L 2 U 342/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 252/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 342/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 259/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.09.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 12.05.1986 und hierbei wegen Gesundheitsstörungen im linken Knie.

Dem Kläger wurde 1960 der Innenmeniskus des linken Knies entfernt, 1961 wurde der Innenmeniskus des rechten Knies entfernt und ein Kreuzbandschaden festgestellt.

Am 12.05.1986 verletzte er sich bei seiner Arbeit als Eisenflechter das linke Knie. Zum Unfallhergang gibt es unterschiedliche Angaben. Im Durchgangsarztbericht ist nur die Rede von einem Rotationstrauma. Im Fragebogen für die Krankenkasse vom 26.05.1986 gab der Kläger an, er sei beim Eisentragen mit dem linken Fuß umgeknickt. In einem Gutachten vom 25.08.1986 ist der Kläger mit der Äußerung widergegeben, er sei beim Tragen einer schweren Last zu Fall gekommen und habe sich das Kniegelenk verletzt. Die am 06.08.1989 erstattete Unfallmeldung des Unternehmers gibt an, der Kläger sei beim Eisentragen mit dem linken Fuß umgeknickt. Kenntnis hiervon habe als erster der Polier genommen, der aber nicht Augenzeuge gewesen sei. Nach dieser Meldung wäre der Unfall um 14.30 Uhr geschehen, der Kläger hätte bis zum Ende der Arbeitszeit um 17.00 Uhr weitergearbeitet und erst am nächsten Tag die Arbeit eingestellt. Bei dem zuletzt als Sachverständigen gehörten Chirurgen Dr. K. hat der Kläger im Jahre 2002 angegeben, er sei mit einer Last von 20 kg auf der Schulter zwischen liegenden Eisenstangen durchgetreten, im linken Knie eingeknickt und unter Rumpfverdrehung hingefallen. Der linke Schuh sei dabei in darunter liegenden Haltestangen arretiert gewesen, wodurch er den Unterschenkel nicht habe mitdrehen können. Das linke Knie sei sofort dick geschwollen, Arbeitskollegen hätten ihm aufgeholfen, auf sie gestützt sei er zum Polier gehumpelt und habe den Unfall gemeldet. Von einem Kollegen sei er zunächst nach Hause und dann weiter zum Arzt gefahren worden.

Die Unfallversicherungsakte ist nicht mehr vollständig erhalten. Der Kläger gibt an, er habe nach dem Unfall Verletztengeld erhalten. Zur Frage, ob die Behandlung ab dem 12.05.1986 Unfallfolge sei, holte die Beklagte damals ein Gutachten nach Aktenlage von dem Chirurgen Dr. B. vom 16.03.1987 ein. Der Sachverständige wies auf die fehlende Objektivierung des Unfallhergangs hin. Im Ergebnis war er der Meinung, dass eine Kreuzbandruptur schon vorher vorgelegen habe und durch den Befund des Außenmeniskus bewiesen sei, dass es sich hier um eine degenerative Schädigung handele. Die OP-Befunde vom 15.05.1986 und das mikroskopische Untersuchungsergebnis zeigten keinerlei Anhaltspunkte für eine frische Unfallschädigung des Kniegelenks.

Am 15.01.2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten Verletztenrente ab dem frühesten Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 21.02. 2001 teilte die Beklagte mit Bezug auf das Gutachten des Dr. B. mit, die Gewährung einer Verletztenrente komme nicht in Betracht. Der Kläger legte hierzu eine Stellungnahme seines behandelnden Orthopäden B. vor, wonach über 26 Jahre beschwerdefrei eine schwere körperliche Arbeit durchgeführt worden sei. In der feingeweblichen Untersuchung des Meniskus hätten Zeichen von Degeneration gefehlt, der Riss müsse also unmittelbar vor der Operation stattgefunden haben. Unberücksichtigt sei der Weichteilinfekt über dem linken Knie, der durch eine Bakterienstreuung genauso wie eine Hämarthrosbildung den ersten Schritt zur Gonarthrose gegeben hätte.

Der von der Beklagten als Sachverständige gehörte Orthopäde Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 25.07.2001 zu dem Ergebnis, dass vor dem Unfall bereits der Innenmeniskus entfernt worden sei, das vordere Kreuzband vollständig gefehlt habe und eine Chondrocalzinose im Außenmeniskus bestanden habe. Der Unfall habe zu einem Außenmeniskusabriss mit blutigem Gelenkserguss geführt. Zu dem Unfall habe die Instabilität des Kniegelenks beigetragen. Ein Vergleich mit dem anderen Knie zeige schlechtere Verhältnisse gleicher Art auf der anderen Seite. Auch dort sei 1961 der Innenmeniskus entfernt worden und es habe ein Kreuzbandschaden bestanden. Damit könne der derzeitige Kniegelenksschaden links nicht dem Unfall zugeordnet werden, wenn er sich bei vergleichbarer Ausgangslage besser als rechts darstelle. Der Unfall habe lediglich eine austauschbare Gelegenheitsursache gebildet.

Mit Bescheid vom 17.10.2001 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an und verweigerte die Gewährung von Verletztenrente. Für die Zeit vor dem 01.01.1997 machte sie Verjährung geltend. Als Unfallfolge erkannte sie eine folgenlos ausgeheilte Zerrung an.

Der Orthopäde B. akzeptierte die Annahme eines schon vorher fehlenden Kreuzbandes, hielt aber die Annahme eines instabilen Kniegelenks angesichts der beruflichen Tätigkeit für widerlegt. Den Hinweis auf die Entwicklung des rechten Kniegelenks hielt er für dreist und jeder Logik entbehrend. Als der Klägerbevollmächtigte von einem Bediensteten der Beklagten erfuhr, dass es bei einem Distorsionstrauma einer Fixierung des Fußes bedürfe, trug er einen solchen Sachverhalt für den Kläger vor, der den Vorgang bei Dr. L. nicht so geschildert hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Aufhebung der Bescheide der Beklagten sowie deren Verurteilung zur Gewährung einer Verletztenrente beantragt.

Das Sozialgericht hat den Chirurgen Dr. K. mit mehreren Gutachten als Sachverständigen gehört. Nach der Anamnese war der Kläger 6 1/2 Wochen nach dem Unfall wieder arbeitsfähig und hat bis zu seiner Berentung im Jahr 2000 weiter als Eisenflechter gearbeitet. Der Sachverständige geht ebenfalls von einem vorbestehenden Verlust des vorderen Kreuzbandes aus. Auch der Außenmeniskus könne nicht erst am 12.05.1986 ein- oder abgerissen sein. Gegen ein massives frisches Kniegelenksbinnentrauma spreche der feingewebliche Befund, es hätten keine Blutdurchtränkungen bestanden wie sie bei einem frischen Meniskusschaden zu erwarten seien. Der Meniskus müsse schon vorher verändert und disloziert gewesen sein. Ein postoperativer Weichteildefekt als Grund für eine Verklebung und nachfolgende Arthrose komme nur bei einem Infekt in der Gelenkshöhle in Betracht, ein solcher sei aber nicht nachgewiesen. Eine posttraumatische Gonarthrose 10 bis 15 Jahre nach Meniskusentfernung sei fast schon regelhaft. Die Annahme des behandelnden Orthopäden, es habe sich bei der Operation ein ausgeprägter blutiger Gelenkserguss gezeigt, sei irrig. Dass der Unfall zu einer Verschlimmerung des Kniegelenksvorschadens beigetragen habe, sei nicht wahrscheinlich. Seit 01.01.1997 seien keine Unfallfolgen wahrscheinlich.

Neben den früheren Einwendungen weist der behandelnde Orthopäde auf die blutige Durchtränkung des Kniegelenks hin und meint, eine frühere Schädigung des Außenmeniskus hätte zu Einklemmungen und Knorpelschäden führen müssen. Der histologische Befund müsse nicht so aussehen wie Dr. K. fordere und es habe sich eine Faserstruktur mit randständigen Ausfaserungen gezeigt.

