L 11 B 117/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 31/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 117/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Hilfe für Obdachlose
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16.02.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1939 geborene Antragstellerin (ASt) ist in W. gemeldet und hat dort ein Zimmer angemietet. Die Miete bezahlt ihr Betreuer aus Renteneinnahmen in Höhe von 180,82 EUR, die die ASt bezieht.

Bis zum 31.08.2004 erhielt die ASt Leistungen der Sozialhilfe von der Stadt W ... Den eigenen Angaben folgend "floh" sie "wegen ihrer Entmündigung" aus W. nach I. / Österreich. Über den dortigen Aufenthalt sind keine Einzelheiten bekannt.

Im November 2004 sprach die ASt beim Sozialreferat der Antragsgegnerin (Ag) vor und bat um Hilfe, weil sie mittellos sei.

Sie erhielt zuerst 30,00 EUR von der Bahnhofsmission in M. und dann bis zum 21.01.2005 bei mehrfachen Vorsprachen regelmäßig Bargeld von der Ag mit der Maßgabe, sich in M. anzumelden. Eine Unterbringung in einem städtischen Notquartier lehnte die ASt ab. Postsendungen sollten ihr postlagernd beim Hauptpostamt in M. zugestellt werden.

Mit einem am 27.01.2005 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenen Schreiben beantragte sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes "mindestens den für Obdachlose staatlich vorgeschriebenen Tagessatz von etwas über 9 EUR pro Tag und nicht höchstens 50 EUR pro Woche" sowie die Überweisung dieser Hilfe auf ein Konto des Klosters St.B ... Zudem sei ihr das Geld nachzuzahlen, das sie bislang nicht erhalten habe. Es läge bei ihr ein Notfall / Eilfall vor. Sie sei zu 100 % schwerbehindert und als Folteropfer existenziell bedroht.

Die Ag bot ihr eine weitere Leistungsgewährung für den Fall an, dass sie sich bei ihrem Betreuer in W. meldet oder aber ihren Wohnsitz nach M. verlegt. Ggf. erhalte sie auch eine kostenlose Fahrkarte nach W ...

Das SG München wies den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Die ASt habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit sei die Ag örtlich nicht zuständig.

Hiergegen wendet sich die ASt mit ihrer Beschwerde. Sie halte sich in der nächsten Zeit nicht mehr in M. auf. Sie sei von Erkältungs- und Lebensgefahr bedroht und kämpfe um das nackte Überleben. Ihr stünden auch Mittel aus dem sog. Opferschutzgesetz zu. Im Schreiben vom 26.03.2005, das am 05.04.2005 beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingegangen ist, ergänzt sie, sie sei obdachlos und könne nur noch bis zum 15.04.2005 in den Kellerräumen übernachten, die ihr bisher zur Verfügung standen. Sie bestehe darauf, dass der erwartete Gerichtsbeschluss ohne jegliche Verzögerung herausgegeben werde und zwar in der Woche nach Ostern. Das Betreuungsverhältnis sei zwischenzeitlich beendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG München vom 16.02.2005 ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde der ASt ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Bewilligung der geltend gemachten Leistungen der Sozialhilfe zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die ASt einen Anordnungsgrund - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und einen Anordnungsanspruch - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG i.V.m. § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Bei der hier erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu Meyer- Ladewig, SGG, 7.Auflage 2002, §86b Rdnr 40) zeigt sich, dass der ASt bereits kein Anordnungsgrund zur Seite steht. Ihr Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat mithin keinen Erfolg.

Soweit die ASt die Nachzahlung von Leistungen der Sozialhilfe aus früheren Bewilligungszeiträumen begehrt, ist ihr Antragsbegehren schon deshalb nicht eilbedürftig, weil es sich hierbei nicht um die Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs handelt. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass es insoweit an einer Passivlegitimation der Ag fehlen dürfte.

Soweit die ASt Hilfe für Obdachlose bzw. für Personen ohne ausreichende Unterkunft begehrt, und darum geht es wohl im Kern ihrer Ausführungen, kommt zwar eine Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Frage (vgl. zum Anwendungsbereich den früheren § 2 Abs 2 DV zu § 72 Bundessozialhilfegesetz -BSHG-; jetzt §§ 1, 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24.01.2001 (BGBl I S 179) zuletzt geändert durch Art 14 des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl I S 3022). Örtlich zuständig für diese Hilfe ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält (§ 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII), mithin die Ag.

Gleichwohl kann die Ag nicht zur Hilfeleistung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Unterlagen bietet die Ag der ASt die gesamt Bandbreite der möglichen Hilfeleistungen von der Unterbringung in einem städtischen Notquartier einschließlich Barmittel bis hin zu kostenfreier Rückkehr an den Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes an. Die Ag handelt dabei insbesondere auch ermessens- und interessensgerecht, wenn sie sich bei der Hilfeleistung im Hinblick auf die persönliche Situation der Ast um einen fortbestehenden persönlichen Kontakt mit ihr bemüht.

Die ASt kann vor diesem Hintergrund nicht mit Erfolg geltend machen, die Ag habe ihr die begehrten Barmittel auf ein Konto zu überweisen, weil es ihr nicht zumutbar erscheint, in ihrer Notlage persönlich bei der Ag vorzusprechen.

Für einen darüber hinausgehenden Bedarf, den die Ag aktuell zu decken hätte, bestehen keine Anhaltspunkte.

Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved