L 15 KR 43/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KR 1007/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 KR 43/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger ist Träger einer privaten Bildungseinrichtung. Seit 1985 beschäftigt er dort den Beigeladenen zu 3) als Lehrer. Dieser wechselte mit Wirkung zum 1. Dezember 1989 von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung, nachdem sein Einkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg. 1990 lag sein Einkommen allerdings wieder unter und in den Jahren 1991 bis 1993 wiederum oberhalb dieser Grenze. Von 1994 an erzielte der Beigeladene zu 3) jeweils ein Einkommen unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Gleichwohl blieb er in der privaten Krankenversicherung versichert. Seinen als Arbeitgeber obliegenden Meldeverpflichtungen ist der Kläger insoweit ordnungsgemäß nachgekommen. Bei einer am 28. Januar 1997 von der B E durchgeführten Betriebsprüfung, den Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Oktober 1996 betreffend, kam es zu keiner Beanstandung. Mit Schreiben vom 20. Februar 1997 teilte die B E dem Kläger mit, dass "die geprüften Unterlagen keine Korrekturen erforderten". Anlässlich einer weiteren Betriebsprüfung des beklagten Rentenver-sicherungsträgers am 21. Juni 2000 beanstandete dieser u.a. die unterbliebene Beitragszahlung für den Beigeladenen zu 3) und forderte mit Bescheid vom 25. Juli 2000 für diesen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 33.285,54 DM (17.018,63 Euro) nach.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Hierzu trug er vor, dass er der A B als Einzugsstelle das beitragspflichtige Bruttoeinkommen des Beigeladenen zu 3) monatlich durch Beitragsnachweise und jährlich zu Beginn des folgenden Jahres durch die Jahresmeldungen nachgewiesen habe. Im Übrigen habe seine Buchhalterin mit der Sachbearbeitung der Einzugsstelle regelmäßig in Kontakt gestanden. Dabei sei niemals ein Hinweis erfolgt, dass die von ihm abgegebenen Meldungen fehlerhaft seien. Auch anlässlich der Betriebsprüfung durch die B E sei es zu keinen Beanstandungen gekommen. Ein Schaden, in Höhe der nunmehr nachgeforderten Beiträge, wäre ihm daher nicht entstanden, wenn er bereits damals auf seine Beitragspflicht hingewiesen worden wäre. Er sei daher so zu stellen, als hätte der Beigeladene zu 3) einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht rechtzeitig gestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger könne sich nicht auf eine unterbliebene oder gar fehlerhafte Beratung berufen. Es sei nicht Aufgabe der Einzugsstelle eingehende Meldungen auf eine korrekte versicherungsrechtliche Beurteilung hin zu überprüfen. Betriebsprüfungen bezweckten im Übrigen nicht, den Beitragsschuldner zu schützen und ihm ggf. Entlastung zu erteilen. Die nachträgliche Beitragserhebung verstoße deshalb nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Der Kläger hat hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Einzugsstelle entgegen der Auffassung der Beklagten zur versicherungsrechtlichen Überprüfung der bei ihr eingehenden Meldungen verpflichtet sei. Dieser Pflicht sei die Einzugsstelle in ihrem Fall nicht nachgekommen. Deswegen und weil die Betriebsprüfung der B E im Jahre 1997 zu keiner Beanstandung geführt habe, verstoße die Nachforderung von Beiträgen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. Juni 2003 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht für den Beigeladenen zu 3) Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den streitbefangenen Zeitraum nachgefordert, weil dieser in dieser Zeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Weder könne eine Befreiung des Beigeladenen zu 3) von der Versicherungspflicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden, noch verstoße die Nachforderung von Beiträgen gegen Treu und Glauben. Ein etwa vorhandenes Vertrauen des Klägers, dass für den Beigeladenen zu 3) keine Beiträge zu zahlen seien, weil die im Jahre 1997 bei ihm durchgeführte Betriebsprüfung zu keiner Beanstandung geführt habe, sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht schützenswert. Die Einzugsstelle habe auch nicht eine Prüf- und Beratungspflicht hinsichtlich der eingehenden Arbeitgebermeldungen verletzt. Denn solche Pflichten bestünden insoweit nicht. Schließlich sei die Beklagte auch nicht nach dem Prinzip der Wechselbeziehung zwischen Beitragspflicht und Leistungsansprüchen gehindert, für den Prüfzeitraum Beiträge zu fordern. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und der Einzugsstelle bestehe von vornherein keine Wechselbeziehung in diesem Sinne.

Gegen das ihm am 15. Juli 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. August 2003 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2003 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2001 insoweit aufzuheben, soweit darin für den Beigeladenen zu 3) in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1998 Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt worden ist und Beiträge in Höhe von 17.018,63 Euro (33.285,54 DM) nachgefordert werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Der Beigeladenen zu 1) bis 3) haben keine Anträge gestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24. April 2001 (L 15 B 24/01 KR ER) die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers vom 16. März 2001 gegen den angefochtenen Bescheid der Beklagten angeordnet. Wegen der Einzelheiten dieses Beschlusses wird auf diesen Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorlagen und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2001 ist rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte von dem Kläger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Beigeladenen zu 3) für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 17.018,63 Euro (33.285,54 DM) nachgefordert.

Rechtsgrundlage für das Zahlungsbegehren der Beklagten ist § 28 e Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat der Arbeitgeber den Gesamtversicherungsbeitrag für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§ 28 d Satz 1 SGB IV) zu zahlen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beigeladene zu 3) war in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1998 aufgrund seiner Beschäftigung bei dem Kläger in der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V] und § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch). Er war in dieser Zeit nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei. Versicherungsfreiheit setzt danach voraus, dass das regelmäßige Arbeitsentgelt die jeweiligen Jahresarbeitsentgeltgrenzen übersteigt. Diese Grenze, die bis zum 31. Dezember 2002 75 v.H. der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten betrug und sich im Jahre 1996 auf 72.000 DM, im Jahre 1997 auf 73.800 DM und im Jahre 1998 auf 75.600 DM belief, ist im vorliegenden Fall nicht überschritten worden. Das Bruttoeinkommen des Beigeladenen zu 3) betrug im Jahre 1996 68.361 DM, im Jahre 1997 65.151 DM und im Jahre 1998 70.092 DM.

Der Anspruch der Beklagten ist nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, indem sie fällig geworden sind. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden entsprechend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegeklasse fällig (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), mithin im vorliegenden Fall - entsprechend der Satzung der Beigeladenen zu 1) und 2) - in dem Monat, der dem jeweiligen Beitragsmonat folgt. Der Anspruch auf die Beiträge für den am weitesten zurückliegenden streitbefangenen Beitragsmonat, den Monat Januar 1996, ist damit frühestens mit Ablauf des Jahres 2000 verjährt (§ 26 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X] i.V.m. §§ 187 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]). Der hier angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten vom 25. Juli 2000 hat diese Verjährungsfrist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X unterbrochen. Die Unterbrechung bewirkt, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt und eine neue Verjährung erst nach Beendigung der Unterbrechung beginnen kann (§ 52 Abs. 1 Satz 3 SGB X i.V.m. § 217 BGB).

Der Zahlungsanspruch der Beklagten ist auch nicht durch Verwirkung erloschen. Das im Bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelte Rechtsinstitut der Verwirkung ist im Sozialrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen anerkennt. Danach entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Urteil des BSG vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 -, SGB 1998, S. 166 ff. = BSGE 80, 41 ff.). An das Verwirkungsverhalten des Berechtigten sind allerdings grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die kurze Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird. Daher reicht das bloße "Nichtstun" als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus, es muss darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde. Ein Unterlassen kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (Urteil des BSG vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 -, a.a.O. und Urteil des BSG vom 30. November 1978 - 12 RK 6/76 -, BSGE 47 S. 194 ff.).

Ein solches zur Verwirkung führendes Verhalten der Beigeladenen zu 1) als Einzugsstelle liegt hier nicht vor. Der Kläger kann sich insoweit nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Beigeladene zu 1) es unterlassen habe, die von ihr gemäß § 28 a SGB IV abgegebenen Meldungen auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Das Gesetz sieht eine solche Überprüfung der Arbeitgebermeldungen durch die Einzugsstelle nicht vor.

