L 17 U 270/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 347/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 270/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Juni 1994 wird zurückgewiesen. Kosten sind weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger aufgrund zweier Arbeitsunfälle Verletztenrente gewähren muss.

Der im 1944 geborene Kläger war ab Mitte der 80iger Jahre wiederholt wegen degenerativer Erkrankungen der Wirbelsäule (Spondylosis) und eines Nacken-Schulter-Arm-Syndroms (Cervikobrachial-Syndrom) arbeitsunfähig erkrankt. Seit 1989 ist eine Rotationsfehlstellung zwischen dem 1. und 2. Halswirbel mit Gelenk- und Bandscheibenverschleiß, besonders im Bereich der Halswirbelkörper (HWK) 2/3, röntgenologisch nachgewiesen. Im selben Jahr wurden lageabhängige Schwindel- und Kollapsneigungen diagnostiziert. Wegen langjähriger Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden nahm der Kläger 1989 und 1991 an stationären Heilverfahren in der Klinik am H in Bad S teil.

Am 17. August 1992 verunglückte er bei seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer, als die nach oben gefahrene Lademulde seines Lkw beim Rückwärtsfahren plötzlich nach unten fiel. Durch die Erschütterung wurde er nach oben geschleudert und schlug mit dem Nasenrücken gegen den oberen Rand eines geöffneten Seitenfensters. Dr. T., Chefarzt (CA) der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses W, nähte am Unfalltag eine Platzwunde am Nasenrücken und vermerkte im Durchgangsarztbericht, dass weder Bewusstlosigkeit noch Erbrechen aufgetreten seien. Am Lkw entstand ein Sachschaden von knapp 14.500,00 DM; der Kläger nahm seine Beschäftigung am 31. August 1992 wieder auf.

Am 24. November 1992 erlitt der Kläger einen zweiten Arbeitsunfall, als eine Baggerschaufel unverhofft herum schlug und ihn am Kopf traf. Benommen stürzte er eine kleine Böschung hinab. Dr. T stellte oberflächliche Hautabschürfungen an der rechten Augenbraue sowie mäßige Kopfschmerzen fest und diagnostizierte eine Schädelprellung mit oberflächlicher Hautabschürfung. Bis zum 21. Dezember 1992 bestand unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit; vom 22. Februar bis 05. März und vom 23. März bis zum 09. Juli 1993 war der Kläger wegen eines Zustands nach Schädelprellung krankgeschrieben.

Nachdem er in der Folgezeit über zunehmende Kopfschmerzen sowie Schwindel, Seh- und Hörstörungen geklagt hatte, ließ ihn die Beklagte durch Prof. Dr. T1, CA der Chirurgischen Klinik des J Krankenhauses S, und Dr. L, CA der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S, untersuchen. In seinem Gutachten vom 28. April 1993 führte Prof. Dr. T1 aus, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf seinem Fachgebiet nicht gemindert sei. Dagegen wies Dr. S, Oberarzt (OA) der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses S, in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 03. August 1993 aus "chirotherapeutischer Sicht" darauf hin, es sei bei dem ersten Arbeitsunfall zu Blockierungen der oberen Halswirbelsäule (HWS) gekommen, die der zweite Arbeitsunfall verschlimmert habe. Bis zur Wiederaufnahme der Lkw-Fahrertätigkeit am 12. Juli 1993 betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 vom Hundert (v.H.). Dieser Einschätzung schloss sich Dr. L in seinem Gutachten vom 21. August 1993 an und wies darauf hin, dass die chronischen Blockierungen zu Dauerkopfschmerzen und einer depressiven Entwicklung geführt hätten.

Mit Bescheid vom 27. September 1993 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger wegen des ersten Arbeitsunfalls vom 17. August 1992 Verletztenrente zu gewähren, weil über die 13. Woche hinaus keine MdE im rentenberechtigenden Grade vorliege. Dagegen erhob der Kläger am 08. Oktober 1993 Widerspruch. Die Beklagte zog eine Stellungnahme des niedergelassenen Neurologen Dr. L1 aus W vom 26. Oktober 1993 bei, wonach sich der Kläger bei beiden Unfällen die HWS gezerrt habe. Hierdurch hätten sich die vorbestehenden degenerativen Veränderungen der HWS vorübergehend für ca. 1 Jahr verschlimmert, so dass die MdE bis zum 24. November 1993 auf 20 v.H. zu taxieren sei.

