L 13 R 4206/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 1556/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 4206/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Halbwaisenrente für die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 2000.

Die 1977 geborene Klägerin bezog auf Antrag vom 6. Dezember 1996 von der Beklagten ab 11. November 1996 eine Halbwaisenrente aus der Versicherung ihrer verstorbenen Mutter P. H. (Bescheid vom 7. Juli 1997). Die Leistungsdauer wurde zunächst bis zum voraussichtlichen Ende der Gymnasialausbildung (30. Juni 1997) und nach Aufnahme eines Studiums an der L.-Universität M. bis zum voraussichtlichen Ende der Hochschulausbildung (31. März 2002) befristet (Bescheide vom 7. Juli 1997, 11. Juni 1998, 7. Januar 1999 und 22. Juli 1999). Den Bescheiden war jeweils ein Hinweisblatt beigefügt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der Anspruch auf Waisenrente endet, wenn die Schul- oder Berufsausbildung endet oder abgebrochen wird, und dass Tatsachen, die zum Wegfall der Waisenrente führen, vom Versicherten mitzuteilen sind.

Mit Schreiben vom 14. November 1998 (richtig: 1999) teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie studiere nunmehr am R. Institut der University of S. in L ... Als Studienbeginn gab die Klägerin in einem von der Universität mit Datum vom 31. März 2000 bestätigten und von der Klägerin sowie ihrem Vater und Prozessbevollmächtigten mit Datum vom 6. April 2000 unterschriebenen Formular den September 1999 sowie als voraussichtliches Ende des Studiums den Juni 2002 an.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 1. November 2000 mit, die Klägerin unterbreche ihr Studium von Herbst 2000 bis Herbst 2001. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung der Waisenrente zum 31. Dezember 2000 ein und forderte bei der Klägerin einen Nachweis über das (vorübergehende) Ende der Ausbildung an (Schreiben vom 23. November 2000), den die Klägerin trotz Erinnerung vom 27. Dezember 2000 nicht vorlegte.

Die Universität teilte der Beklagten auf Anfrage mit, der Studiengang der Klägerin sei am 8. Februar 2000 beendet worden (Schreiben vom 26. Januar 2001). Nach erfolgter Anhörung (Schreiben vom 5. März 2001) hob die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 7. Juli 1997 gemäß § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab 1. März 2000 auf und stellte gemäß § 50 SGB X eine zu erstattende Überzahlung in Höhe von 1808,22 DM fest (Bescheid vom 28. Juni 2001). Die Klägerin habe ihre gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt und den Wegfall des Rentenanspruchs gekannt beziehungsweise erkennen müssen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gab auf Anfrage der Beklagten an, er habe den Bescheid nicht erhalten und legte eine Bescheinigung der Universität vom 10. Januar 2001 vor, wonach der Studiengang der Klägerin am 9. Juni 2000 geendet habe. Die Beklagte holte zu den widersprüchlichen Angaben über das Studienende eine Stellungnahme der Universität ein, wonach die Klägerin ihr Studium bereits am 8. Februar 2000 beendet hat (Schreiben vom 9. November 2001) und erließ den Bescheid vom 28. Juni 2000 erneut unter dem Datum 4. Dezember 2001.

Dagegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Widerspruch mit der Begründung, sie sei bis zum 9. Juni 2000 Studentin gewesen und habe die volle Studiengebühr für die Zeit bis Juni 2000 bezahlt. Wenn das Studium, wie die Universität ihm auf Anfrage am 4. April 2002 erneut bescheinigt habe, am 8. Februar 2000 geendet habe, könne die Beklagte ihre Zahlungen ab 8. Februar 2000 erst zurückverlangen, wenn die Universität der Klägerin ihre Studiengebühren für die Zeit ab 8. Februar 2000 zurückgezahlt habe, sonst sei die Klägerin doppelt geschädigt. Wenn das Studium am 9. Juni 2000 geendet habe, könne die Beklagte Zahlungen bis Juni 2000 nicht zurückverlangen.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2002). Die Klägerin habe tatsächlich nur bis zum 8. Februar 2000 an der Universität von S. studiert, der Beklagten die Beendigung des Studiums aber trotz mehrfachen Hinweises auf ihre Mitwirkungspflicht verspätet angezeigt. Umstände, die die rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 1997 als unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin erscheinen ließen, habe diese nicht vorgetragen. Der Einwand überzahlter Studiengebühren sei nicht geeignet, von einer Bescheidaufhebung für die Vergangenheit abzusehen.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 12. Dezember 2002 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben mit der Begründung, bis zu seiner Mitteilung vom 1. November 2000, dass die Klägerin ihr Studium unterbreche, sei die Waisenrente zu Recht gezahlt worden. Im Übrigen hat er seine Widerspruchsbegründung wiederholt. In einem Erörterungstermin vom 28. April 2004 hat er erklärt, die Klägerin habe am 8. Februar 2000 aufgehört zu studieren und das Studium nicht wieder aufgenommen. Sie sei aber nicht bereit, die Waisenrente zurückzuzahlen, da sie mit dem Geld die Studiengebühren bis Juni 2000 bezahlt habe und deshalb nicht bereichert sei.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2004). Die Beklagte habe die Bewilligung der Waisenrente zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X rückwirkend zum 1. März 2000 aufgehoben, weil die Klägerin ihrer gesetzliche Mitteilungspflicht über die Beendigung des Studiums zum 8. Februar 2000 nicht nachgekommen sei. Diese Mitteilungspflicht sei ihr aufgrund des (mehrfach) übersandten Hinweisblattes der Beklagten bekannt gewesen. Gründe, die eine andere rechtliche Folge als die (rückwirkende) Aufhebung der Bewilligung ab 1. März 2000 nach sich ziehen könnten, habe die Klägerin auch im An- hörungsverfahren nicht vorgetragen. Auf einen Wegfall der Bereicherung komme es insofern nicht an, als sich die Klägerin infolge ihrer Kenntnis von der Mitwirkungspflicht nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Auf die Verwendung der Waisenrente komme es im Übrigen nicht an, da die Waisenrente Unterhaltsersatzfunktion habe.