Nach § 28 a Abs. 1 SGB IV hat der meldepflichtige Arbeitgeber der Einzugsstelle insbesondere die zu meldenden Personen, die kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten und weitere meldepflichtige Tatbestände zu melden. Der Arbeitgeber ist im Rahmen dieses Meldeverfahrens zwar für die Einzugsstelle in Dienst genommen; im Wege des ersten Zugriffs obliegt ihm aber die eigenständige Prüfung, ob ein bestimmter Arbeitnehmer versicherungs- und beitragspflichtig ist und in welcher Höhe für ihn Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen und an die Einzugsstelle abzuführen sind (Urteil des BSG vom 27. Januar 2000 - B 12 KR 10/99 R -, SozR 3-2400 § 28 h Nr. 11). Die Überprüfungspflicht der Einzugsstelle erstreckt sich demgegenüber gemäß § 28 b Abs. 1 SGB IV zunächst nur auf die formelle Richtigkeit der Meldungen (z.B.: richtige Versicherungsnummer, widerspruchsfreie Angabe von Beschäftigungszeiten und Angabe der richtigen Schlüsselnummer über die Beitragsgruppe u.a.). § 28 b Abs. 1 SGB IV gibt der Einzugsstelle nicht die Befugnis, die bei ihr eingehenden Meldungen auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin zu überprüfen. Die im Beschluss vom 24. April 2001 - L 15 B 24/01 KR ER - vertretene gegenteilige Auffassung hält der Senat nicht aufrecht (so bereits der Senat in seinem Urteil vom 14. Januar 2004 - L 15 KR 319/01 -). Das Recht (und die Pflicht), eine Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die Höhe des beitragspflichtigen Entgelts zu treffen, steht der Beigeladenen zu 1) im Einzugsstellenverfahren lediglich nach § 28 h SGB IV zu (Urteil des BSG vom 12. Oktober 2000 - B 12 KR 2/00 R -, SozR 3-2400 § 28 b Nr. 1). Eine derartige förmliche Verwaltungsentscheidung gemäß § 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 3) in der Kranken- und Pflegeversicherung hat die Beigeladene zu 1) als Einzugsstelle nicht getroffen. Um sein Risiko zu begrenzen, aufgrund einer fehlerhaften Arbeitgebermeldung im Nachhinein mit einer Beitragsnachforderung konfrontiert zu werden, kann der Arbeitgeber in Zweifelsfällen eine solche förmliche Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht seines Arbeitnehmers durch Verwaltungsakt herbeiführen (Urteil des BSG vom 27. Januar 2000 - B 12 KR 10/99 R -, a.a.O.). Der Kläger hat dies aber gerade nicht getan.

Dass sich die Überprüfungspflicht der Einzugsstelle im Einzugsstellenverfahren hinsichtlich der Arbeitgebermeldungen lediglich auf deren formelle Richtigkeit erstreckt, ergibt sich im Übrigen auch aus § 28 p Abs. 1 S. 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit "die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28 a [SGB IV])." Das Prüfrecht der Rentenversicherungsträger erstreckt sich damit auf alle im Zusammenhang mit der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages stehenden Fragen, also auch ob die Versicherungspflicht oder die Versicherungsfreiheit zutreffend beurteilt wurde (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung [Std.: 48. Erg.-Lfg. Mai 2004], § 28 p SGB IV RdNr. 7). Schon die abweichenden sprachlichen Fassungen des § 28 b Abs. 1 S. 1 SGB IV einerseits und des § 28 p Abs. 1 S. 1 SGB IV andererseits zeigen, dass sich die Prüfungsbefugnisse der Einzugsstelle und des Rentenversicherungsträgers auf verschiedene Prüfungsgegenstände beziehen. Während die Einzugsstelle die formale Richtigkeit der Arbeitgebermeldungen prüft, obliegt dem Rentenversicherungsträger im Rahmen seiner Prüftätigkeit die Prüfung der materiellrechtlichen Richtigkeit dieser Meldungen. Soweit der Kläger sich hinsichtlich des Verwirkungsverhaltens sinngemäß auf das Ergebnis der bei ihm im Jahre 1997 durchgeführten Betriebsprüfung beruft, kann er hiermit nicht durchdringen. Eine Betriebsprüfung hat nicht die ihr von dem Kläger zugeschriebene "Entlastungsfunktion". Sie soll lediglich Beitragsausfälle verhindern helfen und den Versicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nichtversicherungspflichtige oder versicherungsberechtigte Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt der Betriebsprüfung nicht zu; sie bezweckt insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm Entlastung zu erteilen (BSGE 47, 194 [198]).

Der Kläger kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass "seine Buchhalterin engen Kontakt mit der Sachbearbeitung der Einzugsstelle gehalten habe, und er sich deshalb sicher gewesen sei, dass die von ihm gefertigten Meldungen korrekt gewesen seien, weil sich die Sachbearbeitung der Einzugsstelle von sich aus gemeldet hätte, wenn für sie etwas unklar gewesen wäre". Denn wie bereits ausgeführt, erfüllt das bloße "Nichtstun" nicht die Anforderungen die ein einen Vertrauenstatbestand begründendes Verwirkungsverhalten voraussetzt. Im Übrigen sind im Verwaltungsrecht Verschuldensgesichtspunkte im Rahmen einer Vertrauensschutzprüfung im Regelfall jedenfalls nur dann zu berücksichtigen, wenn eine entsprechende Verwaltungsentscheidung vorliegt.

