L 13 SB 46/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 46/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen wird der Antrag, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, abgelehnt.

Gründe:

I.

Die 1958 geborene Klägerin, der zuletzt ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 zuerkannt worden war, beantragte im Januar 2002 die Neufeststellung ihres GdB. Der Beklagte lehnte die Zuerkennung eines höheren GdB durch Bescheid vom 25. März 2002 ab. Im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin u.a. mit, in psychotherapeutischer Behandlung bei der Dipl.-Psychologin K sowie in Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M zu sein; sie brachte ferner eine Bescheinigung der Dipl.-Psychologin K vom 10. Juni 2002 bei, wonach bei ihr eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie eine Somatisierungsstörung bestehe und sie aus psychologischer Sicht aufgrund ihrer seelischen und körperlichen Verfassung nicht belastbar sowie erwerbsunfähig sei. Die Verhaltenstherapie werde fortgesetzt. Der Beklagte wies den Widerspruch auf der Grundlage eines durch den Chirurgen Dr. M Berstellten Gutachtens vom 3. Juni 2002 durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2002 zurück. Die Funktionsbeeinträchtigungen würden wie folgt bezeichnet, wobei sich der verwaltungsintern festgesetzte Einzel-GdB aus den Zusätzen in Klammern ergibt: a) Funktionsstörungen der Wirbelsäule und Gliedmaßen (30), b) Kopfschmerzen bei Arachnoidalzyste, psychische Störungen (20).

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin die Feststellung eines GdB von "mindestens 50" geltend gemacht und zur Begründung u.a. auf eine weitere Verschlechterung ihrer psychischen Situation verwiesen. Sie leide in zunehmendem Maße unter Depressionen und Angstzuständen und befinde sich weiter in Behandlung bei Frau K und bei dem Psychiater Herrn M. Direkt an den Beklagten sandte die Klägerin ein weiteres Attest der Dipl.-Psychologin K vom 11. November 2002, wonach neben der rezidivierenden depressiven Störung und der Somatisierungsstörung auch eine Panikstörung, ausgelöst durch einen als lebensbedrohlich wahrgenommenen Autounfall am 14. September 2002 bestehe. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage ohne weitere Ermittlungen durch Gerichtsbescheid vom 6. März 2003 abgewiesen. Der Einzel-GdB von 20 sei unter Berücksichtigung der psychischen Störungen der Klägerin ausreichend und angemessen. Im Attest der psychologischen Psychotherapeutin K vom 10. Juni 2002 werde lediglich von einer depressiven Störung bzw. Episode gesprochen, welche bereits nach dem Wortlaut nicht das Kriterium einer dauerhaften Funktionseinschränkung erfülle bzw. jedenfalls nicht das Ausmaß einer stärker behindernden Störung im Sinne der Anhaltspunkte 1996 (AHP 96) erreiche, ab welcher erst ein GdB ab 30 vorgesehen sei.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Klägerin weiter einen GdB von "mindestens 50" geltend gemacht. Der Beklagte hat aufgrund eines vom Gericht eingeholten Befundberichts durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie E vom 26. Januar 2004, auf den Bezug genommen wird, eine versorgungsärztliche Stellungnahme durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D vom 9. März 2004 eingeholt, wonach das bei der Klägerin bestehende ängstlich-depressive Syndrom mit funktionellen Beschwerden, Kopfschmerzen bei Arachnoidalzyste einen Einzel-GdB von 30 bedinge, so dass sich ein Gesamt-GdB von 40 ergebe. Dem folgend hat der Beklagte durch Bescheid vom 25. März 2004 einen GdB von 40 ab November 2002 festgestellt. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt nunmehr, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Beklagte trägt vor, keinen Anlass zur Klage gegeben zu haben. Die zum Klageerfolg führenden Feststellungen des GdB von 40 ab November 2002 seien wegen einer im Laufe des Klageverfahrens eingetretenen Verschlimmerung im Gesundheitszustand der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe die nervenärztliche Behandlung im November 2002 begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei das unter b) festgestellte psychische Leiden mit einem höheren GdB zu bewerten.

II.

Nachdem das Verfahren anders als durch Urteil beendet worden war, war gemäß § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Das Gericht entscheidet hierbei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach? und Streitstandes nach billigem Ermessen; weiter sind die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu berücksichtigen. Zu prüfen sind darüber hinaus die Gründe für die Klageerhebung, also die Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage bzw. zur Berufung gegeben hat und ob er im Laufe des Rechtsstreits auf eingetretene Veränderungen angemessen reagiert hat.

Unter Beachtung dieser Grundsätze entspricht es sachgemäßem Ermessen, den Beklagten mit der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten. Der Beklagte hat während des Berufungsverfahrens durch Bescheid vom 25. März 2004 einen GdB von 40 festgestellt. Die Erhöhung beruhte auf einer Höherbewertung der bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen. Der Beklagte hat hierzu ausdrücklich auf den durch das Landessozialgericht eingeholten Befundbericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie E abgestellt und zum Zeitpunkt der Erhöhung November 2002 ausgeführt, dass die Klägerin erst ab diesem Zeitpunkt sich in nervenärztlicher Behandlung befunden habe. Die Klägerin befand sich jedoch bereits während des Widerspruchsverfahrens sowohl in Behandlung bei der Dipl.-Psychologin K als auch nach ihren Angaben bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. Der Beklagte ist auch während des Klageverfahrens mit Bescheinigung der Dipl.-Psychologin K vom 11. November 2002, eingegangen bei dem Beklagten am 22. Januar 2003 und damit vor Erlass des Gerichtsbescheides vom 6. März 2003, darauf hingewiesen worden, dass neben der rezidivierenden depressiven Störung in Form einer gegenwärtig mittelgradigen Episode und einer Somatisierungsstörung nunmehr aufgrund eines Unfalles im September 2002 auch eine Panikstörung bestehe. Der Arzt E hat im Befundbericht vom 26. Januar 2004 auf die Frage, ob die von ihm erhobenen Befunde sich erheblich verschlechtert oder deutlich gebessert hätten, geantwortet "gleichbleibend schlecht" bzw. "im Verlauf gleichbleibend bis kontinuierliche leichtgradige Verschlechterung". Nach allem ist davon auszugehen, dass die psychischen Beschwerden der Klägerin sich nicht erst während des Berufungsverfahrens derart verschlechtert haben, dass hierfür ein Einzel-GdB von 30 anzuerkennen war. Der Beklagte hatte aufgrund des Attestes der Diplom-Psychologin Kvom 11. November 2002 auch bereits während des noch laufenden Klageverfahrens Kenntnis von einer möglichen Verschlechterung des Zustandes der Klägerin, der er entweder selbst hätte nachgehen müssen oder von der er das Gericht hätte in Kenntnis setzen müssen. Da er dies nicht getan hat, war davon auszugehen, dass er Veranlassung zur Einleitung des Berufungsverfahrens gegeben hat, was zur anteiligen Kostenbelastung führt.

Eine weitergehende Kostenübernahme kam jedoch nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Zustandes der Klägerin bereits vor Klageerhebung bestehen nicht, so dass der Beklagte nicht Veranlassung zur Klage gegeben hat. Die Klägerin hatte sowohl im Klageverfahren als auch im Berufungsverfahren als Klageziel einen GdB von "mindestens 50" begehrt. Dieses Klageziel hat sie mit dem letztlich zuerkannten GdB von 40 teilweise nicht erreicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein höherer GdB als der zuerkannte vorgelegen hat. Ein teilweises Unterliegen führt im Regelfall zu der zuerkannten verhältnismäßigen Kostenquotelung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Lindner Wiesekoppsieker Hoffmann
Rechtskraft
Aus
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