L 4 KR 153/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 46/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 153/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Blindenführhundschule.

Sie übersandte dem bei der Beklagten versicherten M. R. , der auf beiden Augen blind ist, einen auf drei Monate befisteten Kostenvoranschlag vom 22.06.1998 für einen leistungsgeprüften Blindenführhund zum Grundpreis von 32.507,00 DM. In diesen Kosten waren auch die Kosten für die Ausbildung des Hundes und eines Einführungslehrgang eingerechnet. Das Angebot enthielt zusätzliche optionale Ausbilderleistungen, so z. B. für die vorgezogene Gespannprüfung am Ende des Einführungslehrganges. Es handelte sich danach um einen Risikoaufschlag wegen des zu erwartenden hohen Prüfungsrisikos zu diesem Zeitpunkt. Hierfür sah der Kostenvoranschlag einen zusätzlichen Preis von 2.169,00 DM vor.

Nachdem die Beklagte bei dem Versicherten noch eine ärztliche Verordnung angefordert hatte, sagte sie ihm mit dem Schreiben vom 04.08.1998 die Übernahme der Gesamtkosten laut Kostenvoranschlag in Höhe von 32.507,00 DM zu. Das Schreiben enthielt den Vermerk, dass eine Durchschrift der Kostenübernahmeerklärung an den Lieferanten gesandt werde.

Die Klägerin forderte von der Beklagten mit Schreiben vom 23.09.1998 für den Blindenhund und die Einarbeitung des Versicherten mit dem Blindenführhund am Wohnort des Versicherten und in München 32.507,00 DM; die Beklagte wies diesen Betrag zur Zahlung an.

Mit Schreiben vom 25.09.1998 zeigte der Lehrer für Orientierung- und Mobilitätstraining H. der Beklagten an, dass er auf Bitte des Versicherten die nach Qualitätskriterien vorgesehene vorgezogene Gespannprüfung in den kommenden Wochen durchführen werde; die Prüfungskosten wurden mit 371,00 DM angegeben. Das Schreiben enthielt den Vermerk, dass die Prüfung nach Eingang der Kostenübernahmeerklärung binnen zweier Wochen durchgeführt werde. Am 22.10.1998 fand in M. diese Gespannprüfung für den Blindenführhund statt, die erfolgreich abgelegt wurde.

Die Klägerin forderte von der Beklagten hierfür mit Schreiben vom 03.11.1998 entsprechend dem Kostenvoranschlag den zusätzlichen Betrag von 2.169,00 DM.

Die Beklagte lehnte mit den Schreiben vom 18.11.1998 und 08.12. 1998 die Kostenübernahme für die Gespannprüfung ab. Sie habe lediglich eine Kostenübernahme in Höhe von 32.507,00 DM zugesagt.

Die Klägerin hat hiergegen am 22.12.1998 beim Sozialgericht Landshut Klage auf Zahlung des fälligen Restkaufpreises von 2.168,00 DM für eine Blindenführhundversorgung erhoben. Obwohl der bewilligte Kaufpreis zunächst dafür gesprochen habe, dass die Beklagte die Qualitätsüberprüfung gemäß dem Kostenvoranschlag erst nach einer Eingewöhnungsfrist von vier Monaten durchführen wollte, ließ sie die Gespannprüfung durch den Gespannprüfer bereits am 22.10.1998 durchführen, also bereits einen Monat nach Ende des Einführungslehrgangs. Für diesen Fall sehe der Kostenvoranschlag einen Risikozuschlag von 2.168,00 DM vor.

Das Sozialgericht Landshut hat sich mit Beschluss vom 13.10. 1999 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht München (SG) verwiesen.

Die Beklagte hat hierauf erwidert, sie habe mit der Klägerin einen Vertrag über lediglich 32.507,00 DM geschlossen.

