L 5 B 71/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 5057/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 71/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.
III. Der Streitwert wird auf 439,80 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Nachforderung von 1.723,96 EUR Sozialversicherungsbeiträge aus einer Betriebsprüfung.

1.

Der Antragsteller betreibt die Steuerberatungskanzlei F. in K ... Vom 01.06.1999 bis 31.05.2000 beschäftigte er u.a. im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse Herrn M. W. , vom 24.03.2000 bis 28.02.2001 Frau V. F. (Büroangestellte - befristeter Arbeitsvertrag vom 23.3.2000) und vom 01.06.2000 bis 31.05.2001 Frau E. F. (Reinigungskraft/Buchhalterin - befristeter Arbeitsvertrag vom 20.5.2000). Vom 07.10. bis 28.11.2003 führte die Antragsgegnerin eine Betriebsprüfung für die Zeit 01.12.1998 bis 31.03.2003 durch. Mit Bescheid vom 07.01.2004 forderte sie Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen über gesamt 2.574,35 EUR nach mit der Begründung, die genannten Arbeitnehmer seien nicht als zeitgeringfügige, sondern entgeltgeringfügige Beschäftigte tätig gewesen. Deshalb seien Pauschalbeiträge ebenso wie die Arbeitgeber-Umlage zur Lohnfortzahlung nachzuerheben. Diese errechnete die Antragsgegnerin jeweils aus der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze von 630.- EUR.

Auf Widerspruch des Antragstellers setzte die Antragsgegnerin unter dem 11.2.2004 die Vollziehung des Bescheides bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus und hob mit Teilabhilfebescheid vom 28.07.2004 die Nachforderung für den Arbeitnehmer W. auf. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2004 wies sie den Widerspruch im Übrigen - hinsichtlich von noch 1.723,96 EUR - als unbegründet zurück. E. und V. F. hätten auf grund eines auf ein Jahr befristeten Vertrags gearbeitet, der eine Begrenzung der Tätigkeit auf maximal 50 Arbeitstage/Jahr nicht enthalten habe. Eine kurzfristige Beschäftigung könne im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses/regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsverhältnisses nur anerkannt werden, falls die Beschäftigung 50 Arbeitstage/Jahres nach ihrer Eigenart oder nach einer Vereinbarung nicht überschreiten könne. Daran fehle es, so dass die Arbeitnehmerinnen nicht als zeit-, sondern als entgeltgeringfügige Beschäftigte zu behandeln seien.

2.

Dagegen hat der Antragsteller unter dem 03.12.2004 Klage erhoben und beantragt, die Vollziehung des Nachforderungsbescheides auszusetzen. Mündlich und schriftlich sei vereinbart gewesen, dass insbesondere die 50-Arbeitstage-Grenze/Jahr nicht überschritten werden solle. Hierzu hat der Antragsteller schriftliche Zusatzvereinbarungen vom 22.05.2000 (E. F.) sowie vom 24.03.2000 (V. F.) vorgelegt. Zudem dürften sich die Beiträge und Umlagen nicht aus pauschal 630,- EUR errechnen, die gezahlten und belegten Entgelte seien deutlich geringer gewesen.

Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 18.02.2005 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Nach summarischer Prüfung bestünden weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch könne die Vollziehung unbillige Härten verursachen. Die Arbeitsverträge enthielten keine Begrenzung auf maximal 50 Arbeitstage/Jahr. Es sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller durch eine Beitragsverpflichtung über 1.716,23 EUR in Insolvenz geraten oder sozialhilfebedürftig werden könne.

Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und vorge- bracht, mit beiden Arbeitnehmerinnen sei mündlich aber auch nachweisbar schriftlich durch die Zusatzvereinbarungen vom 24. bzw. 22.05.2000 verabredet gewesen, die 50 Arbeitstagegrenze innerhalb eines Jahres nicht zu überschreiten.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfü- gung vom 28.02.2005).

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.02.2005 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.01.2004 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 28.07.2004, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2004, anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 18.02.2004 zurückzuweisen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachforderung be- stünden nicht. Eine unbillige Härte könne nicht angenommen wer- den.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG - in der Fassung des Sechsten Sozialgerichts-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 - BGBl.I Seite 2144) auf Antrag vorläufigen Rechtsschutz gewähren. In Anfechtungssachen - wie vorliegend gegen den streitigen Nachforderungsbescheid vom 07.01.2004 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 28.07.2004, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2004 - kann bei gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise angeordnet werden, § 86b Absatz 1 Nr.2 SGG. Diese Regelung orientiert sich an denen der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (Begründung des Gesetzentwurfes des 6. SGGÄndG, BT-Drs. 14/5943, S.20). Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichtes (" ...kann ...") und erfordert eine Interessenabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange der Folgen bei Gewährung oder Nichtgewährung sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsache. Dabei muss sich ergeben, dass ein über das Erlassinteresse hinausgehendes Vollzugsinteresse besteht. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ist anzunehmen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg verspricht (BT-Drs. 14/5943 unter Bezug auf Bundesverwaltungsgericht NJW 1974, S.1294/1295).

Bei dieser Interessenabwägung können die in § 86a Abs.3 Satz 2 SGG normierten Grundsätze zum vorläufigen Rechtsschutz durch die Ausgangsbehörde nur bedingt Berücksichtigung finden. Die dortigen Grundsätze gelten für das Verwaltungshandeln, während sich gerichtliche Entscheidungen zum vorläufigen Rechtsschutz an einem weitergehenden, die Belange des Rechtsschutzes und der Rechtsweggarantie nach Art.19 Absatz 4 Grundgesetz beachtenden Maßstab richten müssen.

Insoweit sind die Interessen nicht statisch sondern dynamisch gegeneinander abzuwägen. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs werden um so größer, je geringere Folgen die Verwaltungsmaßnahme nach sich zieht oder je leichter sie rückgängig gemacht werden kann. Ist der angefochtene Bescheid offensichtlich und ohne weiteres erkennbar rechtswidrig, kann kein öffentlich-rechtliches Vollzugsinteresse bestehen; ist der Bescheid nach summarischer Tatsachenprüfung nicht offenkundig rechtswidrig, kommt den Folgen der Vollziehung und deren Reversibilität mehr Gewicht zu.

2.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf das streitige Antragsverfahren ergibt ein Überwiegen der Vollzugsinteressen zu Lasten des Antragstellers.

Im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung, die sich auf die tatsächlichen, jedoch nicht auf die rechtlichen Verhältnis- se bezieht, ergibt sich zunächst, dass der Antragsteller nicht auf Sozialleistungen zur Sicherung seiner Lebensgrundlage angewiesen ist. Aus der Tatsache der Beschäftigung von Arbeitnehmern ist zu schließen, dass seine Steuerberatungskanzlei eine gewisse wirtschaftliche Tragkraft besitzt. Ein Nachforderungsbetrag von 1.723,96 EUR wird dem Antragsteller wohl kaum irreversible Nachteile bringen, insbesondere wird ihn dieser nicht allzu hohe Betrag nicht in die Insolvenz oder in eine wirtschaftliche Zwangslage treiben. Hierzu fehlt es an Vortrag, Glaubhaftmachung sowie anderweitigen Hinweisen. Damit kommt der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers, Klagen gegen Entscheidungen über Beitrags- und Umlagepflichten keine aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG), besonderes Gewicht zu. Der Antragsteller kann somit zumutbar auf das Hauptsachverfahren verwiesen werden.

Von dieser Grundentscheidung abzuweichen besteht keine Veranlassung. Der angefochtene Bescheid ist weder offenkundig rechtswidrig noch rechtmäßig.

