L 10 B 28/05 AS PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 3/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 28/05 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2005 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) stellte am 17.11.2004 Antrag auf Grundsicherung für Arbeitssuchende ab 01.01.2005. Mit Schreiben vom 01.12.2004 teilte ihm die Antragsgegnerin (Ag) unter Belehrung über die Rechtsfolgen mit, über den Antrag könne nicht entschieden werden, weil Unterlagen bzw Angaben fehlten. Diese solle der Ast bis spätestens 13.12.2004 nachreichen, was nicht geschah. Mit Bescheid vom 13.12.2004 wurden dem Ast Leistungen ab 01.01.2005 versagt, denn er habe seine Mitwirkungspflicht gemäß §§ 60, 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt. Bei nachträglicher Erfüllung würde die Möglichkeit einer Nachzahlung geprüft werden. Mit seinem Widerspruch hiergegen machte der Ast geltend, er könne formlose Anträge stellen und dürfe nicht zu falschen Angaben gezwungen werden. Im Übrigen sei nicht die Ag, sondern die Bundesagentur für Arbeit (BA) zuständig, so dass auch datenschutzrechtliche Belange verletzt seien. Den Widerspruch wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2005 zurück. Der Ast habe seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt.

Der Ast hat hiergegen Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und am 15.12.2004 den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingegend beantragt, dass die BA ab 01.01.2005 die Grundsicherung zum Lebensunterhalt sowie Miet-, Strom-, Wasser- und Heizungsnebenkosten zu übernehmen habe. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Die BA sei für die Bearbeitung seiner Anträge zuständig, nicht aber die Ag. Zudem hat der Ast einen Befangenheitsantrag gegen den für das Verfahren S 1 SF 10/04 ER zuständigen Richter gestellt. Das Verfahren ist im Rahmen der Geschäftsverteilung ab 01.01.2005 in die Zuständigkeit der 16. Kammer übergegangen und somit zum streitgegenständlichen Verfahren geworden. Dies ist dem Ast mit Schreiben vom 05.01.2005 mitgeteilt worden.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.01.2005 zu gewähren, mit Beschluss vom 17.01.2005 abgelehnt. Der Befangenheitsantrag sei rechtsmissbräuchlich gestellt worden, es sei keinerlei Grund zur Besorgnis der Befangenheit ersichtlich. Die Ag sei nach § 44 b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Leistung von Grundsicherung für Arbeitssuchende zuständig. Voraussetzung für eine Leistungserbringung sei jedoch die Erteilung der erforderlichen Auskünfte und die Angabe der erforderlichen Tatsachen. Dies habe der Ast aber abgelehnt. Anspruch auf PKH bestehe mangels Erfolgsaussicht nicht.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht erhobenen Beschwerden hat der Ast Verfahrens- und Formfehler des SG geltend gemacht. Insbesondere sei ihm das Aktenzeichen des streitgegenständlichen Verfahrens nicht bekannt gewesen. Er lehne alle Personen als befangen ab, die in dieser "Sache" beteiligt seien. Der erstinstanzliche Richter habe der BA Vorteile verschafft.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihnen nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Die Rechtsmittel erweisen sich jedoch als unbegründet.

Die Frage, ob die Ag im vorliegenden Verfahren passivlegitimiert ist oder ob sie den die Leistung ablehnenden Verwaltungsakt im Namen der Leistungsträger gemäß § 6 SGB II erlassen hat und daher diese passivlegitimiert sind, kann hier offen bleiben, weil die Beschwerden auch im Übrigen keinen Erfolg haben.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86 b Abs 2 SGG.

Nach § 86 b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

Beide setzen sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist) als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtlage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht begründet, so ist wegen fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen des Ast einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es dem Ast zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl BayLSG Beschluss vom 30.01.2003 - L 10 B 157/02 AL PKH mwN; zur Sicherungsanordnung: vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl, § 86 b RdNr 26 ff).

Das SG konnte trotz des Befangenheitsantrags entscheiden, denn dieser war missbräuchlich. Der Ast bringt lediglich eine Wertung ohne konkrete Tatsachen vor und lehnt alle mit der Sache befassten Personen ab (vgl Meyer-Ladwig aaO, § 60 RdNr 10 b). Der Ast hat einen Befangenheitsantrag gegen den erstinstanzlichen Richter zu einem Zeitpunkt gestellt, als dieser auf das Verfahren in keiner Weise Einfluss genommen hat und haben kann. Zudem hat ein Wechsel der zuständigen Kammer stattgefunden.

Im vorliegenden Rechtsstreit fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch, denn ein Obsiegen des Ast in der Hauptsache ist bei summarischer Prüfung nicht wahrscheinlich. Ein Anspruch auf Leistungen durch die Ag, besteht bereits mangels entsprechender Mitwirkung des Ast aufgrund einer summarischen Prüfung nicht, denn der Ast hat seine Mitwirkungspflicht verletzt und ist über deren Rechtsfolgen belehrt worden (§ 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 66 SGB I).

Eine Verletzung datenschutzrechtlicher Belange ist nicht zu erkennen; die Ag ist zur Entscheidung über den Antrag zuständig. Zu falschen Angaben ist der Ast nicht gezwungen worden.

Ob ein Anordnungsgrund besteht, kann offen gelassen werden, denn es fehlt bereits am Anordnungsanspruch.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem SG ist ebenfalls unbegründet. Gemäß § 73 a SGG iVm §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsfolgen ausreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte - wie vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren - nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs 2 ZPO).

Wie oben bereits ausgeführt, bestehen keine Erfolgsaussichten. Ein Obsiegen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist somit nicht wahrscheinlich.

Die Beschwerden sind somit zurückzuweisen.

Nicht zu prüfen war die Frage, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten bei Rechtshängigkeit vor dem 01.01.2005 gegeben ist (§ 17 a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -). Eine eventuelle Verweisung des Hauptsacheverfahrens wäre dort zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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