Das SG hat mit Urteil vom 25.04.2002 die Klage abgewiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Risikoaufschlag für eine Gespannprüfung bereits am Ende des Einführungslehrganges wegen des zu erwartenden hohen Prüfungsrisikos zu diesem Zeitpunkt sei nicht Bestandteil des zwischen der Klägerin und der Beklagten zu Stande gekommenen Vertrages geworden. Die Beklagte habe lediglich den Grundpreis von 32.507,00 DM akzeptiert. Die Gespannprüfung am Ende des Einführungslehrganges sei im Kostenvoranschlag unter dem Angebot optionale Ausbilderleistungen aufgeführt worden, die von der Beklagten nicht vereinbart wurden. Da die Gespannprüfung erfolgreich abgelegt wurde, sei ein Schaden für die Klägerin nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 29.07. 2002, mit der sie den strittigen Restbetrag in Höhe von 2.169,00 DM fordert. Die Beklagte habe in voller Kenntnis des gesamten Kostenvoranschlags, also auch der Aufschläge bei vorgezogener Prüfung, den Kostenvoranschlag als verbindliche Rechtsgrundlage des Auftrags an die Blindenführhundschule anerkannt. Das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen sehe auch vor, dass Gelegenheit zur Teilnahme an der Prüfung gegeben werden müsse. Ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Auftragserteilung die optionale Leistung in den Auftrag einschloss, könne offen bleiben; denn sie habe diese Ausbilderleistung durch die verfrühte Prüfungsdurchführung unstrittig in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat weiterhin an ihrer Ablehnung festgehalten, eine vertragliche Regelung über den begehrten Betrag sei nicht zustandegekommen. Das von der Klägerin unterbreitete Angebot sei in der eingereichten Form von der Beklagten nicht angenommen worden. Es sei lediglich eine Bewilligung über einen Betrag von 32.507 DM erfolgt. Damit sei der geltend gemachte Risikoaufschlag nicht Vertragsbestandteil geworden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Hilfsmittelverzeichnis.

Die Klägerin hat hierzu ergänzend ausgeführt, eine vertragliche Regelung über den streitigen Betrag sei konkludent dadurch zu Stande gekommen, dass die Beklagte in bewusster Abweichung von ihrer ursprünglichen Bewilligung eine Form der Blindenführhundversorgung mit vorgezogener Gespannprüfung gewählt habe, die nach dem der Beklagten bekannten Kostenvoranschlag mit um den eingeklagten Betrag höheren Kosten verbunden war. Die Beklagte habe damit genau jene optionalen Leistungen gemäß dem Kostenvoranschlag in Anspruch genommen, womit eben diese Leistung nachträglicher Vertragsbestandteil geworden sei. Es gehe hier nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um den Anspruch auf Bezahlung einer von der Beklagten im Verlauf des Vertragsverhältnisses beanspruchten möglichen Vertragsvariante.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 2.169,00 DM in Euro zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§§ 144 Abs. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Da hier eine allgemeine Leistungsklage zu Grunde liegt, war ein Vorverfahren nicht durchzuführen (§ 78 SGG). Gemäß § 51 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist für die Klage der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 51, Rndnr. 35). Eine Beiladung des Versicherten war nicht erforderlich (§ 75 SGG).

Die Berufung ist unbegründet; die Beklagte ist zur Zahlung des streitigen Restbetrags nicht verpflichtet.

Es handelt sich bei dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Lieferung eines Blindenführhundes für den Versicherten um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft.

Bei den Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Erbringern von Heil-und Hilfsmitteln auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) sind, wie im früher geltenden Recht der Reichsversicherungsordnung, drei Ebenen zu unterscheiden nämlich 1. die Zulassung zur Versorgung der Versicherten als Grundverhältnis, 2. die Rahmenvereinbarungen zwischen den Kassenverbänden und den Leistungserbringern oder deren Verbänden, unter anderem zur Festsetzung von Höchstpreisen, die für die Einzelverträge verbindlich sind, und 3. die Einzelverträge zwischen Einzelkasse und Leistungserbringer über die jeweilige Leistung an den Versicherten (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes SozR 1500 § 51 Nr. 39; Bundessozialgericht (BSG) vom 10.07.1996 SozR 3-2500 § 125 Nr. 5 m.w.N. der Literatur). Die erste Ebene ist nunmehr im SGB V als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis ausgestaltet, das durch Verwaltungsakt zu regeln ist. Die hier allein streitige dritte Ebene bleibt auch nach dem SGB V weiterhin als privaten Rechtsverhältnis ausgestaltet. Zwar hat der Gesetzgeber durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 § 69 SGB V, der den grundlegenden Anwendungsbereich der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern betrifft, neu gefasst. Danach werden die nachfolgend geregelten Beziehungen zu den Leistungserbringern ab 01.01.2000 abschließend durch das Leistungserbringerrecht im vierten Kapitel des SGB V geregelt. Satz 3 ordnet ergänzend die entsprechende Heranziehung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an, soweit diese mit den Vorgaben des SGB V vereinbar sind.

