L 2 U 290/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 158/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 290/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 17.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1946 geborene Kläger erlitt am 30.10.1995 einen Autounfall.

Der Durchgangsarzt, der Orthopäde Dr.G. , diagnostizierte am 31.10.1995 eine Distorsion der Halswirbelsäule, Prellung LWK 2/3, laterale Knieprellung, Verdacht auf Infraktion am Fibulaköpfchen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.G. untersuchte den Kläger am 02.11.1995 und stellte einen Tinnitus aurium nach HWS-Schleudertrauma fest. Unfallunabhängig bestehe eine Innenohr-Hochtonschwerhörigkeit. Der Kläger gebe ein subjektives Rauschen bei 1 kHz an. Am 27.11.1995 berichtete Dr.G. , schon im Oktober 1993 habe für einige Wochen ein singendes Ohrgeräusch im Zusammenhang mit beruflicher Chlorbelastung bestanden, das spontan wieder verschwunden sei. Seit dem Unfall bemerke der Kläger ein Rauschen bis Pfeifen in beiden Ohren. Am 06.12.1995 wurde der Kläger von dem Neurologen und Psychiater L. untersucht. Der Kläger gab an, er leide seit dem Unfall unter Ohrensausen und fühle sich niedergeschlagen. Der Neurologe stellte die Diagnosen: Zustand nach HWS-Distorsion, Tinnitus, posttraumatische Belastungsreaktion. Neurologische Ausfälle waren nicht feststellbar. Eine Kernspintomographie vom 08.12.1995 zeigte einen Zustand nach HWS-Schleudertrauma im Sinne einer Distorsion und Verdacht auf Vorwölbung der Bandscheibe C5/C6 im Sinne einer traumatischen Bandscheibenläsion. Die Hals-Nasen-Ohrenärzte Dr.H. , Dr.B. , Dr.H. stellten die Diagnose eines Tinnitus bei HWS-Trauma am 19.12.1995. Beigezogen wurden die Untersuchungsunterlagen des Dr. G. vom 19.02.1991, 14.10.1993, 02.11.1995, 09.11.1995, 10.11.1995, 28.11.1995 und 11.12.1995.

Im Gutachten vom 08.04.1996 führte der HNO-Arzt Prof. Dr. T. zusammenfassend aus, der Tinnitus beiderseits sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall mit HWS-Schleudertrauma 1995 hervorgerufen worden. Die MdE sei mit 10 v.H. für den Tinnitus zu bewerten.

Der Neurologe und Psychiater Prof.Dr.A. kam im Gutachten vom 30.04.1996 zu dem Ergebnis, auf neurologischem Fachgebiet finde sich kein verwertbarer pathologischer Befund, der auf den Unfall vom 30.10.1995 zurückzuführen wäre.

Prof.Dr.T. erläuterte in der ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.1996, nach der Anamnese sei es erst nach dem Unfall zu einem Hochtontinnitus gekommen. Dies belege auch der Krankenkassenauszug. Es handele sich also um einen unfallbedingten Tinnitus beider Ohren mit Hochtoncharakter. Am 16.10.1996 vertrat Prof.Dr.T. die Auffassung, ein so erheblicher, erst weit über der Hörschwelle vertäubbarer Tinnitus spreche für eine zusätzliche Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet.

Dr.G. übersandte Befunddokumentationen vom 19.02.1991 mit der Diagnose: 14 Tage Ohrrauschen links, und vom 28.10.1993 mit der Diagnose: Tinnitus aurium. Der Kläger hörte gelegentlich ein singendes Geräusch in beiden Ohren, das bei forcierter Mundatmung verschwinde. In weiteren Berichten wiesen die HNO-Ärzte Dr.H. , Dr. B. , Dr.H. darauf hin, dass psychosomatische Zusammenhänge in Bezug auf den stark belastenden Tinnitus zu überprüfen seien. Der Orthopäde Prof.Dr.Z. führte im Gutachten vom 11.02.1997 aus, Folge des Unfalls vom 30.10.1995 sei ein Tinnitus aurium. Er verwies dabei auf das Gutachten von Prof.Dr.T ... Dr.A. erläuterte im Schreiben vom 19.03.1997, eine Akzentuierung der Depression durch den unfallbedingten Tinnitus sei zum Zeitpunkt der Untersuchung vom 29.03.1996 nicht zu erkennen gewesen.

Nach stationärer Behandlung vom 25.06. bis 20.08.1997 führte der HNO-Arzt Dr.H. von der Tinnitus-Klinik Bad A. aus, es handele sich um einen elektrophysiologisch peripheren Tinnitus mit eindeutiger Beeinflussbarkeit durch die Störung der Halswirbelsäule, die wohl durch den Autounfall mit HWS-Distorsionstrauma bedingt sei. In Wertung des anamnestischen Zusammenhangs lasse sich folgern, dass der Unfall Störungen auf der hörverarbeitenden Ebene hervorgerufen haben könnte, so dass die vorbestehende cochleäre Dysfunktion erst dann ungefiltert über die hörverarbeitenden Bahnen nach zentral fortgeleitet worden sei und ein Tinnitusleiden sich ausgebildet habe. Die Ärzte der Klinik für Manuelle Therapie, H. , erklärten nach stationärer Behandlung des Klägers vom 21.08. bis 16.09.1997, seit dem Unfall sei eine Beschwerdesymptomatik im Cervikalbereich bekannt. Außerdem bestehe seit diesem Unfall ein Tinnitus beiderseits.

Dr.H. , Dr.B. , Dr.H. führten im Schreiben vom 12.12.1997 aus, der Tinnitus könne eindeutig auf das Unfallereignis zurückgeführt werden.

Der Chirurg Prof.Dr.R. kam in der Stellungnahme nach Aktenlage vom 02.01.1998 zu dem Ergebnis, als Unfallfolge sei in Übereinstimmung mit allen Befundberichten der Tinnitus anzuerkennen, der mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werde.

Ein MRT der oberen Halswirbelsäule und der Kopfgelenksbänder beurteilte der Radiologe Dr.V. dahin, die Signalveränderung der Ligamenta alaria spreche für eine mögliche Überdehnung mit anschließender Narbenbildung; es bestünden keine Zeichen einer kompletten Ruptur.

Hierzu erklärte Prof.Dr.R. am 17.06.1998, eine Überdehnung mit anschließender Narbenbildung im Bereich beider Ligamenta alaria sei möglich. Zur weiteren Abklärung solle eine neurootologische Untersuchung und Begutachtung erfolgen.

Im Gutachten vom 21.09.1998 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof.Dr.M. zusammenfassend aus, der Unfall vom 30.10.1995 habe zu keinen Verletzungen und Verletzungsfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und zu keiner dadurch bedingten MdE geführt.

Der HNO-Arzt und Neurootologe Prof.Dr.H. kam im Gutachten vom 26.05.1999 zu dem Ergebnis, bei dem Unfall sei es zu keiner Hörschädigung gekommen. Bereits im Oktober 1993 sei der Kläger wegen eines Ohrgeräusches in Behandlung gewesen. Die Kriterien eines HWS-bedingten Tinnitus seien nicht erfüllt. Es fehle Einseitigkeit oder einseitige Betonung, außerdem eine adäquate Hörstörung, da die jetzt zu beobachtende Hörstörung nicht Unfallfolge sei. Zu erwarten sei eine Tieftonschwerhörigkeit, verbunden mit einem Tinnitus im unteren Frequenzbereich. Zwar könne in ca. 12 % der Fälle ein Zusammenhang zwischen Tinnitus und Funktionsstörung der HWS angenommen werden. Trotz intensiver Wirbelsäulenbehandlung sei aber beim Kläger das subjektive Ohrgeräusch nicht beeinflusst worden. Eine zentrale Schädigung sei auf neurologischem Fachgebiet nicht festgestellt worden. Daher könne ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Tinnitus und der HWS-Distorsion nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit hergestellt werden. Das Ohrgeräusch müsse vielmehr als funktionelles Ohrgeräusch im Rahmen der bereits 1994 neurologisch-psychiatrisch diagnostizierten depressiven Verstimmung bei vorbestehender Hörschädigung gewertet werden.

Prof.Dr.R. erklärte in der Stellungnahme vom 09.07.1999, der Beurteilung von Prof.Dr.T. bezüglich des Unfallzusammenhangs und der MdE könne nicht gefolgt werden. Auf chirurgischem und HNO-fachärztlichem Gebiet sei eine MdE ab 09.02.1996 nicht gegeben.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.08.1999 die Gewährung einer Rente ab, da der Arbeitsunfall eine MdE in rentenberechtigendem Grad nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit nicht hinterlassen habe. Der Tinnitus sei nicht Folge des Arbeitsunfalls, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 22.09.1999 dagegen ein, er sei durch den Unfall und dessen Folgen erheblich beeinträchtigt und könne seinen Beruf nicht mehr ausüben. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2000 zurück.

Hiergegen hat sich die Klage zum Sozialgericht Regensburg gerichtet.

Der auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Prof.Dr.C. hat im Gutachten vom 16.11.2001 zusammenfassend ausgeführt, aufgrund der objektiven Gleichgewichtsfunktionsbefunde werde die MdE mit 25 v.H. bewertet. Zugleich werde unter Berücksichtigung des subjektiven Dyskomforts durch Allgemeinsymptome mit Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schulter-Arm-Schmerzen, Leistungsabfall, Erschöpfungszustände, Antriebslosigkeit, Schwächegefühl, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Wachheitsstörungen, verstärkte Ermüdbarkeit, Ein- und Durchschlafstörungen, Stimmungslabilität, Angstzuständen, Depression und verstärkter Gereiztheit, Schwindelsymptomen mit Ohrgeräuschen, subjektiven Hörstörungen, Sehstörungen, Lichtempfindungsstörungen und Schluckstörungen, die MdE mit 15 v.H. bewertet. Die geringgradige Schwerhörigkeit beidseits werde mit 15 v.H. bewertet, nur deren Hälfte sei in die Berechnung der Gesamt-MdE aufzunehmen. Die MdE aufgrund der nachweisbaren bzw. glaubhaften Ohrgeräusche werde mit 15 v.H. bewertet. Bei Zusammenfassung aller Teilaspekte der neurootologischen Funktionsstörungen sei die MdE mit 50 v.H. zu bewerten. Der multisensorische Charakter der Störungen verbiete eine weitere Reduktion der summarischen Zusammenziehung aller Teilsummen. Im Gegenteil verstärkten sich die multisensorischen Beeinträchtigungen gegenseitig hyperadditiv.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr.K. vom 30.09.2002 übersandt, in der ausgeführt wird, nach HWS-Distorsion könnten sowohl einseitige als auch beidseitige Ohrgeräusche auftreten, auch Frequenz, Dauer und Lautstärke würden unterschiedlich angegeben. Die von Prof.Dr.H. dargestellten Kriterien zur Beurteilung der Unfallabhängigkeit seien nicht unbedingt zwingend. Beim Kläger sei die Wertigkeit der Vorerkrankung, nämlich die kurzfristige Tinnitusbelastung, zu diskutieren. Den Unfallzusammenhang des therapieresistenten Tinnitus könne Dr.K. nicht mit Sicherheit beurteilen, da seine Fachgebiete Neurologie, Psychiatrie, Chirotherapie, physikalische und rehabilitative Medizin überschritten würden. Immerhin werde von früheren Behandlern ausdrücklich die Beeinflussung des Ohrgeräuschs durch eine chirotherapeutische Behandlung der HWS beschrieben. Unter Würdigung sämtlicher Faktoren spreche mehr für den Unfallzusammenhang als dagegen. Die von Prof.Dr.C. vorgenommene Gesamtbewertung mit einer MdE von 50 v.H. sprenge den normalen Rahmen der gutachtlichen Bewertung. Der Tinnitus sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Muskelfunktionsstörung im Bereich der HWS zurückzuführen, die mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten sei, der Tinnitus mit einer MdE von 10 v.H. Insgesamt sei eine MdE von 30 v.H. gegeben.

Die Beklagte hat einen Vergleich vorgeschlagen, in dem sie sich bereit erklärte, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls (Muskelfunktionsstörung im Bereich der HWS mit pseudoradikulären Begleiterscheinungen, Tinnitus beidseits sowie subjektive Beschwerden) ab 09.06.1996 Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen. Der Kläger hat sich im Schreiben vom 30.11.2002 mit dem Vergleichsvorschlag nicht einverstanden erklärt. Der Tinnitus sei mit 20 v.H. zu bewerten. Er hat einen Bericht der Tinnitus-Klinik über den Verlauf der stationären Behandlung vom 14.11.2001 bis 19.12.2001 übersandt. Darin wird ausgeführt, nach über siebenjährigem Bemühen sei ein Zustand eingetreten, der trotz verzweifeltster Anstrengungen nicht mehr mit Arbeitsfähigkeit vereinbar sei. Dies sei sicherlich durch das Unfallgeschehen angestoßen worden, das insgesamt depressiv verarbeitet worden sei.

Die Beklagte hat eine überarbeitete gutachtliche Stellungnahme des Dr.K. vom 23.01.2003 übersandt. Dr.K. hat am 15.04.2003 erläutert, es sei zu einem bedauerlichen Mißgeschick gekommen, dass eine von ihm nicht akzeptierte Fassung versandt worden sei. In der Stellungnahme vom 23.01.2003 hat er ausgeführt, dass der Tinnitus und eine Beeinträchtigung des Hörens Unfallfolge sei, sei möglich, aber es sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Bei der gutachtlichen Untersuchung durch Prof.Dr.C. seien eine ganze Reihe ungewöhnlicher Untersuchungsmethoden zur Anwendung gekommen. Diese Methoden würden nur von Prof.Dr.C. durchgeführt. Ein wissenschaftlicher Beleg der Objektivität und Validität sei bislang nicht hinreichend erfolgt. Daher hätten diese Methoden auch keinen Eingang in das normale Untersuchungsspektrum gefunden. Eine Schädigung des Nervensystems sei nicht zu bestätigen. Eine strukturelle Verletzung der Halswirbelsäule habe sicher nicht stattgefunden. Eine unfallbedingte Schädigung des Nervensystems lasse sich ebenfalls nicht objektivieren. Es sei von einer unfallbedingten Muskelfunktionsstörung im Bereich der HWS mit pseudoradikulären Begleiterscheinungen auszugehen, die mit einer MdE von 20 v.H. zu bewerten sei. Der Tinnitus sei nicht Ausdruck einer neurootologischen Störung im Sinne des cervico-encephalen Syndroms. Er sei nicht im überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Muskelfunktionsstörung zurückzuführen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.02.2003 vorgeschlagen, wegen der Unfallfolge "Muskelfunktionsstörung im Bereich der Halswirbelsäule mit pseudoradikulären Begleiterscheinungen sowie subjektiven Beschwerden" Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Zu den Einwendungen des Klägers hat Dr.K. in der Stellungnahme vom 15.04.2003 ausgeführt, die Beurteilung des Tinnitus als Folge von Halsweichteilveränderungen sei ausgesprochen problematisch. Eine Distorsion sei bei leichten Unfällen in hohem Maße unwahrscheinlich. Auch die früher angenommene Störung in den Kopfgelenken sei ein problematischer manual-medizinischer Befund. Wenn ein Tinnitus sich verstärken oder abschwächen lasse, parallel zum Zustand der Halsmuskulatur, sei ein ursächlicher Zusammenhang zu unterstellen. Im vorliegenden Fall sei von dieser Parallelität nicht auszugehen, da ja bereits vor dem Unfall ein Tinnitus bestanden habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.07.2003 haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtete, als Folgen des Arbeitsunfalls "Muskelfunktionsstörung im Bereich der Halswirbelsäule mit pseudoradikulären Begleiterscheinungen sowie subjektiven Beschwerden" ab 09.02.1996 anzuerkennen und Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.07.2003 abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der objektiven Beweislast habe die Beklagte zu Recht die Anerkennung des Tinnitus als Unfallfolge abgelehnt. Den Ausführungen des Prof.Dr. C. könne das Gericht keine Bedeutung beimessen, da sowohl seine Untersuchungsmethoden als auch das Gutachtensergebnis nicht den Anforderungen entsprächen, die an ein Gutachten zu stellen seien. Prof.Dr.T. komme im Gutachten zwar zu dem Ergebnis, dass der Tinnitus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall hervorgerufen worden sei, gebe jedoch keine Begründung für diese Feststellung. Dr.K. halte es nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für möglich, dass der Tinnitus unfallbedingt sein könne.

Der Kläger wendet mit der Berufung vom 01.09.2003 ein, das Gutachten von Prof.Dr.C. bestätige den Tinnitus als Unfallfolge. Die Äußerungen von Dr.K. seien nicht überzeugend, da er seine Meinung geändert habe. Prof.Dr.H. sei von Prof. Dr.C. widerlegt. Dr.N. , der die beiden Stellungnahmen von Dr.K. mitunterschrieben habe, sei als sachverständiger Zeuge zu hören.

Die zur ärztlichen Sachverständigen ernannte HNO-Ärztin Prof. Dr.S. führte im Gutachten vom 18.02.2004 zusammenfassend aus, Hochtonschwerhörigkeit und Tinnitus seien ein häufiges Begleitsymptom nach einem Halswirbelsäulen-Schleudertrauma. Sie seien drei Tage nach dem Unfall festgestellt worden. Bei der Innenohr-Hochtonschwerhörigkeit handelt es sich um einen Befund, den man nach einer Contusio labyrinthi finde. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche, dass bereits vor dem Unfall eine leichte Innenohr-Hochtonschwerhörigkeit vorgelegen habe. Alle überschwelligen Tests sprächen für eine retro-kochleäre Genese der Schwerhörigkeit, während bei einer Contusio labyrinthi die Schwerhörigkeit kochleärer Genese sei. Bei einer Contusio labyrinthi könne es zu einer peripheren Gleichgewichtsstörung kommen, nicht zu einer zentralen Gleichgewichtsstörung und schon gar nicht zu so einer massiven. Der Kläger habe Risikofaktoren wie Degeneration der Halswirbelsäule, Hypertonus sowie erhöhter Cholesterinspiegel. Schwerhörigkeit und Schwindel könnten also nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. Da der Tinnitus auf dem charakteristischen Frequenzbereich liege und unmittelbar nach dem Unfall angegeben worden sei, spreche mehr dafür als dagegen, dass er als traumatischer Tinnitus anzusehen sei. Er sei mit 10 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte wandte mit Schreiben vom 11.03.2004 ein, ein traumatischer Tinnitus sei in einem Frequenzbereich von 4.000 bis 6.000 Hz angesiedelt. Der von Dr.G. am 02.11.1995 diagnostizierte Tinnitus habe jedoch bei einem Frequenzbereich von 1.000 Hz gelegen und könne somit nicht auf das Trauma zurückgeführt werden. Auch habe der Tinnitus im Laufe der Zeit immer wieder die Frequenz gewechselt. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Tinnitus bereits 1993 vorgelegen habe. Da der Kläger bei dem Unfall lediglich am rechten Ohr verletzt worden sei, scheide eine Verursachung durch ein stumpfes Schädeltrauma aus. Der Tinnitus habe sich erst überschwellig maskieren lassen, während ein traumatisch bedingter Tinnitus mit der Hörschwelle maskierbar sei. Es spreche also wesentlich mehr gegen einen ursächlichen Zusammenhang als dafür.

Prof.Dr.S. entgegnete in der Stellungnahme vom 24.06.2004, es treffe zu, dass der von Dr.G. drei Tage nach dem Unfall gemessene Tinnitus mit einem 1.000 Hz-Ton völlig aus der Reihe falle. Dr.G. habe gegenüber Prof.Dr.S. erklärt, dass der Tinnitus am 02.11.1995 von einer zuverlässigen Fachkraft bestimmt worden sei. Es habe sich um ein Rauschen gehandelt. Erst später, am 17.11.1995, sei der Tinnitus als Ton beschrieben und mit einem 3.000 Hz-Ton verglichen worden. Ein 3.000 Hz-Tinnitus liege nur einen Frequenzschritt unterhalb des charakteristischen 4.000 Hz-Tinnitus und könne deshalb nicht als uncharakteristisch für einen traumatischen Tinnitus gewertet werden. Völlig uncharakteristisch sei jedoch die Tinnitusbestimmung bei 1.000 Hz. Der 1993 festgestellte Tinnitus sei eindeutig ausgeheilt gewesen. Daher könne hier nicht vor einem Vorschaden ausgegangen werden. Es treffe auch zu, dass die völlige Symmetrie etwas ungewöhnlich sei, es könne allerdings auch bei einseitigem Schädeltrauma durch Contre-coup-Wirkung zu einer beidseitigen Schwerhörigkeit und einem beidseitigen Tinnitus kommen. Wenn Dr.G. Ohrtonbestimmungen am 02.11. und 17.11.1995 zuverlässig gewesen seien, woran wenig Zweifel bestünden, dann sei das Gutachten vom 18.02.2004 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Der Tinnitus könne zwar auch durch ein Halswirbelsäulentrauma entstehen, in solchen Fällen sei die Frequenz aber nicht hochfrequent, sondern tief- oder mittelfrequent. Auch bei einem cervikalen Tinnitus sei eine Frequenzänderung innerhalb von zwei Wochen ungewöhnlich. Es spreche jetzt mehr dafür als dagegen, dass der Tinnitus nicht auf den Unfall zurückzuführen sei. Es bestehe keine unfallbedingte MdE.

Der Kläger machte im Schreiben vom 26.08.2004 geltend, Prof. Dr.R. habe 1998 festgestellt, dass der Tinnitus Unfallfolge sei. Dr.K. habe sich im ersten Gutachten ausdrücklich gegen die Auffassung von Prof.Dr.H. , das Ohrgeräusch sei funktionell, ausgesprochen. Frau Prof.Dr.S. habe ihre Meinung geändert. Jedenfalls habe sie aber festgestellt, dass der 1993 aufgetretene Tinnitus zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Damit sei ein Hauptargument von Prof.Dr.H. weggefallen. Beim Kläger sei am 02.11.1995 ein Tinnitus diagnostiziert worden. Dieser zeitliche Zusammenhang sei ausreichend, um einen Kausalzusammenhang zu bejahen.

Der Kläger stellt den Antrag

aus dem Schriftsatz vom 29.08.2003.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird. (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass Prof.Dr.S. im Gutachten vom 18.02.2004 und der ergänzenden Stellungnahme vom 24.06.2004 überzeugend dargelegt hat, dass der Tinnitus unter Abwägung aller Gesichtspunkte keine Unfallfolge ist. Sowohl von Prof.Dr.T. als auch von Prof.Dr.H. und den Ärzten der Tinnitus-Klinik Bad A. ist der Tinnitus mit Frequenzen verglichen worden, die man nicht als völlig uncharakteristisch bezeichnen kann. Anders ist es aber, wie Prof.Dr.S. erläutert, mit den von Dr.G. am 02.11.1995, also drei Tage nach dem Unfall, gemessenen Werten. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde der Tinnitus mit einem 1.000 Hz-Ton verglichen. Auch ergibt sich aus den Behandlungsunterlagen (130), dass der Kläger den Tinnitus als Rauschen bezeichnete. Dies wurde ausdrücklich vermerkt. Schon am 09.11.1995 wurde vermerkt, dass der Ton nicht der gleiche wie am 02.11.1995 war, denn es wurde eingetragen, "ne idem". Am 17.11.1995 wurde erstmals laut Eintragung ein Ton beschrieben und mit einem 3.000 Hz-Ton verglichen, der, wie Prof.Dr.S. erläutert, nur einen Frequenzschritt unterhalb des charakteristischen 4.000 Hz-Tinnitus liegt und deshalb nicht als uncharakteristisch für einen traumatisch bedingten Tinnitus gewertet werden könnte. Dagegen ist die Tinnitusbestimmung bei 1.000 Hz, wie Prof.Dr.S. betont, völlig uncharakteristisch. Auch bei einem durch ein Halswirbelsäulentrauma entstandenen Tinnitus ist eine Frequenzänderung innerhalb von zwei Wochen, so Prof.Dr.S. , ungewöhnlich. Daher spricht mehr gegen einen traumatischen Zusammenhang des Tinnitus als dafür. Es trifft zwar zu, dass der 1993 festgestellte Tinnitus schon vor dem Unfall vom 30.10.1995 nicht mehr bestand, so dass von einem Vorschaden nicht ausgegangen werden kann. Es ist aber zu berücksichtigen, dass ein hochfrequentes Ohrgeräusch erst Monate nach dem Unfall festgestellt wurde. Zudem liegt, worauf Prof.Dr.H. hingewiesen hat, in den meisten Fällen eine Tiefton-Schwerhörigkeit vor, verbunden mit einem Tinnitus im unteren Frequenzbereich, während beim Kläger eine Hochton-Schwerhörigkeit besteht. Hinzu kommt, dass trotz intensiver Wirbelsäulenbehandlung das subjektive Ohrgeräusch nicht beeinflusst werden konnte. Auch dies spricht, wie Prof.Dr.H. erläutert, gegen einen Unfallzusammenhang des Tinnitus.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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