Anschließend ließ die Beklagte den Kläger im D Institut für ärztliche Begutachtung untersuchen. Der niedergelassene Chirurg/Unfallchirurg Dr. M und der Orthopäde C verneinten in ihrem Gutachten vom 23. August 1994 verletzungsbedingte Veränderungen der oberen HWS. Selbst wenn sich der Kläger bei dem ersten Arbeitsunfall die HWS gezerrt oder gestaucht habe, sei diese Verletzung innerhalb weniger Wochen folgenlos ausgeheilt. Dasselbe gelte für den zweiten Arbeitsunfall, der ebenfalls keine Funktionseinbußen hinterlassen habe.

Hierauf gestützt lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 19. September 1994 ab, dem Kläger aus Anlass des zweiten Arbeitsunfalls vom 24. November 1992 Verletztenrente zu gewähren. Dem widersprach der Kläger am 30. September 1994. Mit Widerspruchsbescheiden vom 06. Dezember 1994 wies die Beklagte beide Widersprüche zurück, weil sich die Beschwerden des Klägers nicht auf die Unfallereignisse zurückführen ließen.

Dagegen hat der Kläger jeweils am 13. Dezember 1994 Klage erhoben, die das Sozialgericht (SG) Dortmund miteinander verbunden hat. Er hat vorgetragen, seine Kopfschmerzen, die Schwindelerscheinungen, Hörstörungen sowie Gesichtsfeldausfälle seien auf die Arbeitsunfälle zurückzuführen.

Zu Beweiszwecken hat das SG von Amts den Chirurgen Prof. Dr.C1, CA der chirurgischen Abteilung des Ev. Krankenhauses H, beauftragt, den Kläger zu untersuchen. In seinem Gutachten vom 20. Januar 1998 ist der Sachverständige (SV) zu dem Ergebnis gelangt, dass die "Blockierungen", die Kopfschmerzen mit Ohrgeräuschen links und die Sehstörungen auf keinen der Arbeitsunfälle, sondern auf die degenerativen Vorschäden der HWS zurückzuführen seien. An Schwindelerscheinungen, Schwarzwerden vor den Augen und Kollapsneigungen habe der Kläger schon vor den Arbeitsunfällen gelitten. Beide "Bagatelltraumata" hätten weder die HWS noch den Schädel substantiell geschädigt.

Durch Urteil vom 19. Juni 1996 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr.C1 gestützt.

Nach Zustellung am 02. Juli 1996 hat der Kläger gegen dieses Urteil am 26. Juli 1996 Berufung eingelegt (Az.: L 5 U 32/96) und geltend gemacht, dass seine Erwerbsfähigkeit durch unfallbedingte Blockierungen im oberen HWS-Bereich, Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Schwindelerscheinungen und Sehstörungen um 20 v.H. gemindert sei. Angesichts des Sachschadens am Lkw habe er beim ersten Arbeitsunfall mehr als ein "relativ harmloses Trauma" erlitten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Juni 1996 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 27. September 1993 und vom 19. September 1994 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 06. Dezember 1994 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 17. August 1992 und vom 24. November 1992 eine Verletztenrente ab 01. Januar 1993 nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise entsprechend dem Schriftsatz vom 02.11.2004 weiteren Beweis zu erheben durch die Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. P/Prof. Dr. Q sowie entsprechend dem Schriftsatz vom 31.01.1997 nach § 109 SGG von Prof. Dr. U ein neurochirurgisches Gutachten einzuholen. Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der 5. Senat des erkennenden Gerichts hat die vollständigen Krankenunterlagen des Klägers von dem niedergelassenen Orthopäden Dr. L2 aus B, der Allgemeinmedizinerin Dr. E aus Bad B, des praktischen Arztes Dr. M, ebd., und der Klinik für M Therapie in H beigezogen. Mit diesen Unterlagen hat sich der SV Prof. Dr.C1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. September 1997 auseinandergesetzt, ohne von seiner bisherigen Auffassung abzuweichen. Gleichwohl hat er angeregt, den Kläger durch den Radiologen Prof. Dr. M2, CA der R Klinik und Klinik für S am Knappschafts-Krankenhaus R, computer- und kernspintomographisch untersuchen zu lassen. Dieser hat im Auftrag des Gerichts als SV eine Kernspintomographie der HWS durchgeführt sowie computer- und kernspintomographische Fremdaufnahmen ausgewertet. In seinem Gutachten vom 26. Februar 1998 hat er degenerative Veränderungen der HWS mit Bandscheibenschäden, knöcherne Reaktionen sowie Einengungen einzelner Nervenaustrittslöcher und des gesamten Rückenmarkkanals beschrieben. Diese Befunde und Beschwerden seien weder allein noch annähernd gleichwertig durch den ersten und/oder zweiten Arbeitsunfall hervorgerufen oder verschlimmert worden.

