S 63 AS 1311/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
63
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 63 AS 1311/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten werden nicht erstattet. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren vom Beklagten höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Sie leben als Ehepaar gemeinsam in ihrer Wohnung, in der sowohl die Heizung als auch der Herd und die Warmwasserbereitung mit Gas betrieben werden. Die Gasversorgung wird unmittelbar mit dem Versorgungsunternehmen abgerechnet, dem die Kläger einen monatlichen Betrag von 48,- EUR zahlen. An den Vermieter haben die Kläger monatlich einen Betrag von 284,84 EUR zu entrichten, der neben der Nettokaltmiete auch die Betriebskosten und die Kosten für das Kabelfernsehen in Höhe von 6,88 EUR umfasst.

Die Klägerin zu 1) bezog bis zum 27. Mai 2003 Arbeitslosengeld und anschließend vom 28. Mai 2004 bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Ihr Ehemann erhielt bis zum 31. Dezember 2004 ebenfalls Arbeitslosenhilfe und bezieht jetzt noch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 537,76 EUR. Der Beklagte gewährte den Klägern mit Bescheid vom 23. November 2004 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Januar 2005 und vom 23. Februar 2005 für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei er ihnen einen monatlichen Regelsatz von jeweils 311,- EUR sowie monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 305,36 EUR anerkannte und die Rente des Klägers zu 2) in Höhe von 537,76 EUR abzüglich der Beiträge für die bestehende Kfz-Haftpflichtversicherung von 20,16 EUR und einer Versicherungspauschale von 30,- EUR auf den Bedarf anrechnete, so dass sich ein Leistungsbetrag von 439,76 EUR ergab. Daneben wurde der Klägerin zu 1) bis zum 27. Mai 2005 noch ein befristeter Zuschlag bewilligt. Die Kläger legten Widerspruch ein, der mit dem versehentlich auf den 17. Februar 2005 datierten Widerspruchsbescheid vom 3. März 2005 zurückgewiesen wurde.

Die Kläger verfolgen nun ihr Begehren mit ihrer am 11. März 2005 erhobenen Klage weiter, die sie damit begründen, dass die gesetzlichen Regelsätze im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben stünden, weil ihre Bemessung nicht nachvollziehbar sei und ihre Höhe zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums nicht ausreiche. Zudem habe der Beklagte zu Unrecht von den Unterkunfts- und Heizkosten eine Energiepauschale abgezogen und die jeweiligen Beiträge zur Lebensversicherung der Kläger in monatlicher Höhe von 10,23 EUR und 37,71 EUR sowie die Beiträge zur Kompakthaftpflichtversicherung in monatlicher Höhe von 11,04 EUR nicht berücksichtigt.

Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. Januar 2005 in der Fassung des Bescheides vom 23. Februar 2005 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2005 zu verurteilen, an die Kläger höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die Leistungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage richtet sich zutreffend gegen den Beklagten, der als Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung darstellt und gemäß § 70 Nr. 2 SGG beteiligtenfähig ist. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Kläger keinen Anspruch auf die begehrten höheren Leistungen haben.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Kläger insbesondere keinen Anspruch auf Leistungen in Höhe der früher gewährten Arbeitslosenhilfe geltend machen können. Ein gesetzlicher Anspruch besteht hierfür nicht mehr, da die Arbeitslosenhilfe seit dem Inkrafttreten des SGB II zum 1. Januar 2005 nicht mehr gewährt wird. Dieser Anspruch ist nicht durch die grundrechtliche Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Nach der zutreffenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Arbeitslosenhilfe nicht als eigentumsgleiche Rechtsposition anzusehen, da sie nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuermitteln finanziert wird und somit nicht auf eigenen Leistungen des Hilfebedürftigen beruht (BSGE 59, 227, 233; 73, 10, 17; 85, 123, 130).

