L 2 RA 170/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 399/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 170/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte den Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995, mit dem sie die im Zeitraum vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 erzielten Arbeitsentgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) begrenzt hat, nicht für die Zeit vom 01. Juli 1993 bis 31. Dezember 1996 hinsichtlich dieser Begrenzung zurücknimmt.

Der im ... 1927 geborene Kläger war vom 26. Oktober 1949 bis 31. Dezember 1951 bei der Volkspolizei und ab 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 bei der kasernierten Volkspolizei bzw. der Nationalen Volksarmee (NVA), zunächst als Leutnant und zuletzt als Oberstleutnant, tätig.

Mit Bescheid vom 09. Januar 1995 stellte das Wehrbereichsgebührnisamt VII die Zeit vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Nationalen Volksarmee fest und begrenzte gleichzeitig die bescheinigten Arbeitsentgelte nach Anlage 5 AAÜG. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Wehrbereichsverwaltung VII mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 1995 zurück.

Die dagegen am 27. März 1995 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 9 (8,6) R 87/95 eingetragen wurde, nahm der Kläger im Erörterungstermin am 11. Dezember 1996 zurück. Er behielt sich vor, nach den Entscheidungen der Obergerichte (Bundessozialgericht - BSG - , Bundesverfassungsgericht - BVerfG - ) gegebenenfalls einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu stellen.

Mit Bescheid vom 12. März 1997 verfügte das Wehrbereichsgebührnisamt VII mit Wirkung für die Zeit nach dem 31. Dezember 1996 die Aufhebung der Begrenzung der für den Zeitraum vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 erzielten Arbeitsentgelte. Zugleich teilte es die für diese Jahre maßgeblichen Werte nach Anlage 3 zum AAÜG (Beitragsbemessungsgrenze) mit.

Am 10. August 2000 stellte der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) den unter dem Aktenzeichen S 6 RA 220/00 registrierten "Antrag auf Wiedereinsetzung" seiner Klage in den Stand vom 21. März 1995. In der mündlichen Verhandlung am 08. Dezember 2000 nahm er diesen Antrag (Klage) zurück. Gleichzeitig beantragte er bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 lehnte die Wehrbereichsverwaltung VII die Rücknahme des Bescheides vom 09. Januar 1995 nach § 44 SGB X ab, da dieser Bescheid am 28. April 1999, dem Tag der Verkündung der Entscheidung des BVerfG, bereits bestandskräftig gewesen sei.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe seine Klage gegen diesen Bescheid in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht auf Anraten der Vorsitzenden für eine Überprüfung nach § 44 SGB X im Vertrauen auf die Rechtsprechung zurückgenommen und dies auch seinerzeit deutlich gemacht. Die Beklagte müsse seinen speziellen Fall berücksichtigen. Jetzt stelle sich die Situation so dar, dass jene Kläger, die ihre Verfahren zum Ruhen gebracht hätten, eine Rentennachzahlung erhielten, während die Kläger, die, wie er, im Vertrauen auf eine gerechte Rechtsprechung und Entscheidung durch den Gesetzgeber ihre Klagen im Hinblick auf § 44 SGB X zurückgenommen hätten, diese Nachzahlung nicht erhielten. Damit verstoße der Gesetzgeber erneut gegen Art. 3 und 14 Grundgesetz (GG) sowie gegen § 44 SGB X.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Dezember 2001 wies die Wehrbereichsverwaltung VII den Widerspruch zurück: § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 trete nach Art. 11 und 13 Abs. 7 Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (Zweites AAÜG-Änderungsgesetz - 2. AAÜG-ÄndG vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939)) nur dann mit Wirkung vom 01. Juli 1993 in Kraft, wenn der maßgebende Bescheid am 28. April 1999 noch nicht bestandskräftig gewesen sei. Mit der Klagerücknahme am 11. Dezember 1996 sei jedoch der Bescheid vom 09. Januar 1995 bestandskräftig geworden.

Dagegen hat der Kläger am 14. Dezember 2001 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.

Mit Urteil vom 24. April 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Gesetzgeber habe mit Art. 11 i. V. m. Art. 13 Nr. 7 2. AAÜG-ÄndG gegenüber § 44 SGB X insoweit eine Sondervorschrift geschaffen, als hiernach bestandskräftige Bescheide nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 30. April 1999 zurückgenommen werden könnten. Mit der am 11. Dezember 1996 erfolgten Klagerücknahme sei der Bescheid vom 09. Januar 1995 in Bestandskraft erwachsen, so dass eine Rücknahme für die Zeit vor dem 01. Mai 1999 nicht mehr in Betracht komme.