Anschließend hat der niedergelassene Radiologe Dr. G aus K gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter dem 18. Dezember 1998 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet und ausgeführt: Aufgrund des ersten Arbeitsunfalls vom 17. August 1992 habe sich der Kläger eine funktionelle Kopfgelenksstörung im Sinne eines sog. cerviko-encephalen Syndroms zugezogen, die der zweite Arbeitsunfall vom 24. November 1992 ungünstig beeinflusst habe. Dieses cerviko-encephale Syndrom sei mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Hierzu hat sich die Beklagte kritisch geäußert und Stellungnahmen der Verwaltungsgutachter Dr. M/C vom 13. Februar und 20. September 1999 vorgelegt, wonach der Kläger "vor und nach dem Unfall" über dieselben Beschwerden geklagt habe. Ein Unfallzusammenhang lasse sich deshalb nicht begründen, zumal Dr. S die Blockierungen der HWS erfolgreich behandelt habe. Darauf hat Dr. G in ergänzenden Stellungnahmen vom 06. Juni und 02. August 1999 entgegnet, der Kläger habe vor den Arbeitsunfällen nicht an den typischen Symptomen des cerviko-encephalen Syndroms gelitten; die HWS-Blockade habe Dr. S nicht dauerhaft gelöst.

Nachdem der Kläger behauptet hatte, unfallbedingt "einen Augenschaden mit Verlust einer Linse erlitten zu haben", hat das Gericht Befundberichte der niedergelassenen Augenärzte Dres. T2/M3 aus B vom 03. Februar 2000, der niedergelassenen Augenärztin Dr. S1 aus Bad B vom 15. Februar 2000 und des Augenarztes Dr. T3, Oberarzt des medizinischen Zentrums für Augenheilkunde des Klinikums der P Universität M, beigezogen. Danach sei "das Gesichtsfeld jetzt praktisch normal"; eine traumatisch bedingte Trübung der linken Linse lasse sich "nicht ausschließen".

Daraufhin hat das Gericht den Augenarzt Prof. Dr. T4, CA des Evangelischen Krankenhauses E, und den niedergelassen Chirurgen/Unfallchirurgen Prof. Dr. T5 aus E von Amts wegen beauftragt, den Kläger zu untersuchen. Prof. Dr. T4 hat in seinem Gutachten vom 15. Juni 2001 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04. Februar 2002 ausgeführt, die Augenkrankheiten des Klägers seien nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einen der beiden Unfälle zurückzuführen. Der SV Prof. Dr. T5 hat unter dem 28. September 2001 erläutert, die Unfälle hätten ein cerviko-encephales Syndrom verursacht. Für den ursächlichen Zusammenhang sprächen "die Konstanz" und der enge zeitliche Zusammenhang mit dem Unfallereignis sowie die Rotationsfehlstellung des Atlas, die computertomographisch nachgewiesen sei. Die Gewalteinwirkungen durch Stauchung in Überstreckung (Hyperextension) am 17. August 1992 und durch Überdrehung (Hyperrotation) am 24. November 1992 seien geeignet gewesen, die linke Nervenwurzel C2 nachhaltig zu zerren. Dies habe zur Schwellung und Zunahme der reaktiven Knochenneubildung im Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) geführt, wodurch die vorbestehende Rotationsfehlstellung des Atlas dekompensiert sei. Dagegen könnten die altersbedingten degenerativen Veränderungen und Bandscheibenvorwölbungen im unteren HWS-Bereich das Beschwerdebild nicht erklären. Die MdE sei auf 20 v.H. einzustufen.

Die Beklagte hat hierzu eine kritische Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. M vom 22. Oktober 2001 vorgelegt, der einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und dem Unfallereignis verneinte. Hierauf hat Prof. Dr. T5 unter dem 03. Januar 2002 erwidert.

