nicht sonderlich beeinträchtigt wird. Insgesamt kann aus neurologischer Sicht nicht von einem bereits zeitlich reduzierten Arbeitsleistungsvermögen ausgegangen werden. Der Auffassung von Dr.N., der Kläger sei nurmehr drei bis vier Stunden täglich arbeitsleistungsfähig, kann hingegen nicht gefolgt werden, da dieser insbesondere die von Seiten des neurologischen Fachgebiets feststellbaren Gesundheitsstörungen beurteilt und sich somit fachfremd äußert. Es muss daher der von Dr.B1. vorgenommenen Leistungsbeurteilung der Vorzug gegeben werden.

Dr.E. stellte zunächst die Diagnose eines arteriellen Hochdruckleidens, das bisher nicht medikamentös behandelt wurde, wobei schwerwiegende Organschädigungen nicht zu erkennen sind. Eine beginnende hochdruckbedingte Nephropathie ist jedoch nicht auszuschließen. Das medikamentös einstellbare Leiden schließt aus internistischer Sicht lediglich schwere körperliche Tätigkeiten aus. Es liegt ein deutliches Gefäßrisikoprofil vor, ohne dass schwerwiegende Schädigungen des Gefäßsystems bestehen. Insbesondere konnte eine sozialmedizinisch relevante koronare Herzerkrankung nicht nachgewiesen werden. Als leistungseinschränkend bezeichnete Dr.E. das Hochdruckleiden sowie eine kombinierte Ventilationsstörung als Folge einer beginnenden chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Auch aus internistischer Sicht liegt eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht vor.

Mit dem von den Sachverständigen beschriebenen Leistungsvermögen ist der Kläger zweifellos nicht mehr in der Lage, seine in seinem Arbeitsleben überwiegend verrichtete Tätigkeit als Gerüstbauer weiterhin auszuüben. Dennoch ist er nicht berufsunfähig, da es hierfür nicht ausreicht, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind sie - wie sich aus § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI bzw. § 240 Abs.2 SGB VI ergibt - nur dann berufsunfähig, wenn auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 Nr.138).

Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten abgestuft in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 22.07.1992, 13 RJ 21/91). Dementsprechend werden die Gruppen von oben nach unten durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders (hoch) qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden. (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.43; SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters im oberen Bereich zuzuordnen. Dabei kommt es für die Einstufung grundsätzlich nicht darauf an, ob der Kläger den Beruf des Gerüstbauers erlernt und eine entsprechende Prüfung abgelegt hat, nachdem die Wettbewerbsfähigkeit auch durch eine langjährige Tätigkeit in dem Beruf erlangt werden kann. So hat der Kläger seit dem Jahre 1973 bei der Firma H. gearbeitet, wo er ein Jahr angelernt wurde, zum Ausbildungsberuf wurde diese Tätigkeit erst durch die Verordnung über die Berufsausbildung zum Gerüstbauer/zur Gerüstbauerin vom 18.12.1990 (BGBl I S.2884). Darin wurde die Ausbildungsdauer auf zwei Jahre festgesetzt, erst nach Ausscheiden des Klägers aus dem Berufsleben erging die Verordnung vom 26.05.2000 (BGBl I S.778) wonach die Ausbildungsdauer auf drei Jahre angehoben wurde mit den entsprechenden höheren Anforderungen.

Maßgeblich für die Einstufung des Klägers innerhalb des Mehrstufenschemas ist nicht, dass der Beruf des Gerüstbauers nunmehr im Hinblick auf die mehr als zweijährige Ausbildungsdauer zu den Facharbeitern zu zählen ist, sondern dass der Kläger trotz der nicht erfolgten förmlichen Ausbildung wohl im Hinblick auf seine langjährige Tätigkeit einem Gerüstbauer entsprechend der Verordnung vom 18.12.1990 gleichzusetzen ist, da zu seinem Gunsten nur davon ausgegangen werden kann, dass er über die hierfür erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten auf Grund der langjährigen Tätigkeit verfügt hat. Damit kommt aber lediglich die Zuordnung zum oberen Bereich der Stufe der "Angelernten" in Betracht mit den daraus folgenden gegenüber einem Facharbeiter erweiterten Verweisungsmöglichkeiten. Der Auffassung des Klägers kann nicht zugestimmt werden, nachdem der Beruf des Gerüstbauers nunmehr zur Facharbeitertätigkeit im Sinne des Mehrstufenschemas wurde, gelte dies auch für ihn. Es steht nämlich weiterhin fest, dass er während seiner Tätigkeit allenfalls die Stufe des oberen Anlernbereichs hätte erreichen können. Auch die Auffassung der Firma H., er sei Facharbeiter gewesen, deckt sich nicht mit der erwähnten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Hinzukommt, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber zunächst auf die erste Anfrage der Beklagten als "Angelernter" bezeichnet wurde mit einer Anlernzeit von einem Jahr. Die Qualifikation als Facharbeiter hat der Kläger auch nicht durch die beiden Urkunden nach 10- bzw. 20-jähriger Tätigkeit bei der Firma H. erworben. Darin heißt es lediglich, dass dem Kläger "für Treue und Fleiß während 10-jähriger handwerklicher Tätigkeit" die Urkunde verliehen werde bzw. "in Anerkennung und mit Dank für die Pflichttreue, der Herr Karl-Heinz Kisiela in 20 Jahren der Firma Gerüstbau H. bewiesen hat". Daraus und aus der Bezeichnung als Facharbeiter ergibt sich keinesfalls, dass ihm damit auch die Eigenschaft als Facharbeiter zuerkannt sein sollte, zumal auch die Bezeichnung als solche in einer entsprechenden Urkunde nicht die erforderliche Ausbildung ersetzt. Die Eigenschaft als Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas ergibt sich auch nicht aus dem seinerzeit gültigen Tarifvertrag, da die maßgebliche Berufsgruppe nur auf den gelernten Gerüstbauer (also mit zweijähriger Ausbildung) abstellt.

Ausgehend von der Zugehörigkeit des Klägers zum oberen Anlernbereich ist er auf Tätigkeiten seiner Gruppe und derjenigen der Ungelernten verweisbar mit Ausnahme von Tätigkeiten mit ganz geringem qualitativen Wert (Kasskomm-Niesel § 240 Rdnr.101). In Betracht kommt dabei die von der Beklagten bereits im Widerspruchsbescheid genannte Tätigkeit etwa eines Pförtners. Nicht hingegen wäre dem Sozialgericht darin zu folgen, dass der Kläger, falls er der Stufe der Facharbeiter zuzuordnen gewesen wäre, auf den "gehobenen Pförtner" verweisbar wäre. Dem vom Sozialgericht zitierten Urteil des BSG vom 17.12.1991 (13/5 RJ 14/90) ist lediglich zu entnehmen, dass es in diesem Fall weiterer Ermittlungen durch die Vorinstanz bedurfte, um abschließend zu der Feststellung zu kommen, ob die ausgeübte Tätigkeit als Werkspförtner eine Verweisungstätigkeit darstellt. Die Möglichkeit der Verweisung auf den Beruf des gehobenen Pförtners hat das BSG vielmehr in ständiger Rechtsprechung verneint (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.139).

Nachdem auch die nicht abgeschlossene Lehre als Appreteur - ein Beruf, den der Kläger nur kurzfristig ausgeübt hat - zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis führt, konnte die Berufung insgesamt keinen Erfolg haben und war als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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