S 13 RA 5572/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 5572/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem israelischen Kläger von der Beklagten gewährten Altersrente, insbesondere darüber, ob neben dem am 31.12.1986 bestehenden Rangstellenwert aus Ausbildungsausfallzeiten ein freiwillig entrichteter Beitrag rentenerhöhend zu berücksichtigen ist.

Der am 24.2.1932 geborene Kläger ist seit dem 25.7.1949 Bürger des Staates Israel und hat dort seinen Wohnsitz in Beer Sheva. Durch Bescheid des Bezirksamts für Wiedergutmachung Koblenz vom 12.3.1963 wurde der Kläger als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt.

Der Kläger besuchte in Werschetz (Serbien) vom Schuljahr 1947/48 an bis Ende Mai 1949 ein Gymnasium. In der Zeit vom 1.10.1953 bis 31.12.1957 absolvierte er ein Hochschulstudium am Israel Institute of Technology in Haifa, welches er mit dem Erhalt des Grades eines Bachelor of Science im Dezember 1957 abschloss.

Vom 1.4.1954 (Inkrafttreten des Gesetzes über die staatliche Sozialversicherung in Israel) bis jedenfalls zum 31.12.1986 war der Kläger durchgehend als Angestellter in der israelischen Sozialversicherung versichert und hat hierzu Beiträge geleistet.

Mit am 29.12.1986 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die freiwillige Weiterversicherung nach § 10 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und Art. 3 des DISVA. Zugleich übersandte er einen Scheck in Höhe von 92 Deutsche Mark, der als freiwilliger Beitrag für den Monat verbucht werden sollte und wurde. Mit Bescheid vom 6.7.1988 ließ die Beklagte den Kläger ausdrücklich u.a. für das Jahr 1986 zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zu. Gegen diesen Bescheid wurde ein Rechtsbehelf nicht eingelegt. Weitere freiwillige Beiträge wurden vom Kläger nicht entrichtet.

Mit einem am 17.12.2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger durch seine jetzige Prozessbevollmächtigte formlos die Gewährung einer Regelaltersrente. Nach Ermittlung des Versicherungsverlaufs des Klägers gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 23.1.2004 ab 1.3.1997 Regelaltersrente (RAR). Dieser Rente legte die Beklagte persönliche Entgeltpunkte in Höhe von 5,0250 zu Grunde. Nach Anlage 10 des Bescheides wurde diese Summe aus der Umrechnung der für die Ausbildungsausfallzeiten bis zum 1.12.1987 zu berücksichtigenden Werteinheiten (502,50) in Entgeltpunkte ermittelt. Als Ausbildungszeiten wurden 16 Monate Schulausbildung und 51 Monate Hochschulausbildung anerkannt und berücksichtigt.

In der Begründung des Bescheides führte die Beklagte ferner aus, dass allein die so berechneten Entgeltpunkte die Summe der Entgeltpunkte nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unter Berücksichtigung aller rentenrechtlichen Zeiten überschreiten würde. Daher seien die besitzgeschützten Entgeltpunkte der Berechnung zu Grunde zu legen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der im Jahr 1986 geleistete freiwillige Beitrag dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterfalle und daher nicht unberücksichtigt bleiben könne. Zudem sei dem SGB VI eine Rentenberechnung ohne Berücksichtigung von Beitragszeiten unbekannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.9.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass im Rahmen der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts existierenden völkervertragsrechtlichen Rangstellenwertgarantie der Versicherte im Vergleich zwischen der Rente nach dem SGB VI und der allein aufgrund der vor dem 1.1.1987 erworbenen Ausfallzeiten berechneten Rente die höhere Rente verlangen könne. Eine weitere Erhöhung der in der zweiten Vergleichsrente (Ausfallzeiten) ermittelten Entgeltpunkte um Zeiten der Beitragszeiten erfolge hingegen nicht.

Mit der am 30.9.2004 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehr weiter. Er ist der Auffassung, dass die Rentenberechnung der Beklagten nicht im Einklang mit der Entscheidung des BSG vom 24.7.2001 (Az. 4 RA 45/99) stehe. Das BSG habe entschieden, dass durch Art. 22 Nr. 3 DISVA in Verbindung mit der Nummer 7 des Schlussprotokolls zum DISVA in der Fassung ab dem 1.1.1987 den ns-verfolgten israelischen Versicherten eine Rente mindestens aufgrund der gesetzlichen Rangstellenwerte aus ihren (Ausbildungs-)Ausfallzeiten garantiert werde. Sinn sei nach der Entscheidung des BSG, den Rangstellenwert als die Größe zu sichern, die die Geldleistung im Versicherungsfall im Wesentlichen allein bestimme. Aus dem Abstellen auf die Bestimmung "im wesentlichen" ergäbe sich, dass auch das BSG davon ausgehe, dass der Rangstellenwert im Leistungszeitpunkt auch noch durch andere Faktoren, nämliche weitere persönliche Entgeltpunkte, bestimmt werde. Dementsprechend sei in Analogie zu § 263 Abs. 5 SGB VI die Summe der persönlichen Entgeltpunkte aus den garantierten Entgeltpunkten für Ausfallzeiten und weiteren Entgeltpunkten einschließlich solcher aus freiwilligen Beiträgen zu ermitteln.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Rentenbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2004 die Beklagte zu verurteilen, die Rente des Klägers unter Berücksichtigung des von ihm gezahlten freiwilligen Beitrages für den Monat Januar 1986 neu zu berechnen und dem Kläger eine höhere Altersrente zu gewähren

und die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ergänzt die Begründung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides dahingehend, dass nach der Begründung der vorgenannten Entscheidung des BSG die Altersrente im dortigen Fall mindestens auf der Grundlage zu zahlen zu sei, die sich allein aus den vor dem 1.1.1987 zurückgelegten Ausfallzeiten nach dem am 31.12.1991 geltenden Recht ergäbe.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten über den Kläger Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als kombinierte Teilanfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG) statthaft, insbesondere hat sich der Kläger zulässig mit seinem Leistungsantrag auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) beschränkt. Diese Möglichkeit besteht für den Kläger des sozialgerichtlichen Verfahrens auch dann, wenn nur ein einzelner Berechnungsfaktor einer Leistung streitig und eine Bezifferung des Leistungsantrags daher ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist. Der Rechtsschutz durch ein Grundurteil bleibt – soweit ein Sozialversicherungsträger oder eine sonstige Behörde beklagt ist – nicht hinter dem eines bezifferten Leistungantrags bzw. –urteils zurück, weil die Beklagte kraft ihrer verfassungsrechtlichen Gesetzesbindung an die Ausführung des durch das Gericht erkannten Rechts gebunden ist und sich dieser Verpflichtung auch nicht widersetzt.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden den Rentenhöchstwert und den Zahlbetrag der Altersrente zutreffend festgesetzt. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Der Rentenzahlbetrag ergibt sich nach §§ 64, 66 SGB VI aus der Multiplikation des in Entgeltpunkten ausgedrückten Rangwertes (Summe der sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden kalenderjährlichen Rangstellenwerte - vgl. zu der im Gesetz so nicht vorgegebenen Terminologie der Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 31. März 2004 , Az: B 4 RA 39/03 R; Urteil vom 29. Januar 2004 , Az: B 4 RA 24/03 R) mit dem aktuellen Rentenwert, dem Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und dem Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI), wobei das Ergebnis der Teilfaktoren des in Entgeltpunkten ausgedrückten Rangwerts und des Zugangsfaktors wiederum in sogenannten persönlichen Entgeltpunkten (§ 66 SGB VI) angegeben wird. Maßgeblich ist der Wert der Faktoren bei Rentenbeginn (BSG, Urteil vom 29. Januar 2004, Az: B 4 RA 24/03 R mw.N.). Streitig ist vorliegend zwischen den Beteiligten nur der der Rentenberechnung zu Grunde zu legende Rangwert, d.h. die Summe der Entgeltpunkte.

