L 4 KR 289/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 50/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 289/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld für einen über den 30.11.2002 hinausgehenden Zeitraum.

Der 1953 geborene Kläger war seit 1972 als Sachbearbeiter für Kindergeldbewilligung beim Arbeitsamt R. beschäftigt. Im Jahre 1994 erfolgte eine Bandscheibenoperation in Höhe L5/S1. Etwa vier Jahre später erhielt er einen Herzschrittmacher. Er ist schwerbehindert nach einem GdB von 50 v.H ... Nach den Unterlagen der Beklagten traten beginnend mit dem Jahre 1997 immmer wieder längere Arbeitsunfähigkeitszeiten auf, u.a. wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden. Im Frühjahr 1998 ist eine Arbeitsunfähigkeit wegen depressiven Syndroms aufgezeichnet. Im Frühjahr und Herbst 2000 kam es zur Krankenhausbehandlung und anschließendem Heilverfahren wegen der Wirbelsäule. Vom 27.07. bis 20.08.2002 fand eine medizinische Rehabilitation zu Lasten der BfA statt. Zwar wurde dort bei der Entlassung Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, jedoch auf längere Sicht die Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit für möglich erachtet. Der Kläger wurde unmittelbar danach in die Orthopädischen Klinik R. aufgenommen und dort bis 10.09.2002 konventionell behandelt. Eine Operation wurde nicht für notwendig erachtet. Auf Grund der sich daran anschließenden Arbeitsunfähigkeit kam es zur Begutachtung nach Lage der Akten durch Dr.B. vom MDK am 26.11.2002. Dieser kam nach Rücksprache mit dem behandelnden Hausarzt Dr.H. zu dem Ergebnis, dass ab 01.12.2002 dem Kläger die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit zumutbar sei. Dr.H. hatte am 25.11.2002 noch das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bis 13.12.2002 bescheinigt. Entsprechend den MDK-Feststellungen beschied die Beklagte den Kläger am 27.11. 2002 dahin, die Krankengeldzahlung mit dem 30.11.2002 einzustellen.

Der Orthopäde Dr.B. (nicht identisch dem Arzt des MDK) berichtete am 12.11.2002 dem Hausarzt Dr.H. von den bei der Untersuchung am 11.10.2000 geklagten Rückenschmerzen des Klägers und unterbreitete verschiedene konventionelle Therapievorschläge. Damit begründete der Kläger seinen Widerspruch gegen die Einstellung der Krankengeldzahlung, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2003 zurückwies, weil die Behandlungsbedürftigkeit noch nicht Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehe.

Hiergegen ließ der Kläger am 14.02.2003 Klage beim Sozialgericht Regensburg erheben, weil er weiterhin durchgehend arbeitsunfähig sei.

Am 17.04.2003 schätzte Dr.H. den Kläger durchgehend als arbeitsunfähig ein, einem geordneten Berufsleben könne der Kläger wohl nicht mehr nachgehen. Nach Einholung von Auskünften der behandelnden Ärzte und nach mündlicher Verhandlung am 24.10.2003 wies das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tage die Klage ab. Dazu führte es in den Urteilsgründen aus, es könne nicht unbeachtet bleiben, dass die Ärzte, die das fortgesetzte Bestehen von Arbeitsunfähigkeit beschrieben, diese gleichwohl nicht förmlich bescheinigt hätten. Die möglicherweise notwendige Behandlungen beim Kläger bedinge keine Unfähigkeit, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit zu verrichten, hier überzeuge das Gutachten des MDK.

Mit der dagegen eingelegte Berufung vom 16.12.2003 lässt der Kläger vortragen, dass sein Hausarzt eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe.