Es fehlt daher an einem zu der schlichten Untätigkeit hinzutretenden zusätzlichen Verwirkungsverhalten, aufgrund dessen der Kläger hätte darauf vertrauen dürfen, dass Beitragsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.

Soweit der Senat unter der Berufung auf ein Urteil des BSG (SozR 3-2200 § 381 Nr. 2) in seinem Beschluss vom 24. April 2001 (L 15 B 24/01 KR ER) noch die Auffassung vertreten hat, dass bei ähnlichen Sachverhalten wie dem hier vorliegenden, bei dem eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung aufgrund eines Fehlverhaltens der Einzugsstelle rückwirkend festgestellt wird und aufgrund dessen bis dahin Sachleistungen nicht in Anspruch genommen werden konnten, Beiträge nicht mehr nachgefordert werden dürften, weil dies der Wechselbeziehung zwischen der Beitragspflicht und den Leistungsansprüchen und im Übrigen dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen würde, wenn die Krankenkasse für diesen Zeitraum noch Beiträge beanspruchen könnte, kann der Senat unentschieden lassen, ob er an dieser Rechtsprechung weiter festhält. Denn im vorliegenden Fall hat die Einzugsstelle sich gegenüber dem Kläger eben nicht, wie dargelegt, fehlerhaft verhalten. Im Übrigen hat auch das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Übertragung der vom BSG insoweit entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt bereits daran scheitert, dass die Beitragspflicht im hier zu entscheidenden Fall ausschließlich den Arbeitgeber trifft und nicht den Versicherungspflichtigen, also den Beigeladenen zu 3). Im Verhältnis des Arbeitgebers zu der Einzugsstelle besteht aber gerade nicht eine derartige Wechselbeziehung zwischen der Beitragspflicht und den Leistungsansprüchen.

Das Sozialgericht hat schließlich zutreffend entschieden, dass der Kläger nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keinen Anspruch gegen die Beklagte hat, dass der Beigeladene zu 3) in dem hier streitbefangenen Zeitraum so gestellt wird, als wäre er gemäß § 8 des SGB V auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit worden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist ein von der Rechtsprechung entwickeltes Rechtsinstitut, dass an die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechts-verhältnis anknüpft. Er ist auf Naturalrestitution gerichtet, d.h. auf Vornahme einer Handlung zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten bedingungslos wahrgenommen hätte. Die begehrte Amtshandlung muss ihrer Art nach zulässig sein, wobei nicht alle Voraussetzungen gesetzlich geregelter Amtshandlungen vorzuliegen brauchen; andernfalls bedürfte es des Herstellungsanspruchs nicht (Urteil des BSG vom 27. Januar 2000 - B 12 KR 10/99 R -, a.a.O.).

Der Senat kann offenlassen, ob ein Arbeitgeber, wie hier der Kläger, sich im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überhaupt auf ein Recht berufen kann, das nicht ihm, sondern einem Dritten, nämlich seinem Arbeitnehmer zusteht. Denn nach § 8 SGB V wird Personen, die bislang nicht dem sozialen Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung angehörten, die Freiheit eingeräumt, sich gegen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden und an der bisherigen Art der Absicherung festzuhalten, wenn Versicherungspflicht eintritt (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung - Kommentar [Std.: 46. ErgLfg. Juni 2003], § 8 SGB V RdNr. 2). Antragsberechtigt ist danach nur derjenige, der versicherungspflichtig ist oder werden würde (Baier in Krauskopf, a.a.O., § 8 SGB V RdNr. 14).

Jedenfalls aber fehlt es hier zum einen an einem Auskunfts- oder Beratungsfehler der zuständigen Einzugsstelle (s.u.) und zum anderen begehrt der Kläger eine sozialrechtlich nicht vorgesehene Rechtsfolge. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 24. April 2001 (L 15 B 24/01 KR ER) insoweit ausgeführt hat, wäre nämlich eine Befreiung von der Versicherungspflicht auch nach einer zutreffenden Beratung durch die Einzugsstelle nicht möglich gewesen, da die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben. Denn nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, der hier als Befreiungstatbestand ausschließlich in Betracht kommt, wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungspflichtig wird. Nach der genannten Vorschrift besteht das Recht auf Befreiung nur, wenn die Versicherungspflicht allein aufgrund der Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze eintritt, also Versicherungspflicht nicht noch aus einem anderen Grund als der Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze eintritt. In dem hier streitbefangenen Zeitraum war aber die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht der alleinige Grund für den Wiedereintritt des Beigeladenen zu 3) in die Versicherungspflicht, sondern ursächlich war hierfür vielmehr die Absenkung seiner Bruttoverdienste unter die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved