L 8 AL 209/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 47/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 209/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. April 2004 und die Bescheide vom 22. Juni 2001 sowie 12. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2001 sowie 17. April 2002 dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auf die Zeit bis 9. Juli 2001 bechränkt wird und die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 10. bis 25. Juli 2001 Arbeitslosenhilfe nach Leistunsgruppe A zahlt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 02.07.2001 und die Höhe der Leistung für die Zeit vom 01. bis 25.07.2001 streitig.

Der 1950 geborene Kläger, von Beruf Betriebswirt, bezieht seit 08.07.1999 Alhi. Zuletzt wurde ihm diese Leistung ab 21.07.2000 für ein weiteres Jahr bewilligt.

Der Kläger reichte einen Antrag auf Bewilligung von Überbrückungsgeld (Übbg) ein und gab am 11.05.2001 an, zum 01.07.2001 umzuziehen nach L.straße in S. ("- Büro -"), jedoch nur, wenn es mit seiner Selbständigkeit in Ordnung gehe und ihm die Mittel bewilligt würden.

Mit Änderungsbescheid vom 22.06.2001 bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 01.07.2001 Leistungen nur noch in Höhe von wöchentlich 195,51 DM gegenüber früher 289,24 DM, da sie statt Leistungsgruppe A nunmehr Leistungsgruppe D und kein Kindermerkmal mehr zu Grunde legte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07.07.2001, eingegangen am 10.07.2001, Widerspruch ein und führte aus, er habe bei Antragstellung im Juli 1999 seine Lohnsteuerkarte vorgelegt, auf die ein Kind eingetragen sei, und zwar seine 1983 geborene Tochter M. ; er habe vergessen, seinen Sohn T. miteinzutragen, dem er laut einer vorgelegten Urkunde unterhaltspflichtig sei. Außerdem habe sich seine Adresse seit dem 01.07.2001 nicht geändert, vielmehr werde sich diese erst ab dem 01.08.2001 ändern.

Laut Beratungsvermerk vom 20.07.2001 war bezüglich des Antrages auf Übbg eine negative Stellungnahme der IHK zur Tragfähigkeit der Existenzgründung eingegangen. Am 25.07.2001 wurde der Kläger darüber informiert, dass sein Antrag auf Übbg abgelehnt würde.

Mit Bescheid vom 24.08.2001 wurde dem Kläger ab 26.07.2001 Alhi bewilligt, und zwar erneut nach Leistungsgruppe A in Höhe von wöchentlich 283,64 DM.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2001 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.06.2001 als unbegründet zurück. Ihm sei ab 26.07.2001 der erhöhte Leistungssatz bewilligt worden, somit habe es sich um eine günstigere Entscheidung gehandelt, obwohl verschiedene Nachweise nicht eingereicht worden seien. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens sei außerdem festgestellt worden, dass der Anspruch auf Alhi wegen fehlender bzw. unrichtiger Angaben eventuell gar nicht vorliege. Hiergegen hat der Kläger die Klage S 7 AL 47/02 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben.

Die Beklagte hatte die Zahlung der Alhi ab 02.07.2001 eingestellt. Mit Bescheid vom 12.03.2002 hob sie die Bewilligung der Alhi ab 02.07.2001 auf wegen der schriftlichen Mitteilungen vom 10.05. und 06.06.2001 über den Umzug ab 01.07.2001 wegen Selbständigmachung. Des Weiteren sei das Namensschild am Briefkasten Anfang Juli 2001 entfernt worden, weshalb er für das Arbeitsamt nicht erreichbar gewesen sei.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich nicht zum 01.07.2001 abgemeldet, da die Entscheidung der IHK noch nicht vorgelegen habe; darüber hinaus habe er mit der Beraterin besprochen, dass nur eine Abmeldung in Frage komme, wenn er die Zusage für Übbg habe, da nur dann eine Selbständigmachung in Frage komme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe am 10.05. und 06.06.2001 definitiv mitgeteilt, er werde am 01.07.2001 umziehen und eine selbständige Tätigkeit aufnehmen.

Hiergegen hat der Kläger zum SG die Klage S 7 AL 262/02 erhoben und erneut darauf hingewiesen, er habe den Umzug und die Selbständigmachung immer von der Genehmigung des Übbg abhängig gemacht.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 15.04.2004 die beiden Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 15.04.2004 hat es die Klagen abgewiesen. Der Kläger sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr erreichbar gewesen. Auf Grund der Veränderungsmitteilung stehe fest, dass er ab Juli 2001 an der im Antrag angegebenen Anschrift tatsächlich nicht mehr erreichbar gewesen sei. Dies werde nicht zuletzt durch den Postrücklauf vom 04.07.2001 bestätigt. Die Einlassung, ihm sei Übbg zugesagt worden, sei unbeachtlich, da sie nicht in schriftlicher Form erfolgt sei.

Mit seiner Berufung widerspricht der Kläger der Behauptung, er habe sich hinsichtlich der alten Adresse in R. abgemeldet. Er habe auch seine Selbständigkeit nur zugesagt unter der Bedingung, dass er nahtlos das Übbg bekomme, da für ihn eine fortlaufende Zahlung lebensnotwendig gewesen sei.

Mit dem Vergleichsvorschlag des Gerichts, dass die Beklagte ihm für die Zeit vom 10. bis 25.07.2001 Alhi zahle, hat er sich einverstanden erklärt.

Die Beklagte hat diesem Vergleichsvorschlag widersprochen. Der Kläger habe am 10.05.2001 unterschriftlich erklärt, dass er ab 01.07.2001 mehr als kurzzeitig tätig sein werde, und dies am 06.06.2001 erneut unterschriftlich bestätigt. Somit habe ab diesem Zeitraum Verfügbarkeit nicht mehr vorgelegen. Es sei seine Aufgabe gewesen, rechtzeitig zweifelsfrei darzulegen, dass sich der Eintritt der Selbständigkeit verschieben werde und er die Vermittlungseinrichtungen der Beklagten weiterhin in Anspruch nehmen wolle. Aus seinem Schreiben vom 07.07.2001 gehe in keinster Weise hervor, dass die Erklärungen vom 10.05. und 06.06.2001 im Hinblick auf den Entritt der Selbständigkeit überholt seien. Streitig sei die Zahlung der Alhi in Höhe von täglich 40,52 DM in der Zeit vom 01. bis 25.07.2001 abzüglich des für den 01.07.2001 bereits geleisteten Betrages in Höhe von 27.93 DM, so dass mit dem streitigen Betrag von 985,07 DM der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.04.2004 sowie den Bescheid vom 12.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2001 zu verurteilen, ab 01.07.2001 Alhi nach Leistungsgruppe A zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung) liegt nicht vor. Der ursprünglich streitige Betrag von 985,07 DM entspricht 503,65 EUR, so dass der Beschwerdewert im Sinne des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG von 500,00 EUR überschritten wird. Dieser Auffassung hat sich letztlich die Beklagte entgegen ihren ursprünglichen Ausführungen angeschlossen, wie der in der mündlichen Verhandlung am 10.05.2005 gestellte Antrag zeigt.

Das Rechtsmittel erweist sich in der Sache als teilweise begründet.

Zu Unrecht hat die Beklagte dem Kläger Alhi ab 01.07.2001 nur noch nach Leistungsgruppe D und ohne Anerkennung eines Kindermerkmales bewilligt. Unstreitig war auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Steuerklasse I eingetragen; außerdem stand ihm gemäß § 195 Nr.1 SGB III i.V.m. § 129 Nr.1 SGB III der erhöhte Leistungssatz zu, da er mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis 5 EstG hatte. Davon geht jedenfalls auch die Beklagte aus, wie die Bewilligung ab 26.07.2001 in Höhe von 40,52 DM täglich zeigt.

Die Beklagte war nur berechtigt, die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 01. bis 09.07.2001 gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X aufzuheben. Der Kläger hatte angegeben, zum 01.07.2001 in die L.straße in S. umzuziehen, war aber, wie der Postrücklauf vom 04.07.2001 zeigt, unter dieser Adresse nicht erreichbar, da der Umzug tatsächlich nicht stattgefunden hatte, weshalb Erreichbarkeit im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung - EAO - vom 23.10.1997, ANBA 1997 S.1685, nicht vorlag.

Ab 10.07.2001 war der Beklagten aber bekannt, dass der Kläger nach wie vor unter der zuvor angegebenen Anschrift in R. postalisch erreichbar war, weshalb ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 118, 119 Abs.3 SGB III gegeben war. Deshalb war die Beklagte nicht berechtigt, die Bewilligung über den 09.07.2001 hinaus aufzuheben.

Eine Berechtigung zur Aufhebung der Bewilligung über diesen Zeitpunkt hinaus ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger zunächst angegeben hatte, sich ab 01.07.2001 selbständig zu machen. Denn erkennbar war die Selbständigmachung an den Umzug nach S. , wo sich das Büro befinden sollte, geknüpft. Am 10.05.2001 hat der Kläger ausdrücklich erklärt, er werde seinen Wohnsitz in R. aufgeben und nach S. zum 01.07.2001 umziehen, "jedoch nur, wenn es mit meiner Selbständigkeit in Ordnung geht bzw. mir die Mittel bewilligt werden." Somit war seine Abmeldung an die Bedingung geknüpft, dass ihm Übbg bewilligt würde. Aus diesem Grunde war aus der am 10.07.2001 eingegangenen Mitteilung, dass der Kläger weiterhin in R. wohnhaft sei, und dem weiterhin bekannten Umstand, dass Übbg bis dahin nicht bewilligt worden war, erkennbar, dass eine Selbständigmachung noch nicht stattgefunden hatte. Selbst wenn man der Auffassung der Beklagten folgen wollte, dass der Kläger objektiv nicht mit der erforderlichen Klarheit mitgeteilt habe, dass er sich noch nicht selbständig gemacht habe, so könnte dem Kläger insoweit keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs.1 Satz 2 Nrn.2 und 4 SGB X angelastet werden, da er auf Grund seiner Erklärungen vom 10.05.2001 einerseits und vom 07.07.2001 andererseits davon ausgehen konnte, ohne die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße zu verletzten, dass die Beklagte erkannt hat, dass die Selbständigmachung noch nicht erfolgt ist und er weiterhin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht.

Wie die Ermittlungen der Beklagten ergeben haben, war auch der Vorwurf unberechtigt, bereits Anfang Juli sei das Namensschild des Klägers an der Adresse in R. entfernt worden.

Somit war die Aufhebung der Bewilligung der Alhi auf die Zeit bis 09.07.2001 zu beschränken und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Alhi in der später ab 26.07.2001 bewilligten Höhe ab 10.07.2001 zu zahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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