L 11 B 190/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 111/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 190/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 06.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1936 geborene Antragstellerin (Ast) überzieht den Antragsgegner (Ag) seit mehreren Jahren mit Rechtstreitigkeiten u.a. auch wegen Leistungen der Sozialhilfe für eine angemessene Unterkunft und Heizkosten bzw wegen der Bereitstellung von Wohnraum.

Sie bewohnte bis November 2004 zusammen mit ihrem Sohn eine Wohnung in S. , deren monatlicher Mietzins (398,88 EUR pro Person) die sozialhilferechtlich angemessenen Unterkunftskosten nach Auffassung des Ag erheblich übersteigt.

In einem in den Verfahren vor dem Bayer. Verwaltungsgericht München Az: M 15 E 01.5426, M 15 E 02.466, M 15 E 01.4487 und M 15 K 01.5511 am 18.04.2002 geschlossenen Vergleich erklärte sich der Ag gegenüber der Ast bereit, bei der Berechnung der seinerzeit zu gewährenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für die Zeit bis 31.08.2002 die tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung in S. bei der Bedarfsberechnung bei der Ast zur Hälfte zu berücksichtigen. Gleichzeitig erklärte sich die Ast bereit, sich weiterhin um eine günstigere Wohnung zu bemühen und ggfs. in eine vom Ag angebotene Wohnung umzuziehen.

Seit dem 01.03.2005 wohnt die Ast wieder bei ihrem Sohn in S. , nachdem sie zwischenzeitlich u.a. in einem Hotel und in einer Jugendherberge untergebracht worden war.

Nach Angaben des Ag stellte sie bislang keinen (neuen) Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Am 08.03.2005 beantragte die Ast beim Verwaltungsgericht München sinngemäß,

1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gemäß Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18.04.2002 (Az: M 15 E 01.5426, M 15 E 02.466, M 15 E 01.4487 und M 15 K 01.5511) auch weiterhin - also über den 01.08.2004 hinaus - Unterkunftskosten in Höhe des tatsächlichen Mietzinses zu bewilligen,

2. zur Abwendung des Schadens die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung "gemäß § 80 Abs 5 VWGO" zu gewähren und

3. "gemäß § 80 Abs 5 VWGO" die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu erlassen.

Zudem beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. , M ...

Der Ag verwies auf seine vielfältigen Bemühungen, der Ast geeignete Unterkunftsräume zu verschaffen und beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Mit Beschluss vom 15.03.2005 verwies das Verwaltungsgericht München den Rechtsstreit an das Sozialgericht München (SG), das die Anträge der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und PKH mit Beschluss vom 06.04.2005 ablehnte. Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seien unzulässig. Für ihren Antrag auf sofortige Zuweisung einer Sozialwohnung fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Hiergegen wendet sich die Ast mit ihrer Beschwerde vom 18.04.2005. Sie beantragt sinngemäß,

1. den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr gemäß dem geschlossenen Vergleich vom 18.04.2002 eine Sozialwohnung ab sofort zur Verfügung zu stellen,

2. gegen den Vertreter des Ag S. ein Disziplinarverfahren anzuordnen,

3. das Verfahren in einem Eilverfahren durchzuführen,

4. die Anträge auf Wiederaufnahme der früheren Klagebegehren sowie den Widerspruch vom 20.08.2004 sowie den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung vom 04.09.2004 in vollem Umfang aufrecht zu erhalten und wiederzubeleben und

5. ihr unter Beiordnung der Rechtsanwältin S. , M. , Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Eine darüber hinausgehende Begründung der Beschwerde ist beim Bayer. Landessozialgericht nicht eingegangen.

Der Ag beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf seinem bisherigen Sachvortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde der Ast ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Ast auch über den 01.08.2004 hinaus Unterkunftskosten in Höhe des tatsächlichen Mietzinses zu bewilligen und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung "gemäß § 80 Abs 5 VWGO" anzuordnen sowie ihr für dieses Verfahren PKH zu bewilligen.

1.1 Soweit die Ast beim SG beantragte hatte, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung auch über den 01.08.2004 hinaus zur Bewilligung der tatsächlich gezahlten Unterkunftskosten zu verpflichten, kommt eine Regelungsanordnung gemäß § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Eine solche einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes hat das SG aber zu Recht abgelehnt, weil die Ast weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.

Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG ist in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis dann zulässig, wenn der Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643). Zudem kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn ein Anordnungsgrund - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und ein Anordnungsanspruch - das ist der materiell rechtliche Anspruch, auf den die Ast ihr Begehren stützt - glaubhaft gemacht werden (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm §§ 920 Abs 2, 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Bei der hier erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu Mayer-Ladewig, SGG, 7.Aufl 2002, § 86 b RdNr 40) zeigt sich, dass der Ast derzeit weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Die Ast wohnt seit dem 01.03.2005 wieder in der Wohnung in S. bei ihrem Sohn. Sie trägt zwar vor, ihr drohe Wohnungsverlust durch fristlose Kündigung und Obdachlosigkeit. Vor dem Hintergrund, dass sie in dieser Wohnung bereits bis November 2004 gewohnt hatte, und ihr Sohn weiterhin dort wohnt, kann aber von einer Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit insoweit keine Rede sein.

Der Ast steht auch kein Anordnungsanspruch zur Seite.

Soweit sie sich auf den vor dem Verwaltungsgericht München am 18.04.2002 geschlossenen Vergleich beruft, lässt sich hieraus ein Anspruch auf Bewilligung der tatsächlichen Unterkunftskosten schon deshalb nicht herleiten, weil in diesem Vergleich Hilfe zum Lebensunterhalt in dieser Höhe nur bis zum 31.08.2002 vereinbart worden war.

Soweit sich die Klägerin auf die Bestimmung des § 15 a BSHG beruft, greift diese Vorschrift schon deshalb nicht, weil sie mit Ablauf des 31.12.2004 außer Kraft getreten ist.

Letztlich kann sich die Klägerin auch nicht auf die Vorschriften des am 01.01.2005 in Kraft getretenen SGB XII berufen. Zum einen weist der Ag, ohne dass dies in Abrede gestellt worden wäre, darauf hin, dass die Ast bislang keine Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt hat (§ 18 Abs 1 SGB XII). Zum anderen gewährt § 29 Abs 1 Sätz 2 und 3 SGB XII dem Grund nach Leistungen für die Unterkunft nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen in einem angemessenen Umfang. Für das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 29 Abs 1 Satz 3 SGB XII hat die Ast nichts glaubhaft gemacht.

Soweit die Ast darüber hinaus in ihrer an das Bayer. Landessozialgericht gerichteten Beschwerde beantragt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr ab sofort eine Sozialwohnung zur Verfügung zu stellen, fehlt es auch insoweit aus den oben genannten Gründen bereits an einem Anordnungsgrund und auch an einem Anordnungsanspruch Im Übrigen hat die Ast einen Berechtigungsschein für eine Sozialwohnung erhalten.

1.2 Zu Recht hat das SG den Antrag der Ast auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs 1 Nr 2 SGG als unzulässig behandelt. Die Bescheide des Ag, die von einem solchen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung betroffen sein können, sind, wie das SG zutreffend erkannt hat, zwischenzeitlich rechtskräftig geworden, so dass ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ins Leere läuft und damit unzulässig ist.

1.3 Ebenfalls keinen Erfolg haben kann der Antrag, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Einleitung eines Diziplinarverfahrens gegen einen Mitarbeiter zu verpflichten.

Der Ast steht kein subjektives Recht, also kein Anspruch, auf Einleitung eines Dizipilarverfahrens gegen einen Beamten des Ag zur Seite. Für die Einleitung eines solchen Diziplinarverfahrens finden sich zudem keine Anhaltspunkte.

1.4 Die Anträge auf Wiederaufnahme der von der Ast bezeichneten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München können ebenfalls keinen Erfolg haben.

Wie der Bayer. Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 16.02.2005 (Az: 12 AE 05.290) bereits ausgeführt hat, ist er für eine solche Wiederaufnahme nicht zuständig. Dasselbe gilt für das Bayer. Landessozialgericht.

Hinzu kommt, dass die Wiederaufnahme eines Verfahrens (§ 179 SGG) in entsprechender Anwendung des § 580 ZPO nicht im Wege der einstweiligen Anordnung gegen den Ag erzwungen werden kann.

1.5 Konnte damit der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem SG unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben, hat das SG zudem rechtsfehlerfrei den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt (§ 73 a SGG iVm §§ 114 ff ZPO).

Die Beschwerde der Ast hat damit insgesamt keinen Erfolg. Auf die weiteren Gründe, die einem Erfolg der Beschwerde der Ast entgegenstehen, kommt es nach alledem schon nicht mehr an.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist ebenfalls abzulehnen.

Aus den oben unter Nr 1 angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das die Ast PKH beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht iS des § 73 a SGG iVm §§ 114 ff ZPO hatte.

Auf die Frage der Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es ebenfalls nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.

4. Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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