Zugunsten des Klägers ist hierbei die Mindestrangstellenwertgarantie, die sich aus den völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik nach Nr. 7 des Schlussprotokolls zum DISVA in der Fassung des Art. III b des Änderungsabkommens vom 7.1.1986, in Kraft getreten am 1.1.1987, ergibt, zu berücksichtigen (sogleich 1.). Diese innerstaatlich zu berücksichtigende Verpflichtung ist erfüllt, wenn der Rente ein Rangwert zugrunde gelegt wird, der die Summe der am 31.12.1986 vorhandenen Rangstellenwerte für (Ausbildungs-)Ausfallzeiten nach dem damals noch geltenden Angestelltenversicherungsgesetz erreicht oder überschreitet (sogleich 2.). Der im Dezember 1986 entrichtete freiwillige Beitrag ist von der Beklagten daher im Ergebnis zu Recht nicht rentenerhöhend neben den Entgeltpunkten aus den Ausbildungsausfallzeiten nach der vor dem 1.1.1992 geltenden Rechtslage zu berücksichtigen (sogleich 3.).

1.

Zutreffend gehen beide Beteiligte davon aus, dass der Kläger eine Bestandsschutzgarantie für die Rangstellenwerte aus Ausbildungsausfallzeiten besitzt, die er am 31.12.1986 bereits erlangt hatte (sog. Mindestrangstellenwertgarantie). Dies ergibt sich aus Art. 22 Nr. 3 DISVA und Nr. 7 des Schlussprotokolls zum DISVA in der Fassung des am 1.1.1987 in Kraft getretenen Änderungsabkommens (grundlegend, auch zum Folgenden: BSG, Urteil vom 24. Juli 2001, Az: B 4 RA 45/99 R = SozR 3-2600 § 71 Nr 2 = Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 2002, 300). Danach steht allein israelischen Staatsbürgern, die Verfolgte des Nationalsozialismus waren und bereits vor dem 1.1.1987 über einen anrechnungsfähigen Beitrag in der deutschen Rentenversicherung verfügten, eine garantierte Berücksichtigung der bis dahin zurückgelegten Ausfallzeiten zu. Dies gilt unabhängig von der Existenz eines ausdrücklichen innerstaatlichen Transformationsgesetzes. Das Änderungsabkommen ist durch ein Vertragsgesetz ratifiziert worden und wirksam. Aus dem Gebot der völkervertragsfreundlichen Auslegung ergibt sich, dass eine Auslegung des innerstaatlichen Rechts im Sinne eines Verstoßes gegen vertragliche Verpflichtungen nur in Betracht kommt, wenn ein anderes Verständnis ausgeschlossen ist.

Der Regelung des Nr. 7 Schlussprotokoll des DISVA in der am 1.1.1987 in Kraft getretenen Fassung lag erkennbar die Vorstellung beider völkervertragsrechtlicher Parteien zu Grunde, dass den ns-verfolgten israelischen Staatsbürgern nicht nur die Berücksichtigung (so der Wortlaut) der Ausbildungsausfallzeiten aus entschädigungspolitischen Gründen erhalten werden soll, sondern auch, dass die bis dahin bestehende rentenrechtliche Bewertung dieser Zeiten nicht zur freien Disposition der Bundesrepublik als einer der vertragsschließenden Parteien stehen sollte. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, als eine wirksame Bestandsschutzregelung – und eine solche haben die Vertragsparteien des DISVA vorausgesetzt – im Rentenrecht erfordert, dass diese neben der Berücksichtigung auch eine bestimmte Bewertung rentenrechtlicher Zeiten garantiert. Nr. 7 des Schlussprotokolls enthält Regelungen zur Berücksichtigung explizit und ist aus vertragssystematischen Gründen so auszulegen, dass auch die Bewertung dem Grunde nach geschützt ist.

Dementsprechend schließt sich die Kammer der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts auch insoweit an, als dieses in Änderungen der Bewertung der Ausbildungszeiten durch die Einführung der Gesamtleistungsbewertung mit dem SGB VI eine unzulässige einseitige Gestaltung der Geschäftsgrundlage der völkervertragsrechtlichen Vereinbarung gesehen hat (BSG, Urteil vom 24. Juli 2001, Az: B 4 RA 45/99 R; vgl. zum Wandel des Verhältnisses von Abkommensrecht zum innerstaatlichen Recht auch Nußberger in Ekonomi/von Maydell/Hänlein, Der Einfluss internationalen Rechts auf das türkische und deutsche Sozialrecht, 2003, S. 43ff., 50f.).

Der Kläger erfüllt hier unstreitig die Anforderungen dieser Mindestrangstellenwertgarantie dem Grunde nach. Er ist Verfolgter des Nationalsozialismus im Sinne des § 1 BEG und hat seinen Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Staat Israel außerhalb des Ostteils Jerusalems und der besetzten Gebiete. Er verfügte bei Inkrafttreten des Änderungsabkommens am 1.1.1987 auch bereits über einen anrechnungsfähigen Beitrag in der deutschen Rentenversicherung, wie ihn Nr. 7 des Schlussprotokolls voraussetzt. Er hatte diesen noch im Dezember 1986 per Scheck an die Beklagte gezahlt. Auf die Wertstellung kommt es insoweit nicht an, weil die Frage der Dauer der Einlösung eine Verzögerung darstellt, die allein aus der Sphäre der Beklagten stammt und daher bereits nach allgemeinen Grundsätzen im Sinne einer fristwahrenden Beitragsentrichtung zurückwirken würde (vgl. zu den Maßstäben BSG, Urteil vom 31. August 1994, Az: 4 RA 12/93 = SozR 3-6485 Art 12 Nr 6 = NZS 1995, 74). Nach der Beitragszahlungsverordnung war den Versicherten dieser Weg der Zahlung freiwilliger Beiträge eröffnet.

Unter Berücksichtigung der israelischen Versicherungszeiten waren nach Maßgabe des Art. 22 Nr. 3 DISVA am 31.12.1986 auch die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Ausbildungsausfallzeiten (insbesondere die sog. Halbbelegung) nach dem AVG am 31.12.1986 unzweifelhaft gegeben. Dies ergibt sich aus dem zwischenstaatlichen Versicherungsverlauf des Klägers und ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

2.

Die von der Bestandsschutzregelung in Nr. 7 Schlussprotokoll erfasste Bewertung der Ausbildungsausfallzeiten hat nicht zum Inhalt, dass die am 31.12.1986 (und damit mangels Rechtsänderung bis zum 31.12.1991) bestehende Bewertung der Ausbildungsausfallzeiten des Klägers in jeder Rentenberechnung unabhängig von dem zum Rentenbeginn geltenden Recht als statische Summe von Rangstellenwerten für die Ausbildungszeiten Eingang findet und somit mit den weiteren Rangstellenwerten addiert wird. Die sich aus Nr. 7 Schlussprotokoll ergebende Rangstellenwertgarantie ist ausschließlich im Sinne einer Mindestgarantie zu verstehen, die den Begünstigten sichert, dass sie eine Rente jedenfalls aus den für die Ausbildungsausfallzeiten nach dem 31.12.1986 ermittelten Entgeltpunkten erhalten, die sich durch Umrechnung der nach altem Recht bestehenden Werteinheiten ergeben. Diese garantierte Anzahl von Entgeltpunkten ist nach Auffassung der Kammer nicht neben anderen Entgeltpunkten in eine Rentenberechnung nach dem SGB VI einzustellen (ebenso wohl Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 14.2.2005, Az. L 16 RA 137/04; ausdrücklich Gerhard Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 2002, S. 309, 311).

a)

Der bereits aufgezeigte Bestandsschutz für Ausfallzeiten ist nach den Gründen der Entscheidung des Bundessozialgerichts in der Sache B 4 RA 45/99 R eine nur "entschädigungsrechtlich" begründbare Begünstigung. Die völkerrechtliche Verpflichtung beschränkt sich aber auch darauf, die Bewertung der bereits erworbenen Ausbildungsausfallzeiten nicht zu verändern, d.h. einer Rente wenigstens den sich hieraus ergebenden Rangstellenwert zu Grunde zu legen. Diese Regelung stellt eine aus "grundsätzlichen Erwägungen" (Bundestagsdrucksache 10/5526 Seite 7 – Denkschrift zum Änderungsabkommen) getroffene Ausnahme zum allgemeinen Regelungsziel des Änderungsabkommens in diesem Punkt dar, die Anrechenbarkeit von beitragslosen Zeiten einzuschränken und Rentenleistungen zu vermeiden, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den entrichteten Beiträgen stehen. Unter Berücksichtigung dieses Regelungsziels und des Grundsatzes, dass Ausnahmen eng auszulegen sind, ist dem DISVA in der Fassung des am 1.1.1987 in Kraft getretenen Änderungsabkommens und dem Schlussprotokoll hierzu keine völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik zu entnehmen, den Rangstellenwert für Ausbildungsausfallzeiten im Wege einer "Teilgarantie" in die Rentenberechnung nach jeweils geltendem Recht einfließen zu lassen. Das Abkommen beschränkt sich auf die Verpflichtung, die Rente jedenfalls aus den hierfür erworbenen Entgeltpunkten zu gewähren.

Durch diese Auslegung sind die erkennbaren objektiven Interessen der vertragsschließenden Parteien in Einklang zu bringen. Zugunsten der ns-verfolgten israelischen Staatsbürger wird die Bewertung der fraglichen Zeiten nach bisherigem Recht insoweit gesichert, als dass jedenfalls die Gewährung einer Rente unterhalb der durch die entschädigungsrechtlich motivierte Regelung des Nr. 7 Schlussprotokolls garantierten Höhe ausgeschlossen ist. Zugleich wird der Bundesrepublik Deutschland die innerstaatliche Handlungsfreiheit zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Rentenversicherungsrechts belassen. Mit dem am 1.1.1987 in Kraft getretenen Änderungsabkommen sollte nämlich insoweit maßgeblich "die geltende Abkommensbestimmung mit den Grundsätzen in Übereinstimmung gebracht werden, die für die Ausgestaltung des deutschen innerstaatlichen Rechts und sonstigen Abkommensrecht gelten" (Bundestagsdrucksache aaO.). Die vorgesehene Ausnahme "aus grundsätzlichen Erwägungen" für politisch Verfolgte (Bundestagsdrucksache aaO.) muss aber bei der Bestimmung ihrer Rechtsfolge mit Rücksicht auf dieses generelle und vom Vertragspartner akzeptierte Regelungsziel ausgelegt werden.

Für die Auffassung der Kammer spricht auch, dass die Regelung der Rentenberechnung in Sozialversicherungsabkommen systematisch eine Ausnahme darstellt, denn grundsätzlich folgen Sozialversicherungsabkommen dem Prinzip, dass die Rentenberechnung dem innerstaatlichen Recht überlassen bleibt (vgl. Kraus, Materiell-rechtliche Regelungen der Sozialversicherungsabkommen in ‚Die bilateralen Sozialversicherungsabkommen´, DRV-Schriften Band 37, 2002, 21ff., S. 30).

Zudem haben die Vertragsparteien keinerlei Regelungen zum Verhältnis der bestandsgeschützten Ausbildungsausfallzeiten und der Beitragszeiten, die im Wege der durch Abkommensrecht ermöglichten Nachentrichtung begründet worden sind, getroffen. Die Annahme eines weitergehenden Bestandsschutzes als Geschäftsgrundlage des völkerrechtlichen Vertrages setzt jedoch nach Auffassung der Kammer voraus, dass dieser zumindest im Sinne einer Andeutung im Vertragstext erkennbar wäre. Dies ist nicht der Fall.

b)

Der Auffassung der Kammer stehen auch die Ausführungen des Bundessozialgerichts zur Berücksichtigung des garantierten Rangstellenwerts nicht entgegen. Das BSG hat aaO. ausgeführt:

"Das Änderungsabkommen bezweckte augenfällig, den NS-Verfolgten den damals von ihnen bereits erworbenen gesetzlichen Rangwert der Anrechnungszeiten als die Größe zu sichern, die im Leistungsfall den Rangstellenwert und damit den Geldwert des späteren Rechts des Versicherten im wesentlichen allein bestimmen können sollte."