Gegen das ihm am 04. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Juli 2002 eingelegte Berufung des Klägers.

Er verweist auf das Urteil des BSG vom 20. Dezember 2001 (B 4 RA 6/01 R) und trägt im Übrigen vor, die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 01. November 2001 ihre Entscheidung, seinen Antrag auf Überprüfung abzulehnen, selbst ausgehebelt. Dort werde formuliert: "Ihr Widerspruch sowie ihre Entgeltakte/Rentenakte liegen mir zur Abhilfeprüfung vor. Leider wird die Bearbeitung des Vorgangs noch eine geraume Zeit in Anspruch nehmen. Ich bitte sie daher um Verständnis und Geduld ...". Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte an ihrer ursprünglichen Entscheidung nicht mehr festhalten wolle. Zudem werde die Rechtsprechung des BSG nicht beachtet, die § 44 SGB X den Vorrang vor dem Grundsatz bestandskräftiger Bescheide einräume. Stelle das BVerfG fest, dass eine gesetzliche Regelung mit dem GG unvereinbar sei, so sei der Gesetzgeber bei einer Neuregelung gehalten, auch für die Vergangenheit eine den Grundsätzen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes entsprechende Regelung zu erlassen (Hinweis auf BVerfGE 55, 100 = SozR 2600 § 60 Nr. 2). Mit dem 2. AAÜG-ÄndG werde weder Rechtsfrieden geschaffen, noch den Vorgaben des BVerfG nach einer wesentlichen Korrektur Rechnung getragen. Nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung gelte der Grundsatz, wonach der Arbeitsverdienst bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen sei, auch für ihn. Es sei schon kurios, dass die Richterin, die ihm seinerzeit den Weg des § 44 SGB X gewiesen habe, nunmehr seine darauf gerichtete Klage abweise.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. April 2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Dezember 2001 zu verpflichten, den Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 zurückzunehmen und seine im Zeitraum vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 erzielten Arbeitsentgelte auch für die Zeit vom 01. Juli 1993 bis 31. Dezember 1996 ohne Begrenzung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der mit den Aktenzeichen S 9 (8,6) R 87/95 und S 6 RA 220/00) und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz des Ausbleibens des Klägers im Termin verhandeln und entscheiden können, weil in der Terminsmitteilung auf diese Rechtsfolge eines Ausbleibens nach § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Dezember 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 zurücknimmt und für die Zeit vom 01. Juli 1993 bis 31. Dezember 1996 die von ihm im Zeitraum vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 erzielten Arbeitsentgelte ohne Begrenzung feststellt.

Als einzige Anspruchsgrundlage kommt § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X in Betracht. Danach gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe mit Schreiben vom 01. November 2001 den Bescheid vom 09. Januar 1995 bereits zurückgenommen bzw. eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X dahingehend erteilt, diesen Bescheid zurückzunehmen, irrt er. Das genannte Schreiben lässt auch nicht andeutungsweise erkennen, dass eine und insbesondere welche Verfügung getroffen wurde. Es beschränkt sich allein auf die Mitteilung, dass die genannten Akten zur Abhilfeprüfung, also zur Prüfung, ob und in welchem Umfang eine Abhilfe in Betracht kommt, vorliegen. Das Ergebnis dieser Abhilfeprüfung wird hingegen nicht verlautbart.

Soweit § 44 Abs. 1 oder 2 SGB X für die Zeit vor dem 01. Mai 1999 Anwendung findet, liegen dessen Voraussetzungen nicht vor. Der Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 entspricht dem anzuwendenden § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl. I S. 1038). Im Übrigen, soweit also der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Begrenzung geltend macht, ist die Anwendung dieser Vorschrift durch das genannte Urteil des BVerfG i. V. m. Art. 11, Art. 13 Abs. 7 Satz 1 erster Halbsatz 2. AAÜG-ÄndG für Zeiten vor dem 01. Mai 1999 ausgeschlossen.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, sowie die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG). Versorgungsträger sind u. a. die Funktionsnachfolger gemäß Art. 13 Einigungsvertrag (EV) für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2 (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 AAÜG).

