L 11 AL 128/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 293/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 128/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.02.2004 in Ziffer II des Urteilstenors aufgehoben.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung der Beklagten vom 02.10.2002.

Am 02.10.2002 erfolgte durch zwei Bedienstete der Arbeitsagentur (AA) N. in den Räumen der Klägerin in der R.straße in N. eine Außenprüfung gemäß § 304 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 107 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) sowie des § 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG). Die Bediensteten übergaben der anwesenden Buchhalterin eine schriftliche Prüfungsverfügung vom 02.10.2002. Im Verlauf der Prüfung fanden die Prüfer ihrer Meinung nach Hinweise auf illegale Ausländerbeschäftigung, des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt sowie der Steuerhinterziehung. In der Folge soll es zu Handgreiflichkeiten mit den Geschäftsführern der Klägerin gekommen sein. Die Mitarbeiter der Beklagten verließen die Firmenräume und verständigten die Polizei. Bei deren Eintreffen sollen den Prüfern zuvor gezeigte Unterlagen bereinigt gewesen sein. Die Beklagte erstattete Strafanzeige wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Die Geschäftsführer wurden jeweils mit Strafbefehlen über 60 Tagessätze wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Diese Strafbefehle sind rechtskräftig.

Gegen die Prüfungsverfügung vom 02.10.2002 legte die Klägerin am 17.10.2002 Widerspruch ein. Die Prüfungsverfügung habe sich nur gegen die "T. GmbH" nicht jedoch gegen die "I.-GmbH" gerichtet. Es fehle mithin bereits an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Prüfungsverfügung. Daher sei das Handeln der Bediensteten rechtswidrig gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11.03.2003 zurück. Die Prüfungsverfügung, die wirksam auch mündlich hätte erfolgen können, sei angesichts der korrekten Firmenanschrift ohne weiteres nachvollziehbar gewesen und habe auch vor Ort korrigiert werden können.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Prüfungsverfügung habe den Adressaten nicht erkennen lassen und sei zudem zu unbestimmt gewesen. Außerdem seien die §§ 304 ff SGB III wegen möglicher Grundrechtseingriffe nicht verfassungsgemäß. Insbesondere liege ein Verstoß gegen Artikel 13 Grundgesetz (GG) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Auch seien datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht beachtet worden.

Mit Urteil vom 03.02.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Feststellungsantrag sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte habe zu Recht eine Prüfung gemäß §§ 304 ff SGB III angeordnet und durchgeführt. Diese liege im Ermessen der Beklagten, ein bestimmter Verdacht sei dazu nicht erforderlich. Auch habe es keiner schriftlichen Prüfungsanordnung bedurft. Die Klägerin sei in dem Vordruck hinreichend bestimmt bezeichnet worden und die Prüfungsverfügung sei auch nicht zu unbestimmt gewesen, denn in ihr sei im Einzelnen aufgeführt, wegen welcher möglicher Verstöße eine solche Prüfung habe angeordnet werden dürfen. Die §§ 304 ff SGB III genügten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Es handele sich um besondere gesetzliche Bestimmungen, die zum Betreten von Geschäftsräumen ermächtigten. Das Betreten der Räume zur Besichtigung und Prüfung diene einem erlaubten Zweck; das Gesetz lasse Zweck der Prüfung, Gegenstand und Umfang deutlich erkennen. Auch hätten die Räumlichkeiten nur während der geschäftlichen oder betrieblichen Nutzung betreten werden dürfen. Die Beklagte habe die Grenzen der Datenerhebung und -verwertung beachtet und sich verpflichtet, nicht benötigte Daten im Anschluss an deren Beiziehung zu vernichten. Ein Verstoß gegen den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art 14 GG) sei nicht erkennbar. Insoweit regelten §§ 304 ff SGB III Inhalt und Schranken der Ausübung des Grundrechts. Es stelle keine besondere Beeinträchtigung des Arbeitgebers dar, wenn er bei Verdacht auf Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten bestimmte Unterlagen in seinen Geschäftsräumen vorlegen und durch eine fachkundige Stelle überprüfen lassen müsse.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, da ein Rehabilitationsinteresse bestehe. Die Frage der Rechtswidrigkeit der Maßnahme entscheide darüber, ob der Geschäftsführer als Straftäter zu qualifizieren sei, oder ob er sich in Notwehr gegen einen rechtswidrigen Grundrechtseingriff gewandt habe. Zwar habe der Geschäftsführer den Strafbefehl akzeptiert. Dies lasse jedoch das Feststellungsinteresse nicht entfallen, denn bislang liege zur Frage der Rechtmäßigkeit keine gerichtliche Entscheidung vor. Ohne eine gerichtliche Feststellung bleibe jedoch der strafrechtliche Vorwurf völlig ungeklärt und der Geschäftsführer müsse weitere negative Folgen des Strafbefehls befürchten. Damit komme es nicht mehr auf die Wiederholungsgefahr an. Allerdings werde diese nicht dadurch gebannt, dass sich die Zuständigkeit der Behörde geändert habe (ab 01.01.2004 alleinige Zuständigkeit der Zollämter), denn für den Betroffenen sei es irrelevant, ob die Maßnahme von der Beklagten oder vom Zoll durchgeführt werde.