Dr. K. weist daraufhin, dass sich ein blutiger Gelenkserguss nicht dem OP-Protokoll entnehmen lasse. Im feingeweblichen Befundbericht zum Außenmeniskus finde sich nicht der geringste Hinweis für eine frische Traumatisierung. Es handle sich ausschließlich um unfallfremde Befunde. Die Eisenfärbung sei negativ gewesen. Das Eisen im Hämoglobin der roten Blutkörperchen lagere sich beim Verfall der Erythrozyten in einem Gelenkserguss in den Gelenksgeweben ein, also auch in einem beschädigten Meniskus. Der Pathologe hätte es bei der Untersuchung 10 Tage nach der Operation gefunden, wenn es vorhanden gewesen wäre.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2003 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und sich sowohl auf die Begründung der angefochtenen Bescheide als auch die Gutachten des Dr. K. bezogen. Die Hypothesen des Orthopäden B. seien von dem Sachverständigen widerlegt worden.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger weiter Verletztenrente. Er stellt mit eigenen Erwägungen die eingeholten Gutachten in Frage. Er begehrt darüberhinaus zum erleichterten Beweis zugelassen zu werden, denn die Beklagte habe ihm zunächst Verletztengeld gezahlt und dann verschwiegen, dass sie es von der AOK zurückgefordert habe. Bei einer rechtzeitigen Information wäre es ihm möglich gewesen, den Arbeitsunfall zu beweisen.

Erstmals am 05.11.2003 hat er die hilfsweise Anhörung eines benannten Pathologen zu der Frage beantragt, ob sich aus dem histologischen Befund zweifelsfrei ergebe, dass bei dem Unfall keine frische Ruptur des Außenmeniskus erfolgt sei. Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 09.03.2004 darauf hingewiesen, dass eine weitere Beweiserhebung nicht beabsichtigt sei, Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, und darauf hingewiesen, dass bei einem Gutachten nach § 109 SGG die Beweisfragen vom Gericht gestellt und im wesentlichen der Beweisanordnung des Sozialgerichts entsprechen würden. Der Klägerbevollmächtigte hat demgegenüber ausgeführt, soweit ein Antrag nach § 109 SGG in Frage komme, werde dieser vom Antragsteller und nicht vom Gericht formuliert. Dem Gericht obliege es lediglich, zu prüfen und zu entscheiden, ob die vom Antragsteller unter Beweis gestellte Tatsache entscheidungserheblich sei oder nicht. Mit Schreiben vom 31.03.2004 hat der Senat mitgeteilt, dass es bei dem Hinweis vom 09.03.2004 bleibe und dem Klägerbevollmächtigten anheim gestellt, sich noch innerhalb der gesetzten Frist zu entscheiden. Nachdem der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt hatte, er wisse nicht, worüber eine Entscheidung getroffen werden solle, hat der Senat mit Schreiben vom 08.04.2004 seinen Standpunkt erläutert und unter anderem ausgeführt, der Kläger könne nach § 109 SGG einen Sachverständigen benennen, in der Vorschrift stehe nicht, dass er die Beweisfragen stellen könne. Der Sachverständige werde vielmehr vom Gericht beauftragt, das auch die Fragen stelle. Da der Klägerbevollmächtigte seine Antragstellung von der Beweiswürdigung durch den Senat abhängig gemacht hatte, wurde auch mitgeteilt, eine Benennung nach § 109 SGG unter bestimmten Bedingungen, Voraussetzungen oder Maßgaben sei prozessual nicht wirksam, da Prozesshandlungen grundsätzlich bedingungsfeindlich seien. Die zuvor gesetzte Frist wurde nicht verlängert.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger, vertreten durch einen weiteren Prozessbevollmächtigten, beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteien, vom frühestmöglichen Zeitpunkt an Verletztenrente zu zahlen. Hilfsweise hat er die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von dem zuvor bezeichneten Sachverständigen beantragt. Dabei sollten hilfsweise die Beweisfragen vom Gericht formuliert werden.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts München in dem vorangegangenen Klageverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.05.1986.

