L 5 B 378/04 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 198/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 378/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 9. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz.
III. Der Streitwert wird auf 7.176,72 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen einen Beitrags-Nachforderungsbescheid aus einer Betriebsprüfung.

Die Antragstellerin ist eine Einzelfirma, die Umlederungen von Kfz-Lenkrädern fertigt. Gemäß Gewerbeanmeldung vom 14.08.2001 ist Tätigkeitsgegenstand "das Umledern von Lenkrädern an Firma P. in A. , Entgegennahme von Lenkrädern und Weitergabe der Arbeit an Mitarbeiter in Heimarbeit". Die Antragsgegnerin führte vom 15.09.2003 bis 17.10.2003 bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 15.08.2001 bis 31.08.2003 durch. Dabei stellte die Antragsgegnerin fest, die Antragstellerin sei als Subunternehmerin der Firma M. Ö. in S. tätig gewesen, welche wiederum Subunternehmerin der T. AG A. gewesen sei. Die Antragstellerin führe die anfallenden Arbeiten mit Hilfe von überwiegend geringfügig Beschäftigten durch. Anhand der Abrechnungen gegenüber der Firma Ö. ergebe sich eine Fertigungszahl von 7.534 Lenkrädern im Jahr 2001 (Monate August bis Dezember), von 17.839 im Jahr 2002 sowie von 11.754 Lenkrädern im Jahr 2003 (Monate Januar bis August). Hierzu habe die Antragstellerin und - soweit diese mangels deutscher Sprachkenntnisse dazu nicht in der Lage gewesen sei - ihr Ehemann angegeben, sie sei selbst in der Lage, monatlich bis zu 600 Lenkräder zu umledern. Es ergebe sich somit eine Eigenleistung für das Jahr 2004 von 2.400 Lenkrädern, für 2002 von 7.200 Lenkrädern sowie für 2003 von 4.500 Lenkrädern. Die übrigen Lenkräder seien also von Arbeitnehmern der Antragstellerin fertiggestellt worden. Unter Zugrundelegung eines branchenüblichen Entgelts pro gefertigtem Lenkrad von 4,00 Euro netto ergäbe sich, dass die Antragstellerin Arbeitnehmer beschäftigt haben müsse, die über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt worden seien. Der Ehemann der Antragstellerin habe gegenüber dem Betriebsprüfer zugegeben, die Arbeitnehmer würden "schwarz" entlohnt, Aufzeichnungen über die Entgeltzahlungen existierten nicht mehr, die Belege über die geleisteten Arbeiten würden nach der Lohnauszahlung vernichtet. Zwar habe die Antragstellerin geltend gemacht, sie habe Umlederungsarbeiten an die Firma M. Bau GmbH in E. vergeben. Weil dieser gegenüber Abrechnungen auf Stundenlohnbasis, nicht aber wie bei Subunternehmern üblich, auf Stücklohnbasis erfolgt seien und weil die Firma M. Bau GmbH lediglich einen gemeldeten Arbeitnehmer beschäftigt habe, seien deren Rechnungen als fingierte Fremdleistungen zu werten, die nicht anerkannt würden. Weil die Antragstellerin ihrer Aufzeichnungspflicht nicht nachgekommen sei, müssten Beiträge und Umlagen anhand der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte geschätzt werden. Hieraus ergebe sich ein Nachforderungsbetrag von Sozialversicherungsbeiträgen über 28.706,08 Euro inkl. Säumniszuschläge über 4.728,43 Euro.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte das Finanzamt E. - Gemeinsame Steuerfahndungsstelle - mit, dass die Firma M. Bau GmbH ihren steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen sei, weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Lohnsteueranmeldungen abgegeben habe. Sie sei am 26.07.2001 gegründet worden, am 21.06.2002 habe eine Firmenveräußerung stattgefunden, ab welchem Zeitraum auch die Firmenräume in E. verlassen worden seien. Der Aufenthalt der Geschäftsführer der M. Bau GmbH sei nicht zu ermitteln. Nach den Feststellungen sei diese auch wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen, die von der Antragstellerin geltend gemachten Subunternehmerarbeiten auszuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Antragstellerin habe auch gegenüber ihrem Steuerberater über einen längeren Zeitraum keine Angaben über Lohnzahlungen mehr eingereicht, bei der Beziehung zur Firma M. Bau GmbH handele es sich um Schein- bzw. Abdeckrechnungen und schließlich müsse auf den ausdrücklichen Besprechungsvermerk der Betriebsprüfung vom 15.09.2003 hinsichtlich der Schwarzlohnzahlungen verwiesen werden.

Dagegen hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, sie habe keine Arbeitnehmer "schwarz" beschäftigt, der Ehemann der Klägerin habe die entsprechende Äußerung nicht getätigt. Die Anzahl der bearbeiteten Lenkräder sei ebenso korrekt erfasst worden wie die beschäftigten Mitarbeiter. Hinsichtlich der Verbindungen zur Firma M. Bau GmbH habe die Antragsgegnerin lediglich Mutmaßungen angestellt.

Zugleich mit der Klage hat die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herzustellen bzw. die Aussetzung der Vollziehung des Ausgangsbescheides anzuordnen.

Mit Beschluss vom 09.06.2004 hat das Sozialgericht Würzburg den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beitragsbescheid vom 09.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2004 anzuordnen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage setze voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestünden oder dass die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung komme der Klage keine überwiegende Erfolgsaussicht zu. Wie die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen ergäben, habe die Antragstellerin keine ordnungsgemäße Lohnbuchhaltung geführt, die Aussage der Schwarzarbeit sei per Aktenvermerk festgehalten und die Subunternehmereigenschaft der Firma M. Bau GmbH unwahrscheinlich, zumal deren Geschäftsfeld "Baustellenreinigung, Anbieten und Ausführen von Putz- und artverwandten Bauarbeiten an und in Gebäuden" sei.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, ohne diese näher zu begründen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde gemäß Verfügung vom 21.07.2004 nicht abgeholfen.

Ergänzend wird auf die beigezogenen Betriebsprüfungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht gemäß Verfügung vom 21.07.2004 nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht unter Anwendung der §§ 86b, 86a SGG im Rahmen einer summarischen Überprüfung festgestellt, dass weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung bestehen, noch dass eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte gegenüber der Antragstellerin folgen würde.

Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung hat auch der Senat nach den vorgelegten Akten keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung. Nach den vorhandenen Unterlagen sowie nach dem Vorbringen der Antragstellerin - welches im Übrigen nicht ordnungsgemäß glaubhaft gemacht wurde - dürfte sich im Hauptsacheverfahren keine Erfolgsaussicht für die Klage ergeben aus folgenden Gründen:

Nach der gesamten Fallgestaltung einer verschachtelten Subunternehmertätigkeit der Antragstellerin in der Autoproduktion (Subunternehmer des Pkw-Herstellers: Firma T. AG, A. ; deren Subunternehmer: Firma M. Ö. , S. ; deren Subunternehmerin: Antragstellerin; deren - behauptete - Subunternehmerin: Firma M. Bau GmbH), der Nichtführung von Lohnunterlagen, der Nichterstattung von steuerlich vorgeschriebenen Meldungen an den eigenen Steuerberater, der Geltendmachung von geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, der Anmeldung des Gewerbes auf die Ehefrau, die sprachliche Verständigung gegenüber den Betriebsprüfern nur durch den Ehemann, ergibt sich im Rahmen einer Gesamtschau ein Erscheinungsbild, welches dem Typbild der Schwarzarbeit weitgehend entspricht. Dieses Bild zeichnet sich - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - nochmals verstärkt durch die Umstände der angeblichen Subunternehmerin Firma M. Bau GmbH, die nach den aktenmäßigen Feststellungen des Finanzamtes E. spätestens seit Mitte 2002 über keine eigene Betriebsstätte mehr verfügt, so dass sie als Arbeitgeberin grundsätzlich nicht in Betracht kommen kann (vgl. BAG, NZA 1984, 2912) und die einen ganz anderen Firmengegenstand hat, als die von der Antragstellerin behaupteten Umlederungsarbeiten.

Die pauschale Behauptung der Antragstellerin, ihr Ehemann habe Schwarzgeldzahlungen nicht behauptet, dürfte nicht geeignet sein, das Ermittlungsergebnis der Betriebsprüfung der Antragsgegnerin zu entkräften. Hierfür sprechen insbesondere die Nichtführung von Lohnunterlagen, welche der vom Ehemann der Antragstellerin angegebenen Vernichtung von Zahlungsaufzeichnungen entsprechen wird. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, dass die Antragstellerin bis heute weder Namen noch Adressen der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen benannt hat, welche als Beschäftigte tätig geworden sein sollten.

Bei dieser Sachlage dürfte die Antragsgegnerin auch berechtigt gewesen sein, einen Lohnsummenbescheid zu erlassen, welcher auf Grund der Schätzungen erstellt wurde, denen wiederum Stückzahlen der gefertigten Lenkräder und Leistungsfähigkeit der einzelnen Arbeitnehmer sowie der branchenübliche Lohn zugrundegelegen hatten. Im Übrigen hat die Antragstellerin weder im Widerspruchs- noch im Klage- noch im Antragsverfahren Einwendungen gegen die Schätzung der Antragsgegnerin erkennen lassen. Die Höhe der Nachforderung sowie der Säumniszuschläge dürfte deshalb nicht zu beanstanden sein.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte verneint, welche aus dem Vollzug des Betriebsprüfungsbescheides folgen würde. Im Falle illegaler Beschäftigungsverhältnisse in Form von Schwarzarbeit, worum es sich nach dem gesamten Akteninhalt hier handeln wird, gebietet es die Stabilität des Sozialversicherungssystems, Beitragsansprüche grundsätzlich zeitnah geltend zu machen und auch durchzusetzen. Hierdurch werden Wettbewerbsnachteile vermieden, die andernfalls für Arbeitgeber entstünden, die ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen und dadurch - im Vergleich zur Antragstellerin - höhere Unkosten erwirtschaften müssen. Es bestünde nämlich andernfalls die Gefahr, dass diese Arbeitgeber nicht mehr wettbewerbsfähig würden, ihren Betrieb einstellen müssten und keine Beiträge in die Sozialversicherung mehr abführen könnten. Das öffentliche Interesse am Einzug der Beiträge und Säumniszuschläge überwiegt daher das von der Antragstellerin geltend gemachte Schutzinteresse. Für einen Ausnahmefall, welcher ein Abweichen von diesen Grundsätzen ermöglichte, sind von der Antragstellerin weder Anhaltspunkte geltend noch glaubhaft gemacht, noch sind diese sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert entspricht dem vom Sozialgericht zutreffend festgesetzten (§ 197a SGG i.V.m. §§ 52, 53, 72 Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht weiter angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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