Dazu bezieht er sich auf ein Attest von Dr.H. vom 20.01. 2004, worin dieser erneut die Berentung des Klägers befürwortet. Die BfA, die im November 2002 noch die Durchführung eines weiteren Heilverfahrens abgelehnt hatte, bewilligte dem Kläger Anfang 2004 die Durchführung von stationärer medizinischer Rehabilitation. Der MDK, mit dem im Laufe des Verfahrens eingeholten weiteren Befunden konfrontiert, kam in seiner Stellungnahme vom 07.04. 2004 zu keinem anderen Ergebnis, zumal keiner der behandelnden Ärzte eine förmliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hätte. In den vom Senat eingeholten Gutachten nach Lage der Akten der zur Sachverständigen bestellten Sozialmedizinerin T. ist dargestellt, dass die meßbar neurologischen Befunde die Schmerzsymptomatik nicht zu begründen vermögen. Die Sachverständige teilt - auch auf neuerlichen Vorhalt des Klägers - die Auffassung des MDK über die Wiedergewinnung der Leistungsfähigkeit zur Berufsausübung zu Beginn des Monats Dezember 2002.

Nach Angaben des Klägers ist sein Arbeitsverhältnis am 31.08. 2004 einvernehmlich beendet worden. Anschließend habe der Arbeitgeber Übergangsgeld nach § 62 Manteltarifvertrag bis Jahresende bezahlt. Seit 01.01.2005 beziehe er Arbeitslosengeld als Leistungsgeminderter nach § 125 SGB III.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.10.2003 und den zu Grunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 27.11. 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01. 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Krankengeld über den 30.11.2002 hinaus weiter zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 SGG) der Kläger hat seinen Anspruch nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Er schätzt sich jedoch durchgehend arbeitsunfähig ein, so dass mit der begehrten Dauer des Krankengeldes auch der Beschwerdewert des § 144 Abs.1 SGG erreicht ist. In der Sache selbst ist die Berufung jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch richten sich nach §§ 44 ff. SGB V. Von den dort aufgelisteten Möglichkeiten kommt hier allein die erste Variante des § 44 Abs.1 SGB V in Betracht, wonach der Anspruch auf Krankengeld dann besteht, wenn eine Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Ergänzt wird die Vorschrift durch § 46 Abs.1 Nr.2 SGB V, wonach der Krankengeldanspruch nur aufgrund ärztlicher Feststellung entsteht, wobei diese Feststellung - um ein Ruhen des Anspruchs auszuschließen - der Krankenkasse rechtzeitig gemeldet werden muss (§ 49 Abs.1 Nr.5 SGB V). Nach Aktenlage liegt bis 13.12.2002 eine ärztliche Feststellung und ihre Meldung vor. Für die Zeit danach fehlt es zwar an einer förmlichen AU-Feststellung auf dem dafür verbindlich vorgeschriebenen Formular. Gleichwohl liegt die eindeutige Bekundung des Hausarztes in der Auskunft gegenüber dem Sozialgericht vom 17.04.2003 vor, wonach die Arbeitsunfähigkeit fortbestanden habe bzw. der Kläger von seinem gesamten Erscheinungsbild her für eine Berufstätigkeit nicht mehr in Betracht komme. Andererseits hat Dr.H. unterlassen, seiner später geäußerten Meinung über den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem MDK durch Antrag auf Einholung eines Zweitgutachtens Nachdruck zu verleihen. Diese Nichteinhaltung der Formalie durch den Vertragsarzt darf aber nicht zu Lasten des Versicherten gehen, wenn feststeht, dass tatsächlich Arbeitsunfähigkeit vorliegt, die Beklagte aber - wie hier - zu erkennen gegeben hat, diese nicht akzeptieren zu wollen (vgl. BSG vom 08.02.2000 - SozR 3-2500 § 49 Nr.4). Im Fall des Klägers scheitert der Krankengeldanspruch bereits am Nachweis des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit über den 30.11.2002 hinaus. Denn das oben geschilderte Erfordernis der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Abs.1 Nr.2 SGB V geht nämlich nicht soweit, daraus auch eine Bindung der Krankenkasse an eine derartige Feststellung zu begründen, wie das auch vom Sozialgericht zu Recht unter Hinweis auf § 275 