Die Prüfungsverfügung sei auf die T. GmbH ausgestellt worden, die am Ort der Prüfung nicht ansässig sei. Damit sei die Verfügung einem nicht beteiligten Dritten bekannt gegeben worden mit der Folge, dass der Verwaltungsakt ins Leere gelaufen sei. Die Prüfungsverfügung sei auch nicht vor Ort mündlich korrigiert worden. An die Bestimmtheit der Prüfungsverfügung - Individualisierung des Prüfungsumfangs - seien hohe Anforderungen zu stellen, denen die verwendete Musterprüfanordnung nicht genüge, da sie keinen Raum für Sachverhalts-Individualisierungen lasse. Deshalb verletze die Prüfungsverfügung mangels Bestimmtheit das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung.

Im Übrigen seien §§ 304 ff SGB III, § 107 SGB IV verfassungswidrig und könnten nicht Rechtsgrundlage für die Prüfungsverfügung der Beklagten sein, weil die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Richtervorbehalt) durch Geltendmachung eines schlichten Betretungsrechts nebst Duldungspflicht des Adressaten systematisch umgangen würden. Selbst wenn man §§ 304 ff SGB III für verfassungsmäßig erachte, wäre die Prüfungsverfügung zumindest unverhältnismäßig, da die im Einzelfall bei ihr beabsichtigten und durchgeführten Maßnahmen (Rundumschlag) nicht auf sie gestützt werden könnten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.02.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Prüfungsverfügung der Arbeitsagentur Nürnberg vom 02.10.2002 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Verwaltungsakt sei ausreichend bestimmt gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass ihre Mitarbeiter die Prüfungsabsicht der Buchhalterin in den Geschäftsräumen mitgeteilt hätten. Aus dem Verfügungssatz der Prüfungsverfügung sei dieser Wille unzweideutig zum Ausdruck gekommen. Der Eingriff sei auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt gewesen, da er sich auf gültige Rechtsnormen gestützt habe. Eine Durchsuchung sei nicht erfolgt; die Bediensteten hätten lediglich vorgelegte Lohnunterlagen durchgeblättert.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Akten der Staatsanwaltschaft N. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet, denn das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beschränkt im Berufungsverfahren ihr Begehren auf den ursprünglichen Hilfsantrag und beantragt nur noch die Rechtswidrigkeit der Prüfungsverfügung vom 02.10.2002 festzustellen. Es handelt sich hierbei um eine Fortsetzungsfeststellungsklage.

Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§§ 55 Abs 1, 131 Abs 1 Satz 3 SGB III). Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nach allgemeiner Meinung auch bei Erledigung des Verwaltungsaktes bereits vor der Klageerhebung - wie hier - zulässig (Meyer-Ladewig, SGG, 8.Aufl, § 131 RdNr 9 a).

Allerdings ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat (Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses). Dieses ist ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (vgl zB BVerwGE 61, 164; 26, 161, 168; Meyer-Ladewig aaO § 131 RdNr 10 a; Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl, § 113 RdNr 84). Das erstrebte Sachurteil muss in irgendeiner Weise geeignet sein, die Position des Klägers konkret zu verbessern (BVerwGE 53, 134/137; BSGE 79, 33; BSG SozR 4100 § 91 Nr 5). Bei bereits vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsakten gelten strengere Anforderungen für die Bejahung des Feststellungsinteresses, weil hier das Gericht mit der Sache erstmals befasst wird und es grundsätzlich nicht seine Aufgabe ist, Vorfragen für Entscheidungen der Behörden oder anderer Gerichte zu klären (VGH Mannheim NVwZ-RR 1995, 621; Schmidt in Eyermann aaO § 113 RdNr 85).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das Feststellungsinteresse mit einem Rehabilitationsinteresse, daneben auch mit Wiederholungsgefahr und Vorbereitung eines "gegebenenfalls nachzuschaltenden Amtshaftungsprozesses" begründet.

Die Absicht, eine Amtshaftungsklage zu erheben, begründet dann kein Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn sich der Verwaltungsakt - wie vorliegend - bereits vor Klageerhebung erledigt hat (BVerwGE 81, 226). Die Klägerin kann sich nämlich das Gericht nicht aussuchen. Sie muss den ordentlichen Rechtsweg beschreiten (BVerwG NJW 89, 2486; Meyer-Ladewig aaO § 131 RdNr 10 f). Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse würde hier ferner auch deshalb fehlen, weil der Amtshaftungsprozess offensichtlich aussichtslos ist. Im vorliegenden Fall dürfte ein dem Dienstherrn zurechenbares Verschulden der handelnden Bediensteten bereits deshalb ausscheiden, weil die Anwendung einer Vorschrift, deren Inhalt evtl. zweifelhaft sein kann und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, den sachbearbeitenden Bediensteten (Beamten) nicht zum Verschulden gereicht (BVerwGE 14, 222/231; Schmidt aaO RdNr 90). Im Übrigen dürfte es auch an einem Schaden fehlen; jedenfalls hat die Klägerin hierzu nichts vorgetragen. Die Geldstrafe, die durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 14.02.2003 gegen die Geschäftsführer verhängt wurde, ist kein Schaden der GmbH, der auf die Amtshandlung zurückzuführen wäre, sondern beruht auf dem geleisteten Widerstand der Geschäftsführer gegen Vollstreckungsbeamte. Außerdem handelt es sich nicht um einen Schaden der Klägerin als juristischer Person.

Eine Wiederholungsgefahr ist im Ergebnis nicht zu bejahen. Besteht die Gefahr, dass die Behörde erneut einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt des erledigten Verwaltungsaktes oder zumindest einen gleichartigen Verwaltungsakt erlässt, kann dies zwar einen Fortsetzungsfeststellungsantrag unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr rechtfertigen. Dieser setzt jedoch voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vorliegen wie zum Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes (BSGE 40, 196; BSG SozR 3-1500 § 55 Nr 12). Ist dies ungewiss oder haben sich die Verhältnisse geändert, ist keine das Feststellungsinteresse rechtfertigende Wiederholungsgefahr gegeben (Schmidt aaO RdNr 86; Kopp/Schenke VwGO 12.Aufl § 113 RdNr 141).

Im vorliegenden Fall ist durch gesetzliche Regelungen vom 23.12.2003/23.07.2004 mit Wirkung ab 01.01.2004 die Verfolgungszuständigkeit von der Beklagten auf den Zoll in alleiniger Zuständigkeit übergegangen (vgl Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - BGBl I 2848 - und Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung vom 23.07.2004, BGBl I 1842). Die bisherigen Rechtsgrundlagen (§§ 304 ff SGB III) wurden aufgehoben. Die abstrakte Möglichkeit, dass die nunmehr für die Verfolgung allein zuständigen Behörden der Zollverwaltung in vergleichbaren Fällen auf Grund anderer Rechtsgrundlage genauso handeln könnten wie die Beklagte, reicht zur Annahme eines Wiederholungsfalles nicht aus (Meyer-Ladewig aaO § 131 RdNr 10 b). Hinzu kommt, dass in der Rechtsprechung gegen die hier angewandten Rechtsgrundlagen keine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht wurden (vgl BayObLG Beschluss vom 29.05.2000 - 3 ObOWi 34/2000 - NStZ-RR 2000, 377-379) und eine Wiederholung hinsichtlich einer unvollständigen Bezeichnung der Klägerin in der Prüfungsverfügung ausgeschlossen werden kann.

Auch das von der Klägerin primär geltend gemachte Rehabilitationsinsteresse liegt nicht vor.

Hat ein Verwaltungsakt außer seiner (erledigten) belastenden Wirkung zusätzlich einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist, so kann auch das Interesse an einer Rehabilitation, an der Beseitigung dieser Rufminderung, eine Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist (BVerwGE 26, 161/168; Meyer-Ladewig aaO § 131 RdNr 10 a; Kopp/Schenke aaO § 113 RdNr 142, Schmidt aaO § 113 RdNr 92). Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt nicht ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen.

Abträgliche Nachwirkungen, die ursächlich auf das Verwaltungshandeln zurückgeführt werden könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Die strafrechtlichen Folgen für die Geschäftsführer der GmbH wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte haben in diesem Zusammenhang unberücksichtigt zu bleiben, denn der Geschäftsführer E. R. ist am anhängigen Verfahren nicht im eigenen Namen, sondern nur als Vertreter der GmbH beteiligt. Im Übrigen stünden die strafrechtlichen Folgen für die Geschäftsführer mit dem ausgeübten Verwaltungshandeln der Beklagten ohnehin in keinem direkten Zusammenhang. Auch konnte durch das Verwaltungshandeln allein eine Beeinträchtigung des Ansehens der GmbH nicht eintreten. Die Prüfung selbst war nämlich nicht diskriminierend, zumal sie keinen Verdacht rechtswidrigen Verhaltens voraussetzte.

Die Klägerin kann das Rehabilitationsinteresse auch nicht mit evtl. Grundrechtsverletzungen begründen. Hierfür ist ohnehin nicht jeder Verstoß gegen Grundrechte ausreichend (Schmidt aaO § 113 RdNr 93). Die Klägerin war grundsätzlich verpflichtet, den Prüfern Zutritt zu den Geschäftsräumen und Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren. Zwar umfasst der Begriff der "Wohnung" im Sinne Art 13 GG auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume mit der Folge, dass Durchsuchungen solcher Räume grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden dürfen (Art 13 Abs 2 GG). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits im grundlegenden Urteil vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 - (BVerfGE 32, 54) entschieden, dass behördliche Betretungs- und Besichtigungsrechte keine Durchsuchungen im genannten Sinne darstellen. Unter Beachtung des Art 13 Abs 3 GG (jetzt Art 13 Abs 7 GG) hielt das Bundesverfassungsgericht "Eingriffe und Beschränkungen" die nicht Durchsuchungen sind - also das Betreten von Geschäftsräumen, um dort im Rahmen der Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Auskunftserteilung Geschäftsunterlagen und -akten zu prüfen - als ein vielfach unentbehrliches Kontrollinstrument der modernen Wirtschaftsaufsicht unter folgenden Voraussetzungen für zulässig: Eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen; das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigungen und Prüfungen müssen einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sein; das Gesetz muss den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen; das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung ist nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen (BVerfGE aaO; BVerfG Beschluss vom 11.11.1986 SozR 4100 § 132 a AFG; BayLSG Urteil vom 12.03.2002 - L 10 AL 194/00 - veröffentlicht in Juris).

Das Bayer. Oberste Landesgericht (BayObLG) hat im Beschluss vom 29.05.2000 - 3 ObOWi 34/2000 - gegen dieses Betretungs- und Einsichtsrecht verfassungsrechtliche Bedenken nicht geäußert. Es hat ausgeführt, dass sich das Betretungsrecht auf alle Räume, in denen sich der rechtliche oder tatsächliche Geschäftssitz des Arbeitgebers befindet, erstreckt und § 107 Abs 3 Satz 1 SGB IV auch Dritte verpflichtet, alle in § 107 Abs 1 Satz 2, 3, 4 und 6 SGB IV genannten Maßnahmen zur Prüfung zu dulden. Dieser Rechtsauffassung tritt der Senat bei.

Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nicht das strafgerichtlich bereits geahndete Verhalten der Geschäftsführer der GmbH. Mithin ist die Frage, ob den Geschäftsführern ein "Notwehrrecht" zur Seite stand, in dem hier anhängigen Verfahren gegen die GmbH - nur diese ist Klägerin - nicht zu klären. Im Übrigen sind die Strafbefehle rechtskräftig; die Geschäftsführer sind hiergegen nicht mit dem zulässigen Rechtsbehelf vorgegangen. Die Geschäftsführer können sich aber das Gericht - gerade auch im Hinblick auf ihre Rehabilitation von strafrechtlich relevantem Handeln - nicht aussuchen.

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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