Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hildesheim (NSB)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 13/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Beklagten werden der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. November 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 31. Mai 1999 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für alle Instanzen nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Klägerin ist im Jahre 1953 geboren und bei der beklagten Pflegekasse pflegeversichert. Sie wird von ihrem Ehemann gepflegt und bezieht seit April 1995 von der Beklagten Pflegegeld gemäß Pflegestufe III nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom März 1996 leidet sie aufgrund einer Kinderlähmung an schwersten Funktionseinschränkungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich Beinen, Armen und Händen. Innerhalb der Wohnung kann sie nur mit fremder Hilfe, außerhalb überhaupt nicht gehen. Sie verbringt zwei Drittel des Tages im Liegen, kann ihre Liegeposition selbständig aber kaum verändern und friert auch stark.
Im März 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf einen Sessel als Pflegehilfsmittel, der durch einen Elektroschalter in mehrere Sitz- und Liegepositionen verstellbar, bei schräg gestellter Sitzfläche als Aufstehhilfe verwendbar sowie heizbar ist. Dazu gab sie an, sie brauche den Sessel, um Positionsveränderungen selbständig durchführen zu können, was auch ihren Ehemann bei der Pflege erheblich entlaste. Nach Einholung von ärztlichen Stellungnahmen lehnte die Beklagte den Antrag ab: Der Sessel sei kein Hilfsmittel; für die Positionsveränderungen genüge ein verstellbares Pflegebett, für die Aufstehhilfe ein Katapultsitz oder ein Aufstehgestell (Bescheid vom 23. Mai 1997 und Widerspruchsbescheid vom 20. November 1997).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) ein Gutachten eines Instituts für Pflegehilfsmittelforschung und -beratung vom März 1999 eingeholt. Darin wird ausgeführt, da sich die Klägerin selbständig kaum bewegen könne, sei schon bald mit Komplikationen wie Wundliegen oder Lungenentzündungen zu rechnen; der Sessel könne das verhindern. Das SG hat die Beklagte daraufhin verurteilt, "die Kosten für einen elektrisch verstellbaren Aufsteh- und Liegesessel zu übernehmen" (Urteil vom 31. Mai 1999), und ausgeführt, bei dem Sessel handele es sich nicht um ein Hilfsmittel der Krankenversicherung, weil weder der Erfolg einer Krankenbehandlung gesichert noch ein wesentlicher Behinderungsausgleich bewirkt werde. Es handele sich auch nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens; denn in der Funktion der Veränderung von Sitz- und Liegepositionen mittels elektrischer Impulse auf Tastendruck werde er nicht von Gesunden benutzt. Nach dem eingeholten Gutachten lindere er die Beschwerden der Klägerin und erleichtere die Pflege, so daß er als Pflegehilfsmittel zu gewähren sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und im wesentlichen auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen (Beschluss vom 30. November 1999). Danach ist die Klägerin zum 1. Januar 2000 von der Beklagten zu einer anderen Krankenkasse - und damit auch einer anderen Pflegekasse - übergewechselt.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, der Sessel sei in jedem Möbelhaus erhältlich. Da er üblicherweise auch von Gesunden benutzt werde, die die Sonderfunktionen als angenehmen Komfort empfänden, handele es sich - auch bei Heranziehung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, für den die Beklagte auch dann nicht aufzukommen habe, wenn er der Erleichterung der Pflege diene.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. November 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 31. Mai 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung des begehrten Sessels als Hilfsmittel der Pflegeversicherung nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI.
Die Klage ist zwar zulässig; der Antrag ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte "zur Kostenübernahme" für einen elektrisch verstellbaren Aufsteh- und Liegesessel zu verurteilen; mit entsprechendem Tenor ist auch das erstinstanzliche, vom LSG bestätigte Urteil ergangen. Auch wenn der Klageantrag offen läßt, welcher Sesseltyp begehrt wird und ob der Sessel zu Eigentum oder leihweise zur Verfügung gestellt werden soll, ist er in Verbindung mit dem Leistungsantrag iS der Verurteilung zur Verschaffung eines bestimmten Fabrikats als Sachleistung zu verstehen.
Die Klage ist aber unbegründet, weil der begehrte Sessel kein Hilfsmittel der Pflegeversicherung ist. Daher kann dahinstehen, ob für die Gewährung des Sessels die alte oder die neue Pflegekasse der Klägerin zuständig gewesen wäre. Da die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß, kann auch die neue Pflegekasse nicht als leistungspflichtig in Betracht kommen (§ 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), so daß ihre Beiladung unterbleiben konnte (BSG SozR 1500 § 75 Nr 74; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 75 RdNr 13c).
Die Beiladung der Krankenkasse ist ebenfalls nicht erforderlich. Der Anspruch gegen die Pflegeversicherung scheitert nicht daran, daß die Krankenversicherung vorrangig zu leisten hätte. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Die Gewährung setzt mithin die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin gegen ihre - frühere oder heutige - Krankenkasse voraus. Nach § 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Krankenversicherte Anspruch auf Versorgung mit Hör- und Sehhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Der Sessel ist - im Gegensatz zur Auffassung des SG - zwar geeignet, eine Behinderung auszugleichen. Das Liegen mit dem dazu erforderlichen Verändernkönnen der Position sowie das Gehen mit dem dazu erforderlichen Aufstehenkönnen sind "allgemeine Grundbedürfnisse" iS der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl dazu Urteil des Senats vom 23. August 1995, 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr 16 - Lese-Sprechgerät -). Ein nur mittelbarer Ersatz der ausgefallenen Fähigkeiten in einem funktionell und räumlich eingeschränkten Teilbereich reicht dann aus, wenn es sich um grundlegende Körperfunktionen handelt; andernfalls wären gerade Schwerstbehinderte von der Hilfsmittelversorgung ausgeschlossen (stRspr, vgl Urteil des Senats vom 25. Januar 1995, 3/1 RK 63/93 = BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 13 - Krankenbett -).
Der von der Klägerin begehrte Sessel ist jedoch in allen Funktionen (also sowohl in der Funktion der Veränderbarkeit der Liegeposition, der - für die Klägerin weniger wichtigen - Aufstehfunktion wie in der Heizfunktion) ein bereits gesetzlich ausgeschlossener allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Krankenversicherung deckt nur den Sonderbedarf von Kranken und Behinderten ab. Hingegen ist ein Gegenstand, mag er auch Kranken und/oder Behinderten - wie der Klägerin - in hohem Maße helfen, nicht als Hilfsmittel der Krankenversicherung zu gewähren, wenn er schon von seiner Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und/oder Behinderte gedacht ist (stRspr, vgl Urteil des Senats vom 16. September 1999, B 3 KR 1/99 R, BSGE 84, 266, 268f = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 - Luftreinigungsgerät II -), wie das hier der Fall ist. Sessel mit den genannten Funktionen werden in erster Linie für Gesunde hergestellt sowie von diesen gekauft und benutzt ("Fernsehsessel"), was entsprechende Angebote in Kaufhäusern belegen; auch die Klägerin hat den von ihr favorisierten Sessel in einem gewöhnlichen Möbelprospekt gefunden. Daß Sessel mit ähnlichem oder sogar demselben Funktionsspektrum auch von Reha-Herstellern angeboten und dabei werbend als "medizinische Hilfsmittel" bezeichnet werden, wie die Klägerin betont, spielt demgegenüber keine Rolle; auch diese Sessel sind als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzuordnen, weil es nicht auf die Art des Herstellers und den konkreten Vermarktungsweg ankommt. Schließlich verliert der von der Klägerin begehrte Sessel nicht deshalb die Eigenschaft eines allgemeinen Gebrauchsgegenstands des täglichen Lebens, weil im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen nach § 128 SGB V (vom 15. Februar 1996, BAnz Nr 79a vom 25. April 1996, S 1, 33) "Aufstehhilfen für Sessel und Stühle" positiv erwähnt sind, dh "sog Katapultsitze zum Auflegen auf eine vorhandene Sitzgelegenheit oder Aufrichtegestelle, an denen sich der Versicherte mit seiner noch vorhandenen Eigenkraft aus der Sitzposition aufrichten kann". Diese sind als Hilfsmittel einzuordnen, weil sie mit dieser spezifischen Funktion nur von Behinderten erworben werden; der von der Klägerin begehrte Fernsehsessel wird vor allem wegen seines umfassenden Komforts aber vorwiegend von Gesunden gekauft.
Die Klägerin hat auch keinen nachrangigen Anspruch auf den Sessel als Hilfsmittel der Pflegeversicherung. Angesichts der schweren Funktionseinschränkungen der Klägerin kann zwar nicht zweifelhaft sein, daß der begehrte Sessel zur Erleichterung der Pflege und zur Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung dienen würde, vor allem weil er die Hilfe beim Umlagern erleichtern oder sogar entbehrlich machen würde.
Dennoch ist auch die Pflegekasse nicht zur Leistung verpflichtet, weil es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Dieser Leistungsausschluß ergibt sich zwar nicht wie im Bereich der Krankenversicherung ausdrücklich aus dem Gesetz; er läßt sich aber unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung aus dem systematischen Zusammenhang entnehmen. Nach den gesetzgeberischen Materialien (BT-Drucks 12/5262, S 113) dürfen Mittel, "die zum täglichen Lebensbedarf gehören", nicht berücksichtigt werden, "auch wenn sie die Pflege erleichtern". Dies wird zwar nicht näher begründet. Es finden sich andererseits auch keine Anhaltspunkte dafür, weshalb dieser Ausschlußgrund nicht wie im SGB V ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen worden ist. Aus der fehlenden Gesetzesregelung kann nicht der Schluß gezogen werden, daß hier das Gegenteil dessen gelten soll, was im SGB V geregelt ist. Näher liegt vielmehr die Annahme, daß dieser Ausschlußgrund als selbstverständlich und damit nicht regelungsbedürftig angesehen wurde; möglicherweise liegt auch ein bloßes redaktionelles Versehen vor. Eine Abweichung von der gesetzlichen Krankenversicherung ist in dieser Hinsicht auch nicht geboten. In beiden Bereichen trifft der Grundgedanke zu, daß es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben einer Sozialversicherung gehört, die Besorgung oder Anschaffung von Gegenständen zu finanzieren, die zum Lebensbedarf oder zu den Kosten der normalen Lebenshaltung gehören (vgl BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 zum Krankenversicherungsrecht). Dem erhöhten Bedarf von Behinderten in allen Lebensbereichen wird dadurch Rechnung getragen, daß sie ua steuerlich entlastet werden (§§ 33, 33b Einkommensteuergesetz). Nur ausnahmsweise kann auch die Pflegekasse einem behinderungsbedingten Mehrbedarf eines Pflegebedürftigen Rechnung tragen; die Regelung in § 40 Abs 4 SGB XI gibt den Pflegekassen die Möglichkeit, lediglich subsidiär, einkommensabhängig und der Höhe nach begrenzt Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen als Ermessensleistung zu gewähren. Die Anschaffung behinderungsgerechter Wohnungseinrichtungsgegenstände fällt aber nicht darunter; diese sind auch dann nicht von der Pflegekasse zu finanzieren, wenn der Versicherte sie, wäre er gesund, vermutlich nicht angeschafft hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe:
I
Die Klägerin ist im Jahre 1953 geboren und bei der beklagten Pflegekasse pflegeversichert. Sie wird von ihrem Ehemann gepflegt und bezieht seit April 1995 von der Beklagten Pflegegeld gemäß Pflegestufe III nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom März 1996 leidet sie aufgrund einer Kinderlähmung an schwersten Funktionseinschränkungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich Beinen, Armen und Händen. Innerhalb der Wohnung kann sie nur mit fremder Hilfe, außerhalb überhaupt nicht gehen. Sie verbringt zwei Drittel des Tages im Liegen, kann ihre Liegeposition selbständig aber kaum verändern und friert auch stark.
Im März 1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf einen Sessel als Pflegehilfsmittel, der durch einen Elektroschalter in mehrere Sitz- und Liegepositionen verstellbar, bei schräg gestellter Sitzfläche als Aufstehhilfe verwendbar sowie heizbar ist. Dazu gab sie an, sie brauche den Sessel, um Positionsveränderungen selbständig durchführen zu können, was auch ihren Ehemann bei der Pflege erheblich entlaste. Nach Einholung von ärztlichen Stellungnahmen lehnte die Beklagte den Antrag ab: Der Sessel sei kein Hilfsmittel; für die Positionsveränderungen genüge ein verstellbares Pflegebett, für die Aufstehhilfe ein Katapultsitz oder ein Aufstehgestell (Bescheid vom 23. Mai 1997 und Widerspruchsbescheid vom 20. November 1997).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) ein Gutachten eines Instituts für Pflegehilfsmittelforschung und -beratung vom März 1999 eingeholt. Darin wird ausgeführt, da sich die Klägerin selbständig kaum bewegen könne, sei schon bald mit Komplikationen wie Wundliegen oder Lungenentzündungen zu rechnen; der Sessel könne das verhindern. Das SG hat die Beklagte daraufhin verurteilt, "die Kosten für einen elektrisch verstellbaren Aufsteh- und Liegesessel zu übernehmen" (Urteil vom 31. Mai 1999), und ausgeführt, bei dem Sessel handele es sich nicht um ein Hilfsmittel der Krankenversicherung, weil weder der Erfolg einer Krankenbehandlung gesichert noch ein wesentlicher Behinderungsausgleich bewirkt werde. Es handele sich auch nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens; denn in der Funktion der Veränderung von Sitz- und Liegepositionen mittels elektrischer Impulse auf Tastendruck werde er nicht von Gesunden benutzt. Nach dem eingeholten Gutachten lindere er die Beschwerden der Klägerin und erleichtere die Pflege, so daß er als Pflegehilfsmittel zu gewähren sei. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und im wesentlichen auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen (Beschluss vom 30. November 1999). Danach ist die Klägerin zum 1. Januar 2000 von der Beklagten zu einer anderen Krankenkasse - und damit auch einer anderen Pflegekasse - übergewechselt.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, der Sessel sei in jedem Möbelhaus erhältlich. Da er üblicherweise auch von Gesunden benutzt werde, die die Sonderfunktionen als angenehmen Komfort empfänden, handele es sich - auch bei Heranziehung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung - um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, für den die Beklagte auch dann nicht aufzukommen habe, wenn er der Erleichterung der Pflege diene.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. November 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 31. Mai 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung des begehrten Sessels als Hilfsmittel der Pflegeversicherung nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI.
Die Klage ist zwar zulässig; der Antrag ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte "zur Kostenübernahme" für einen elektrisch verstellbaren Aufsteh- und Liegesessel zu verurteilen; mit entsprechendem Tenor ist auch das erstinstanzliche, vom LSG bestätigte Urteil ergangen. Auch wenn der Klageantrag offen läßt, welcher Sesseltyp begehrt wird und ob der Sessel zu Eigentum oder leihweise zur Verfügung gestellt werden soll, ist er in Verbindung mit dem Leistungsantrag iS der Verurteilung zur Verschaffung eines bestimmten Fabrikats als Sachleistung zu verstehen.
Die Klage ist aber unbegründet, weil der begehrte Sessel kein Hilfsmittel der Pflegeversicherung ist. Daher kann dahinstehen, ob für die Gewährung des Sessels die alte oder die neue Pflegekasse der Klägerin zuständig gewesen wäre. Da die Klage in jedem Fall abgewiesen werden muß, kann auch die neue Pflegekasse nicht als leistungspflichtig in Betracht kommen (§ 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), so daß ihre Beiladung unterbleiben konnte (BSG SozR 1500 § 75 Nr 74; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 75 RdNr 13c).
Die Beiladung der Krankenkasse ist ebenfalls nicht erforderlich. Der Anspruch gegen die Pflegeversicherung scheitert nicht daran, daß die Krankenversicherung vorrangig zu leisten hätte. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Die Gewährung setzt mithin die Verneinung eines Anspruchs der Klägerin gegen ihre - frühere oder heutige - Krankenkasse voraus. Nach § 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Krankenversicherte Anspruch auf Versorgung mit Hör- und Sehhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.
Der Sessel ist - im Gegensatz zur Auffassung des SG - zwar geeignet, eine Behinderung auszugleichen. Das Liegen mit dem dazu erforderlichen Verändernkönnen der Position sowie das Gehen mit dem dazu erforderlichen Aufstehenkönnen sind "allgemeine Grundbedürfnisse" iS der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl dazu Urteil des Senats vom 23. August 1995, 3 RK 7/95 = SozR 3-2500 § 33 Nr 16 - Lese-Sprechgerät -). Ein nur mittelbarer Ersatz der ausgefallenen Fähigkeiten in einem funktionell und räumlich eingeschränkten Teilbereich reicht dann aus, wenn es sich um grundlegende Körperfunktionen handelt; andernfalls wären gerade Schwerstbehinderte von der Hilfsmittelversorgung ausgeschlossen (stRspr, vgl Urteil des Senats vom 25. Januar 1995, 3/1 RK 63/93 = BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 13 - Krankenbett -).
Der von der Klägerin begehrte Sessel ist jedoch in allen Funktionen (also sowohl in der Funktion der Veränderbarkeit der Liegeposition, der - für die Klägerin weniger wichtigen - Aufstehfunktion wie in der Heizfunktion) ein bereits gesetzlich ausgeschlossener allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Die Krankenversicherung deckt nur den Sonderbedarf von Kranken und Behinderten ab. Hingegen ist ein Gegenstand, mag er auch Kranken und/oder Behinderten - wie der Klägerin - in hohem Maße helfen, nicht als Hilfsmittel der Krankenversicherung zu gewähren, wenn er schon von seiner Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und/oder Behinderte gedacht ist (stRspr, vgl Urteil des Senats vom 16. September 1999, B 3 KR 1/99 R, BSGE 84, 266, 268f = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 - Luftreinigungsgerät II -), wie das hier der Fall ist. Sessel mit den genannten Funktionen werden in erster Linie für Gesunde hergestellt sowie von diesen gekauft und benutzt ("Fernsehsessel"), was entsprechende Angebote in Kaufhäusern belegen; auch die Klägerin hat den von ihr favorisierten Sessel in einem gewöhnlichen Möbelprospekt gefunden. Daß Sessel mit ähnlichem oder sogar demselben Funktionsspektrum auch von Reha-Herstellern angeboten und dabei werbend als "medizinische Hilfsmittel" bezeichnet werden, wie die Klägerin betont, spielt demgegenüber keine Rolle; auch diese Sessel sind als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzuordnen, weil es nicht auf die Art des Herstellers und den konkreten Vermarktungsweg ankommt. Schließlich verliert der von der Klägerin begehrte Sessel nicht deshalb die Eigenschaft eines allgemeinen Gebrauchsgegenstands des täglichen Lebens, weil im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen nach § 128 SGB V (vom 15. Februar 1996, BAnz Nr 79a vom 25. April 1996, S 1, 33) "Aufstehhilfen für Sessel und Stühle" positiv erwähnt sind, dh "sog Katapultsitze zum Auflegen auf eine vorhandene Sitzgelegenheit oder Aufrichtegestelle, an denen sich der Versicherte mit seiner noch vorhandenen Eigenkraft aus der Sitzposition aufrichten kann". Diese sind als Hilfsmittel einzuordnen, weil sie mit dieser spezifischen Funktion nur von Behinderten erworben werden; der von der Klägerin begehrte Fernsehsessel wird vor allem wegen seines umfassenden Komforts aber vorwiegend von Gesunden gekauft.
Die Klägerin hat auch keinen nachrangigen Anspruch auf den Sessel als Hilfsmittel der Pflegeversicherung. Angesichts der schweren Funktionseinschränkungen der Klägerin kann zwar nicht zweifelhaft sein, daß der begehrte Sessel zur Erleichterung der Pflege und zur Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung dienen würde, vor allem weil er die Hilfe beim Umlagern erleichtern oder sogar entbehrlich machen würde.
Dennoch ist auch die Pflegekasse nicht zur Leistung verpflichtet, weil es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt. Dieser Leistungsausschluß ergibt sich zwar nicht wie im Bereich der Krankenversicherung ausdrücklich aus dem Gesetz; er läßt sich aber unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung aus dem systematischen Zusammenhang entnehmen. Nach den gesetzgeberischen Materialien (BT-Drucks 12/5262, S 113) dürfen Mittel, "die zum täglichen Lebensbedarf gehören", nicht berücksichtigt werden, "auch wenn sie die Pflege erleichtern". Dies wird zwar nicht näher begründet. Es finden sich andererseits auch keine Anhaltspunkte dafür, weshalb dieser Ausschlußgrund nicht wie im SGB V ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen worden ist. Aus der fehlenden Gesetzesregelung kann nicht der Schluß gezogen werden, daß hier das Gegenteil dessen gelten soll, was im SGB V geregelt ist. Näher liegt vielmehr die Annahme, daß dieser Ausschlußgrund als selbstverständlich und damit nicht regelungsbedürftig angesehen wurde; möglicherweise liegt auch ein bloßes redaktionelles Versehen vor. Eine Abweichung von der gesetzlichen Krankenversicherung ist in dieser Hinsicht auch nicht geboten. In beiden Bereichen trifft der Grundgedanke zu, daß es grundsätzlich nicht zu den Aufgaben einer Sozialversicherung gehört, die Besorgung oder Anschaffung von Gegenständen zu finanzieren, die zum Lebensbedarf oder zu den Kosten der normalen Lebenshaltung gehören (vgl BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 zum Krankenversicherungsrecht). Dem erhöhten Bedarf von Behinderten in allen Lebensbereichen wird dadurch Rechnung getragen, daß sie ua steuerlich entlastet werden (§§ 33, 33b Einkommensteuergesetz). Nur ausnahmsweise kann auch die Pflegekasse einem behinderungsbedingten Mehrbedarf eines Pflegebedürftigen Rechnung tragen; die Regelung in § 40 Abs 4 SGB XI gibt den Pflegekassen die Möglichkeit, lediglich subsidiär, einkommensabhängig und der Höhe nach begrenzt Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen als Ermessensleistung zu gewähren. Die Anschaffung behinderungsgerechter Wohnungseinrichtungsgegenstände fällt aber nicht darunter; diese sind auch dann nicht von der Pflegekasse zu finanzieren, wenn der Versicherte sie, wäre er gesund, vermutlich nicht angeschafft hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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