L 10 B 83/05 AL ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 24/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 83/05 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 03.02.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Förderung einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung.

Die 1961 geborene Einzelhandelskauffrau war zuletzt vom 01.10.1998 bis 31.08.2004 als Fitness-Trainerin tätig. Am 21.06.2004 meldete sie sich zum 01.09.2004 arbeitslos. Am 09.08.2004 teilte sie der Beklagten mit, dass sie ab September 2004 eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten anfangen könne. Eine Förderungszusage wurde ihr bei diesem Gespräch nicht erteilt. Am 01.09.2004 stellte sie endgültig den Antrag auf Förderung dieser vom 13.09.2004 bis 12.09.2006 laufenden Umschulung bei der Fa. S. S. in L ...

Mit Bescheid vom 06.09.2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Fortbildungen im Rahmen der Pflege- und Gesundheitsberufe sei der Vorrang eingeräumt worden. Haushaltsmittel für zusätzliche Förderungen stünden nicht zur Verfügung. Den Widerspruch hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2004 als unbegründet zurück. Eingliederungsmöglichkeiten bestünden sowohl als Fitness-Trainerin als auch im kaufmännischen Bereich. Die Klägerin sei lediglich knapp zwei Monate arbeitsuchend gemeldet gewesen, so dass ausreichend Zeit zur Vermittlung nicht zur Verfügung gestanden habe.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, ihr einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Ihre finanziellen Mittel seien im Rahmen der Ausbildung, die sie am 13.09.2004 begonnen hat, erschöpft.

Das SG hat mit Beschluss vom 03.02.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Unabhängig davon, ob im vorliegenden Rechtsstreit eine von der Klägerin gewünschte Regelung eine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens bedeuten würde, erscheine aufgrund einer summarischen Prüfung die in der Hauptsache erhobene Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als unbegründet. Der Beklagten müsse zunächst mindestens sechs Monate Zeit für Vermittlungsbemühungen eingeräumt werden. Dies habe die Klägerin durch ihren selbst gewählten Eintritt in die Umschulungsmaßnahme ab 13.09.2004 verhindert. Da es sich bei der Förderung um eine Ermessenentscheidung der Beklagten handle, komme eine einstweilige Anordnung - wie von der Klägerin gewünscht - nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Dies sei hier nicht der Fall.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) mit der Begründung eingelegt, es habe bei der Abgabe des Antrages auf Förderung Schwierigkeiten mit der Beklagten gegeben. Im Übrigen habe die Beklagte in der Zeit von Juni 2004 bis zum Beginn der Umschulungsmaßnahme am 13.09.2004 keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet, so dass es unwahrscheinlich sei, dass in den folgenden Monaten diesbezüglich eine Veränderung eingetreten wäre. Mangels entsprechender EDV-Kenntnisse sei eine Vermittlung in den kaufmännischen Bereich als schwierig anzusehen. Im Fitness-Bereich könne sie wohl wegen der diagnostizierten Erkrankung an Basaliomen nur schwerlich vermittelt werden. Bei der Fa. S. hätte sie die Chance auf einen langfristig sicheren Arbeitsplatz.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorliegenden Verwaltunsakten sowie die Akten des SG Würzburg S 10 AL 698/04 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86b Abs 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, denn die Klägerin begehrt die - vorläufige - Bewilligung von Förderungsleistungen für die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme zur Steuerfachangestellten. Eine Regelungsanordnung i.S. des § 86b Abs 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es dem Antragsteller zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl. BayLSG, Beschluss vom 30.01.2003 - L 10 B 157/02 AL PKH mwN).

Vorliegend hat die Beklagte allerdings eine Ermessenentscheidung zu treffen. Bei Ermessenentscheidungen der Verwaltung ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur möglich, wenn nur eine bestimmte Entscheidung ermessensgerecht sein kann. Das Gericht kann allerdings anordnen, dass die Behörde über den Antrag entscheiden soll, wenn der Anspruch auf Neubescheidung glaubhaft gemacht und zu erwarten ist, dass eine fehlerfreie Ermessenentscheidung für den Antragsteller günstig ausfallen wird oder günstig ausgefallen wäre (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 86b Rdnr 28).

Dies ist hier nicht der Fall. Nach § 77 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung können Arbeitnehmer bei Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten und Leistung von Unterhaltsgeld gefördert werden, wenn (1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden, bei Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung eine Vollzeitbeschäftigung zu erlangen oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) die Vorbeschäftigungszeit erfüllt ist, (3.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch das Arbeitsamt erfolgt ist und (4.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung bei Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie u.a. über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB III). Die Klägerin war seit Oktober 1998 als Fitness-Trainerin und damit nicht mehr im Beruf der kaufm. Angestellten tätig. Damit ist die Notwendigkeit einer Weiterbildung zwar gegeben. Die Beklagte hat jedoch ein Ermessen dahingehend auszuüben, in welcher Form und beruflichen Richtung diese Weiterbildung vorgenommen wird.

Unabhängig davon, ob eine Vermittlung in ihre bisherige berufliche Tätigkeit als Fitness-Trainerin bzw. in ihren Ausbildungsberuf der kaufm. Angestellten - evtl. durch eine Weiterbildung im Rahmen von EDV-Maßnahmen etc. - noch als möglich erscheint, und der Beklagten hierfür eine angemessene Zeit zur Verfügung stehen muss (eine dreimonatige Arbeitslosigkeit reicht für den Nachweis dabei nicht aus, dass Vermittlungsbemühungen aussichtslos seien - BSG Urteil vom 03.07.2003 - B 7 AL 66/02 R - SozR 4-4300 § 77 Nr 1) - ist hier eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend nicht zu erkennen, dass lediglich die Umschulung zur Steuerfachangestellten als einzige Möglichkeit der Vermittlung der Klägerin in den Arbeitsmarkt bleibt. Dabei darf die Beklagte durchaus berücksichtigen, dass eine Vermittlung in den Bereich der Pflege- und Gesundheitsberufe als vorrangig erscheint. Die Beklagte hat eine Prognoseentscheidung zu treffen. Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl. BSG aaO).

Aufgrund einer summarischen Prüfung ist hier davon auszugehen, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten, die Klägerin sei ggf. in einen ihrer bisherigen Berufe vermittelbar - evtl. unter Teilnahme an entsprechenden Maßnahmen -, nicht als ermessenfehlerhaft anzusehen ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht in Betracht.

Die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Bewilligung von Förderungsleistungen (hier: Aushändigung eines Bildungsgutscheines) ist somit nicht möglich. Auch eine Anordnung dahingehend, die Beklagte zum Erlass eines erneuten Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen, kann hier im Wege der einstweiligen Anordnung nicht erfolgen, denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte nunmehr eine für die Klägerin positive Entscheidung treffen würde.

Nach alledem ist die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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