Durch Urteil vom 26. März 2002 hat der 5. Senat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide und Änderung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 17. August und 24. November 1992 Verletztenrente ab dem 01. Januar 1993 nach einer MdE um insgesamt 20 v.H. zu gewähren: Die MdE sei "auf wahldeutiger Grundlage" zu bemessen. Entweder führten die Folgen eines der beiden Unfälle zu einer MdE um 20 v.H. oder die Folgen jedes Unfalls bewirkten für sich eine MdE um jeweils 10 v.H.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) die Revision zugelassen. Mit Urteil vom 19. August 2003 hat es das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das erkennende Gericht zurückverwiesen: Gesundheitsschäden, die auf mehreren Arbeitsunfällen beruhten, seien jeweils getrennt zu beurteilen; die Bildung einer Gesamt-MdE scheide insoweit aus. Vielmehr seien für jeden Arbeitsunfall MdE und Rente jeweils gesondert festzusetzen. Lägen mehrere Arbeitsunfälle vor, so sei konkret festzustellen, welche gesundheitlichen Schäden jeder Unfall im Einzelnen verursacht habe und welchen Grad der MdE die jeweiligen Unfallfolgen – für jeden Unfall getrennt – bedingten. Insoweit habe das LSG keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Der erkennende Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Neurologen Privatdozent (PD) Dr. U1, CA der Neurologischen Abteilung der Fachklinik R in E, eingeholt und ihn gebeten, die Neurologin und Psychiaterin Dr. L3 zur Begutachtung hinzuzuziehen. In seinem Gutachten vom 09. Juni 2004 ist PD Dr. U1 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers weder wegen des Unfalls vom 17. August 1992 noch wegen des Unfalls vom 24. November 1992 gemindert sei. Vielmehr habe der Kläger seine Beschwerden während des gesamten Verfahrens verdeutlicht und dadurch "die Behandler in die Irre geleitet".

Der Kläger hat dies bestritten und vorgebracht, es müsse mit Hilfe eines biomechanischen SV-Gutachtens geklärt werden, welche physikalischen Kräfte bei den Unfällen auf ihn eingewirkt hätten (Sachverständigenbeweis: Prof. Dipl. Ing. P und Prof. Dr. med. Q, H).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Aktenzeichen: 92-19495/01L) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der die Bescheide vom 27. September 1993 und vom 19. September 1994 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 06. Dezember 1994 (§ 95 SGG) rechtmäßig sind und den Kläger deshalb nicht beschweren (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn er hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente, weil seine Erwerbsfähigkeit weder infolge des Arbeitsunfalls vom 17. August 1992 noch wegen des Arbeitsunfalls vom 24. November 1992 über die 13. Woche hinaus nicht gemindert war.

Der Anspruch richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil die Versicherungsfälle bereits eingetreten waren, bevor das Siebte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01. Januar 1997 in Kraft trat, und die Leistungen nach diesem Zeitpunkt nicht erstmals festzusetzen waren (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, §§ 212, 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Rechtsgrundlage für die Ansprüche ist § 581 Abs. 1 Satz Nr. 2 RVO. Danach wird als Verletztenrente der Teil der Vollrente (§ 581 Abs. 1 Nr. 1 RVO) gewährt, der dem Grade der MdE entspricht, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalls um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) bzw. beim Vorliegen eines Stützrententatbestandes um wenigstens 10 v.H. (§ 581 Abs. 3 RVO) gemindert ist.

Wegen eines Arbeitsunfalls besteht Anspruch auf Entschädigungsleistungen, wenn die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und der geltend gemachte Gesundheitsschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sind (BSG, Urteile vom 20. Januar 1987, Az.: 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 130 und vom 22. Juni 1988, Az.: 9/9a RVg 3/87, BSGE 63, 270, 271, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand: November 2003 § 8 SGB VII Rn. 10). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Arbeitsunfall (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Arbeitsunfall und Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-) ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.; Mehrtens, a.a.O.). Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität muss hinreichend wahrscheinlich sein; die bloße Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 02. Februar 1978, Az.: 8 RU 66/77, SozR 2200 § 548 Nr. 38 und vom 22. August 2000, Az.: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Mehrtens, a.a.O., Rn. 10.1). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (BSG SozR § 548 Nr. 38 und Urteil vom 18. Dezember 1997, Az.: 2 RU 48/96, SGb 1999, 39, 40). Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die Umstände, die gegen die Kausalität sprechen, deutlich überwiegen (vgl. Schulze-Weidner, SGb 1992, 59, 64f.).

Legt man diese Kriterien zugrunde, so hat weder der Arbeitsunfall vom 17. August 1992 (I.) noch der Arbeitsunfall vom 24. November 1992 (II.) die Erwerbsfähigkeit des Klägers über die 13. Woche hinaus gemindert.

I. Der Arbeitsunfall vom 17. August 1992 hat zu keiner dauerhaften Leistungseinbuße geführt. Dr. T stellte am Unfalltage lediglich eine ca. 1 cm lange Platzwunde an der Nasenwurzel fest, die zwischenzeitlich ausgeheilt ist. Knöcherne Verletzungen des Schädels und des Nasenbeins konnte er röntgenologisch ausschließen. Anhaltspunkte für eine Gehirnbeteiligung fanden sich nicht (keine Bewusstlosigkeit, kein Erbrechen). Auch computertomographisch konnten Unfallfolgen am Schädel und Gehirn ausgeschlossen werden (kein Bruch, keine Blutung, kein Quetschungsherd).

1. Der Kläger leidet an einer geringen Form- und Stellungsanomalie der beiden obersten Halswirbel mit erheblichen Verschleißerscheinungen im Bewegungssegment HWK 2/3, an einem fortgeschrittenen knöchernem Verschleiß und Bandscheibenvorfall im Bereich HWK 5/6 sowie an einem Nervenwurzelschaden C6 rechts ohne Lähmungen (Bl. 776, 601 GA). Dass diese Erkrankungen bereits vor den Arbeitsunfällen bestanden, ist in Befundberichten, auf Röntgenbildern und im Vorerkrankungsverzeichnis dokumentiert und zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.

Diese Vorschäden an der HWS hat der erste Arbeitsunfall nicht verschlimmert. Wie der Sachverständige PD Dr. U1 in seinem Gutachten vom 09. Juni 2004 überzeugend dargelegt hat, kann sich die HWS stauchen, wer sich den Kopf an einer harten Oberfläche (hier: an den Fensterrahmen des Lkws) stößt. Eine rentenrelevante Stauchung ist jedoch nur bei einer massiven Gewalteinwirkung auf den Kopf, vor allem bei einem Sturz von oben nach unten, zu erwarten. Eine derart enorme Gewalteinwirkung lag aber nicht vor: Der Kläger hatte nicht einmal eine Prellmarke am Kopf, und das Nasenbein, ein ziemlich dünner Knochen, der durch einen Faustschlag leicht zu brechen ist, blieb unversehrt. Fehlen aber blaue Flecken, Prellmarken, Bänder- bzw. Sehnenrisse oder Knochenbrüche an der mutmaßlichen Einwirkstelle, so kann die weiter entfernt liegende HWS keinen relevanten Stauchungsschaden erlitten haben. Substantielle HWS-Schäden konnten bei keiner Untersuchung nachgewiesen werden; der Verdacht auf eine Impressionsfraktur des 2. HWK ließ sich computertomographisch ausräumen.

Aber selbst wenn man eine Zerrung oder Stauchung der HWS unterstellen würde, wäre eine solche Verletzung innerhalb weniger Wochen folgenlos ausgeheilt. Gegen einen Unfallzusammenhang spricht zudem, dass Prellungen, Zerrungen oder Stauchungen unfallnah am stärksten ausgeprägt sind und dann langsam abklingen. Der gegenteilige Verlauf mit Beschwerdezunahme bzw. Abklingen und Wiederaufleben des gleichen Beschwerdebildes spricht für das Vorliegen einer eigenständigen Erkrankung auf dem Boden degenerativer HWS-Veränderungen. Dies haben die Verwaltungsgutachter Dr. M3/C im Einklang mit der herrschenden unfallmedizinischen Lehrmeinung, die bei der Zusammenhangsbeurteilung zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1977, Az.: 8 RU 24/77, Meso B 30/51 und vom 12. November 1986, Az.: 9b RA 76/86; Senatsurteil vom 23. Februar 2005, Az: L 17 U 120/02; Plagemann/Hortschick, Medizinische Begutachtung im Sozialrecht, 3. Aufl., S. 27), überzeugend dargelegt. Ihr Gutachten, das die Beklagte im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht (§§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches [SGB X]) beigezogen hat, entspricht in Form und Inhalt den Anforderungen, die an ein wissenschaftlich begründetes SV-Gutachten zu stellen sind. Obschon es die Beklagte angefordert hat, handelt es sich keinesfalls um ein Parteigutachten (BSG, Beschluss vom 23. September 1957, Az: 2 RU 113/57, SozR Nr. 3 zu § 118 SGG sowie Urteile vom 24. November 1988, Az: 9/9a RV 42/87, SozSich 1989, 220 und vom 08. Dezember 1988, Az: 2/9b RU 66/87, HV-Info 1989, 410 ff.; Senatsurteil vom 11. Juni 2003, Az.: L 17 U 50/98; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 118 Rn. 12b). Im Klage- und Berufungsverfahren können derartige Verwaltungsgutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden und auch alleinige Entscheidungsgrundlage sein (BSG, Beschluss vom 31. Mai 1963, Az: 2 RU 231/62, SozR Nr. 66 zu § 128 SGG und Urteil vom 08. Dezember 1988, HV-Info 1989, 410 ff.; LSG NW, a.a.O.; Meyer-Ladewig, a.a.O.; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl. 2002, III Rn. 49, 50).

Die Blockierungen der HWS, die Dr. S manualtherapeutisch lösen konnte, lassen sich allein durch die vorbestehenden erheblichen degenerativen Veränderungen, vor allem in den Wirbelgelenken C2/C3, erklären, wie Prof. Dr.C1 in seinem Gutachten vom 20. Januar 1996 eingehend erläutert hat. Sie beruhen auf spondylarthrotischen Veränderungen der HWS, wobei sich die unebenen Gelenkflächen ineinander verhaken und zu Blockierungen führen (Stellungnahme vom 10. September 1997). Zwar kann ein Unfall derartige Blockaden auslösen. Sie bleiben dann aber nicht dauerhaft bestehen, sondern stellen nur einen vorübergehenden Zustand dar, der sich entweder von selbst wieder löst oder manualtherapeutisch beseitigt werden muss. Aufgrund der schweren degenerativen Veränderungen in den Wirbelgelenken können diese Blockierungen jederzeit bei jeder Verrichtung des alltäglichen Lebens auftreten. Mit den Arbeitsunfällen hat die Blockadenneigung nichts zu tun.

Der abweichenden Beurteilung von Prof. Dr. T5 kann dagegen nicht gefolgt werden: Er stützt sich auf die angeblich "glaubwürdigen Angaben" des Klägers zum Beginn und Verlauf der HWS-Beschwerden. Dabei übersieht er jedoch die deutlichen Aggravations- und Übertreibungstendenzen. Zudem kehrt der SV die Beweislast um, indem er unzulässigerweise folgende Zweifelsfallregel postuliert: Sei der Unfallhergang nicht vollständig geklärt, dürfe dies dem Verletzten nicht angelastet werden, so dass "im Zweifel" ein geeigneter Unfallmechanismus anzunehmen sei. Außerdem unterstellt der SV eine mangelhafte Primärdiagnostik und erliegt dabei einem Zirkelschluss: Weil die Unfallfolgen angeblich unzureichend untersucht und dokumentiert seien, müsse [zu Gunsten des Klägers] angenommen werden, dass der Unfall die HWS tatsächlich geschädigt habe und dies den behandelnden Ärzten entgangen sei. Diese Argumentation verstößt schon gegen einfache Denkgesetze. Außerdem ist die Kritik an der Primärdiagnostik unangebracht, worauf PD Dr. U1 zu Recht hingewiesen hat: Denn beide Unfallverletzungen wurden durchgangsärztlich als das behandelt, was sie offensichtlich waren: Bagatelltraumata mit einer Platzwunde auf der Nase bzw. einer Schürfung an der Schläfe. Es wurden pflichtgemäß Röntgenaufnahmen der betroffenen Körperregionen durchgeführt und wegen der Verletzung im Kopfbereich bei dem auskunftsfähigen, ohne Rettungswagen zum Krankenhaus gebrachten Kläger auch die Symptome einer Gehirnerschütterung abgefragt. Mit der Wundversorgung, Tetanusprophylaxe und kurzzeitiger Arbeitsunfähigkeit waren die Verletzungen adäquat versorgt. Weder der Unfallhergang noch die dokumentierte sichtbare Verletzung oder der sonstige Zustand des Klägers ließen damals und lassen heute auf eine höherwertigere Verletzung als eine Platzwunde an der Nasenwurzel und einer Schürfwunde an der Schläfe schließen.

Es erscheint daher fraglich, ob die Unfälle wirklich "geeignet waren", die linke Nervenwurzel C2 nachhaltig zu zerren. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ist es gerade nicht zur Schwellung und Zunahme der reaktiven Knochenneubildung im Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) gekommen, wie Prof. Dr. T5 meint. Denn auf den Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1992/93 sind keine "reaktiven Knochenneubildungen" zu erkennen, worauf Dr. M3 in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Oktober 2001 zu Recht hingewiesen hat. Die Befunde im Bereich der oberen HWS zeigten nämlich "keine Veränderungen" gegenüber den Vorbefunden, wie Prof. Dr. T5 in seinem Gutachten vom 28. September 2001 selbst erkannt hat.

2. Auch die Kopfschmerzen sind nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den ersten Arbeitsunfall zurückzuführen. Direkt nach dem Unfall gab der Kläger keine Kopfschmerzen an. Andernfalls hätte ihn der Durchgangsarzt Dr. T6 zum Ausschluss einer substantiellen Hirnschädigung stationär aufgenommen. Hierauf hat Prof. Dr. C1 zu Recht hingewiesen. Erst in seinen Nachschauberichten vom 26. August, 11. und 17. September 1992 erwähnt Dr. T6 erstmals "starke Kopfschmerzen", die der Kläger mit 1-2 Thomapyrin-Tabletten/Tag und später mit Commotional®-Tabletten bekämpfte. Die Kopfschmerzen werden durch schwere Arbeit, Vibrationen und Zwangshaltungen sowie Stress und Anspannungen ausgelöst. Sie sind jedoch keine Unfallfolge, sondern beruhen auf einer verschleißbedingten Fehlhaltung der HWS, die zu Verspannungen der Nackenmuskulatur führt. Dies haben Prof. Dr.C1 und PD Dr. U1 überzeugend begründet. Nach den Unfällen verstärkten sich die Spannungskopfschmerzen durch einen Schmerzmittelmissbrauch (Thomapyrin, Commotional), der bis Dezember 1995 sogar zu beginnenden Leber- und Nierenschäden führte. Im Übrigen neigt der Kläger dazu, seine Beschwerden aufgrund eines Rentenversorgungswunsches übertrieben darzustellen: Gegenüber PD Dr. U1 hat er angegeben, wegen der Kopfschmerzen "Commotional® 500 immer noch ziemlich oft und viel" einzunehmen. Auch morgens vor der Untersuchung habe er eine Tablette geschluckt. Allerdings konnte PD Dr. U1 bei den Laboruntersuchungen den Inhaltsstoff von Commotional® im Blutserum nicht nachweisen. Das Verfallsdatum der Commotional®-Tabletten, die der Kläger bei der Untersuchung präsentierte, war fast abgelaufen, was zu seiner Behauptung, er nehme diese Tabletten ständig ein, nicht passt. Bemerkenswert ist zudem, dass dieses Medikament wegen seiner Nebenwirkungen (Abhängigkeit, Nierenschäden) heute eigentlich nicht mehr verordnet wird, wie PD Dr. U1 sachkundig erläutert hat. Dies spricht dagegen, dass sich der Kläger wegen der Kopfschmerzen in aktueller ärztlicher Behandlung befindet.

3. Die Schwindelbeschwerden beruhen ebenfalls nicht auf dem ersten Arbeitsunfall. Bereits 1989 wurden im Rahmen einer Kreislaufregulationsstörung, die PD Dr. U1 allerdings nicht mehr bestätigen konnte, lageabhängige Schwindel- und Kollapsneigungen beschrieben. Konsequenzen für die Tätigkeit des Klägers als Lkw-Fahrer wurden hieraus jedoch nicht gezogen. Zwei Monate nach dem ersten Unfall konnte der niedergelassene HNO-Arzt Dr. X keine organische Schwindelursache oder gar Schäden am Gleichgewichtsorgan feststellen. Aus neurologischer Sicht sind die angegebenen Drehschwindelbeschwerden nicht glaubhaft, weil sie – anders als beim Kläger – immer mit Übelkeit und Erbrechen auftreten. Gewisse Schwindelerscheinungen lassen sich allenfalls auf den Missbrauch von Commotional®-Tabletten zurückführen.

4. Die Sehstörungen (Gesichtsfeldeinschränkung, Doppelbilder, kompletter Sehverlust), über die der Kläger im Laufe des Verfahrens geklagt hat, sind keine Unfallfolgen. Die niedergelassene Augenärztin S2 fand am 02. November 1992 "unklare" Ausfälle im nasennahen Gesichtsfeld, die sich allerdings rasch normalisierten (und mit seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer auch nicht zu vereinbaren gewesen wäre). Bei unauffälligem Augenhintergrund sind solche Gesichtsfeldstörungen neuroanatomisch nicht erklärbar, worauf PD Dr. U1 hingewiesen hat. Denn Schäden am Sehnerv oder der Sehnervkreuzung treten ein- und nicht zweiseitig auf. Soweit der Kläger im März 1996 aufgrund einer vorübergehenden Durchblutungsstörung einen kompletten Sehverlust auf beiden Augen erlebt haben will, ist ihm entgegen zu halten, dass eine solche Attacke immer nur einseitig auftritt. Das trockene Auge (möglicherweise schmerzmittelinduziert), das latente Auswärtsschielen, das geringgradige Verzehrtsehen und die Linsentrübung bds. beruhen nicht auf den Arbeitsunfällen, wie der Augenarzt Prof. Dr. T4 in seinem Gutachten vom 15. Juni 2001 plausibel dargelegt hat. Die angegebenen Doppelbilder waren wechselnd, inkonsistent und nicht ausreichend reproduzierbar, was eindeutig gegen einen organpathologischen Befund spricht.