Gegen den am 21. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 21. September 2004 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht stets nachgekommen und sei nicht bereichert, da sie ihre Studiengebühren nicht zurückbekommen habe. Außerdem müsse man ihr eine Orientierungsphase zugestehen, in der die Waisenrente weiter zu zahlen sei. Er habe den Lebensunterhalt seiner Tochter in dieser Zeit nicht gewährleisten können.

Er beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6. Mai 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2002, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 7. Juli 1997 in der Fassung des Bescheides vom 22. Juli 1999 über die (weitere) Bewilligung der Waisenrente aus der Versicherung der verstorbenen Mutter der Klägerin mit Wirkung ab 1. März 2000 aufgehoben und einen Rückforderungsbetrag in Höhe von 1808,22 DM festgestellt hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2004 zu Recht abgewiesen.

Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides und des Widerspruchsbescheides Bezug genommen (§ 153 Abs.2, Abs.1 in Verbindung mit § 136 Abs.3 SGG).

Das SG hat die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 1997, zuletzt in der Fassung des Bescheides vom 22. Juli 1999, zu Recht bejaht. Die Klägerin hat ihr Studium, wie die Universität von S. mehrfach schriftlich bestätigt und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Erörterungstermin vom 28. April 2004 vor dem SG eingeräumt hat, am 8. Februar 2000 vorzeitig beendet, jedoch noch im April 2000 und im November 2000 der Beklagten wahrheitswidrig mitgeteilt, das Studium dauere fort beziehungsweise werde (erst) im Herbst 2000 unterbrochen. Damit verfolgten die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter offenbar das Ziel, die Beklagte trotz Beendigung des Studiums zur Weiterzahlung der bewilligten Waisenrente zu veranlassen. Ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, der Beklagten die Beendigung oder den Abbruch des Studiums mitzuteilen, ist die Klägerin somit trotz wiederholten schriftlichen Hinweises der Beklagten bei den vorangegangenen befristeten Bewilligungen der Waisenrente nicht nachgekommen.

Ob und für welche Zwecke die Klägerin die zu Unrecht erhaltene Leistung tatsächlich verbraucht hat, ist für die Frage der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 SGB X - anders als gegebenenfalls bei einer Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs.2 Sätze 1, 2 SGB X - unerheblich. Bereicherungsrechtliche Grundsätze finden hier keine Anwendung. Seine gegenteilige Auffassung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher begründet. Ein atypischer Fall, der ausnahmsweise die Ausübung eines Ermessens erforderlich machen würde, liegt nicht vor. Der Verbrauch überzahlter laufender Waisenrente ist aufgrund der Unterhaltsersatzfunktion dieser Leistung bei einer Leistungsrückforderung der Regelfall und keine atypische Fallgestaltung. Zudem hat die Klägerin die Überzahlung nicht nur durch den Verstoß gegen ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht, sondern auch durch ihre wahrheitswidrigen Angaben im Wesentlichen selbst herbeigeführt.

Im Übrigen ist der Vortrag der Klägerin, sie habe die Leistungen zur Zahlung der Studiengebühren für das erste Halbjahr 2000 aufgewandt, für Bezugszeiten ab 1. Juli 2000 schon unschlüssig, da zu diesem Zeitpunkt nicht nur das tatsächliche Studium der Klägerin, sondern nach den von der Universität bestätigten Angaben der Klägerin auch das letzte Studiensemester bereits beendet war. Aber der Vortrag ist auch für die Zeit ab 1.März 2000 unglaubhaft, da Semestergebühren in der Regel im Voraus zu entrichten sind und somit nicht aus den laufenden Leistungen für die Zeit ab 1. März 2000 bestritten worden sein dürften. Da die Waisenrente nicht zu dem Zweck geleistet wurde, die Studiengebühren zu bestreiten, liegt auch keine Konnexität zwischen der zurückgeforderten Leistung und ihrer behaupteten Verwendung vor, die Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung bieten könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved