L 8 AL 370/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 1013/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 370/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. August 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 08.05.2001 streitig.

Der 1943 geborene Kläger, der vom 25.09.1971 bis 31.08.1998 als Gebäudewart bei der T. Stahl AG beschäftigt gewesen war, bezog ab 10.09.1998 Arbeitslosengeld (Alg), zuletzt in Höhe von 442,40 DM wöchentlich. Am 09.03.2001 beantragte er die Bewilligung von Alhi. Seine Ehefrau bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 1.400,17 DM netto. Der Kläger selbst hatte bei der Stadtsparkasse D. einen Sparkassenbrief mit Auszahlungsplan (S-Renta-Plan). Er erhielt für das von ihm eingesetzte, mit 4,4 % verzinste Kapital von 50.000,00 DM aus einer Abfindung der Firma T. AG seit dem 12.10.1998 800,00 DM und ab dem 01.05.2001 1.047,00 DM monatlich augezahlt. Laufzeitende des unkündbaren Vertrages war der 12.10. 2003. Über das noch verbleibende Restguthaben konnte der Kläger verfügen.

Mit Bescheid vom 25.05.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 08.05.2001 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 1.008,78 DM. Die monatliche Auszahlungsrate rechnete sie als Einkommen mit wöchentlich 241,62 DM sowie das Einkommen der Ehefrau mit wöchentlich 13,27 DM an.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er vertrete die Auffassung, dass die abzusetzenden wöchentlichen Anrechnungsbeträge durch die Beklagte falsch ermittelt worden seien. Bei dem zur Verfügung stehenden Bankguthaben, eine Kopie des Renta-Plan der Stadtsparkasse D. vom 14.09.1998 sei beigefügt, handle es sich um einen Geldbetrag, der aufgrund des Sozialplanes der Firma T. ihm zur Verfügung gestellt worden sei. Dieser Betrag sei nicht bzw. nicht in voller Höhe in Ansatz zu bringen, so dass der Bescheid falsch und rechtswidrig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei dem Einkommen des Klägers (monatliche Zahlungen aus dem Renta-Plan) handle es sich um kein privilegiertes Einkommen im Sinne der Bestimmungen zur Alhi.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, bei der Berücksichtigung seines eigenen Einkommens habe die Beklagte rechtswidrig die Leistungen aus dem Sozialplan herangezogen. Bei diesen Leistungen handle es sich jedoch nicht um anrechenbares Einkommen. Dieser Betrag werde geleistet für den Verlust des Arbeitsplatzes und sei nach der bisherigen Rechtsprechung und Gesetzeslage nicht anrechenbar. Er sei auch mit dem von der Beklagten errechneten Alhi-Betrag nicht in der Lage, seine Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Er habe bereits beim Sozialamt vorgesprochen und um Unterstützung gebeten.

Im Termin der mündlichen Verhandlung am 08.08.2003 hat der Kläger erklärt, von der Firma T. AG 50.000,00 DM erhalten zu haben.

Mit Urteil vom 08.08.2003 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Abfindung aus dem Sozialplan der Firma T. AG in Höhe von 50.000,00 DM in einen unkündbaren, mit 4,4 % verzinsten Sparkassenbrief angelegt, der eine monatliche Auszahlung ab dem 01.05.2001 in Höhe von 1.047,00 DM vorsehe. Da dieser Vertrag nicht kündbar sei, habe er sein Vermögen verwertet. Er besitze somit kein Vermögen mehr, das unter Berücksichtigung der §§ 193 Abs.2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), 6, 7 Abs.1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) zum Ruhen des Anspruchs nach § 9 Alhi-Vo führen könnte. Er erhalte stattdessen ein monatliches Einkommen. Einkommen im Sinne der Vorschriften der Alhi seien nach § 194 Abs.2 SGB III alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Diesen Merkmalen würden die monatlichen Beträge, die der Kläger im Bezugszeitraum der Alhi von der Sparkasse D. nach dem Auszahlungsplan zu erhalten habe, entsprechen. Sie seien zu berücksichtigen, weil nach § 194 Abs.2 SGB III auch Leistungen, die der Arbeitslose von Dritten erhalte oder beanspruchen könne, zum Einkommen zu zählen seien. Anhaltspunkte für Abzüge, die nach § 194 Abs.2 Satz 2 SGB III zu berücksichtigen seien, würden nicht bestehen und würden vom Kläger nicht geltend gemacht werden. Auch § 194 Abs.3 Nr.1 SGB III greife zugunsten des Klägers nicht ein. Dieser Ausnahmetatbestand erfasse nicht den Renta-Plan, weil die Raten auch dann gezahlt würden, wenn der Kläger wieder eine Beschäftigung gefunden habe. Es fehle an der erforderlichen Zweckbindung. Das Einkommen des Klägers sei daher in Höhe von 241,62 DM wöchentlich (1.047,00 DM x 3 Monate: 13 Wochen) anrechenbar. Anrechenbar sei auch das Einkommen der Ehefrau nach § 194 Abs.1 Nr.2 SGB III, soweit es den Freibetrag übersteige. Freibetrag sei ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspreche, mindestens aber in Höhe des Betrages bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32a Abs.1 Satz 2 Nr.1 des Einkommenssteuergesetzes). Vom Einkommen der Ehefrau in Höhe von 1.400,17 DM netto bzw. 323,12 DM wöchentlich (1.400,17 DM x 3 Monate: 13 Wochen) sei der Mindestfreibetrag von 271,02 DM wöchentlich abzuziehen, weil die der Ehefrau zustehende Alhi 110,46 DM (Bemessungsentgelt: 350,00 DM; Leistungsgruppe D) betrage, sowie die geltend gemachten Werbungskosten von 38,83 DM wöchentlich (Krankenversicherung: 86,84 DM monatlich; Unfallversicherung: 53,70 DM monatlich; Haftpflichtversicherung: 17,40 DM monatlich; Hausratversicherung: 11,20 DM monatlich). Es ergebe sich somit ein wöchentlicher Anrechnungsbetrag von insgesamt 254,83 DM (241,62 DM und 13,27 DM). Dem Kläger stehe ab 08.05.2001 ein wöchentlicher Leistungssatz von 108,78 DM (Bemessungsentgelt: 900,00 DM; Leistungsgruppe D, Leistungssatz: 363,65 DM - 254,89 DM) zu. Somit seien die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass die Vermögensanlage, die er in der Form gewählt habe, dass er der Sparkasse D. den Gesamtbetrag von 50.000 DM übergeben habe, gegen Auszahlung einer monatlichen Summe, anders zu behandeln sein solle, als wenn er dieses Geld auf seinem Konto gelassen hätte und selbst monatlich einen Betrag abgehoben hätte, sei nicht einsehbar und letztlich willkürlich. Denn im letzteren Fall handle es sich bei dem Geldbetrag wohl unstreitig um einen Vermögenswert. Dieses Vermögen sei aber privilegiert, so dass nur ein Teil zur Anrechnung kommen könnte. Wenn das SG vorliegend an den Renta-Plan anknüpfe und argumentiere, es sei kein Vermögen mehr, weil der Abschluss unkündbar vereinbart worden sei, so sei dies willkürlich. Denn vorliegend sei dies nur deshalb so vereinbart worden, weil der vormalige Arbeitgeber die Auszahlung im Rahmen des Sozialplans derart angelegt habe wissen wollen, dass der entlassene Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum, nämlich genau die fünf Jahre bis zur Verrentung, abgesichert sei und nicht das gesamte Geld in kurzer Zeit verschwende. Wäre er ohne den Erhalt dieser Abfindungssumme von seinem Arbeitgeber entlassen worden, und hätte er das Geld aus dem Verkauf eines teuren Sportwagens erwirtschaftet, so dass er nicht an eine solche Abrede der Unwiderruflichkeit der Geldanlage gebunden gewesen wäre, weil er selbst die Konditionen aber aushandeln können, so wäre nach Ansicht des SG diese Summe privilegiert gewesen. Warum aber das Geld aus dem Sportwagenverkauf gegenüber einer als Abfindung gezahlten Summe des Arbeitgebers an den entlassenen Arbeitnehmer privilegiert sein solle, sei nicht einsehbar, willkürlich und widerspreche jedem Rechtsempfinden.

Um klären zu können, ob der Kläger jemals frei über das Guthaben von 50.000,00 DM hat verfügen können und ob er von Anfang an keinen Einfluss auf die Anlageform gehabt habe, weil diese nach dem T.-Sozialplan als unkündbare Anlageform vorgeschrieben worden sei, forderte das Gericht von der Fimra T.-AG die erforderlichen Unterlagen (Betriebsvereinbarung vom 05.02.1996, Eckpunkte der Austrittsregelung für Mitarbeiter des Jahrgangs 1943, Sozialplan vom 17.11.1995 und Protokollnotiz vom Sozialplan vom 17.11.1995) an.