Das Gericht weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München als unbegründet zurück und sieht in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ein Sachverständigengutachten, auf das eine dem Kläger günstige Entscheidung gestützt werden könnte, liegt weder aus dem Verwaltungs- noch aus dem Klageverfahren vor. Soweit die Gutachtensergebnisse durch den Orthopäden B. von fachkundiger Seite in Frage gestellt worden sind, sind die betreffenden Einwendungen durch den Sachverständigen Dr. K. behandelt und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides berücksichtigt worden. Die Einwendungen im Berufungsverfahren sind von keiner medizinischen Fachkenntnis mehr getragen.

Ob die Beklagte die Einrede der Verjährung in rechtswirksamer Weise erhoben hat, ist nicht entscheidungserheblich. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kommt es auf die Verjährung nicht an, da nach allen eingeholten Sachverständigengutachten nach dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit keine zu berentenden Unfallfolgen mehr ersichtlich sind.

Der Kläger ist auch nicht zum erleichterten Beweis zuzulassen (vgl. hierzu BSG Urteil vom 27.05.1997 Az.: 2 RU 38/96). Es sind keine Gesichtspunkte für einen Beweisnotstand, eine fehlerhafte Beweiserhebung oder gar eine Beweisvereitelung durch die Beklagte erkennbar. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist von der Beklagten anerkannt. Bezüglich des Unfallhergangs ist der Sachverständige Dr. K. zugunsten des Klägers von dessen letzter Schilderung ausgegangen. Es ist nicht ersichtlich, welche Beweismittel fehlen sollten, die in der Zeit nach dem Unfall hätten beschafft werden können. Dass der Kläger bezüglich der Feststellung von Unfallfolgen und eines Anspruchs auf Verletztenrente nicht tätig geworden ist, hat die Beklagte im übrigen nicht zu verantworten.

Dem Antrag nach § 109 SGG war nicht stattzugeben. Er ist erstmals in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag in zulässiger Form gestellt worden. Seine Zulassung zu diesem Zeitpunkt hätte die Erledigung des Rechtsstreits verzögert und er ist aus grober Nachlässigkeit, nämlich sehendes Auges, nicht früher vorgebracht worden, § 109 Abs. 2 SGG.

Die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG ist Bestandteil der Beweiserhebung ebenso wie die nach § 106 SGG. Das Gericht entscheidet, ob eine medizinische Beweiserhebung überhaupt entscheidungserheblich ist und legt, sofern es diese Voraussetzungen bejaht, die zu beantwortende Beweisfrage nach seiner Einschätzung der rechtlichen Erfordernisse fest. Desgleichen hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die Beweisaufnahme möglichst umfassend und zügig erfolgt. Das Antragsrecht nach § 109 SGG erschöpft sich in der Benennung eines Sachverständigen. Weder kann der Antragsteller hiermit eine Fragestellung verbinden, die vom Gericht nicht als entscheidungserheblich angesehen wird, noch kann er sonst sich auf Teilaspekte einer medizinischen Fragestellung beschränken, mit der das Beweisthema nicht in erforderlichem Umfang abgehandelt würde. Mit der vom Antragsteller vor der mündlichen Verhandlung begehrten Fragestellung hätte nicht beantwortet werden können, ob der Unfall wahrscheinlich wesentlich zu Gesundheitsstörungen geführt hat, für die die Beklagte eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren hat. Mit der Frage, ob sich aus dem histologischen Befund zweifelsfrei ergebe, dass beim Unfall keine frische Ruptur des Außenmeniskus erfolgt sei, lässt sich schon wegen des darin zum Ausdruck kommenden Beweismaßstabes nicht einmal beurteilen, ob der Arbeitsunfall eine Ruptur des Außenmeniskus wesentlich wenigstens mitverursacht hat.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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