5. Die Hörstörungen bestehen unfallunabhängig. Der Kläger leidet unter einer Hochtonschwerhörigkeit links (Hörsenke bei 4 khz), die für die Alltagskommunikation bedeutungslos ist. Diese Schwerhörigkeit und die Ohrgeräusche ("Pfeifen im linken Ohr") sind am ehesten Folge einer Innenohrschädigung links, die der Kläger irgendwann im Laufe des Lebens (z.B. im Rahmen eines Hörsturzes) erlitten hat. Ein Zusammenhang mit den Arbeitsunfällen aus dem Jahre 1992 lässt sich nicht herstellen.

6. Psychiatrische Krankheitsbilder konnte PD Dr. U1 ausschließen: Der Kläger war emotional ausreichend schwingungsfähig; eine endogen-vitale Verstimmung lag nicht vor.

II. Der Arbeitsunfall vom 24. November 1992 war noch leichter als der erste, weil der Kläger allenfalls eine leichte Schädelprellung und lediglich "oberflächliche Hautabschürfungen an der rechten Augenbraue" erlitten hat, die nicht einmal genäht werden mussten. Knochenbrüche konnten röntgenologisch ausgeschlossen werden. Erinnerungslücken, Bewusstlosigkeit oder Erbrechen lagen nicht vor. Aus diesen Erstbefunden lässt sich keine dauernde Leistungsminderung ableiten. Rentenrelevante Erkrankungen oder "Blockierungen" der oberen HWS hat er sich dabei keinesfalls zugezogen. Wenn er durch die Wucht der Baggerschaufel (und nicht aufgrund einer schützenden Reflexreaktion) tatsächlich umgeworfen worden sein sollte, so wurde sein ganzer Körper und nicht nur die HWS in Mitleidenschaft gezogen: Die HWS wäre dabei keiner besonderen Belastung ausgesetzt gewesen, worauf PD Dr. U1 nachvollziehbar hingewiesen hat. Die leichte Prellung seiner rechten vorderen Schädelseite war innerhalb von 4 Wochen bis zum 21. Dezember 1992 wieder vollständig abgeklungen. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr.C1 in seinem Gutachten vom 20. Januar 1996 überzeugend erläutert. Die Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen, Seh- und Hörstörungen sind ebenso wenig auf den zweiten wie auf den ersten Arbeitsunfall zurückzuführen. Wegen dieser Symptome wird deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen (II. 2. bis 5.) verwiesen.

III. Zu weiteren Ermittlungen im Sinne der Hilfsanträge besteht kein Anlass. Ein biomechanisches Sachverständigengutachten ist entbehrlich. Selbst wenn beim ersten Arbeitsunfall sehr starke physikalische Kräfte auf den Lkw gewirkt haben sollten, so ließe sich die Tatsache, dass der Kläger lediglich eine Platzwunde am Nasenrücken erlitten hat, nicht hinwegdiskutieren. Dasselbe gilt für den Anprall der Baggerschaufel an seine rechte Augenbraue, die nicht einmal aufgeplatzt ist. Aus diesen harmlosen Verletzungen lässt sich deutlicher auf die Gewalteinwirkung schließen als aus möglichen Schäden am Lkw oder der Geschwindigkeit der Baggerschaufelschwenkbewegung. Hierauf hat auch Prof. Dr.C1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. September 1997 zutreffend hingewiesen.

Dem Antrag des Klägers, ein Gutachten gem. § 109 SGG des Neurochirurgen Prof. Dr. U aus Frankfurt am Main einzuholen, ist der Senat nicht gefolgt. Denn bereits im ersten Rechtszug ist Dr. G als Vertrauensarzt des Klägers gehört worden. Damit hat der Kläger sein Antragsrecht nach § 109 SGG verbraucht (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 109 Rn. 10b, 11b). Besondere Umstände, die eine erneute Begutachtung nach dieser Vorschrift rechtfertigen könnten, liegen nicht vor, zumal der Sachverhalt geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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