Der Kläger trägt hierzu vor, aus Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung ergebe sich, wie die Ausgleichsforderung, die auch ihm zugute gekommen sei, sich errechne und weiterhin, dass eine Anrechnung der fiktiven Leistungen für Alg oder Alhi nicht habe erfolgen sollen. Aus diesem Gesichtspunkt gehe hervor, dass die damaligen Parteien der Betriebsvereinbarung davon ausgegangen seien, dass den Arbeitnehmern die Alhi auch gewährt werde. Jedenfalls nicht geregelt sei, dies auch nicht im Sozialplan, dass die Arbeitnehmer verpflichtet gewesen wären, die Auszahlungssumme fest und bindend mit einem entsprechenden Auszahlungsplan anzulegen. Damit ergebe sich andererseits, dass entsprechend seiner Argumentation kein Einkommen vorliege. Die Auszahlungen bzw. die dahinterstehende Summe sei daher als Vermögen zu qualifizieren und nicht im Sinne einer monatlichen Einkunft.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.08.2003 und des Bescheides vom 25.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2001 zu verurteilen, ihm höhere Arbeitslosenhilfe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass das SG zutreffend darauf hingewiesen habe, dass durch die Anlageform zum Zeitpunkt der Erschöpfung des Anspruchs auf Alg und damit grundsätzlich des ab 08.05.2001 beginnenden Anspruchszeitraums auf Alhi ein Zugriff auf "Vermögen" vor Ablauf der Festverzinsungszeit von fünf Jahren nicht möglich gewesen wäre. Deshalb sei eine Verwertung als Vermögen gemäß § 193 Abs.2 SGB III und den §§ 6, 7 der Alhi-VO, das gegebenenfalls ab 08.05.2001 zu einem "Ruhen" des Anspruchs gemäß § 9 Alhi-VO hätte führen können, nicht möglich. Der Kläger erziele aus der von ihm gewählten Anlageform tatsächlich monatliche Einkünfte. Diese seien als eigenes Vermögen auf seinen Alhi-Anspruch anzurechnen. Privilegiertes Einkommen nach § 194 Abs.3 SGB III habe der Kläger nicht. Nach der Intention des Gesetzgebers seien auf die Alhi jegliche Einkünfte in Geld oder Geldeswert anzurechnen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG München mit Urteil vom 08.08.2003 die Klage abgewiesen, da der Bescheid vom 15.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2001 nicht zu beanstanden ist.

Denn dem Kläger steht eine höhere Leistung als die ihm ab 08.05.2001 bewilligte Alhi nicht zu.

Nach § 190 Abs.1 Nr.5 SGB III haben Anspruch auf Alhi Arbeitnehmer, die bedürftig sind. Bedürftig ist ein Arbeitsloser nach § 193 Abs.1 SGB III nur, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Deshalb ist Einkommen des Arbeitslosen im Bezugszeitraum nach § 194 Abs.1 SGB III zu berücksichtigen.

Der Kläger erhielt bei Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis bei der Firma T. Stahl AG zum 31.08.1998 eine Abfindung in Höhe von 50.000 DM. Dieses Vermögen legte er am 12.10.1998 durch Kauf eines Sparbriefes bei der Stadtsparkasse D. festverzinslich mit 4,4 % für die Dauer von fünf Jahren an. Aus dem Sparbriefkonto erfolgten aber auch vereinbarungsgemäß monatliche Auszahlungen, zunächst in Höhe von 800,00 DM und ab 01.05.2001 in Höhe von 1.047,00 DM. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass durch die gewählte Anlageform zum Zeitpunkt der Erschöpfung des Alg-Anspruchs und damit grundsätzlich ab dem am 08.05.2001 beginnenden Anspruchszeitraums auf Alhi ein Zugriff auf "Vermögen" vor Ablauf der Festverzinsungszeit von fünf Jahren nicht möglich gewesen sei. Deshalb war eine Verwertung als "Vermögen" gemäß § 193 Abs.2 SGB III und den §§ 6, 7 der Alhi-VO, das gegebenenfalls ab 08.05.2001 zu einem "Ruhen" des Anspruchs gemäß § 9 Alhi-VO hätte führen können, nicht möglich. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger aus der von ihm gewählten Anlageform tatsächlich monatliche Einkünfte erzielte. Diese sind als Einkommen auf seinen Alhi-Anspruch anzurechnen. Auf die Anwendung einer Freibetragsregelung im Sinne von § 7 Abs.1 Alhi-VO kommt es daher hier nicht an, denn der Kläger bestreitet seinen Lebensunterhalt mit tatsächlichem Einkommen. Privilegiertes Einkommen nach § 194 Abs.3 SGB III hat der Kläger nicht.

Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 08.08.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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