Einen Anspruch auf Leistungen in Höhe der bisherigen Arbeitslosenhilfe können die Kläger auch nicht aus dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes herleiten. Soweit der Gesetzgeber mit der Ersetzung der Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II auf eine bereits bezogene gesetzliche Leistung eingewirkt und die Dauer ihrer Gewährung verkürzt hat, sind solche Eingriffe mit unechter Rückwirkung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 97, 378, 389). Bei der gebotenen Abwägung haben hier die Bestandsinteressen der Kläger kein größeres Gewicht als die öffentlichen Belange, die der Gesetzgeber mit der Neuregelung verfolgte. Zwar ist das Interesse der Kläger am Fortbestand einer über lange Zeit bestehenden Rechtslage grundsätzlich hoch einzuschätzen (BVerfGE 97, 378, 388). Andererseits ist gerade in einer langfristig bestehenden Rechtsposition von vornherein die Möglichkeit der Anpassung an geänderte Verhältnisse angelegt (BVerfGE 70, 101, 111). Der Gesetzgeber verfolgte mit der Anpassung der Sozialausgaben an eine geänderte Wirtschaftslage wichtige Gemeinwohlinteressen. Ihm stand dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wobei er die Auswirkungen der angespannten Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage sowie der finanziellen Folgen der Wiedervereinigung (vgl. BVerfGE 85, 360, 377) auf die Entwicklung des Bundeshaushalts berücksichtigen durfte. Zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die erforderliche Eindämmung der Neuverschuldung (vgl. BVerfG NZS 2001, 356, 357), durfte er auch in eine langfristig gewährte Rechtsposition eingreifen.

Die Kläger haben auch aus den §§ 7 Abs. 1, 19 Satz 1 SGB II keinen Anspruch auf höhere Leistungen. Nach § 19 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II) einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) sowie unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen befristeten Zuschlag.

Der Beklagte hat den Klägern zutreffend gemäß § 20 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 SGB II einen Regelsatz von jeweils 311,- EUR anerkannt. Die Regelleistung wurde vom Gesetzgeber für alleinstehende Hilfebedürftige in § 20 Abs. 2 SGB II auf 345,- EUR festgelegt. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II beträgt die Regelleistung jeweils neunzig Prozent dieses Regelsatzes, also 311,- EUR, wenn zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.

Die gesetzliche Festsetzung der Regelsätze ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt dem sozialstaatlichen Gebot der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins aus Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält der Sozialstaatsgrundsatz zwar den Auftrag der Fürsorge für Hilfebedürftige. Dabei liegt es jedoch grundsätzlich in der Entscheidung des Gesetzgebers, auf welche Weise er diesem Verfassungsgebot nachkommt und in welchem Umfang er unter Berücksichtigung der anderen Staatsaufgaben und der vorhandenen finanziellen Mittel soziale Hilfeleistungen gewährt (BVerfGE 40, 121, 133). Im Ergebnis lässt sich dem Sozialstaatsgrundsatz wegen seiner Weite und Unbestimmtheit kein Gebot entnehmen, Sozialleistungen in einer bestimmten Höhe zu gewähren. Der Gesetzgeber hat lediglich zwingend zu beachten, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft (BVerfGE 82, 60, 80). Bei der Einschätzung dieser Mindestvoraussetzungen kann der Gesetzgeber auch die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen berücksichtigen (BVerfGE 87, 153, 170; 40, 121, 133). Dabei ist es grundsätzlich zulässig, den Bedarf gruppenbezogen zu erfassen und eine vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung vorzunehmen (BVerfGE 82, 60, 91; 85, 264, 317). Im Rahmen einer solchen Typisierung ist das Existenzminimum allerdings grundsätzlich so zu bemessen, dass es in möglichst allen Fällen den existenznotwendigen Bedarf abdeckt (BVerfGE 87, 153, 172).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht die früheren Regelsatzfestsetzungen aufgrund des Bundessozialhilfegesetzes und der hierzu erlassenen Regelsatzverordnung zutreffend als gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar angesehen, weil den Bundesländern bei der konkreten Gestaltung der Regelsätze ein Gestaltungsspielraum zusteht. Denn die Regelsatzfestsetzung ist ein Akt wertender Erkenntnis und gestaltender sozialpolitischer Entscheidung darüber, mit welcher Regelsatzhöhe der notwendige Lebensunterhalt für den Regelbedarf sichergestellt ist. Hilfeempfänger müssen danach lediglich mit denjenigen Mitteln ausgestattet werden die zu einer bescheidenen, am Lebensstandart wirtschaftlich schwächerer Bevölkerungsgruppen orientierten Lebensführung benötigt werden (BVerwGE 94, 326, 333). Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich dabei auf die Kontrolle, ob der gesetzliche Rahmen eingehalten wurde, ob sich die Regelsatzfestsetzung auf ausreichende Erfahrungswerte stützen kann, und ob die der Festsetzung zugrunde liegenden Wertungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vertretbar sind (BVerwGE 94, 326, 331; 102, 366, 368). Diese eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit gilt bereits für eine Regelsatzfestsetzung durch Verwaltungsvorschrift. Sofern Regelsätze durch eine Rechtsverordnung festgesetzt werden, unterliegt diese jedenfalls keiner intensiveren Gerichtskontrolle als eine Verwaltungsvorschrift (BVerwGE 102, 366, 368). Höhere Anforderungen können im Ergebnis auch nicht an die Regelleistungen nach § 20 SGB II gestellt werden, zumal sie im Gegensatz zu den Regelleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und der damaligen Regelsatzverordnung durch den Gesetzgeber selbst und folglich mit einer stärkeren demokratischen Legitimation und einem größeren Gestaltungsspielraum festgelegt wurden.

Die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Regelsätze in § 20 SGB II eingehalten. Die Festsetzung erfolgte zunächst unter Berücksichtigung ausreichender Erfahrungswerte. Nach der Gesetzesbegründung ergibt sich die Regelleistung aus der vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem statistischen Bundesamt erhobenen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 1998, die auf den Stand vom 1. Juli 2003 hochgerechnet wurde (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S. 56). Das somit zur Anwendung gebrachte Statistikmodell ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als ein grundsätzlich geeignetes Bedarfsbemessungssystem anzusehen (vgl. BVerwGE 102, 366).

Auch die vorgenommene Hochrechnung ist nicht zu beanstanden. Da die Auswertung einer jüngeren Einkommens- und Verbrauchsstichprobe im Gesetzgebungsverfahren noch nicht vorlag, musste sich der Gesetzgeber mit einer solchen Verfahrensweise behelfen. Aus der Gesetzesbegründung ist zwar nicht unmittelbar erkennbar, nach welchem Maßstab die Hochrechnung erfolgte. Hinsichtlich der Regelungen zur Bemessung des Regelsatzes wird dort jedoch ausdrücklich auf die erst später erlassene Regelsatzverordnung vom 8. Juni 2004 (BGBl. I S. 1067) verwiesen. Aus der Begründung zur Regelsatzverordnung (BR-Drucksache 206/04, 13) geht hervor, dass die Hochrechnung nach Maßgabe des jeweiligen Rentenwerts erfolgte. Unter Verwendung des Rentenwerts ergibt sich auch bei einer Hochrechnung auf den Stand vom 1. Januar 2005 keine Veränderung der Regelsatzhöhe, da eine Rentenerhöhung nicht stattgefunden hat. Der Gesetzgeber hat zutreffend den Rentenwert zur Grundlage der Hochrechnung gemacht, da die Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezüglich jährlicher Anpassungen gegenüber Rentnern nicht besser gestellt werden müssen.

Die Wertungen, die der Festsetzung der Regelsatzhöhe zugrunde liegen, sind vertretbar. Das gilt zunächst insbesondere für § 3 Abs. 3 der vom Gesetzgeber in Bezug genommenen neuen Regelsatzverordnung, wonach bei der Regelsatzbemessung die Verbrauchsausgaben der untersten zwanzig Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe zu Grunde zu legen sind. Die Nichtberücksichtigung der Sozialhilfeempfänger war zur Vermeidung von Zirkelschlüssen erforderlich. Soweit eingewandt wird, es sei methodisch nicht vertretbar, dass die Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch ausgeklammert worden seien (Münder, SGB II, 1. Auflage, § 20 Rn 27), so kann dem nicht gefolgt werden, weil solche Leistungsempfänger zur Zeit der Gesetzgebung naturgemäß noch nicht vorhanden waren und zudem die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts keine wesentlichen Abweichungen von der Sozialhilfe aufweist.

