L 14 R 702/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 5034/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 702/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1950 geborene Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in seiner Heimat, war in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1965 und April 1988 in verschiedenen ungelernten bzw. kurzfristig angelernten Stellungen, zuletzt als Maschinenbediener (Anlernzeit eine Woche) versicherungspflichtig beschäftigt. Wegen eines schweren Hüftgelenksleidens (Coxa vara und Arthrose beidseits) kam es im Februar 1987 und im August 1987 zu valgisierenden Umstellungsosteotomie-Operationen rechts und links. Danach bestand Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeldbezug bis 02.08.1989; amtsärztliches Gutachten vom 04.05.1988: leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweilig auch mittelschwer, vollschichtig möglich, Gehstrecke 1000 m). Ab 03.08.1989 sind im Versicherungsverlauf Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bzw. einer Gesundheitsmaßnahme bis 08.01.1991 sowie vom 13.01.1994 bis 31.05.1994 (Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug) vermerkt, anschließend Zeiten der freiwilligen Beitragsentrichtung vom 01.01.1995 bis 31.12.1998. Der Kläger war inzwischen im Mai 1995 nach Ehescheidung in seine Heimat zurückgekehrt.

Einen ersten im Jahre 1988 gestellten Rentenantrag lehnte die seinerzeit zuständige LVA Baden nach einer Untersuchung des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet mit Bescheid vom 06.12. 1988 mit der Begründung ab, die Leistungsfähigkeit des Klägers sei zwar wegen "Belastungsbeschwerden in den Hüftgelenken, Übergewichtigkeit, beginnende Kniegelenksarthrose links, Hypotonie" eingeschränkt, er könne aber noch vollschichtige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 25.08.1989). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 10 J 1695/89) erfolgte eine Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet durch den Gutachter Dr.K. , der für leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen nur mehr ein Leistungsvermögen von vier bis sechs Stunden täglich annahm (Gutachten vom 02.02.1990). Die Prüfärztin des Beklagten widersprach diesem Ergebnis. Die Beteiligten beendeten das Verfahren im Wege eines Vergleichs, worin sich die Beklagte zu medizinischen Heilmaßnahmen zwecks Verbesserung der Hüftgelenksbeweglichkeit und Reduzierung des Übergewichts des Klägers sowie zu berufsfördernden Maßnahmen in Form einer Eingliederungshilfe verpflichtete.

Das zugesagte Heilverfahren fand in der Zeit vom 11.12.1990 bis 08.01.1991 in Bad W. statt. Der Kläger wurde mit den Diagnosen "Zustand nach valgisierender intertrochantärer Umstellungsosteotomie beider Hüftgelenke bei Dysplasie-Coxarthrose beidseits 1987 und Metallentfernung 1988, chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom ohne radikuläre Symptomatik, Adipositas" als arbeitsunfähig (wegen weiterer neurologischer und evtl. computertomographischer Abklärung rezidivierender Cephalgien und eines Verdachts auf Bandscheibenvorfall im Bereich der distalen LWS) mit der Prognose entlassen, nach Abklärung seien leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus vier bis sechs Stunden täglich möglich. Diese Leistungsbeurteilung wurde vom Ärztlichen Dienst der LVA Baden als nicht nachvollziehbar angesehen, es wurde weiterhin eine vollschichtige Einsatzfähigkeit des Klägers für leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus angenommen.

Den anschließend gestellten zweiten Rentenantrag vom 18.04.1991 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.1991 erneut ab mit der Begründung, mit dem verbliebenen Leistungsvermögen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtige Tätigkeiten ausüben. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde nach Einholung von Gutachten durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. ("Verdacht auf neurotische Entwicklung; leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht vollschichtig möglich") sowie am 13.11.1991 durch den Arzt für Chirurgie Dr.B. ("leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, Heben und Tragen von Lasten vollschichtig") zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 31.01.1992). Im anschließenden erneuten Klageverfahren vor dem SG Reutlingen (S 10 J 169/92) hielt die mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragte Sachverständige Dr.K. angesichts einer relativ guten Beweglichkeit beider Hüftgelenke des Klägers, eines guten muskulären Gesamtzustands und klinisch und radiologisch mäßiger Befunde an beiden Hüftgelenken leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen für vollschichtig möglich; sie bezeichnete die anders lautende frühere Beurteilung durch Dr.K. als nicht nachvollziehbar.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 13.01.1994 ab mit der Begründung, der Kläger, der nach seinem Berufsleben auf Tätigkeiten eines ungelernten Arbeiters zumutbar verweisbar sei, könne noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig verrichten. Die Entscheidung wurde im Berufungsverfahren nach einer weiteren ärztlichen Begutachtung im Rahmen von § 109 SGG durch Prof.W. (Gutachten vom 23.11.1994, Ergebnis: vollschichtig leichte Tätigkeiten im Wechsel, Gehfähigkeit nicht besonders stark eingeschränkt - übliche Gehstrecke) durch Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13.02.1995 bestätigt.

Den dritten, streitgegenständlichen Rentenantrag stellte der Kläger am 29.01.1998 bei der Beklagten über den italienischen Rentenversicherungsträger. Auf dem ihm von der Beklagten übersandten Fragebogen gab er an, in den Zeiten vom 09.01.1991 bis 12.01.1994 und vom 01.06.1994 bis 31.12.1994 krank gewesen zu sein.

Die Beklagte ließ den Kläger am 13.02.1998 durch Dr.R. vom Operativen Zentrum des INPS in O. untersuchen und begutachten. Dieser diagnostizierte eine beginnende beiderseitige Coxarthrose mit geringer funktioneller Beeinträchtigung sowie eine bescheidene Lendenarthrose bei funktionsmäßig nicht eingeschränkter Wirbelsäule. Der Kläger hatte bei der Untersuchung über eine beidseitige Coxalgie seit ca. zwei Jahren und über anhaltenden Lendenschmerz geklagt; der Gutachter stellte dazu fest, dass keine Therapie erfolge. Er gab an, es bestehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eine teilweise Erwerbsunfähigkeit von 30 %.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29.01.1999 ab mit der Begründung, zum einen liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor, da noch volle Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe; zum anderen seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung nicht erfüllt; es seien nicht in den letzten fünf Jahren vor Eintritt eines Leistungsfalles im Zeitpunkt der Antragstellung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden, im maßgeblichen Zeitraum vom 29.01.1993 bis 28.01.1998 sei kein Kalendermonat mit Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung belegt. Es sei auch nicht in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1997 jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt; unbelegt seien die Monate von Januar 1991 bis Januar 1994 und von Juni 1994 bis Dezember 1994. Mit anschließendem Bescheid vom 10.02.1999 stellte die Beklagte nach § 149 Abs.5 SGB VI die in einem beigefügten Versicherungsverlauf (wie bisher) enthaltenen, länger als sechs Kalenderjahre zurückliegenden Daten verbindlich fest. Die insoweit aufgeführten Versicherungszeiten des Klägers endeten mit den Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bzw. Gesundheitsmaßnahmen ohne Beitragszahlung bis 08.01.1991. Die Anerkennung einer ebenfalls tatbestandsmäßig gespeicherten Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 13.01.1994 bis 31.05.1994 wurde abgelehnt, weil eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei. Der Kläger widersprach beiden Bescheiden. Er verwies auf einen Befundbericht des Orthopäden Dr.K. vom 25.03.1993 im Verfahren S 3 J 169/92 vor dem Sozialgericht Reutlingen und übersandte einen ausführlichen Arztbericht des Dr.A. vom 25.03.1999, in dem von einem Zustand nach beidseitiger Oberschenkelosteotomie wegen angeborener Hüftdysplasie bei Stabilisierung des Dysplasie-Bildes, von beginnenden Arthroseerscheinungen und funktionellen Einschränkungen beider coxo-femuraler Gelenke, ferner von chronischer Lumbalgie mit Reduzierung der normalen Wirbelfunktionsfähigkeit, veränderter Statik und nicht korrektem Gehen die Rede war. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als die Hälfte auf dem normalen Arbeitsmarkt. Ferner teilte der Kläger mit, er sei beim Arbeitsamt S. ununterbrochen arbeitslos gemeldet gewesen.

Die Beklagte ermittelte bei der AOK S. und DAK S. bezüglich sämtlicher Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zeitraum von Januar 1991 bis Dezember 1994. Laut Mitteilung der AOK S. bestand dort eine Mitgliedschaft des Klägers bis zum 30.08.1990; laut Mitteilung der DAK S. war der Kläger während der dortigen Mitgliedschaft ab April 1991 lediglich in der Zeit vom 12.10.1993 bis 23.10.1993 arbeitsunfähig wegen eines stationären Aufenthaltes (Hämorrhoiden).

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.1999 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.01.1999 zurück. Es seien weder die medizinischen noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Rentenanspruch erfüllt. Im Gutachten des Dr.R. vom 13.02.1988 sei lediglich eine Leistungsminderung von 30 % attestiert, die skizzierte Befundlage sei mit einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vereinbar. Aus den medizinischen Unterlagen der vorhergehenden Verfahren bei der LVA Baden ergäben sich ebenfalls keinerlei Hinweise auf eine zeitlich eingeschränkte Leistungsminderung vor der erneuten Rentenantragstellung vom 29.01.1998. Das vom Kläger vorgelegte Attest des Orthopäden Dr.K. vom 25.03.1993 sei zeitlich überholt. Aus dem ärztlichen Befundbericht des Dr.A. vom 25.03.1999 sei eine inzwischen eingetretene Verschlimmerung nicht objektivierbar. Auch wenn der Kläger mit dem verbliebenen Leistungsvermögen die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Maschinenarbeiter nicht mehr ausüben könne, sei er doch in der Lage, in zumutbaren Verweisungstätigkeiten nach kurzer Einarbeitung oder Unterweisung z.B. leichte Montier-, Sortier-, Verpacker- oder Maschinenarbeiten zu verrichten. Bezüglich des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rentenleistung wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Antragstellung am 29.01.1998 wiederholte die Beklagte unter Darlegung der Voraussetzungen der §§ 44 Abs.1 und 3, 43 Abs.3 und 4, 240 Abs.2 und 241 Abs.2 SGB VI im Wesentlichen die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Das SG holte einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr.P. vom 11.08.1999 und sodann ein arbeitsmedizinisches Gutachten nach Aktenlage durch Dr.S. ein. Diese diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 27.10.1999 eine Geh- und Stehbehinderung aufgrund von Verschleißerscheinungen an beiden Hüftgelenken sowie chronische Beschwerden an der Lendenwirbelsäule mit anzunehmender Zunahme der Beschwerden in den letzten zwei Jahren. Sie vertrat die Auffassung, der Kläger könne seit Antragstellung im Januar 1998 zwar keine Schwerarbeit oder mittelschwere Arbeit, verbunden mit Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, von Treppen- und Leiternsteigen, unter Einwirkung von Kälte und Nässe, mit längeren Anmarschwegen zur Arbeit oder mehrstündigem Gehen und Stehen mehr verrichten, zumutbar seien jedoch sonstige Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter betriebsüblichen Bedingungen täglich acht Stunden; die Gehfähigkeit betrage etwa 1 km.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27.10.2000 ab. Offenbar ging es irrtümlich davon aus, dass nach dem Gutachten der Dr.S. vom 27.10.1999 medizinisch ein Versicherungsfall im Januar 1998 (bei Antragstellung) eingetreten sei. Eine Rentengewährung komme aber nicht in Betracht, da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Rente nicht erfülle. Er habe weder in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung bzw. vor Eintritt des Versicherungsfalles 36 Pflichtbeiträge nachgewiesen noch eine durchgehende Beitragsentrichtung seit 1984. Das SG folgte insoweit der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und sah gemäß § 136 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil und macht geltend, seine Gesundheitsstörungen seien nicht richtig beurteilt worden.

Er legte verschiedene Unterlagen vor, darunter - eine Bescheinigung des örtlichen Arbeitszentrums von O. vom 23.11.2000 über seine jährlichen Meldungen seit 1995 als beschäftigungslos,

- ein ärztliches Rezept vom 07.12.2000 über ein Antirheumatikum und Krankengymnastik wegen Lumbagobeschwerden bei Verschleiß der Lendenwirbelsäule und des rechten Hüftgelenks,

- ärztliche Bescheinigungen des Dr.C. vom 28.03.2002 und 04.02.2003 über ein mittelgradiges endoreaktives depressives Syndrom mit chronischem Verlauf,

- ärztliche Bescheinigung vom 30.06.1999 über reduzierte Arbeitsfähigkeit um ein Drittel auf 60 % (Invaliditätsbescheinigung) sowie eine weitere

- ärztliche Bescheinigung vom 04.09.2003 über die Zuerkennung eines Grades der zivilen Invalidität von 70 %.

Weiter machte der Kläger in der Folgezeit geltend, bereits seit 1990 bzw. 1988 arbeitsunfähig und erwerbsunfähig gewesen zu sein.

Der Senat ermittelte bezüglich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen möglichen, im Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 1998 eingetretenen Leistungsfall bezüglich der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit nach dem 08.01.1991 durch Rückfragen bei der AOK Kreis R. und der DAK in S. sowie beim Arbeitsamt R. (Antwortschreiben der DAK S. vom 14.08.2001 und 24.08.2001 sowie der Sachbearbeiter des Arbeitsamts R. vom 10.09.2001, 23.10.2001, 13.08.2003 und 28.03.2003). Weitere Rückfragen bei der Beklagten und der bis zur Rückkehr des Klägers in seine Heimat zuständig gewesenen LVA Baden aufgrund der Aktenunterlagen aus der Zeit 1994/1995 (Versichertenakten des Klägers, Versorgungsausgleichsakten) ergaben, dass im Rahmen einer damaligen Kontenklärung im Zusammenhang mit dem vor dem Amtsgericht O. anhängig gewesenen Verfahren über einen Versorgungsausgleich ein Feststellungsbescheid der LVA Baden vom 27.01.1995 (darin enthalten rentenrechtliche Zeiten bis 08.01.1991 sowie eine Anrechnungszeit vom 13.01.1994 bis 30.05.1994, deren Anerkennung mangels Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung abgelehnt wurde) ergangen war, gegen den der Kläger seinerzeit Widerspruch wegen Nichtberücksichtigung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit nach dem 08.01.1991 bis Ende 1994/Anfang 1995 erhoben hatte; die Erteilung eines Widerspruchsbescheides war jedoch seinerzeit unterblieben.

Der Senat ging im Hinblick auf diese Ermittlungen von der Zulässigkeit einer nachträglichen Beitragsleistung des Klägers für die im Versicherungsverlauf nicht belegten Zeiten nach dem 08.01.1991 aus (§§ 197, 198, 240 Abs.2 Satz 2 a.F., 241 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Er erhob Beweis über den Gesundheitszustand und die Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Einholung von Gutachten auf orthopädisch-chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.

Der Leitende Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr.L. stellte in seinem Gutachten vom 22.02.2005 nach klinischer und radiologischer Untersuchung des Klägers die Diagnosen:

1. Leichtgradiges Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebendem Funktionsdefizit ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes.

2. Coxarthrose beidseits mit Rechtsbetonung bei Umstellungsoperation, Senk-Spreiz-Füßen beidseits und der Notwendigkeit des Tragens orthopädischer Hilfsmittel und leichtgradig verminderter Geh- und Stehfähigkeit.

3. Chondropathia patellae beidseits bei freier Funktion.

4. Perarthropathie rechtes Schultergelenk im Entfall eines schmerzhaften Bogens.

5. Beginnende Heberden-Arthrose D II und D V beidseits, derzeit beschwerdefrei.

Unter Einbeziehung der medizinischen Vorgeschichte in ihrem zeitlichen Ablauf legte Dr.L. dar, dass der Kläger aufgrund dieser Gesundheitsstörungen nach wie vor durchaus in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte, kurzfristig mittelschwere Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Körperposition von Gehen, Stehen und Sitzen, bei akzentuierend sitzender Tätigkeit vollschichtig (achtstündig) zu verrichten. Zu vermeiden seien dabei das Heben und Tragen von Lasten von über 10 kg, häufigstes Bücken, Treppensteigen, Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie häufigste Überkopfarbeiten. Überwiegend gehende und stehende, mit Heben und Tragen schwerer Lasten verbundene Tätigkeiten wie die zuletzt im Jahre 1988 ausgeübte Maschinenarbeit, gingen zu Lasten der Restgesundheit und seien nur weniger als drei Stunden täglich zumutbar. Sozialmedizinisch relevante Einschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte sah der Gutachter nicht.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. kam in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 23.02.2005 nach Erhebung eines neurologischen sowie eines psychiatrischen Untersuchungsbefundes und technischer Untersuchungen (EEG, EMG/NLG) zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine geringgradig ausgeprägte Dysthymie in Form eines mehr dysphorisch geprägten Verstimmungszustandes auf reaktiver Basis vorliege. Sonstige Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet waren nicht feststellbar, insbesondere war der neurologische Untersuchungsbefund völlig regelrecht. Auch ergaben sich aus psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine "mittelschwere endoreaktive Depression", wie von den behandelnden Ärzten des Klägers bescheinigt. Der Gutachter wies darauf hin, dass derartige psychopathologische Befunde in den Unterlagen auch nie beschrieben worden seien. Dr.K. attestierte dem Kläger eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten und bejahte die Umstellungsfähigkeit für einfache Tätigkeiten. Er wies darauf hin, dass der Kläger sich auch tatsächlich in nicht unerheblichem Umfang körperlich belaste, was sich aus dem Beschwielungsgrad der Hände und der Fußsohlen und der sehr guten Bemuskelung ergebe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.10.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit auf seinen Rentenantrag vom 29.01.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Rentenakte der Beklagten, der Versicherten- und Rentenakten der LVA Baden sowie auf die ebenfalls beigezogenen Akten S 10 J 1695/89, S 3 J 169/92, S 8 Ar 1952/83, S 9 VS 649/92 und S 9 VS 1803/93 des SG Reutlingen sowie die Akte L 11 J 306/94 des LSG Baden-Württemberg, ferner der Akten der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt R. , Stamm-Nr. 48622, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie erweist sich aber nicht als begründet.

Auch der Senat ist nach weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger ein Rentenanspruch noch nicht zusteht. Die Voraussetzungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung sind nicht gegeben, ebenso liegt teilweise oder volle Erwerbsminderung im Sinne der §§ 43 Abs.1 und 2, 240 Abs.1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht vor.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist; dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI a.F.).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI a.F.).

Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).

Diese Voraussetzungen liegen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht vor.

Nach den Feststellungen der ärztlichen Sachverständigen Dr.L. und K. leidet der Kläger zwar auf orthopädischem Gebiet vor allem an einem leichtgradigen Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes sowie an Coxarthrose beidseits mit Rechtsbetonung nach Umstellungsoperation mit entsprechenden Beschwerden, daneben auf nervenärztlichem Gebiet auch an einer leichten Dysthymie im Sinne eines reaktiven Geschehens, wohl am ehesten zurückzuführen auf die bisherige Versagung der Rente. Ein darüber hinausgehender psychiatrischer Krankheitsbefund war entgegen ärztlichen Bescheinigungen aus der Heimat des Klägers aus den Jahren 2002 und 2003, die insoweit keinerlei nähere Befunde enthielten, nicht zu erheben.

Nach den Ausführungen des Dr.K. ist der Kläger weiterhin in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte und auch mittelschwere Arbeiten vollschichtig (acht Stunden täglich) zu verrichten und dabei auch - zumindest aus nervenärztlicher Sicht - der letzten in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Umstellungsfähigkeit für entsprechende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bejahte der Gutachter. Aus orthopädischer Sicht kann der Kläger leichte und nur mehr kurzfristig mittelschwere Arbeiten mit gelegentlichem Wechsel der Körperposition bei überwiegend sitzender Tätigkeit ausüben.

Die ärztlichen Feststellungen der Sachverständige Dr.L. und Dr.K. hält der Senat sowohl in der Befunderhebung als auch in der sozialmedizinischen Beurteilung für schlüssig und überzeugend. Er schloss sich ihnen daher in vollem Umfang an.

Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen ist der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig und auch nicht teilweise oder voll erwerbsgemindert. Er kann zwar die frühere Tätigkeit als Maschinenarbeiter nicht mehr ausüben - sie war nach seinen Angaben mit überwiegendem Gehen und Stehen verbunden -, wohl aber alle sonstigen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts. Auf diese Tätigkeiten ist der Kläger als ungelernter bzw. kurzfristig angelernter Arbeitnehmer (die Anlernzeit der letzten Tätigkeit betrug eine Woche) auch breit verweisbar. Ein Berufsschutz kommt ihm nicht zu Gute. Angesichts der noch vollschichtigen Einsatzfähigkeit für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ist davon auszugehen, dass es für ihn entsprechende Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch gibt (z.B. leichte Bürohilfstä- tigkeiten, einfache Montage-, Klebe-, Sortier- oder Verpackungs- tätigkeiten, auch Pförtnertätigkeiten). Eine konkret noch in Betracht kommende Tätigkeit muss ihm nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht benannt werden, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der faktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen im Sinne der Rechtsprechung, welche zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen und daher die Prüfung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich machen würden, liegen nicht vor. Die aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen werden von den nurmehr in Betracht kommenden leichten körperlichen Arbeiten im Wesentlichen mit erfasst und schränken diese nicht zusätzlich in erheblichem Umfang ein (vgl. BSG in SozR 3-2600 § 43 Nr.21).

Ob dem Kläger allerdings eine noch in Betracht kommende Tätigkeit tatsächlich auch vermittelt werden könnte, ist für den geltend gemachten Rentenanspruch nicht relevant. Das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung trägt nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die Arbeitslosenversicherung.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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