Mit dem Verweis darauf, dass der garantierte Rangwert den späteren Rangstellenwert und den Geldwert "im Wesentlichen" bestimmen können sollte, hat der damals erkennende Senat keine Aussage zu der Frage der Art der Berücksichtigung der Garantie getroffen. Die Beschränkung auf den wesentlichen Einfluss war bereits deshalb geboten, weil der Geldwert von weiteren Komponenten der Rentenformel, insbesondere dem Zugangsfaktor und dem aktuellen Rentenwert abhängen. Eine Bezugnahme auf die Berücksichtigung von Entgeltpunkten aus Beitragszeiten liegt offenkundig nicht vor. Dann wäre nicht erklärlich, warum neben Beitragszeiten der garantierte Rangwert im Wesentlichen allein ausschlaggebend sein könnte, vielmehr können die sich aus den Beitragszeiten ergebenden Rangstellenwerte um ein vielfaches höher sein.

Die weiteren Ausführungen des BSG legen jedenfalls nahe, dass der Senat die Auffassung der Kammer teilt. Das BSG hat die Berücksichtigung von Beitragszeiten neben dem garantierten Rangstellenwert in seiner Entscheidung ebenfalls unterlassen. Der dortige Kläger hatte ebenfalls einen freiwilligen Beitrag nachentrichtet und – nach den Feststellungen des BSG – 4,2746 Entgeltpunkte für Ausfallzeiten erworben. Das BSG führt aus, dass

"jedenfalls mindestens der völkervertragsrechtlich garantierte Rangstellenwert zugrunde gelegt werden [muss], den der Kläger aus seinen (Ausbildungs-) Ausfallzeiten bereits vor dem 1. Januar 1987 erlangt hat, also 427,50 Werteinheiten, umgerechnet 4,2746 EP."

Dabei geht der Senat offenkundig davon aus, dass der völkervertragsrechtlich geschützte Rangstellenwert sich allein aus den Ausfallzeiten ergibt. Dieser war mindestens zu Grunde zu legen, weil in der Entscheidung des BSG auch die Berechnung der dortigen SGB VI-Rente beanstandet wurde.

Da sich der völkervertragsrechtliche Bestandsschutz nach Auffassung der Kammer auf den Mindestrangstellenwert im Sinne der Summe der Entgeltpunkte aus den Ausfallzeiten beschränkt, kommt auch eine Analogie zu § 263 Abs. 5 SGB VI offenkundig nicht in Betracht. Der dortigen Regelung liegt gerade ein Besitzschutz für die Bewertung bestimmter Zeiten (nämlich Ersatzzeiten) im Rahmen der Rentenberechnung zu Grunde, d.h. des z.B. kalenderjährlichen Rangstellenwertes soweit er aufgrund der Bewertung einer beitragsfreien Ersatzzeit entsteht. Der hier einschlägige Bestandsschutz ergibt sich zwar rechnerisch aus der Bewertung bestimmter Zeiten, nämlich der Ausfallzeiten nach dem vor dem Inkrafttreten des SGB VI geltenden und seit dem 31.12.1986 insoweit bis zum 1.1.1992 unveränderten Recht. Nicht diese Zeiten fließen jedoch in eine Gesamtrentenberechnung ein, sondern der sich aus ihnen ergebende Betrag an Entgeltpunkten ist als Mindestwert im Rahmen einer Vergleichsberechnung zu berücksichtigen. Die Rechtslage ist daher grundlegend unterschiedlich, so dass es bereits an der für eine Analogie zwingend erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachlage fehlt.

Eine zusätzliche Berücksichtigung des freiwillig gezahlten Beitrags würde zudem eine unzulässige Systemvermischung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts darstellen. Das Abkommensrecht verdrängt aus Gründen der Völkerrechtsfreundlichkeit das eigentlich einschlägige SGB VI soweit es um die Ermittlung der Rangwerte bzw. Entgeltpunkte für die Ermittlung der Rentenhöhe geht. Eine Vermischung dieser Art der Berechnung mit jener nach dem SGB VI ist nach der Rechtsprechung des BSG aaO. schlechthin unzulässig.