Nach § 8 Abs.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV - in der hier anzuwendenden Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 - BGBl.I Seite 388) kann eine geringfügige Beschäftigung unter den Voraussetzungen der Entgeltgeringfügigkeit oder der Zeitgeringfügigkeit vorliegen. Nach § 8 Abs.1 Nr.1 SGB IV liegt eine entgeltgeringfügige Beschäftigung vor, wenn diese regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630,00 DM nicht übersteigt. Nach § 8 Abs.1 Nr.2 SGB IV liegt Zeitgeringfügigkeit vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Jahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 630,00 DM im Monat übersteigt. Diese beiden Tatbestände sind nach einem Umkehrschluss zu § 8 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 SGB IV voneinander abzugrenzen. Entgeltgeringfügigkeit kommt bei einer berufsmäßigen und damit regelmäßigen Tätigkeit in Betracht (vgl. BSG SozR 3-2400 § 8 Nr.3, 4). Regelmäßigkeit setzt dabei nicht zwingend ein Dauerarbeitsverhältnis voraus, vielmehr reicht eine Beschäftigung aus, die von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll (BSG SozR 3-2400 § 8 Nr.3). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein über ein Jahr hinausgehender Rahmenvertrag geschlossen wird und zwar selbst dann, wenn dieser Vertrag maximal nur Arbeitseinsätze an 50 Arbeitstagen innerhalb eines Kalenderjahres vorsieht (vgl. BSG SozR 2200 § 168 Nr.6, BSG SozR 3-2400 § 8 Nr.4).

Im streitigen Fall hat die Antragsgegnerin verneint, dass die Beschäftigten E. und V. F. kurzfristbeschäftigt gewesen sind. Nach den Arbeitsverträgen vom 23.03.2000 und vom 20.05.2000 seien sie zwar nur für weniger als ein Jahr beschäftigt gewesen, jedoch habe in diesen Verträgen die Begrenzung auf maximal 50 Arbeitstage gefehlt. Dem hat sich auch das SG angeschlossen. Dieses hat dabei außer Betracht gelassen, dass mit der Klage vom 03.12.2004 zwei Zusatzverträge vorgelegt wurden. Im Zusatzvertrag vom 24.03.2000 (V. F. - Bl.7 Klageakte) und vom 22.05.2000 (E. F. - Bl.6 Klageakte) ist vereinbart, dass insbesondere die 50 Arbeitstagegrenze innerhalb eines Jahres nicht überschritten werden soll. Beide Zusatzvereinbarungen können zwar möglicherweise belegen, dass die Grenzen der Zeitgeringfügigkeit eingehalten werden sollten, zwangsläufig ist dieser Schluss jedoch nicht. Auffällig ist insoweit nämlich, dass die Zusatzvereinbarungen, obgleich sie aus dem Jahre 2000 datieren, in den Verwaltungsakten weder der Betriebsprüfung noch des Widerspruchsverfahrens zu finden sind. Sie wurden dort auch nicht vom Antragsteller erwähnt. Erstmals tauchen sie mit der Klage vom 3.12.2004 auf. Es lässt sich damit die Möglichkeit nicht von vornherein von der Hand weisen, dass die Zusatzvereinbarungen erst nachträglich unterzeichnet, also rückdatiert worden sind. Ob dies der Fall ist, kann nicht im einstweiligen Rechtsschutzwege geprüft werden, die entsprechende Beweiswürdigung ist vielmehr typischer Bestandteil des Hauptsacheverfahrens. Zu welchem Ergebnis dabei zu gelangen sein wird, ist derzeit offen, so dass der angefochtene Bescheid unter diesem Gesichtspunkt weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig anzusehen ist.

Möglicherweise ist der Nachforderungsbescheid der Höhe nach zu einem Teil rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin der Berechnung pauschal ein Entgelt von 630,- EUR zugrundegelegt hat, obwohl Hinweise auf die Zahlung eines geringeren Entgeltes bestanden hatten. Inwieweit der Nachforderungsbetrag von 1.723,96 EUR rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist im Rahmen der summarischen Tatsachenüberprüfung nicht zu erkennen; nur mit einem Aufwand, der originär dem Hauptsacheverfahren zugewiesen ist, ließen sich die entsprechenden Differenzen, die wohl nicht den überwiegenden Teil der Forderung ausmachen, exakt errechnen. Auch unter diesem Gesichtspunkt verbleibt es somit bei der gesetzlich normierten sofortigen Vollziehbarkeit der Beitragsnachforderung. Der Antragsteller kann also die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage unter keinem Aspekt beanspruchen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.

Der Streitwert entspricht dem vom Sozialgericht festgesetzten (§ 197a SGG i.V.m. §§ 52, 53, 72 Nr.1 GKG).

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht weiter angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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