Die Neufassung des § 69 SGB V ist hier nicht einschlägig, da der anzuwendende Vertrag zwischen den Beteiligten vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 69 SGB V geschlossen worden ist.

Das auf der dritten Ebene angesiedelte Abrechnungsverhältnis zwischen Einzelkrankenkasse und dem Leistungserbringer für ein Heil- oder Hilfsmittel kommt in der Regel dadurch zu Stande, dass der Versicherte zugleich als Vertreter seiner Krankenkasse sich mit dem Leistungserbringer über den Abschluss eines Beschaffungvertrages einigt, der den Leistungserbringer verpflichtet, dem Versicherten die vereinbarte Leistung nach den Vorgaben des maßgebenden Rahmenvertrages zu erbringen, und die Krankenkasse verpflichtet, die Vergütung zu zahlen. Das Einzelleistungverhältnis entspricht danach einem üblichen privaten Rechtsgeschäft, das auf der Grundlage rechtlicher Gleichordnung abgeschlossen wird (allgemeine Meinung, z.B. Heinze in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 40, Rn. 70 f.; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, § 127, Rn. 2; § 125, Rn. 3 m.w.N.).

Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten war der Kostenvoranschlag der Klägerin vom 22.06.1998 auf der Grundlage der betriebswirtschaftlichen Kalkulationen für die Blindenführhund-Versorgung, d.h. Blindenführhund mit Qualitäts- und Leistungsprüfung am Ende der Ausbildung und Gespannprüfung vier bis fünf Monate nach Beginn des Einführungslehrgangs zu einem Grundpreis von 32.507,00 DM. In diesem Vertragsangebot war als optionale Ausbilderleistung die Gespannprüfung am Ende des Einführungslehrganges in Höhe von 2.169,00 DM vorgesehen. Da die Beklagte dem Versicherten lediglich eine Kostenzusage von 32.507,00 DM erteilt hat, war zunächst auch nur ein Kaufpreis für die Lieferung des Blindenführhundes vereinbart worden. Die Beklagte hatte allerdings auch die optionale Ausbilderleistung nicht abgelehnt. Da die Inanspruchnahme dieser Leistung ausgeklammert blieb, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass in der Kostenzusage über 32.507,00 DM die Ablehnung des klägerischen Angebots verbunden mit einem neuen Antrag lag (§ 150 Abs. 2 BGB).

Es kommt vorliegend darauf an, ob in dem Schreiben des Trainers vom 25.09.1998, der Versicherte wolle die vorgezogene Gespannprüfung durchführen, wofür Prüfungskosten in Höhe von 371,00 DM anfallen, ein Angebot für die Inanspruchnahme der vertraglich geregelten optionalen Ausbilderleistungen liegt. Dies ist aus zwei Gründen zu verneinen. Denn zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Trainer im Namen der Klägerin gehandelt hat, zum anderen hat die Klägerin mit dem Schreiben vom 22.06.1998 selbst mitgeteilt, dass sie sich an das Kostenangebot für Bestellungen im Zeitraum von drei Monaten bindet. Diese Frist war mit Eingang des Schreibens des Trainers vom 25.09.1998 bei der Beklagten am 02.10.1998 bereits abgelaufen. Damit ist eine Einigung über die vertraglich vorgesehenen Zusatzleistungen nicht zu Stande gekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, 4 Satz 2 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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