L 16 R 682/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 852/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 682/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 208/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch die Rücknahme der Berufung erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, insbesondere die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme streitig.

Die 1945 geborene Klägerin beantragte am 22.07.1996 Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Sie gab an von 1958 bis 1973 in Griechenland als landwirtschaftliche Arbeiterin, anschließend von 1973 bis 1978 als Verkaufshilfe beschäftigt gewesen zu sein. Seit Juli 1978 halte sie sich in der Bundesrepublik auf und sei nicht mehr beschäftigt, sondern Hausfrau. Die Kinder der Klägerin sind 1979 und 1985 jeweils in M. geboren.

Mit Bescheid vom 16.10.1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin zwar in der Bundesrepublik 21 Monate Beitragszeit und in Griechenland 43 Monate Beitragszeit zurückgelegt habe, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aber nicht erfüllt seien, da auch unter Berücksichtigung der Kinderberücksichtigungszeiten im Zeitraum vom 01.11.1977 bis 21.07. 1996 nur 29 statt der erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.1998 als unbegründet zurückwies.

Dagegen richtete sich die zum Sozialgericht München erhobene Klage.

Das Sozialgericht veranlasste ein Gutachten des Internisten und Kardiologen Dr. T. nach Untersuchung der Klägerin. Dieser kam zu der Auffassung, dass die Klägerin sowohl bis wie auch ab Mai 1995 noch leichte körperliche Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangsposition leisten könne. Diese Tätigkeiten könnten vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet werden, sofern das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen unter Zeitdruck oder am Fließband sowie in Wechsel- und Nachtschicht vermieden werde. Einschränkungen der Wegstrecke bestünden nicht, zusätzliche Pausen und weitere Untersuchungen seien nicht erforderlich.

Der Klägerbevollmächtigte hat zum Gutachten Stellung genommen und mitgeteilt, dass aufgrund des Kostenrisikos ein Antrag nach § 109 SGG nicht gestellt werde.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 29.07.2004 die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass nach dem Gutachten von Dr. T. die Klägerin sowohl zum Zeitpunkt der letztmaligen Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Mai 1995, als auch jetzt noch in der Lage sei, zumindest leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Damit seien die Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht gegeben.

Mit Schriftsatz vom 05.11.2004 legte der Bevollmächtigte Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ein und teilte mit, dies erfolge zunächst zur Fristwahrung.

Unter Vorlage einer neuen Vollmacht vom 15.11.2004 nahm der Bevollmächtigte im Schriftsatz vom 17.11.2004 die Berufung zurück.

Die Klägerin selbst wandte sich mit Schreiben vom 07.12.2004 an das Bayerische Landessozialgericht und teilte mit, sie möchte, dass die Berufung weiterlaufe, und zwar diesmal ohne Rechtsanwalt, sondern mit Dolmetscher.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 1998 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte der Beklagten, des Sozialgerichts München und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Bevollmächtigten der Klägerin fristgerecht eingelegte Berufung war zwar gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, der Rechtsstreit ist jedoch durch Rücknahme der Berufung durch den Bevollmächtigten am 17.11.2004 beendet worden.

Durch die Rücknahme der Berufung ist das Urteil des SG München vom 29.07.2004 rechtskräftig geworden (§ 156 Abs. 2 S. 1 SGG). Der bevollmächtigte Rechtsanwalt der Klägerin hat die Berufung schriftsätzlich zurückgenommen. Diese Prozesshandlung des Bevollmächtigten, der eine weitere Vollmacht der Klägerin vorgelegt hat, ist als Prozesshandlung wirksam. Hinweise darauf, dass der Bevollmächtigte nicht prozessfähig gewesen wäre, ergeben sich nicht. Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin selbst nach Rücknahme der Berufung nochmals hätte Berufung einlegen können, da ihr Schreiben vom 07.12.2004 nicht innerhalb der Berufungsfrist, die am 08.11.2004 endete, eingegangen ist. Damit ist die Berufung wirksam zurückgenommen worden. Die Rücknahme der Berufung bewirkt nach § 156 Abs. 2 SGG den endgültigen Verlust des Rechtsmittels mit der Folge, dass keine Sachentscheidung mehr ergehen kann (BSG Urteil vom 24.04.1980, 9 RV 16/79 Rdnr. 14 sowie BSGE 14, 138; 19, 120). Die Klägerin muss die Erklärung des Prozessbevollmächtigten, der sie wirksam vertreten konnte (§ 73 SGG i.V.m. § 84 ZPO) gegen sich gelten lassen. Diese Vollmacht ermächtigte sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach dem üblichen gesetzlichen Umfang den Bevollmächtigten zu allen Prozesshandlungen und damit auch zur Beendigung des Rechtsstreits durch Rücknahme der Berufung.

Das durch Berufungsrücknahme rechtskräftig beendete Verfahren könnte nur entsprechend den Bestimmungen des Vierten Buchs der ZPO (§ 179 SGG, 579, 580 ZPO) wieder aufgenommen werden (vgl. BSG vom 24.04.1980 a.a.O., Rdnr. 18) Die dort näher beschriebenen Voraussetzungen, wie z.B. falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, falsches Zeugnis oder Gutachten von Zeugen oder Sachverständigen, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtsverletzung eines Richters oder das Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt und es wurde von der Klägerin auch nichts derartiges vorgetragen. Die Klägerin kann die Rücknahme auch nicht wirksam wegen Irrtums anfechten (BSG Beschluss vom 19.03.2002 B 9 V 75/01 B und Beschluss vom 24.04.2003 B 11 AL 33/03 B). Zum einen ist die Irrtumsanfechtung einer Prozesserklärung nach überwiegender Lehre unzulässig, zu anderen hat die Klägerin auch nichts vorgetragen, was einen Irrtum erkennen ließe.

Es ist somit festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme der Berufung seit dem 17.11.2004 gemäß den §§ 153 Abs. 1, 156 SGG erledigt ist (vgl. Meyer-Ladewig 8. Auflage, Rdnrn. 5, 6 zu § 156 SGG).

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG erfolgt aus der Erwägung, dass die Klägerin mit dem Widerruf der Berufungsrücknahme nicht durchgedrungen ist.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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