Vertretbar ist grundsätzlich auch, dass in § 2 Abs. 2 der Regelsatzverordnung von den einzelnen Bedarfsabteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe prozentuale Abstriche für die Bemessung des Regelsatzes vorgenommen worden sind. Denn dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich nicht verwehrt, bestimmte Anteile der jeweiligen Abteilungen im Wege der Wertung mit der Begründung herauszunehmen, dass sie nicht dem notwendigen Bedarf zuzurechnen seien. Soweit dagegen sinngemäß vorgebracht wird, dass mit den neuen Regelleistungen eine Kürzung der empirisch ermittelten Ausgaben um fast ein Drittel und damit eine unzulässige soziale Ausgrenzung einhergehe (Münder, SGB II, 1. Auflage 2005, § 20 Rn. 29), so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass sich der Gesetzgeber lediglich an einer bescheidenen und dem Lebensstandard wirtschaftlich schwächerer Bevölkerungskreise entsprechenden Lebensführung zu orientieren hat (BVerwGE 94, 326, 333). Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass wegen der derzeitigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage die gegenwärtige durchschnittliche Einkommensentwicklung ohnehin dadurch gekennzeichnet ist, dass niedrig entlohnte Tätigkeiten zahlenmäßig zunehmen und viele Menschen eine Verringerung ihrer Einkommen hinnehmen und dementsprechend in ihrem Konsumverhalten Zurückhaltung üben müssen. Im Ergebnis ist es einer Vielzahl der Menschen nicht mehr möglich, ihren bisherigen Lebensstandard zu halten, so dass die sichtbaren Unterschiede des finanziellen Leistungsvermögens zwischen einem wachsenden Anteil immer niedriger entlohnter Erwerbstätiger und Empfängern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abnehmen und sich somit auch die Gefahr der sozialen Ausgrenzung verringert.

Soweit darüber hinaus eingewandt wird, dass die vorgenommenen prozentualen Abstriche von den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auch unter Berücksichtigung der amtlichen Begründung nicht hinreichend nachvollziehbar seien, kann diese Fragestellung letztlich offen bleiben. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die von ihm geschaffenen Vorschriften bis in jede Einzelheit zu begründen. Es ist vielmehr entscheidend, dass die gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung einer Begründung zugänglich sind. Das ist aber bei der Festlegung des Regelsatzes durch § 20 Abs. 2 SGB II der Fall.

Der wesentliche Grundgedanke bei der Neufestsetzung der Regelsätze besteht darin, dass der Gesetzgeber die noch im Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Bedarfsdeckung durch Regelsatz und zusätzliche einmalige Beihilfen durch einen pauschalierten Regelsatz ersetzt hat, der nur noch durch wenige Sondertatbestände für einmalige Beihilfen ergänzt wird. Allerdings ist die darüber hinausgehende Bedarfsdeckung durch besondere laufende Mehrbedarfe beibehalten worden ist. Bei der Umstellung des Leistungssystems hat sich der Gesetzgeber erkennbar an der Höhe der bisherigen sozialhilferechtlichen Regelsätze orientiert, deren Höchstbetrag in den alten Bundesländern zuletzt überwiegend bei 296,- EUR lag. Die jetzt durchgeführte Erhöhung um 16,55 % auf 345,- EUR ist als vertretbarer Ausgleich für den Wegfall der meisten einmaligen Beihilfen anzusehen. Die Bundesregierung hat zwar vor dem Bundesverfassungsgericht im Verfahren zur Steuerfreiheit des Existenzminimums die Ansicht vertreten, dass die einmaligen Leistungen der Sozialhilfe seit dem Jahre 1986 durchschnittlich etwa 20 % des Regelsatzes betragen hätten (BVerfGE 87, 153, 174), so dass zunächst festzustellen bleibt, dass die Erhöhung des Regelsatzes jedenfalls nicht den Verlust sämtlicher einmaliger Beihilfen ausgleicht. Dem Unterschiedsbetrag hat der Gesetzgeber jedoch dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die einmaligen Beihilfen nicht vollständig entfallen sind. Dem Bedürfnis nach einer ausreichenden Berücksichtigung besonderer einmaliger Bedarfslagen begegnet der Gesetzgeber zudem mit einer Reihe von Vorschriften, die bei zutreffender Auslegung und Anwendung auch dem jeweiligen Einzelfall gerecht werden.

Dabei ist zunächst § 23 Abs. 3 SGB II hervorzuheben, der bestimmt, dass Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattungen für Bekleidung einschließlich bei Schwangerschaft und Geburt sowie Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten gesondert erbracht werden. Der Gesetzgeber hatte bei den genannten Erstausstattungen solche Fälle im Blick, in denen ein Bedarf wegen eines Wohnungsbrandes oder bei der Anmietung einer Wohnung nach Haft oder wegen anderer außergewöhnlicher Umstände entsteht (BT-Drucksache 15/1514, 60). Die Vorschrift, die jeweils ausdrücklich eine Mehrzahl von Erstausstattungen nennt, kann jedoch angesichts dieses Wortlautes dahingehend ausgelegt werden, dass die möglichen Erstausstattungen nicht nur Sachgesamtheiten, sondern auch Einzelgegenstände umfassen, die zuvor noch nicht vorhanden waren (so auch Münder, SGB II, 1. Auflage, § 23 Rn 23).

Weitere einmalige Beihilfen können wie schon im früheren Sozialhilferecht auch im Bereich der Unterkunftskosten gewährt werden. Nach § 22 Abs. 4 SGB II besteht die Möglichkeit der Kostenübernahme für Wohnungsbeschaffungskosten sowie für Mietkautionen und Umzugskosten. Mietvertraglich geschuldete Schönheitsreparaturen sind nach zutreffendem Verständnis darüber hinaus als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II ebenfalls als einmalige Beihilfe zu übernehmen (vgl. hierzu BVerwGE 90, 160, 161).

Zudem kommen nach § 16 SGB II weitere Beihilfen als Leistungen zur Eingliederung in Betracht. Die Vorschrift ermöglicht es der Behörde beispielsweise, dem Hilfesuchenden im Rahmen seiner Bewerbungsaufwendungen auch Fahrtkosten nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu gewähren. Demnach können bei einem entsprechenden Nachweis von Arbeitsbemühungen die Kosten für eine Monatskarte des öffentlichen Nahverkehrs übernommen werden, die eigentlich bereits aus den Regelleistungen bestritten werden müssten.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II besteht zudem die Möglichkeit, unabweisbare Bedarfe, die auf andere Weise nicht gedeckt werden können, durch Gewährung eines Darlehens zu decken, das nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch monatliche Aufrechnung in Höhe von höchstens zehn Prozent der Regelleistung zu tilgen ist. Bei Vorliegen der genannten tatbestandlichen Voraussetzungen dürfte sich das eingeräumte Entschließungsermessen im Regelfall dahingehend einengen, dass die Leistung zu gewähren ist. Zudem ist zu beachten, dass für eine Verzinsung des Darlehens keine Rechtsgrundlage besteht und dass die Tilgung unter Berücksichtigung des Einzelfalls auch mit weit unter zehn Prozent liegenden Monatsraten festgelegt werden kann. Bei einer sehr niedrigen Bemessung der Rückzahlungsraten, die sich insbesondere bei verschuldeten Hilfesuchenden aufdrängt, bedeutet ein Darlehen nach § 23 Abs. 1 SGB II keine wesentliche zusätzliche Belastung. In einem solchen Zusammenhang kann schließlich auch auf Antrag des Hilfesuchenden bereits bei Bewilligung des Darlehens von § 44 SGB II Gebrauch gemacht werden, wonach der Leistungsträger Ansprüche erlassen kann, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Soweit im Einzelfall einzuwenden ist, dass keine hinreichenden gesetzlichen Möglichkeiten bestehen, sowohl besondere einmalige als auch besondere laufende oder regelmäßig wiederkehrende Bedarfslagen zu berücksichtigen, die aus dem Regelsatz erkennbar nicht zu bestreiten und vom Gesetzgeber übersehen worden sind, so drängt sich im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine entsprechende Anwendung der §§ 21, 23 SGB II auf. Die bisherige Rechtsprechung zeigt, dass in diesem Zusammenhang insbesondere Aufwendungen getrennt lebender Elternteile zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit ihren Kindern in Betracht kommen (vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 20. Juni 2005, S 63 AS 3829/05 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. April 2005, L 8 AS 57/05 ER; LSG Thüringen, Beschluss vom 15. Juni 2005, L 7 AS 261/05 ER).

