L 5 KR 58/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 8 KR 130/02
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 58/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 16. Februar 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen nicht zu zahlen sind.
Die Beklagte trägt auch die Kosten der Berufungsinstanz.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 10.969,97 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer für Leistungen der Heilmittelerbringung in Höhe von 10.969,97 EUR.

Die klagende Tourismuszentrale S ist ein Eigenbetrieb der Gemeinde. Ihrem Antrag vom Januar 1989 zur Zulassung als Leistungserbringer von Heilmitteln entsprach der Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) mit Bescheid vom 28. Februar 1989. Darin wies der VdAK ergänzend darauf hin, dass beabsichtigt sei, noch einen Vertrag nach § 127 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) zu schließen. Im Januar 1990 teilte der VdAK seinen Mitgliedskassen u. a. mit: "Die Mehrwertsteuer ist nunmehr ebenfalls mit den Vergütungssätzen abgegolten. Dies gilt allerdings nicht für die Betriebe, die bisher die Mehrwertsteuer zusätzlich berechnen konnten. Diese behalten im Wege der Besitzstandswahrung diese Abrechnungsmöglichkeiten. Endet die Zulassung solcher Betriebe oder ändern sich die Eigentumsverhältnisse, entfällt der Anspruch auf Besitzstandswahrung. Betriebe, die ab 1. Januar 1990 zugelassen werden, können die Mehrwertsteuer somit nicht mehr zusätzlich berechnen." In einem weiteren Schreiben vom November 1990 wies der VdAK nochmals darauf hin, "dass alle seit 1. Januar 1990 zugelassenen Betriebe und Behandler keine Mehrwertsteuer zusätzlich abrechnen können". In der Folgezeit zahlte die Beklagte bis einschließlich April 2000 an die Klägerin die von dieser abgerechneten Leistungen einschließlich der in den Rechnungen ausgewiesenen gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Ab Juni 2000 entwickelte sich zwischen den Beteiligten ein Schriftverkehr über die weitere Zahlung der Mehrwertsteuer, die die Beklagte ab Mai 2000 von den zur Erstattung eingereichten Rechungen der Klägerin abzog. Auf Bitte der Beklagten überreichte die Klägerin einen Nachweis des Finanzamtes Flensburg darüber, dass sie ab Januar 1969 dort als mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen eingetragen ist. Anfang 2001 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, seit Jahren sei festgelegt, dass Gewerbebetriebe, die bereits vor 1990 zugelassen und umsatzsteuerpflichtig gewesen seien, die gesetzliche Mehrwertsteuer weiterhin zusätzlich abrechnen könnten. Dies sei ausdrücklich in Anlage 3 zu den jeweiligen Verträgen nach § 125 SGB V enthalten. Unter 1) heißt es dort in Anlage 3: "Die vereinbarten Bruttopreise umfassen die jeweils gültige Mehrwertsteuer". Unter 2) heißt es: "Gewerbebetriebe, die bereits vor dem 1. Januar 1990 zugelassen und umsatzsteuerpflichtig waren, können die gesetzliche Mehrwertsteuer weiterhin zusätzlich abrechnen". Den Nachweis der Steuerpflicht insoweit habe sie, die Klägerin, erbracht. Ortstypische physiotherapeutische Leistungen würden ohnehin nicht mit der zusätzlichen Mehrwertsteuer abgerechnet. Sie bitte um Überweisung des seit Mai 2000 einbehaltenen Mehrwertsteuerbetrages. Die Beklagte entgegnete, ihrer Auffassung nach sei es unmaßgeblich, ob und inwieweit eine Steuerpflicht bestehe. Voraussetzung für den angesprochenen Bestandsschutz sei vielmehr die Frage, ob die Klägerin in der Vergangenheit berechtigt gewesen sei, die Mehrwertsteuer zusätzlich abzurechnen. Nach ihrem Kenntnisstand werde eine Differenzierung zwischen ortsgebundenen und nicht ortsgebundenen Heilmitteln erstmals in dem am 3. Mai 1993 geschlossenen Vertrag vorgenommen. Die genannte Preisliste sehe hinsichtlich der nicht ortsüblichen Heilmittel vor, dass die Mehrwertsteuer in den vereinbarten Preisen enthalten sei. In einer Auflistung des IKK-Landesverbandes der medizinischen Badebetriebe in Schleswig-Holstein, die unter die Besitzstandswahrung fielen, sei die Klägerin explizit nicht genannt.

Der Heilbäderverband Schleswig-Holstein teilte der Beklagten im Oktober 2001 mit, er verhandele u. a. mit dem VdAK seit 1994 eine gemeinsame Vergütungsliste für ortstypische Leistungen. In diesen Leistungen sei die jeweilige Mehrwertsteuer enthalten. Für nicht ortstypische Heilmittel würden die zwischen dem VDB und den Krankenkassenverbänden ausgehandelten Vergütungslisten als abrechnungsfähig für die Mitgliedsbetriebe erklärt. In diesen Vergütungslisten - auch in der des VdAK - sei ausdrücklich festgeschrieben, dass Gewerbebetriebe, die bereits vor 1990 zugelassen und umsatzsteuerpflichtig gewesen seien, die gesetzliche Mehrwertsteuer zusätzlich abrechnen könnten. Alle in dem Verband vertretenen Betriebe, auch der der Klägerin, erfüllten diese Voraussetzungen. Anstelle seinerzeit für alle Kurmittelbetriebe zu treffenden lokalen Regelungen sei ab 1994 die landesweite und landeseinheitliche Vergütungsvereinbarung getreten. Die Beklagte erklärte sich weiterhin nicht bereit, die Mehrwertsteuer zu zahlen.

Die Klägerin hat am 25. November 2002 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und die Verurteilung zur Zahlung von 10.969,97 EUR nebst 5 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit beantragt. Zur Begründung hat sie ergänzend ausgeführt: Die Höhe des eingeforderten Betrages beziehe sich auf den Zeitraum von Mai 2000 bis 19. Dezember 2001. Die Bestandsschutzvoraussetzungen lägen auch bei ihr, der Klägerin, vor. Bestandsschutz sollten und müssten nämlich die Betriebe haben, die schon immer mehrwertsteuerpflichtig gewesen seien, d. h. also mit Mehrwertsteuer Rechnungen ausgestellt und dafür Umsatzsteuer abgeführt hätten. Aus diesem Grunde sei auch in den ursprünglichen Verträgen niemals eine Vereinbarung über die Mehrwertsteuer getroffen worden. Durch die Änderung im SGB seien später die privaten und neue gewerbliche Betriebe von der Entrichtung der Mehrwertsteuer befreit worden. Aus diesem Grund sei eine Regelung nur für Betriebe erforderlich geworden, die seit jeher Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hätten. Hierzu zähle die Klägerin. Die Regelung in Anlage 3 der Verträge solle eine Gleichbehandlung der Betriebe gewährleisten, die vor 1990 Mehrwertsteuer hätten berechnen dürfen gegenüber den neu zugelassenen Betrieben, die nach der Änderung des SGB Mehrwertsteuer nicht mehr entrichten müssten. Gerade sie, die Klägerin, habe als Kurverwaltung der Kommune nicht schlechter gestellt werden sollen als die neu zugelassenen Betriebe, die der Mehrwertsteuerpflicht nicht mehr unterlägen. Aus diesem Grund habe auch die Beklagte bis April 2000 die Mehrwertsteuer gezahlt. Merkwürdigerweise sei bei der Kurverwaltung der Gemeinde B die Mehrwertsteuer noch bis Juni 2001 gezahlt worden. Das Bestreiten der Höhe des geltend gemachten Anspruchs sei unsubstantiiert und zudem nicht nachvollziehbar, da die Beklagte selbst wisse, dass sie auf sämtliche Beträge ohne die geltend gemachte Mehrwertsteuer gezahlt habe. Die Klägerin hat den Vertrag vom 7. März 2000 nebst Anlagen vorgelegt.

Die Beklagte hat vorgetragen: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer nur, wenn dies vertraglich vereinbart sei. Die Bedeutung der Regelungen in der Anlage 3 der Vergütungsvereinbarung erschließe sich erst bei Kenntnis ihrer Entstehungsgeschichte. Grundlage der Vereinbarung um die Mehrwertsteuer im Jahr 1990 sei die Neuregelung durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen gewesen. Vor dem Hintergrund, dass die Umsatzsteuerpflicht eines Leistungserbringers von Heilmitteln allein in dessen Sphäre begründet sei und eine Bevorzugung gegenüber den nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Leistungserbringern nicht rechtfertige, seien die Vertragspartner übereingekommen, die Mehrwertsteuer als unselbstständigen Teil der Vergütungssätze und mit diesen als abgegolten zu betrachten. Lediglich die Betriebe, die umsatzsteuerpflichtig seien und nach den bis zum 31. Dezember 1989 gültigen Vergütungslisten die Mehrwertsteuer zusätzlich hätten abrechnen können, sollten im Rahmen des Bestandsschutzes bis zur Betriebsaufgabe die Berechtigung zur zusätzlichen Abrechnung der Mehrwertsteuer behalten. Bei Abschluss der Vereinbarung seien die Vertragspartner davon ausgegangen, dass der Anteil der privilegierten Leistungserbringer mit der Zeit immer geringer werden würden. Entsprechend hätten die Vergütungslisten den deklaratorischen Hinweis enthalten, dass der Mehrwertsteueranteil in den vereinbarten Preisen enthalten sei. Die Regelung in Anlage 3 habe die Voraussetzung der zusätzlichen Abrechnung der Mehrwertsteuer enthalten, nämlich die Umsatzsteuerpflicht, die Zulassung vor 1990 und die Erlaubnis, nach den bis 1990 gültigen Preisvereinbarungen die Mehrwertsteuer zusätzlich abrechnen zu können. Letzteres Kriterium finde sich zwar nicht wörtlich in der Regelung wieder, ergebe sich jedoch im Wege der Auslegung. Dies verdeutliche auch die Verwendung des Begriffs "weiterhin". Es sei aber nicht beabsichtigt gewesen, den Kreis der privilegierten Leistungserbringer zu erweitern. Dies könne ein instruierter Mitarbeiter des VdAK bezeugen. Hilfsweise werde die Höhe des geltend gemachten Anspruchs bestritten.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. Februar 2004 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.969,97 EUR nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aus der Bescheinigung des Finanzamtes Flensburg vom 23. Juli 2000 ergebe sich, dass die Klägerin seit 1. Januar 1969 steuerpflichtiger Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sei. Damit sei die Klägerin vor dem 1. Januar 1990 sowohl als Wirtschafts- bzw. Gewerbebetrieb zugelassen als auch umsatzsteuerpflichtig und damit berechtigt gewesen, die gesetzliche Mehrwertsteuer weiterhin (d.h. über den 31. Dezember 1989 hinaus) abzurechnen. Dies habe auch die Beklagte offenbar so gesehen, da sie bis einschließlich April 2000 entsprechend den Abrechnungen der Klägerin die um die Mehrwertsteuer erhöhte Vergütung für nicht ortstypische physiotherapeutische Heilmittel gezahlt habe.

Gegen das ihr am 26. April 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 10. Mai 2004. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, dass zu den bisher genannten drei Voraussetzungen auch die gehöre, dass die Gegenseite dem VDB angehöre. Offenbar sei auch die Klägerin von einer fehlenden Berechtigung ausgegangen, da sie vor dem streitigen Zeitraum keine Mehrwertsteuer zusätzlich berechnet habe. Vielmehr sei die Mehrwertsteuer in den berechneten Preisen enthalten gewesen. In den Rechnungen bis Ende Mai 2000 seien lediglich die Mehrwertsteueranteile der Preise ausgewiesen worden. Dazu legt die Beklagte entsprechende Rechnungen vor. Im Jahre 1999 habe die Rechnung ausdrücklich den Vermerk enthalten: "Mehrwertsteuer 7 % sind in Kur-/Kurabgaben enthalten". Im Jahr 1998 seien die Rechnungsbeträge ausdrücklich mit "inkl. Mehrwertsteuer" ausgewiesen worden. Unzutreffend sei es daher, dass die Beklagte zuvor die Mehrwertsteuer gezahlt habe. Sie, die Beklagte, bestreite weiterhin die Höhe der Forderung als unsubstantiiert. Es lasse sich nicht erkennen, um welche Leistungen es sich handele und für welche Versicherten diese erbracht worden seien. Die Beklagte sei auf Grund der Angaben nicht in der Lage, die Forderung zu überprüfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 16. Februar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und legt ein Schreiben der AOK Schleswig-Holstein, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der BKK und IKK-Landesverbände vor, in der diese bestätigen: "dass in Abweichung zu Ziffer II der o. g. Vereinbarung die nachfolgend aufgeführten Betriebe, die bereits vor dem 01.01.1990 zugelassen und umsatzsteuerpflichtig waren, die gesetzliche Mehrwertsteuer für alle in der Vereinbarung aufgeführten Leistungen weiterhin zusätzlich abrechnen können, es sei denn, die gesetzliche Mehrwertsteuer ist ausdrücklich in den vereinbarten Preise enthalten". Weiter legt die Klägerin eine Rechnung über Heilmittel vom 31. Mai 2001 als Beispiel für den Abzug der Mehrwertsteuer durch die Beklagte vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, im Wesentlichen aber unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des in den Rechnungen für Heilmittelerbringung ausgewiesenen Mehrwertsteueranteils. Das insoweit zusprechende Urteil des Sozialgerichts Schleswig ist, mit Ausnahme der Zinsregelung, nicht zu beanstanden.

Die Klägerin erhebt zutreffend eine echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG. Denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die - wenn der geltend gemachte Erstattungsanspruch denn begründet wäre - ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin und die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts gleichgeordnet gegenüber stehen (BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 3; Urteil des Senats vom 21. September 2004 - L 1 KR 92/03 -).

Rechtsgrundlage ist, worauf das Sozialgericht zutreffend hinweist und wovon auch die Beteiligten unstreitig ausgehen, § 125 SGB V i.V.m. den jeweiligen Verträgen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Heilbäderverband Schleswig-Holstein, dem die Klägerin angehört. Konkret maßgebend ist hier die Vereinbarung vom 7. März 2000, die die Klägerin vorgelegt hat. Nach § 4 Nr. 1 Satz 1 dieses Vertrages erfolgt die Vergütung der erbrachten Leistungen nach den vereinbarten Preislisten, die in den Anlagen 1 bis 3 aufgeführt sind. Streitig ist insoweit zwischen den Beteiligten nicht die Höhe des Vergütungsanspruchs einzelner Leistungen, sondern ob die Klägerin berechtigt ist, gegenüber der Beklagten die gesetzliche Mehrwertsteuer abzurechnen. Im Hinblick auf den Zusatz 2) in Anlage 3 des Vertrages ist die Klägerin hierzu berechtigt, weil sie die dafür notwendigen Voraussetzungen (Zulassung und Umsatzsteuerpflicht vor dem 1. Januar 1990) erfüllt. Auch die Beklagte bestreitet nicht, dass die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt. Sie fordert vielmehr darüber hinaus als weitere Voraussetzungen eine vor 1990 geschlossene Vereinbarung, nach der der Mehrwertsteueranteil zusätzlich abgerechnet werden konnte, sowie die Angehörigkeit des Leistungserbringers beim VDB. Dies sind jedoch keine Voraussetzungen für die Abrechnung der Mehrwertsteuer.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG für die Auslegung vertraglicher Regelungen im Leistungsrecht der Krankenversicherung ist in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgebend (z.B. Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 37/03 R - und vom 30. März 1993 - 3 RK 2/91 -). Das vertragliche Regelwerk dient nämlich, und das gilt für das Leistungsrecht allgemein und damit auch für die Heilmittelerbringer, dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Heilmittelerbringern und Krankenkassen. Es ist vorrangig Aufgabe der Vertragsparteien, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmung diese in der Zeit der Entstehung selbst erläutert hätten. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (BSG a.a.O.).

Schon nach diesen Grundsätzen ist das von der Beklagten aufgestellte Erfordernis weiterer Voraussetzungen für die Abrechnung der Mehrwertsteuer unzulässig. Die Vergütungsregelung in dem hier streitgegenständlichen Vertrag ist eindeutig, die in Zusatz 2) enthaltene Befugnis zur Abrechnung der gesetzlichen Mehrwertsteuer eindeutig auf die genannten zwei Voraussetzungen begrenzt. Dieser streng am Wortlaut orientierten, von der objektiven Erklärungsbedeutung von Willenserklärung ausgehenden normativen Auslegung ist auch deshalb der Vorzug zu geben, weil dieser Vertrag gegenüber Dritten, nämlich den einzelnen Krankenkassen und den Leistungserbringern, Wirkungen entfaltet. Bei einer solchen Rechtslage, nämlich der Wirkung der Verträge für eine Vielzahl von Personen bzw. von Körperschaften des öffentlichen Rechts, ist es nicht zu beanstanden, dass der Rahmenvertrag in Anwendung der normativen Auslegung nach seinem objektiven Erklärungsinhalt ausgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1993 - 3 RK 2/91 -).

Im Übrigen vermag der Senat den Argumenten der Beklagten hinsichtlich Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu folgen. Denn Sinn der weiterhin möglichen Abrechnung von gesetzlicher Mehrwertsteuer war und ist es, die Betriebe den freien Heilmittelerbringern gleichzustellen, die mehrwertsteuerpflichtig sind. Die Klägerin ist unstreitig mehrwertsteuerpflichtig und fällt damit unter diesen Kreis.

Auch die bisherige Durchführung des Vertrages spricht für die dargestellte Auslegung. So kürzt allein die Beklagte die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen um den Mehrwertsteueranteil, während die Primärkassen diesen Anteil offensichtlich weiterhin zahlen, wie durch deren Bescheinigung vom 8. März 2002, die sich auf die insoweit streitgegenständliche Regelung in Anlage 3 bezieht, bestätigt wird.

Auch die Beklagte hat darüber hinaus offensichtlich erst ab Mai 2000 ihre Praxis geändert. Zwar behauptet sie nunmehr, die Mehrwertsteuer auch vor der hier streitgegenständlichen Zeit nicht erstattet zu haben. Die von ihr dafür zum Beweis vorgelegten Rechnungen bestätigen dies jedoch nicht, da diese einschließlich der ausgewiesenen Mehrwertsteuer offensichtlich beglichen wurden, während nunmehr, wie die von der Klägerin vorgelegte Rechnung vom 31. Mai 2001 zeigt, der Mehrwertsteueranteil von der Rechnung abgezogen wird.

Unsubstantiiert ist der Vortrag der Beklagten, soweit sie die geltend gemachte Forderung der Höhe nach bestreitet. Sie hat auf diese Rechnungen Zahlungen erbracht und lediglich hinsichtlich der Mehrwertsteuer Abzüge vorgenommen, ohne eine Überprüfungsmöglichkeit einzufordern. Insoweit setzt sie sich mit ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn sie nunmehr, allein im Hinblick auf den ausgewiesenen Mehrwertsteueranteil, die Individualisierung der Auflistungen verlangt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin allerdings keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen. Eine vertragliche Vereinbarung über Zinszahlungen besteht unstreitig nicht. Und nach der Verzinsungsregelung des § 44 Sozialgesetzbuch, 1. Buch (SGB I), wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen sind, findet nur dann Anwendung, wenn es sich um Sozialleistungen handelt. Denn zur Bestimmung des Begriffs der Geldleistung im Sinne dieser Vorschrift ist auf § 11 des gleichen Gesetzbuches zurückzugreifen. Danach sind Gegenstand der sozialen Rechte die "in jedem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen)". Und der Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit (§ 1 Abs. 1 SGB I) der Leistungserbringer dienen deren Honoraransprüche nicht (vgl. BSGE 56, 116, 117, 118, Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1998 - L 6 KA 31/97 -), so dass kein Zinsanspruch besteht.

Andere Vorschriften kommen als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Zinsen ebenfalls nicht in Betracht (BSG und der erkennende Senat jeweils a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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