Die Beklagte hat nach der Kompetenzordnung des GG, auf die Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EV abstellt, die Gesetzes- und Verwaltungskompetenz für die Verteidigung und die Bundeswehrverwaltung (Art. 73 Nr. 1 und Art. 87 b GG) und ist damit, vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung zuständiger Versorgungsträger für das Sonderversorgungssystem der Anlage 2 Nr. 1 AAÜG (Sonderversorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee).

Nach § 6 Abs. 2 AAÜG in der oben genannten Fassung hat der Versorgungsträger für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem der Anlage 2 Nr. 1 AAÜG, in denen ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 8 bezogen wurde, den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 4 zugrunde zu legen. Wurde ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen über dem jeweiligen Betrag der Anlage 8 bezogen, ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst der Betrag zugrunde zu legen, der sich ergibt, wenn das Doppelte des den jeweiligen Betrag der Anlage 8 übersteigenden Teils des erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens von dem jeweiligen Betrag der Anlage 4 abgezogen wird, mindestens jedoch der jeweilige Betrag der Anlage 5; hierbei sind die jeweiligen Beträge der Anlage 3 nicht zu berücksichtigen.

Die Beklagte hat danach zu Recht die tatsächlichen Arbeitsentgelte, soweit sie vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 gezahlt wurden, begrenzt.

Es handelt sich bei diesen Zeiten um Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem der Anlage 2 Nr. 1 AAÜG. Der Kläger gehörte von Beginn an dem mit Wirkung zum 01. Juli 1957 (vgl. Ziffer 1 der Einleitung dieser Versorgungsordnung, abgedruckt in Aichberger II Sozialgesetze Nr. 230) geschaffenen Sonderversorgungssystem an. Die Zeiten ab 01. Januar 1952 bis zur Einführung dieses Sonderversorgungssystems sind ebenfalls dem Versorgungssystem zuzuordnen. Nach § 5 Abs. 2 AAÜG gelten auch solche Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu diesem Versorgungssystem, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in ihm zurückgelegt worden wären. Dies ist vorliegend der Fall. Das Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Nationalen Volksarmee galt nach den Allgemeinen Bestimmungen - Geltungsbereich - Ziffer Nr. 1 Abs. 1 und 2 dieser Versorgungsordnung seit seiner Einführung jedenfalls für Offiziere für die Dauer des aktiven Wehrdienstes mit dem Tag des Beginns eines Dienstverhältnisses bis zum Ablauf des Tages der Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst. Der Kläger hätte damit ab Beginn seiner Tätigkeit bei der kasernierten Volkspolizei als der verselbständigten Vorgängereinrichtung der NVA in dieses Sonderversorgungssystem aufgenommen werden können, sofern es zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hätte.

Der Kläger erzielte vom 01. Januar 1952 bis 31. August 1987 kalenderjährlich jeweils ein Arbeitsentgelt über dem jeweiligen Betrag der Anlage 8 AAÜG. Die Höhe der jeweiligen kalenderjährlichen Begrenzung im einzelnen entspricht § 6 Abs. 2 AAÜG, was im Übrigen vom Kläger auch nicht bezweifelt wird.

Der Bescheid vom 09. Januar 1995 ist damit gemäß § 6 Abs. 2 AAÜG in der oben genannten Fassung rechtmäßig ergangen, so dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 oder 2 SGB X nicht vorliegen.

§ 6 Abs. 2 AAÜG in der oben bezeichneten Fassung ist in Bezug auf den Kläger auch nicht rückwirkend zum 01. Juli 1993 geändert worden.

Dies folgt aus Art. 13 Abs. 7 Satz 1 erster Halbsatz 2. AAÜG-ÄndG. Danach treten § 6 Abs. 2 und 3 sowie Anlage 4 und 5 AAÜG in der Fassung des AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) - auf denen der Bescheid vom 12. März 1997 beruht und die eine Begrenzung von Arbeitsentgelt nur vorsehen, wenn solches mindestens in Höhe des jeweiligen Betrages der (dortigen) Anlage 4 bezogen wurde, was bezüglich des Klägers nicht der Fall ist - mit Wirkung vom 01. Juli 1993 (nur) für Personen in Kraft, für die am 28. April 1999 ein Überführungsbescheid eines Versorgungsträgers noch nicht bindend war.

Der Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 wurde vom Kläger zwar zunächst mit der Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) angefochten. Diese Klage wurde von ihm jedoch im Erörterungstermin am 11. Dezember 1996 zurückgenommen. Damit ist zu diesem Zeitpunkt, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, Bestandskraft eingetreten. Nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, soweit - wie hier - durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Es sind auch keine Gründe ersichtlich, die ausnahmsweise die Erklärung über die Klagerücknahme wirkungslos werden lassen. Eine Belehrung über die Wirkung der prozessbeendenden Erklärung, die nach dem Vortrag des Klägers - entgegen dem Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 11. Dezember 1996 - nicht erfolgt sein soll, ist für die Wirksamkeit einer Klagerücknahme nicht Voraussetzung. Der vom Kläger angeführte und in der Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 1996 niedergelegte enge Zusammenhang der Klagerücknahme mit einem künftig in Frage kommenden (erfolgreichen) Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X bei günstigen Entscheidungen des BSG oder BVerfG genügt hierfür nicht. Dem Irrtum, dem der Kläger erlegen ist, dass ihm im Wege des § 44 SGB X dieselbe Rechtsposition eingeräumt werden würde, die er bei Fortführung des Rechtsstreites hätte, stellt einen Irrtum im Beweggrund, einen sogenannten Motivirrtum dar, der, unabhängig davon, woraus dieser herrührt, eine wirksame Anfechtung der Erklärung schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. zum gerichtlichen Vergleich: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 7. Auflage, § 101 Rdnr. 13; § 119 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Auflage, Heinrichs § 119 Rdnr. 29) nicht begründen kann, wobei die Klagerücknahme ohnehin nicht angefochten werden kann, da es sich um eine (ausschließliche) Prozesserklärung handelt, auf die die Vorschriften des BGB nicht anwendbar sind (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. § 102 Rdnr. 7 c). Ein Widerruf der Klagerücknahme kommt zwar grundsätzlich, allerdings nur unter den Voraussetzungen der §§ 179, 180 SGG in Betracht. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen gibt es keine Anhaltspunkte. Soweit darüber hinaus aus dem Grundsatz von Treu und Glauben die Möglichkeit zum Widerruf eingeräumt wird (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., vor § 60 Rdnr. 12 a; auch BGH NJW 1980, 576, 577), dürfte insoweit zu fordern sein, dass wenigstens alle Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG vorliegen.

Im Übrigen könnte der Kläger mit dem Einwand eines wirksamen Widerrufs der Erklärung über die Klagerücknahme ohnehin im anhängigen Verfahren nicht gehört werden, denn in einem solchen Fall wäre darüber in dem ursprünglichen Verfahren zu entscheiden. Wäre ein solcher Widerruf wirksam, könnte der Kläger in Fortsetzung jenes Verfahrens den hier geltend gemachten materiellen Anspruch durchsetzen.

Dem Kläger hätte es im Übrigen freigestanden, nachdem die Beklagte ihr Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens nicht erklärte und somit das Sozialgericht wegen § 202 SGG i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) das Ruhen des Verfahrens nicht anordnen durfte, das Klageverfahren fortzusetzen und nach einem möglicherweise negativen Urteil des Sozialgerichts den weiteren Rechtsweg über das Landessozialgericht zum Bundessozialgericht zu beschreiten und gegebenenfalls danach Verfassungsbeschwerde zum BVerfG zu erheben.

Der Kläger ist diesen Weg jedoch nicht gegangen, so dass mit der erfolgten Klagerücknahme der Bescheid vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 bestandskräftig wurde.

Dies hat im Hinblick auf Art. 11 2. AAÜG-ÄndG zur Folge, dass § 44 SGB X für die Zeit vor dem 01. Mai 1999 ausgeschlossen ist. Danach gilt: Überführungsbescheide nach § 8 AAÜG, Rentenbescheide nach § 307 b SGB VI und Bescheide des Versorgungsträgers oder des Trägers der Rentenversicherung/Überleitungsanstalt Sozialversicherung nach den §§ 4, 10 und 11 AAÜG, die am 28. April 1999 unanfechtbar waren, können, soweit sie auf einer Rechtsnorm beruhen, die nach dem Erlass dieser Bescheide für mit dem Grundgesetz unvereinbar oder nichtig erklärt worden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 30. April 1999 nach § 44 SGB X zurückgenommen werden.

Die Rücknahme des Bescheides vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 für die Zeit vom 01. Juli 1993 bis 31. Dezember 1996 ist mithin ausgeschlossen.

Die Ansicht des Klägers, wonach eine vom BVerfG für nichtig oder verfassungswidrig erklärte Vorschrift über die Regelung des § 79 Abs. 2 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) hinaus sich wegen § 44 SGB X auch auf - mit den üblichen Rechtsbehelfen - nicht mehr anfechtbare Entscheidungen erstreckt, ist so nicht zutreffend (vgl. zum Verhältnis von § 44 Abs. 1 SGB X zu § 79 Abs. 2 BVerfGG Spellbrink, Hellmich, Sozialgerichtsbarkeit - SGb - 2001, 605). Nach § 79 BVerfGG gilt Folgendes: Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zulässig (Abs. 1). Im Übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG - die vorliegend nicht einschlägig ist - oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt (Abs. 2 Satz 1).

Das Verhältnis von § 44 Abs. 1 SGB X zu § 79 Abs. 2 BVerfGG wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Dabei geht es um die Frage, ob § 44 SGB X als "besondere gesetzliche Regelung" im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG anzusehen ist und, falls dem so ist, daraus zugleich ein Vorrang von § 44 SGB X gegenüber § 79 Abs. 2 BVerfGG abzuleiten ist. § 79 Abs. 2 BVerfGG liegt der Grundsatz der Rechtssicherheit zugrunde. Diese Vorschrift ist mit dem GG vereinbar, weil dem Grundsatz der Rechtssicherheit Verfassungsrang zukommt (BVerfGE 7, 194, 196 und 20, 230, 235). § 44 SGB X basiert dem gegenüber auf dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit, das ebenfalls Verfassungsrang besitzt. Es steht dem Gesetzgeber damit grundsätzlich frei, welchem der beiden Grundsätze er den Vorzug geben will. Seine Entscheidung für die Rechtssicherheit befindet sich deshalb mit der Verfassung in Einklang, selbst wenn infolge dessen die Durchsetzung eines Grundrechts in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht mehr möglich ist (vgl. Heußner in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 257, 258 unter Hinweis auf BVerfGE 7, 194, 196 und 20, 230, 235). Die Ansicht des Klägers, er werde in seinen Grundrechten nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, wenn die sich aus der Entscheidung des BVerfG zu § 6 Abs. 2 AAÜG in der oben genannten Fassung ergebenden Rechtsfolgen für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Verfahren nicht zugleich auch auf ihn Anwendung fänden, trifft damit nicht zu. Etwas anderes folgt nicht aus dem von ihm zitierten Urteil des BVerfG in BVerfGE 55, 100. Der Kläger zitiert zwar richtig: "Beruht die Erklärung des BVerfG, dass eine Regelung mit der Verfassung unvereinbar sei, auf einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ist der Gesetzgeber daher gehalten, den Anforderungen dieses Grundrechts auch für die seiner Entscheidung vorangehende Zeit gerecht zu werden." (BVerfGE 55, 100, 110/111). Dabei übersieht er jedoch, dass auf letztgenannter Seite dieser Entscheidungssammlung zugleich ausgeführt ist: "Soweit sich diese Rechtsfolge aus nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen ergibt, die auf der mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Regelung beruhen, ist das nach § 79 Abs. 2 BVerfGG unbedenklich." Auch in anderen Entscheidungen hat das BVerfG betont, dass die Verfassungswidrigkeit oder Nichtigkeit einer Norm nicht dazu zwingt, die nachteiligen Wirkungen, die von fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, zu beseitigen, also die Neuregelung auf Sachverhalte in der Vergangenheit zu erstrecken. Verfassungsrechtlich verpflichtet ist der Gesetzgeber lediglich dazu, ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG alle Betroffenen unter Wahrung des Art. 3 Abs. 1 GG gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 37, 217, 263 unter Hinweis auf BVerfGE 20, 230, 236; BVerfGE 98, 365, 402/403). Letztgenannter Zeitpunkt rührt daher, dass seither die Verfassungswidrigkeit bzw. Nichtigkeit des Gesetzes feststeht und das Gesetz deswegen für niemanden mehr angewandt werden darf.

Die bisher in der Literatur vorherrschende Meinung geht, ohne dass hier auf die einzelne Begründung eingegangen werden muss, von einem Vorrang von § 44 SGB X vor § 79 Abs. 2 BVerfGG aus (vgl. Spellbrink und Hellmich in SGb 2001, 605, 606 m.w.N.). Das BSG hat in seinem Urteil vom 08. September 1988 (BSGE, 64, 62 = SozR 4100 § 152 Nr. 18) ebenfalls ausgeführt, dass rechtswidrig im Sinne der Vorschriften über die Rücknahme eines Verwaltungsaktes auch der Verwaltungsakt sei, der auf einer (später) vom BVerfG für nichtig erklärten Gesetzesvorschrift beruhe, wobei § 79 Abs. 2 BVerfGG die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 152 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), § 44 SGB X oder ähnlichen Vorschriften nicht einschränke (vgl. auch die Anmerkung von Loytved in SGb 1989, 402). Das BSG hatte jedoch einen Sachverhalt zu entscheiden, der dadurch gekennzeichnet war, dass zum einen das BVerfG in jener Entscheidung (BVerfGE 67,186 = SozR 4100 § 139 Nr. 1) keine Anweisungen über den Umgang mit bereits bestandskräftigen Bescheiden gegeben hatte und zum anderen der Gesetzgeber keine Vorschriften über die Anwendbarkeit der Neuregelung für Zeiträume in der Vergangenheit bei Ausführung des Urteils des BVerfG geschaffen hatte. In Fällen dieser Art mag § 44 SGB X gegenüber § 79 Abs. 2 BVerfGG der Vorrang einzuräumen sein.

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch gerade dadurch, dass zum einen sich das BVerfG zum Umgang mit bereits bestandskräftigen Bescheiden geäußert hat. Im Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 6 Abs. 2 AAÜG (Urteil vom 28. April 1999, 1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95) hat es ausgeführt: "Die auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschriften ergangenen und im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide, insbesondere die nicht mehr anfechtbaren (Entgeltüberführungs-)Bescheide gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG, bleiben unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 82 Abs. 1 i. V. m. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363, 384). Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen. Er kann die erforderliche Neuregelung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht."

Damit hat das BVerfG die bereits bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren vom Anwendungsbereich des § 44 SGB X dadurch ausgeschlossen, dass es die dort ergangenen Bescheide vom Makel der Verfassungswidrigkeit ausgenommen hat. Denn besteht von Verfassungs wegen nicht die Verpflichtung, solche Bescheide aufzuheben, können sie auch nicht rechtswidrig im Sinne von § 44 SGB X sein.

Zum anderen hat der Gesetzgeber mit Art. 11 2. AAÜG-ÄndG eine in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 44 SGB X eindeutige Regelung geschaffen. Dabei ist nicht wesentlich, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des 2. AAÜG-ÄndG im Bundesgesetzblatt am 02. August 2001 der Kläger den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 09. Januar 1995 bereits gestellt hatte. Dies könnte einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen nur begründen, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des 2. AAÜG-ÄndG bereits einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 09. Januar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 aus § 44 SGB X erworben hätte. Dies ist jedoch wegen der Entscheidung des BVerfG gerade nicht der Fall gewesen.

Das BSG hat im Urteil vom 13. März 1997 (SozR 3-4100 § 152 Nr. 7) folglich auch schon entschieden, dass die Beschränkung von Zugunstenregelungen nach der verfassungs-gerichtlichen Unvereinbarkeitserklärung grundsätzlich wirksam ist, allerdings die noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 44 SGB X nicht erfasst werden. Dies bedeutet, dass Anträge auf Überprüfung, die nach dem In-Kraft-Treten einer Beschränkung einer ursprünglich günstigeren Zugunstenregelung gestellt werden, sich grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt des Antrages geltenden Rechts richten, auch wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt auf einer vom BVerfG für nichtig oder verfassungswidrig erklärten Gesetzesvorschrift beruht. Der Kläger hätte ausgehend von diesem Urteil des BSG mit seinem Begehren also dann erfolgreich sein können, wenn vorliegend nicht das BVerfG - abweichend zu dem vom BSG entschiedenen Fall (BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 3) - festgestellt hätte, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Rücknahme bereits bestandskräftiger Bescheide nicht bestehe.

Zur selben Rechtsansicht gelangen auch Spellbrink und Hellmich in SGb 2001, 605 und 606. Das BVerfG sei problemlos in der Lage, die Folgen seiner Entscheidung selbst zu bestimmen, indem es in den Entscheidungsgründen jeweils detaillierte Anweisungen über den Umgang mit bereits bestandskräftigen Bescheiden (eventuell auch über Rückwirkungszeiträume etc.) gebe. Ebenso könne der Gesetzgeber § 44 SGB X jeweils in Spezialregelungen aushebeln, die auf konkrete Entscheidungen des BVerfG antworten oder für spezielle Sondergebiete Sonderregelungen treffen wollten. Nur dann, wenn sich weder das BVerfG noch der Gesetzgeber der Mühe einer eigenständigen und reflektierten "handgesteuerten" Rechtsfolgenanordnung unterziehe, könne § 79 Abs. 2 BVerfGG nicht mehr helfen, so dass in diesem Fall § 44 Abs. 1 SGB X vorgehe.

Zum selben Ergebnis ist auch das BSG im Urteil vom 20. Dezember 2001 (B 4 RA 6/01 R), auf das sich der Kläger bezieht, gekommen. Dieser Entscheidung lag als Sachverhalt ebenfalls die Überprüfung eines bestandskräftig gewordenen Entgeltbescheides zugrunde. Das BSG lehnte einen Anspruch gegen den Versorgungsträger auf Mitteilung der neuen "verfassungsgemäßen" gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenzen auch für die Vergangenheit im Hinblick auf die oben genannte "Rechtsfolgenanweisung" des BVerfG im Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97 (BVerfGE 100, 138, 195 = SozR 3-8570 § 7 Nr. 1) ab. Deshalb komme - so das BSG - eine angebliche Konkurrenzfrage bezüglich des Verhältnisses von § 44 Abs. 1 und 2 SGB X zu § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht zum Tragen. Halte man eine Geltungs- und gegebenenfalls auch eine Anwendungskonkurrenz zwischen § 44, 45 SGB X und § 79 Abs. 2 BVerfGG überhaupt für möglich und dann gegebenenfalls sogar einen Vorrang des § 44 SGB X, komme man in Fällen der vorliegenden Art zu dem selben Ergebnis, als wenn man (wozu der Senat neige) von einer alleinigen Geltung oder von einem Vorrang des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ausgehe. Denn das BVerfG habe ausdrücklich den Umfang der Nichtigkeit und Rechtsfolgen dahingehend bestimmt, dass von Verfassungs wegen die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftigen Bescheide (Verwaltungsakte) von der Entscheidung für die Zeit vor ihrer Bekanntgabe unberührt blieben. Damit habe das BVerfG der rückwirkenden Aufhebung von Verwaltungsakten (auch nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB X) für die Vergangenheit hier eine für die vollziehende und rechtsprechende Gewalt nicht übersteigbare Grenze gezogen. Andererseits habe das BVerfG damit die Aufhebung (§ 48 SGB X) bestandskräftiger und (aufgrund der Verfassungswidrigkeit) rechtswidriger Verwaltungsakte ab Bekanntgabe der Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft (gerechnet ab 28. April 1999) zugelassen. Diese Klärung, welche speziellen verfassungsrechtlichen Rechtsfolgen die konkrete Nichtigkeitserklärung für bereits unanfechtbare Staatsakte habe, gehe jedenfalls aufgrund der Bindungswirkung des Urteils des BVerfG (§ 31 Abs. 1 BVerfG) den einfach gesetzlichen allgemeinen Regelungen in § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und insbesondere auch den §§ 44, 45 SGB X - wenn dies anwendbar sein sollten - als Rechtserkenntnis der sich aus höherrangigem Recht im konkreten Nichtigkeitsfall ergebenden Rechtsfolgen vor. Für Bescheide zur Mitteilung der Überführungsdaten (§ 8 AAÜG) habe ferner der Gesetzgeber aufgrund der Rechtsfolgenanordnung des BVerfG eine die speziellen Nichtigkeitsfolgen bestimmende Regelung in der Zwischenzeit in Art. 11 2. AAÜG-ÄndG für "Überführungsbescheide" nach § 8 AAÜG, die am 28. April 1999 unanfechtbar gewesen seien, getroffen. Soweit diese auf einer Rechtsnorm beruhten, die nach dem Erlass dieser Bescheide für mit dem GG unvereinbar oder nichtig erklärt worden sei, dürften sie nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 30. April 1999 nach § 44 SGB X zurückgenommen werden.

Es erweist sich mithin nicht, wie der Kläger meint, als kurios, wenn er angesichts dessen mit seinem Begehren nicht durchdringen kann. Weder für ihn noch für das Sozialgericht ist voraussehbar gewesen, dass das BVerfG abweichend von seiner bisherigen Praxis sich auch detailliert zum Umgang mit bereits bestandskräftigen Bescheiden äußern würde.

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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