Ebenso wie der Regelsatz nach § 20 Abs. 2 SGB II unterliegt auch der auf neunzig Prozent verminderte Regelsatz nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierbei hat sich der Gesetzgeber erkennbar an die Regelungen der früheren Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515) angelehnt, die auch Inhalt des § 3 der neuen Regelsatzverordnung vom 8. Juni 2004 geworden ist. Dort ist allerdings vorgesehen, dass der Haushaltsvorstand einhundert Prozent und Angehörige ab Vollendung des vierzehnten Lebensjahres achtzig Prozent des Eckregelsatzes erhalten. Mit der Festlegung auf neunzig Prozent des Regelsatzes hat der Gesetzgeber lediglich die schon in der Rechtsprechung zum Sozialhilferecht entwickelte Konzeption des Mischregelsatzes übernommen, die immer dann zur Anwendung kommt, wenn nicht festgestellt werden kann, wer als Haushaltsvorstand anzusehen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, FEVS 56, 190-192, OVG Lüneburg, FEVS 47, 407-412; FEVS 55, 501-508). Der verminderte Regelsatz volljähriger Partner verstößt nicht gegen das Verbot der Benachteiligung von Ehen und Familien aus Art. 6 Abs. 1 GG, sondern beruht auf der zutreffenden Wertung, dass durch eine gemeinsame Haushaltsführung, insbesondere durch die gemeinsame Nutzung der Energieversorgung und der Haushaltsgegenstände, ein deutlich sparsameres Wirtschaften möglich ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat der Beklagte auch die für die Bedarfsgemeinschaft tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung anerkannt. Dass der Beklagte von dem an den Vermieter und den Gasversorger monatlich zu entrichtenden Betrag von zusammengerechnet 332,84 EUR eine Energiepauschale von 20,60 EUR und die Kosten des Kabelfernsehens von 6,88 EUR abzieht und somit nur 305,36 EUR anerkennt, ist nicht zu beanstanden. Denn nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Das hat zur Folge, dass die Kosten für das Kabelfernsehen und die Energiekosten für das Kochen und die sonstige Warmwasserbereitung aus dem Regelsatz zu bestreiten sind und nicht als Teil der Unterkunftskosten anerkannt werden können. Nach der zu den Energiepauschalen bestehenden Verwaltungsvorschrift, nämlich dem Rundschreiben I Nr. 7/2003 der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, dessen Anwendung die Kammer für sachgerecht hält, sofern wie hier der konkrete Gasverbrauch für das Kochen und die sonstige Warmwasserbereitung nicht zu ermitteln ist, beträgt bei einer zentralen Gasversorgung die monatliche Pauschale für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen 15,70 EUR und für jeden Angehörigen 4,90 EUR, so dass hier ein Abzug in Höhe von insgesamt 20,60 EUR vorzunehmen war.

Von dem somit anzuerkennenden Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 927,36 EUR war gemäß § 19 Satz 2 SGB II das Einkommen des Ehemannes anzurechnen. Von der Rente in Höhe von 537,76 EUR waren gemäß § 11 Abs. 2 SGB II die Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 20,16 EUR sowie nach § 3 Nr. 1 Alg-II-VO eine Pauschale für gesetzlich nicht vorgeschriebene Versicherungen in Höhe von 30,- EUR abzusetzen, wobei die Pauschale die Beiträge für die Kompakthaftpflichtversicherung der Kläger abdeckt. Die Beiträge zur Lebensversicherung sind nicht zu berücksichtigen, da sie lediglich der gesetzlich nicht geförderten Kapitalansammlung dienen und deshalb im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II dem Grunde nach nicht angemessen sind. Da weitergehende Absetzbeträge nicht ersichtlich sind, ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von 487,60 EUR. Nach Anrechnung dieses Betrages auf den Gesamtbedarf ergibt sich ein Leistungsbetrag von 439,76 EUR, den der Beklagte zutreffend bewilligt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG war die Berufung vorsorglich zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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