Der Kläger ist auch nicht in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt. Ihm steht zwar ein Anwartschaftsrecht aufgrund der freiwilligen Beitragsleistung zu, das dem Eigentumsschutz unterfällt. Indes liegt keine Beeinträchtigung des Eigentums vor, weil der Kläger eine Rente aus einer höheren Anzahl von Entgeltpunkten erhält als seiner Eigenleistung entspricht. Er ist nicht dadurch in seinem Eigentumsgrundrecht beeinträchtigt, dass ihm nicht daneben der garantierte Rangstellenwert zusteht, weil die auf den Ausfallzeiten beruhenden Anwartschaften mangels wesentlicher Eigenleistung nicht dem Eigentumsschutz unterfallen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1.7.1981 = BVerfGE 58, 81ff., S. 112f.; differenzierend, aber für Ausbildungsausfallzeiten nicht abweichend, Papier in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Stand Ergänzungslieferung Februar 2005, Rn. 144f. zu Art. 14).

3.

Nach alledem ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Rente des Klägers aus einer Vergleichsberechnung einer Rente unter Bewertung aller rentenrechtlichen Zeiten nach dem SGB VI und einer Rente unter Zugrundelegung der Entgeltpunkte aus der Rangstellenwertgarantie ergibt, d.h. der Umrechnung der Werteinheiten für vor dem 1.1.1987 bestehende (Ausbildungs-)Ausfallzeiten in Entgeltpunkte. Diese Entgeltpunkte hat die Beklagte zutreffend ermittelt, indem sie für den Kläger 16 Monate Schulausbildung (Zeitraum vom 16. Geburtstag des Klägers bis zum Abschluss der Schulausbildung Ende Mai 1949) und 51 Monate Hochschulausbildung (Zeitraum des gesamten Hochschulstudiums) als Ausbildungsausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG anerkannte und nach § 32a Abs. 2 Satz 3 AVG – mangels Vorhandensein von 60 Beiträgen vor 1965 – mit 7,5 Werteinheiten pro Monat bewertet hat. Die sich hieraus ergebende Summe von Werteinheiten von 502,50 ist nach § 264 Satz 1 SGB VI zur Umrechnung in Entgeltpunkte durch 100 zu teilen. Es ergeben sich somit 5,0250 Entgeltpunkte.

Die auch für die Kammer offenkundig zutreffende Feststellung der Beklagten in Anlage 10 des Ausgangsbescheides, dass die SGB VI Rente niedriger wäre, hat der Kläger nicht angegriffen. Es bestand für die Kammer kein Anlass, eine Proberechnung der Beklagten einzuholen. Die Entgeltpunkte aus nur einem Monat freiwilliger Beiträge in Höhe von 92 DM im Jahr 1986, die zugleich die Gesamtleistungsbewertung der Ausbildungsanrechnungszeiten maßgeblich bestimmen, können auch zusammen mit den Anrechnungszeiten den tatsächlich der Rente zu Grunde gelegten Rangwert nicht erreichen.

Der Rentenberechnung waren daher bei einem Zugangsfaktor von 1,0 nur 5,0250 persönliche Entgeltpunkte zu Grunde zu legen, wie dies im nicht zu beanstandenden Bescheid erfolgte.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

IV.

Die Zulassung der Revision ist nach § 161 Abs. 2, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG geboten, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar stützt die Kammer ihre Rechtsauffassung auch auf das Verständnis der Entscheidung des BSG in der Sache B 4 RA 45/99 R, der Senat hatte in dem dortigen Verfahren jedoch keinen Anlass zur hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage im Sinne einer abstrakten Klärung ausdrücklich Stellung zu nehmen. Die erhebliche Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bei allen Rentenversicherungskammern des Sozialgerichts Berlin, das aufgrund der Auslandszuständigkeit nach § 57 Abs. 3 SGG für sämtliche in der Angestelltenversicherung erfasste Versicherte mit Wohnsitz in Israel zuständig ist, zeigt, dass die Rechtsfrage nicht hinreichend geklärt ist und ihr in der Rechtspraxis hohe Bedeutung zukommt.
Rechtskraft
Aus
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