Abs.1 Nr.3 SGB V betont wird. Was unter Arbeitsunfähigkeit zu verstehen ist, definiert das Gesetz selbst nicht. Nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG vom 09.12.1998 - BSGE 61, 66) und den neuen Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien vom 01.12.2003 - BAnZ Nr.61 S.6501 ist sie dann anzunehmen, wenn ein Versicherter aufgrund von Krankheit gehindert ist, seinem zuletzt ausgeübten Beruf oder einem gleichwertigen weiterhin nachzugehen. Da der Kläger während der streitigen Zeit einen Arbeitsplatz inne hatte, ist seine Fertigkeit zur Arbeitsverrichtung nur an diesem zu messen. Es handelt sich nach der Arbeitgeberauskunft vom 25.10. 2002 um einen typischen Büroarbeitsplatz in einer Behörde. Das heißt, es bestehen für einen schwerbehinderten Bediensteten Möglichkeiten der entsprechenden Gestaltung des Arbeitsplatzes z.B. durch besondere Anpassung der Sitzgelegenheit wie auch der Gelegenheit, zwischen einzelnen Arbeitsgängen aufzustehen und sich zu bewegen (vgl. auch § 14 SchwerbehG in der bis 30.06.2001 geltenden Fassung, jetzt § 81 Abs. 4 SGB IX. Was sich an objektiven Fakten zusammentragen lässt, sowie es auch von der Sachverständigen in ihrem Gutachten geschehen ist, führt nicht zu der Annahme der objektiven Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, im Dezember 2002 oder später die zugewiesenen Büroarbeiten zu verrichten. Dabei ist sich der Senat der Unzulänglichkeit bewusst, im Nachhinein über die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers in einer mehr als zwei Jahre zurückliegenden Zeit zu urteilen. Besonders schwierig gestaltet sich das im vorliegenden Fall deshalb, weil der Kläger Krankheitserscheinungen vorträgt, die nicht objektivierbar sind. Für die behaupteten Schmerzen fehlt es an nachweislichen Befunden. Dass ohne solche Nachweise heftige, die Arbeitskraft ernsthaft beeinträchtigende Schmerzerscheinungen bei einem Menschen auftreten können, ist unbestritten. Jedoch kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger mehr als ein halbes Jahr sich schonen konnte und seine Beschwerden dauernd behandelt wurden, wobei von keinem der behandelnden Ärzte eine Indikation für eine Operation an der Wirbelsäule gesehen wird. Daher leuchtet die Einschätzung ein, die sich im Abschlussbericht der Rehaklinik N. , Bad F. vom August 2002 findet. Hier war der Kläger stationär umfassend behandelt und beobachtet worden und grundsätzlich die Fähigkeit zur Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit festgestellt worden. Allerdings lag momentane Arbeitsunfähigkeit vor, die dazu führte, den Kläger direkt in das R. Krankenhaus zu verlegen. Der von dort anschließend abgegebene Behandlungsbericht lässt ebenfalls objektive Befunde für die geklagten Schmerzen weitgehend vermissen. Von daher ist - wie auch die Sachverständige im Ergebnis feststellt -, kein Abweichen von der Prognose hinsichtlich der Wiedergewinnung der Arbeitsfähigkeit des vorausgehenden Heilverfahrens erkennbar. Dem entspricht, dass die Beklagte noch eine zeitlang nach der Entlassung aus dem Krankenhaus die Arbeitsunfähigkeit anerkannt hat und erst mit Beginn des Monats Dezember die Arbeitsfähigkeit als wiederhergestellt ansieht. Die Stimmungslage des Klägers ist in der nämlichen Zeit aus psychiatrischer Sicht als depressiv beschrieben. Auch in R. war eine entsprechende Therapie (psychosomatische Behandlung) nach der dort vorgenommenen stationären Behandlung vorgeschlagen worden. Dass sich daraus zugleich das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit ergibt, ist keine notwendige Folge. Wenn Dr.H. die beharrliche Weigerung des Klägers, sich wieder in das regelmäßige Arbeitsleben einzufügen, mit seinen Attesten unterstützt, ist diese fürsorgliche Maßnahme ebenfalls nicht geeignet, das Fehlen von ausreichenden Befunden zu ersetzen. Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG). Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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