L 5 B 430/04 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 5024/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 430/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin werden die Beschlüsse des Sozialgerichtes Bayreuth vom 21. Juli 2004 S 10 KR 5024/04, S 10 KR 5025/04 ER, S 10 KR 5026/04 ER sowie S 10 KR 5027/04 ER aufgehoben und der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2004 anzuordnen, wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes.
III. Der Streitwert wird auf 2.002,97 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund einer Betriebsprüfung.

1.

Der 1949 geborene Kläger ist Bäckermeister in C ... Er ist Inhaber der Firma Backhaus E. G. , C. , die er mit dem Recht der Firmenfortführung gemäß Eintrag des Handelsregisters C. vom 25.03.1993 (Az.: HRA 2666) übernommen hat. Er ist zugleich Geschäftsführer der Firma Backhaus G. GmbH, die gemäß Gesellschaftsvertrag vom 20.06.1996 durch Eintrag in das Handelsregister des Amtsgerichts C. vom 06.11.1996 entstanden ist (HRB 2588). Der eingetragene Geschäftszweck besteht in der Anpachtung der Einzelfirma Backhaus E. G. in C. sowie in dem Einzelhandel mit Lebensmitteln und Süßwaren.

Nach einer Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 03.03.2003 insgesamt 8.811,86 Euro Sozialversicherungsbeiträge für die Prüfzeit 01.12.1997 bis 31.10.2002 nach. Der Bescheid war adressiert an Herrn K. G. , Inhaber des Backhauses E. G ... Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, der Antragsteller sei Arbeitgeber der als Bäcker beschäftigten Beigeladenen zu 7 bis 10 und habe für besondere Entgeltzuschläge unzutreffenderweise keine Beiträge abgeführt. Der Antragsteller habe Zuschläge für Nachtarbeit als steuer- und beitragsfreie Zahlungen behandelt, ohne jedoch im Einzelnen Stundenaufzeichnungen zu führen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Zahlungen tatsächlich für geleistete Nachtarbeit erbracht worden wären. Der Nachweis für die Steuerfreiheit dieser Zahlungen, welche einzig und allein für tatsächlich nachgewiesene Nachtarbeit bestehe, fehle deshalb. Die entsprechenden Zahlungen müssten somit als regelmäßiges Arbeitsentgelt behandelt und verbeitragt werden.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und überreichte eine Vollmacht ausgestellt von Backhaus E. G. , Inhaber K. G. , C ... Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück mit der Begründung, die im Widerspruchsverfahren vorgelegten Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber belegten zwar, dass die Beigeladenen zu 7 bis 10 nachts gearbeitet hätten. Arbeitszeitnachweise fehlten jedoch, so dass Nachtzuschläge in Höhe von 25 % des regelmäßigen Arbeitsentgeltes nicht steuer- und in der Folge nicht sozialversicherungsfrei bleiben dürften. Der Nachweis für tatsächlich erbrachte Nachtarbeit durch zwingend erforderliche Einzelaufzeichnung der begünstigten Zeiten sei nicht erfolgt.

Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig beantragt, die Vollziehung des Nachforderungsbescheides auszusetzen. Er hat ausgeführt, die strittige Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft, weil es an einer vorherigen Anhörung gefehlt habe. Zudem existiere die Firma Backhaus E. G. seit 1996 nicht mehr, die Beigeladenen zu 7 bis 10 seien bei einem anderen Rechtsträger beschäftigt gewesen, nämlich bei der Firma G. GmbH.

Mit Beschlüssen vom 21.07.2004 hat das Sozialgericht Bayreuth die aufschiebende Wirkung der Klage im Wesentlichen mit der Begründung angeordnet, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Betriebsprüfungsbescheides. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller als natürliche Person in Anspruch genommen, als Inhaber des Backhauses G ... Jedoch sei im gesamten Prüfzeitraum Arbeitgeber nicht dieser, sondern die G. GmbH gewesen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt mit der Begründung, es bestehe hinsichtlich des Antragstellers und der Firma Backhaus G. GmbH Personenidentität. Zudem seien die Lohnunterlagen wahlweise mit der Arbeitgeberbezeichnung "Backhaus G." oder "G. GmbH" geführt worden. Es liege somit ein einziges Beschäftigungsverhältnis vor. Auch dürfe sich der Antragsteller im Übrigen nicht auf eine Personenverschiedenheit berufen, weil er den Bescheid/Widerspruchsbescheid zumindest als Geschäftsführer der Backhaus G. GmbH empfangen und dagegen Widerspruch erhoben habe. Schließlich lasse der Bescheid unzweifelhaft erkennen, dass er an den Arbeitgeber der Beigeladenen zu 7 bis 10 gerichtet gewesen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschlüsse des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.07.2004 - Az.: S 10 KR 5024 - 5027/04 ER hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichtes Bayreuth vom 21.07.2004 zurückzuweisen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG- ), ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den streitgegenständlichen Beitragsnachforderungsbescheid vom 03.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2004 angeordnet.

1.

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86 b SGG (seit der Fassung des Sechsten Sozialgerichts-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 - BGBl 1 S. 2144) auf Antrag vorläufigen Rechtsschutz gewähren. In Anfechtungssachen - wie vorliegend gegen den Beitrags-Nachforderungsbescheid - kann bei gesetzlichem Ausschluss (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG) die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise angeordnet werden, § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Diese Regelung orientiert sich an denen der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (Begründung des Gesetzentwurfes des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes, Bundestagsdrucksache 14/5943 S. 20). Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichtes (" ... kann ...") und erfordert eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange, die bei Gewährung oder Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes berührt werden, sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Insoweit muss sich ergeben, dass ein über das Erlassinteresse hinausgehendes Vollzugsinteresse besteht. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg verspricht (Bundestagsdrucksache 14/5943 unter Bezug auf Bundesverwaltungsgericht NJW 1997, S. 1294/1295).

Bei dieser Interessenabwägung können die in § 86 Abs. 3 S. 2 SGG normierten Grundsätze zum vorläufigen Rechtsschutz durch die Ausgangsbehörde nur bedingt Berücksichtigung finden. Die dortigen Grundsätze gelten für das Verwaltungshandeln, während sich gerichtliche Entscheidungen zum vorläufigen Rechtsschutz an einem weitergehenden, die Belange des Rechtsschutzes und der Rechtsweggarantie nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz beachtenden besonderen Maßstab richten müssen. Insoweit sind die widerstreitenden Interessen nicht statisch, sondern dynamisch gegeneinander abzuwägen. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes werden umso größer, je geringere Folgen die Verwaltungsmaßnahme nach sich zieht oder je leichter sie rückgängig gemacht werden kann. Ist der angefochtene Bescheid offensichtlich und ohne weiteres erkennbar rechtswidrig, kann kein öffentlich-rechtliches Vollzugsinteresse bestehen; ist der Bescheid nach summarischer Tatsachenprüfung nicht offenkundig rechtswidrig, kommt den Folgen der Vollziehung und deren Reversibilität mehr Gewicht zu.

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf das streitige Antragsverfahren ergibt sich ein Überwiegen der Vollzugsinteressen zugunsten der Antragsgegnerin.

Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung, die sich auf die tatsächlichen, nicht jedoch auf die rechtlichen Verhältnisse bezieht, ergibt sich, dass sich der Nachforderungsbescheid/Widerspruchsbescheid zunächst an den Antragsteller als Inhaber des Backhaus E. G. wendet. Er ist damit als natürliche Person bezeichnet, der die von seinem Vater gegründete und von diesem gemäß Eintrag vom 25.03.1983 übernommene Bäckereifirma führt. Aus den im Verwaltungsverfahren überprüften Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge für die Beigeladenen zu 7 bis 10 ist ersichtlich, dass diese im Zeitraum Dezember 1997 bis November 1998 die Absenderangabe G. GmbH, R. Straße, C. tragen. Die entsprechenden Abrechnungen ab dem Monat Dezember 1998 tragen jedoch als Arbeitgeberadresse Backhaus G. , C. , R. Straß. Die übrigen Angaben sind für beide Zeiträume identisch, insbesondere die arbeitgeberbezogenen Schlüssel und Ziffern. Hieraus ergibt sich, dass der Argumentation des Sozialgerichts Bayreuth nicht gefolgt werden kann, Arbeitgeber für die streitigen Sozialversicherungs-Beiträge sei nachweislich lediglich die G. GmbH gewesen.

Aus den vom Antragsteller im Widerspruchsverfahren vorgelegten Dokumenten ergibt sich, dass die Besprechung vom 10.07.1995 mit den Beschäftigten Bäckern hinsichtlich der Einführung gleitender Arbeitszeiten mit dem Antragsteller als natürlicher Person geführt worden ist. Die ebenfalls im Widerspruchsverfahren vorgelegten Zusatzvereinbarungen vom 02.12.2002 mit den Beigeladenen zu 7 und 8 sind auf Arbeitgeberseite bezeichnet mit "Backhaus G. GmbH/K. G.", die Unterschrift des Arbeitgebers ist nur von "K. G." geleistet, ohne Zusatz, dass insoweit die Unterzeichnung als Geschäftsführer für die Backhaus G. GmbH erfolgen solle.

Hieraus ist ersichtlich, dass in den streitigen Beschäftigungsverhältnissen mit den Beigeladenen zu 7 bis 10 zwischen der Firma Backhaus G. GmbH und dem Antragsteller als Bäckermeister und natürlicher Person nicht unterschieden worden ist. Dem entspricht, dass der Gesellschaftszweck der Backhaus G. GmbH im Wesentlichen in der Anpachtung der Einzelfirma Backhaus E. G. , deren alleiniger Inhaber der Antragsteller ist, besteht. Offenkundig ist somit der Antragsteller persönlich mit seinen Arbeitnehmern auf der Basis eines bodenständigen Bäckerhandwerks umgegangen und hat mit diesen weder Vereinbarungen hinsichtlich eines Betriebsüberganges auf die G. GmbH noch Unterscheidungen zwischen ihm als Bäckermeister und als GmbH-Geschäftsführer getroffen.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller erstmals im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 26.06.2004 behauptet hat, die Beigeladenen zu 7 bis 10 seien nicht bei ihm, sondern bei der Firma G. GmbH beschäftigt gewesen, weil die Firma Backhaus E. G. , Inhaber E. G. seit 1996 nicht mehr existiere. Diese Behauptung ist nachweislich falsch, was die Handelsregisterauszüge des Registergerichts C. HRA 2666 sowie HRB 2588 dokumentieren. Hieraus ist zu folgern, dass der Antragsteller sowohl seine Einzelfirma als auch die GmbH, die miteinander durch den Geschäftszweck und die Personenidentität zwischen Inhaber und Geschäftsführer sowie durch den identischen Geschäftsort ohnehin eng verwoben sind, nicht auseinanderhält. Daran muss sich der Antragsteller halten lassen. Sofern im Abrechnungszeitraum Dezember 1997 bis November 1998 Beitragsschuldner tatsächlich die G. GmbH sein sollte, wofür die Abrechnungsunterlagen sprechen könnten, muss sich der Antragsteller so behandeln lassen, als sei ihm der Nachforderungsbescheid als verantwortlich Handelnder/Geschäftsführer der G. GmbH zugestellt worden (vgl. auch BSGE 70, 117 bis 121). Er hat somit kein besonderes schutzwertes Interesse, dem durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Klageverfahrens zu entsprechen wäre.

Im Übrigen sind Rechtsfehler der Antragsgegnerin im Rahmen der Betriebsprüfung nicht erkenntlich. Eventuelle Mängel in der Anhörung wären durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt, § 41 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -. Die Steuerfreiheit gemäß § 3 b Einkommenssteuergesetz für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, aus der auch Beitragsfreiheit gemäß § 14 SGB IV i.V.m. §§ 1 ff. Arbeitsentgeltverordnung resultiert, setzte voraus, dass die Trennung der Zuschläge von dem Grundlohn zweifelsfrei erfolgt wäre und die Zahlungen aufgrund aktueller gefertigter Stundenaufzeichnungen im Einzelnen nachgewiesen wären. Daran fehlt es in den Fällen der Beigeladenen zu 7 bis 10 im streitigen Prüfzeitraum, wie sich aus dem gesamten Akteninhalt sowie aus dem eigenen Vorbringen des Antragstellers ergibt. Der Senat sieht somit keine Veranlassung, von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, Klagen gegen Entscheidungen über Beitrags- und Umlagepflichten keine aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen (§ 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG). Der Antragsteller kann insoweit zumutbar auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden.

Schließlich sind auch besondere Härten aus dem Vollzug der Beitragsnachforderungen nicht zu erkennen. Der Antragsteller ist Inhaber einer alteingesessenen Bäckereifirma sowie einer Bäckerei-Betriebs GmbH. Er beschäftigt zumindest vier Bäcker. Hieraus ist zu schließen, dass er über ein wirtschaftliches Leistungsvermögen verfügt, das ihm die Zahlung der Beitragsnachforderungen möglich macht, ohne dass er hierdurch in finanzielle oder wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten müsste.

Der Antragsteller hat somit unter keinem Aspekt Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin war der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.07.2004 aufzuheben und der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage herzustellen, zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert entspricht dem vom Sozialgericht festgesetzten (§ 197 a SGG i.V.m. §§ 52, 53, 72 Nr. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht weiter angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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