S 20 SO 88/05 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 88/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf einstweilige Anordnung vom 22.07.2005 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Rechtsschutzbegehren in diesem Verfahren zielt darauf ab, den Antragsgegner vorläufig dazu zu verpflichten, dass er die Kosten übernimmt, die für die stationäre Betreuung des Antragstellers in der Übergangseinrichtung des Christlichen Sozialwerks seit 01.06.2005 entstanden sind und noch entstehen.

Der Antragsteller (geboren am 1984, Wohnsitz bei den Eltern in E ...Straße , in V ...) leidet seit längerem unter psychischen Störungen durch Alkohol mit einem Abhängigkeitssyndrom und einem Entzugssyndrom und einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und an einer Anpassungsstörung (vgl. im einzelnen die Entlassungsmitteilung der ...klinik L ... vom 29.09.2004 zum dortigen stationären Aufenthalt vom 23.09.2004 bis 29.09.2004, Blatt 27 der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners).

In der Zeit vom 11.11.2004 bis 08.12.2004 unterzog sich der Antragsteller in der ...-Klinik M ... (Dahme-Spreewaldkreis) einer Entwöhnungsbehandlung (Aufnahmemitteilung Blatt 20 der beigezogenen Verwaltungsakten). Der Antragsgegner ließ sich von seinem Gesundheitsamt, Suchtberatung, den Sozialbericht vom 12.01.2005 erstatten (Blatt 21 bis 24 der beigezogenen Verwaltungsakten). Nach Vorlage des Befundberichts der behandelnden Ärztin Dr. S ... vom 17.01.2005 (Blatt 18 der beigezogenen Verwaltungsakten) bewilligte die LVA Brandenburg mit Bescheid vom 26.01.2005 dem Antragsteller eine Entwöhnungsbehandlung im ..., in S ... (Bl. 26 der beigezogenen Verwaltungsakten), für die Dauer von drei Monaten. Ob sich der Antragsteller dort tatsächlich einer Entwöhnungsbehandlung unterzogen hat, bleibt nach dem Vortrag der Beteiligten und nach dem Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten offen.

Das Amtsgericht Senftenberg (Schöffengericht) verurteilte den Antragsteller unter Einbeziehung einer Vorstrafe zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren (Urteil vom 31.05.2005, Blatt 35, 36 der beigezogenen Verwaltungsakten); mit Beschluss vom selben Tage erteilte das Amtsgericht Senftenberg (Schöffengericht) dem Antragsteller u.a. die Auflage, "sich noch heute in eine Einrichtung der Stiftung S ... zu begeben ..." (Blatt 16 der Gerichtsakten, 3. Absatz der Beschlussformel). Das Amtsgericht Senftenberg änderte mit Beschluss vom 14.06.2005 diese Auflage dahingehend, dass der Antragsteller sich vom 31.03.2005 an in die Übergangseinrichtung des Christlichen Sozialwerks in M ... zu begeben hat (Blatt 17 der Gerichtsakten).

Die Übergangseinrichtung des Christlichen Sozialwerks in M ... – im weiteren Text "Sozialwerk" – teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 31.05.2005 mit, sie habe den Antragsteller am 31.05.2005 entsprechend dem Amtsgerichtbeschluss aufgenommen und beantrage die Kostenübernahme für die Eingliederungshilfe des Antragstellers für den Zeitraum vom 31.05.2005 an. Der Antragsgegner teilte dem Sozialwerk mit Schreiben vom 01.06.2005 mit, er werde die Kosten für den Aufnahmetag übernehmen, für die Entscheidung über die weitere Kostenübernahme benötige er weitere Unterlagen, die er näher bezeichnete (Blatt 19 der Gerichtsakten).

Der Antragsgegner lehnte die (weitere) Kostenübernahme mit Bescheid vom 14.06.2005 ab; dagegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 21.06.2005 Widerspruch. Über den Widerspruch hat der Antragsgegner offensichtlich noch nicht entschieden.

Die LVA Brandenburg bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 06.07.2005 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik F ... in S ... für die Dauer von drei Monaten.

Mit Schreiben vom 22.07.2005, hier eingegangen am 27.07.2005, begehrt der Antragsteller per Adresse des Sozialwerks einstweiligen Rechtsschutz zur Durchsetzung der Kostenübernahme für die Unterbringung im Sozialwerk und führt zur Begründung insbesondere aus, er erhalte trotz der von ihm abgebrochenen Entgiftungsbehandlungen die einzig adäquate Hilfe im Sozialwerk, er gehöre wegen seines chronischen Alkoholabhängigkeitssyndroms zum Personenkreis der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII, er könne aus seinem Arbeitslosengeld II (ca. Euro 285,00 monatlich) die Kosten des Sozialwerks (Tagessatz Euro 41,84) nicht aufbringen; die Betreuung im Sozialwerk sei vom Amtsgericht beschlossen worden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Eingliederungshilfe vom 01.06.2005 an fortlaufend vorläufig zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Schriftsatz vom 27.07.2005, der dem Antragsteller noch nicht zur Kenntnis gegeben wurde, insbesondere aus, weshalb der Antragsteller gegen ihn keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe in einem "Eilfall" habe, ein solcher Eilfall liege nicht vor.

Nach telefonischer Auskunft des Antragsgegners von heute hält sich der Antragsteller noch immer im Sozialwerk auf.

II.

Die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Sozialgerichts Potsdam (§ 57 Abs. 1 SGG, Wohnsitz des Antragstellers im Bezirk des Sozialgerichts Potsdam?) bedarf wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens keiner Antwort.

Der Anordnungsantrag ist jedenfalls nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, weil er zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gestellt wurde.

Danach kann das Gericht die beantragte Regelung anordnen, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen.

Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand im Verfahren mehr für einen Leistungsanspruch des Antragstellers als gegen einen solchen Leistungsanspruch spricht. Der bisher erkennbare Sachverhalt dürfte nicht die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII) erfüllen, weil die ärztlichen Befunde und der Sozialbericht vom 12.01.2005 der Annahme entgegen stehen, der Antragsteller werde seit Mai 2005 von einer wesentlichen Behinderung bedroht oder eine solche Behinderung sei schon eingetreten; denn der Antragsteller bedarf noch einer medizinischen Behandlung oder Rehabilitation (Entgiftung und Entwöhnung), was von den Leistungsbescheiden der Landesversicherungsanstalt Brandenburg vom 26.01. und 06.07.2005 bestätigt wird. Hingegen ist die Betreuung durch die Übergangseinrichtung des Sozialwerks in M ... als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII durchaus näher in Betracht zu ziehen. Dafür spricht nicht zuletzt der Auflagenbeschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 31.05.2005 (wohl irrtümlich als Urteil bezeichnet) in Gestalt des Änderungsbeschlusses vom 14.06.2005, der die Prüfung eines entsprechenden Hilfebedarfs erleichtert, wenn nicht gar überflüssig macht. Ein Anordnungsanspruch wäre vorliegend wohl zu bejahen.

Allerdings liegt kein Anordnungsgrund vor. Wesentliche Nachteile für den Antragsteller sind nicht zu befürchten, wenn die Beantwortung der Kostenfrage dem noch ausstehenden Widerspruchsbescheid oder einer (gerichtlichen) Hauptsacheentscheidung überlassen bliebe. Selbst dann, wenn das Sozialwerk unter betriebswirtschaftlichem Zwang den Antragsteller alsbald aus der Übergangseinrichtung in M ... entließe, wofür es zur Zeit keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, wäre eine unmittelbar anschließende stationäre medizinische Rehabilitation/Behandlung allem Anschein nach gesichert. Es ist nicht davon auszugehen, dass die konkrete Gefahr besteht, der Antragsteller werde entgegen der Auflage des Amtsgerichts Senftenberg nach Entlassung aus der Übergangseinrichtung in M ... in das gefährdende Milleu seines Wohnortes (V ...) zurückkehren müssen. Dieser Gefahr stünde auch die Fürsorge- und Leistungspflicht des Antragsgegners (§§ 67 ff SGB XII) entgegen. Die finanziellen Gesichtspunkte der inzwischen aufgelaufenen Kosten des Sozialwerks bedeuten keine wesentlichen Nachteile des Antragstellers.

Wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes, wie ausgeführt, ist der Anordnungsantrag, wie geschehen, abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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