L 11 B 121/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 SO 44/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 121/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Regelsätze
Pauschalisierung von Hilfeleistungen
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 07.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Antragsteller (ASt) erhielt bis zum 31.12.2004 Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) vom 26.06.2001 (BGBl I S 1310), das gemäß Art 68 Abs 1 Nr 5 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I S 3022) mit Ablauf des 31.12.2004 aufgehoben worden ist. Zudem erhielt er im Zeitraum vom 01.09.2004 bis zum 31.12.2004 als Verpflegungsaufwendung für seine Tochter anlässlich der regulären Wochenendbesuche eine Leistung in Höhe von 1,11 EUR monatlich.

Sein Antrag im Verfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an das Verwaltungsgericht München, den Antragsgegner (Ag) zu verpflichten, die Mietzahlungen in voller Höhe zu übernehmen und ohne Begründung eingeschränkte Grundsicherungsleistungen in voller Höhe zu erbringen, blieb ohne Erfolg (vgl. Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28.12.2004 Az: M 6b E 04.4464).

Mit Bescheid vom 13.01.2005 bewilligte der Ag dem ASt für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß den am 01.01.2005 in Kraft getretenen Bestimmungen der §§ 41 ff SGB XII in Höhe von monatlich 959,90 EUR. Auf Widerspruch des ASt bewilligte der Ag mit abänderndem Bescheid vom 24.01.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 1.015,90 EUR.

Mit einem am 08.02.2005 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenen Antrag, datiert auf den 03.01.2005, begehrte der ASt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "die Pauschale auszuklammern, die Regelleistung um mindestens 20 v.H. zu erhöhen, sowie ihm die Pauschalierungsdaten auszuhändigen".

Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf den fehlgeschlagenen "Münchner Modellversuch" der Pauschalierung von Sozialhilfeleistungen, sowie auf ein nicht näher benanntes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH). Die Festlegung der Regelsätze sei willkürlich erfolgt. Er müsse zudem wissen, welche Lebensdauer für die einzelnen Verbrauchs- oder Haushaltsgegenstände zugrunde zu legen sei, damit er entsprechend ansparen könne.

Der Ag beantragte, den Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abzulehnen. Gegenüber dem bisherigen Recht seien die Leistungen der Sozialhilfe durch das SGB XII deutlich stärker als bisher pauschaliert worden. Die Höhe der Regelsätze sei durch Rechtsverordnung vorgegeben. Hieran habe er sich zu halten.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 07.03.2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es bestehe kein Anordnungsgrund i.S. des § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Hiergegen wendet sich der ASt mit seiner beim SG am 15.03.2005 eingegangenen Beschwerde. Er benötige "die Zusammensetzung der Regelsätze" für die persönliche Haushaltsplanung. Ihm werde das Umgangsrecht mit seiner Tochter nicht gewährt. Durch die Weigerung des Ag, entsprechende Kosten zu übernehmen, müsse er diese vom Regelsatz abzweigen. Zudem beantragt er die Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde des ASt ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Bewilligung von weiteren Leistungen der Sozialhilfe und zur "Aushändigung der Pauschalierungsdaten" zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Auflage 2005, Rdnr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der ASt einen Anordnungsgrund - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und einen Anordnungsanspruch - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Bei der hier erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu Meyer- Ladewig, SGG, 7.Auflage 2002, § 86b Rdnr 40) zeigt sich, dass dem ASt ein Anordnungsgrund nicht zur Seite steht.

Soweit der ASt beantragt, den Ag zu verpflichten, ihm unter Außerachtlassung des gemäß § 42 Satz 1 Nr 1 iVm § 28 SGB XII für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 maßgebenden Regelsatzes in Höhe von 341,00 EUR um 20 v.H. erhöhte Leistungen der Sozialhilfe zu bewilligen, hat er es versäumt, die Eilbedürftigkeit dieses Antragsbegehrens glaubhaft zu machen.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass sowohl die Höhe der Regelsätze, die gemäß § 5 der Verordnung zur Durchführung des § 28 des SGB XII (Regelsatzverordnung -RSV-) vom 03.06.2004 (BGBl I S 1067) auf der Grundlage der Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zum 01.01.2005 erstmals festgestellt worden sind, ebenso wie deren maßgebliche Bemessungskriterien (§ 28 Abs 3, 4 SGB XII) teilweise kritisiert werden (vgl. dazu etwa Spindler, Die neue Regelsatzverordnung - Das Existenzminimum stirbt in Prozentschritten, info also 2004, 147). Es trifft aber nicht zu, was der ASt behauptet, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) "die Pauschalierung in der Sozialhilfe für nichtig erklärt hat" und deshalb die vom Ag herangezogenen Regelsätze nicht mehr Grundlage der Berechnung der Leistungen der Sozialhilfe sein können. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 25.11.2004 SAR 2005, 26, das Münchner Modellprojekt der Pauschalierung einmaliger Sozialhilfeleistungen betreffend, lediglich die Art und Weise der Bekanntgabe der Ausführungsbestimmungen durch den Träger der Sozialhilfe beanstandet. Diese Ausführungsbestimmungen stützten sich auf den früheren § 101a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und auf die Verordnung der Bayer. Staatsregierung zur Durchführung von Modellvorhaben zur Pauschalierung der Sozialhilfe vom 10.01.2000 -PauschVO- (GVBl S 21). Die Zulässigkeit der Pauschalierung von Leistungen der Sozialhilfe selbst hat das BVerwG an keiner Stelle in Frage gestellt. Der BGH, auch dessen Rechtsprechung führt der ASt an, stellt in seiner Entscheidung vom 06.02.2002 BGHZ 150, 12 = NJW 2002, 1269 fest, dass die pauschalierenden Sätze der Sozialhilfe den sozialhilferechtlich anerkannten Bedarf decken und "nach dem Verständnis des Sozialstaates und des Sozialrechts das Existenzminimum zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins sichern".

Nachdem der Ag als Teil der vollziehenden Gewalt an die Gesetze gebunden ist, Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlagen für die Pauschalierung der Sozialhilfeleistungen sich im hier vorliegenden Eilverfahren nicht zeigen und der ASt keine unabwendbare existenzielle Notlage im Einzelfall i.S. der oben zitierten Rechtsprechung des BVerfG geltend gemacht hat, besteht jedenfalls keine Eilbedürftigkeit dafür, dem ASt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Sozialhilfe zuzusprechen, die über die ansonsten zutreffend berechneten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, zuzüglich eines Mehrbedarfs gemäß § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII in Höhe von 17 v.H. des Regelsatzes und eines weiteren Mehrbedarfs für Krankenkost in Höhe von monatlich 56,00 EUR, die der Ag im Bescheid vom 24.01.2005 bereits bewilligt hat, hinausgehen. Die Frage nach dem Umfang der Gerichtskontrolle von Pauschalleistungen für den Regelbedarf (vgl. dazu Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, S 726 ff) stellt sich mithin nicht.

Das betrifft insbesondere auch die Kosten, die der ASt im Hinblick auf die Besuche seiner Tochter in seiner Beschwerdeschrift vom 12.03.2005 geltend macht. Die Kosten, die dem ASt hierduch entstehen, sind durch den Regelsatz abgedeckt. Es handelt sich hier weder um Mehrbedarfe entsprechend § 30 SGB XII, noch um die Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen nach § 34 SGB XII, die gemäß § 42 Satz 1 Nrn 3, 5 SGB XII zu übernehmen wären. Ggf. kann der ASt Leistungen als ergänzendes Darlehen gemäß § 42 Satz 2, § 37 SGB XII in Anspruch nehmen. Sollten der Tochter des ASt Kosten entstehen, so kann der ASt diese im hier vorliegenden Eilverfahren nicht geltend machen. Letztlich bleibt, weil der ASt in diesem Zusammenhang auf seine Schwerbehinderung verweist, festzuhalten, dass ein entsprechender Mehrbedarf bei der ihm gewährten Leistung bereits berücksichtigt ist.

Aber auch soweit der Ast vom Ag begehrt, ihm "die Pauschalierungsdaten auszuhändigen", besteht keine Eilbedürftigkeit im o.g. Sinne. Es trifft zu, wenn der ASt darauf hinweist, dass mit In-Kraft-Treten des SGB XII eine Neukonzeption der Regelsätze einhergeht. Diese umfassen seit dem 01.01.2005 den gesamten Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme der im Einzelnen aufgezählten einmaligen, Mehr- und Sonderbedarfe. Über den bisherigen Umfang hinaus sind also auch Leistungen für Haushaltsgeräte, Kleidung usw. in die Regelsätze einbezogen worden. Damit will der Gesetzgeber neben einer Verwaltungsvereinfachung auch die Selbstverantwortung des Leistungsberechtigten stärken, dem es seit dem 01.01.2005 obliegt, einen Teil der monatlichen Leistungen anzusparen, um bei entstehendem Bedarf auch größere Anschaffungen zu tätigen (vgl. hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BüNDNIS 90/DIE GRüNEN vom 05.09.2003 BT-Drs 15/1514 S 59). Da der Zeitpunkt der Neuanschaffung von Haushaltsgeräten, Kleidung usw. in erster Linie vom Alter, der Qualität und vom Nutzungsgrad der vorhandenen Ge- und Verbrauchsgegenstände abhängt, konnte der ASt mit seinem bloßen Hinweis, "ein blindes Pauschalieren sei ihm nicht zumutbar", eine Eilbedürftigkeit im o.g. Sinne nicht geltend machen. Es soll ihm nach dem Willen des Gesetzgebers als mündigen und selbstverantwortlichen Bürger, wie anderen Beziehern von Einkommen auch, überlassen bleiben, wie er mit den ihm zur Verfügung stehenden Barmitteln wirtschaftet. Es obliegt seit dem 01.01.2005 seiner Entscheidungsfreiheit, ob er im Hinblick auf zukünftig notwendig werdende Neuanschaffungen anfänglich mehr oder weniger spart oder aber sich später auf eine darlehensweise Hilfe gemäß § 42 Satz 2 SGB XII verlässt. Der ASt hat bislang nicht glaubhaft gemacht, dass er zu einem solchen eigenverantwortlichen Umgang mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Sozialhilfe aktuell nicht im Stande wäre.

Nach alledem kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt nicht in Betracht.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist abzulehnen.

Aus den oben unter Nr.1. angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das der ASt PKH beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgaussicht i.S. des § 73a SGG iVm § 114 ff ZPO hatte.

Auf die Frage der Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es nach alledem nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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