L 19 R 365/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 771/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 365/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.06.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30.06.2001 beanspruchen kann.

Der 1957 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von 1972 bis 1975 eine Lehre als Metzger. Er war zunächst in seinem erlernten Beruf tätig. Von 1977 bis 1991 war der Kläger in einer Fleisch- und Wurstfabrik als Arbeiter, bis 1996 dort als Betriebsmeister im Reinigungsdienst und seit 01.06.1996 - nach einer betrieblichen Umstrukturierung - als Lagerarbeiter (Verladetätigkeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 18.08.1997 bestand Arbeitsunfähigkeit aufgrund anhaltender Wirbelsäulenbeschwerden.

Der Kläger beantragte am 28.05.1998 die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Den Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung ärztlicher Gutachten mit Bescheid vom 21.08.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.1998 ab. Der Kläger sei noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Da er zuletzt keinen Fachberuf ausgeübt habe, sei es rechtlich ohne Bedeutung, dass er die zuletzt verrichtete Beschäftigung als Lagerist nicht mehr ausüben könne.

Im nachfolgenden und unter dem Az: S 6 RJ 1099/98 geführten Klageverfahren holte das Sozialgericht Nürnberg (SG) ein Gutachten des Orthopäden Dr.R. vom 26.05.1999 ein. Dieser führte nach Untersuchung des Klägers am 06.05.1999 aus, dass der Kläger im Wesentlichen unter einem Postdiskektomie-Syndrom leide. Wegen anhaltender lumboischiaformen Beinschmerzen, auch nach dreimaliger Bandscheibenoperation wegen Rezidivvorfällen im Segment L5/S1, erscheine der Kläger nur noch in der Lage, leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen und Sitzen halb- bis untervollschichtig durchzuführen. Eine Zeitrente für die Dauer eines Jahres werde vorgeschlagen. Innerhalb dieser Zeit bestehe die Möglichkeit, eine Stabilisierungsoperation (Versteifungsoperation) im Sinne einer Spondylodese durchzuführen. Daraufhin bot die Beklagte einen Vergleich zur Beendigung des Rechtsstreits an, den der Kläger am 16.07.1999 annahm. Unter Anerkennung, dass der Kläger vom 16.12.1997 bis längstens 30.06.2000 vorübergehend erwerbsunfähig sei, verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger vom 01.07.1998 an bis längstens 30.06.2000 Rente auf Zeit wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen. In der Folgezeit gewährte die Beklagte die Rente über den 30.06.2000 hinaus bis zum 30.06.2001 (Bescheid vom 06.06.2000).

Unter dem 06.03.2001 beantragte der Kläger die Weiterzahlung der Rente über den Wegfallmonat hinaus. Dies lehnte die Beklagte nach Einholung eines allgemeinärztlichen und eines chirurgischen Gutachtens ab (Bescheid vom 28.05.2001 und Widerspruchsbescheid vom 20.08.2001). Der Kläger sei nach den ärztlichen Feststellungen seit dem 01.07.2001 wieder in der Lage, im Wechselrhythmus leichte Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne häufiges Überkopfarbeiten vollschichtig zu verrichten, sofern keine besonderen Anforderungen an das räumliche Sehen gestellt werden (der Kläger sei von Geburt an auf dem rechten Auge blind). Aufgrund seines beruflichen Werdeganges sei der Kläger auf das gesamte Tätigkeitsfeld des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum SG. Das SG zog die Klageakte S 6 RJ 1099/98 bei, die Versichertenakten der Beklagten, die Akten des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. (AVF; GdB von 60 mit Bescheid vom 23.03.1998 festgestellt) sowie die Akten der Agentur für Arbeit A. (ärztliches Gutachten vom 13.08.2001 nach Untersuchung am 17.07.2001: Vollschichtige Leistungsfähigkeit bestehe für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus). Befundberichte und Unterlagen holte das SG vom behandelnden Allgemeinarzt Dr.K. und Orthopäden Dr.S. ein.

Das SG ernannte den Orthopäden Dr.L. zum gerichtlichen Sachverständigen (Gutachten vom 19.03.2003). Dr.L. stellte fest, dass der Kläger unter einem pseudoradikulären Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) mit schmerzhaft eingeschränkter Beweglichkeit leide; Hinweise bestünden auf eine abgelaufene Wurzelschädigung S 1 linksseitig bei Zustand nach dreimaliger Bandscheibenoperation der Etage L5/S1. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger leichte Tätigkeiten vollschichtig (acht Stunden täglich) und mittelschwere Tätigkeiten kurzfristig verrichten. Die Arbeiten seien abwechselnd im Sitzen, im Stehen und in wechselnder Stellung auszuführen. Fließbandarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, häufiges Heben und Tragen von Lasten sowie Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen, insbesondere der Vermeidung von Zwangshaltungen, sei der Kläger in der Lage, die Tätigkeit eines Montierers, Sortierers, Etikettierers oder Pförtners zu verrichten. Bei kräftiger Ober- und Unterarmmuskulatur und kräftiger Hohlhandbeschwielung beidseits sei eine Dauerbelastung der Arme dem Kläger zumutbar.

Mit Urteil vom 06.06.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Es folge den Ausführungen des Dr.L ... Dr.L. habe kräftige Arbeitsspuren (Beschwielung jeweils) an Händen und Füßen des Klägers festgestellt, die auf eine regelmäßige körperliche Betätigung unter Einsatz der oberen Extremitäten schließen ließen. Dr.L. gehe von einer guten Beweglichkeit der Wirbelsäule aus. Der Leidensdruck des Klägers erscheine nicht sehr groß, da Krankengymnastik nicht durchgeführt werde. Auch erfolge keine Infiltrationsbehandlung der Muskulatur. Die Schmerzmedikation könne noch gesteigert werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG). Zur Begründung der Berufung trägt er vor, dass er im Oktober 2003 einen erneuten Bandscheibenvorfall erlitten habe (Hinweis auf Kernspintomographiebefund vom 28.10.2003). Er verfüge unverändert über einen Grad der Behinderung von 60 und sei weiterhin arbeitssuchend gemeldet.

Der Senat hat die Akten des SG, die Versichertenakten der Beklagten sowie die Akten des AVF beigezogen und von Dr.K. und Dr.S. Befundberichte mit Unterlagen eingeholt. Sodann hat der Senat den Orthopäden Prof. Dr.L. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt, der nach persönlicher Untersuchung des Klägers das Gutachten vom 06.10.2004 und die ergänzende Stellungnahme vom 13.03.2005 erstellt hat. Der Kläger leide im Wesentlichen unter Beschwerden im Bereich der LWS. Hier bestünden folgende Beeinträchtigungen: - Bewegungsbehinderung, - reizfreie Narben über der LWS nach dreimaliger Bandschei benoperation, - abgelaufene Schädigung der Nervenwurzel S 1 links, - erhebliche degenerative Veränderungen der LWS im Röntgen bild, - Prolaps L3/L4 rechts paramedian und Protrusion der Bandschei be L5/S1 (Befund nach Kernspintomographie vom 28.10.2003).

Prof. Dr.L. kam zum Schluss, dass der Kläger am (gemeint: seit) Juni 2001 in der Lage sei, einer Arbeitstätigkeit von acht Stunden täglich nachzugehen. Zumutbar seien nur noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechselrhythmus (überwiegend - zu 80 vH - sitzend und zu 20 vH stehend und gehend). Arbeiten ausschließlich im Stehen, auf Leitern und Gerüsten, mit Absturzgefahr, unter Feuchtigkeit sowie mit den Armen über der Horizontalen könne der Kläger nicht mehr verrichten. Er müsse von Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 3 kg sowie von Arbeiten unter Feuchtigkeit und Nässe befreit sein. Zusätzliche Pausen von 15 Minuten seien alle zwei Stunden erforderlich. Grund hierfür seien die Veränderungen im lumbalen Wirbelsäulenbereich. Die beim Kläger mangelhaft entwickelte Paralumbalmuskulatur beiderseits sei nicht in der Lage, eine stabilie Körperhaltung auf lange Dauer zu gewährleisten.

Die Beklagte hat sich zu den Ausführungen des Prof. Dr.L. geäußert. Es sei bekannt, dass eine schwache Rückenmuskulatur Rückenschmerzen auslösen könne. Eine Stärkung der Rückenmuskulatur sei jedoch durch gezielte Krankengymnastik zu erreichen. Nach den vorliegenden Gutachten sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Tätigkeit ausschließlich im Wechselrhythmus verrichten solle, also abwechselnd im Stehen und Sitzen. Eine derartige Arbeitshaltung garantiere einen Wechsel der Körperhaltung, so dass betriebsunübliche Pausen nicht notwendig seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.06.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 28.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 30.06.2001 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten sowie auf die Gerichtsakte des BayLSG Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2001 ist rechtmäßig. Für die Zeit nach dem 30.06.2001 hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger ist weder berufs- noch erwerbsunfähig bzw. voll oder teilweise erwerbsgemindert.

Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Anschluss an die bis 30.06.2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestimmt sich gemäß § 302b Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (SGB VI aF), da am 31.12.2000 ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und damit zugleich auch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bestand. Die §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung sind maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen wird, dass zumindest ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 30.06.2001 besteht.

Nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI aF haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie u.a. berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB VI aF Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähhigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und den besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl § 43 Abs 2 Satz 4 SGB VI aF).

Diese Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit sind beim Kläger nicht erfüllt. Für den bisherigen Beruf im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI aF ist auf die zuletzt auf Dauer verrichtete versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers abzustellen. Dies ist die Tätigkeit eines Lagerarbeiters, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Kläger diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen noch verrichten kann. Denn der Kläger kann entsprechend seiner Erwerbsfähigkeit und seines beruflichen Werdeganges auf eine für ihn zumutbare Tätigkeit verwiesen werden.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers seit Juni 2001 ergibt sich aus dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr.L. vom 06.10.2004 und der ergänzenden Stellungnahme vom 13.03.2005. Die Untersuchung und Befunderhebung durch den ärztlichen Sachverständigen hat ergeben, dass dem Kläger seit Juni 2001 zumindest körperlich leichte Tätigkeiten acht Stunden täglich (vollschichtig) im Wechselrhythmus (überwiegend - zu 80 vH - sitzend und zu 20 vH stehend und gehend) zumutbar sind. Zu vermeiden sind Arbeiten ausschließlich im Stehen, auf Leitern und Gerüsten, mit Absturzgefahr, unter Feuchtigkeit sowie mit den Armen über der Horizontalen. Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 3 kg sowie Arbeiten unter Feuchtigkeit und Nässe könnten ebenfalls nicht mehr abverlangt weren. Die rentenrechtlich relevante Wegstrecke zu Fuß ist nicht eingeschränkt.

Im Vordergrund der von Prof. Dr.L. festgestellten Gesundheitsstörungen, die sich auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers auswirken, stehen die Beschwerden des Klägers im Bereich der Rumpfwirbelsäule. Bis 1997 hat sich der Kläger dreimal einer Bandscheibenoperation im Segment L5/S1 unterziehen müssen. Zu einer Versteifungsoperation, zu deren Durchführung Dr.R. im Gutachten vom 26.05.1999 die Gewährung einer Zeitrente vorgeschlagen hatte, ist es bisher nicht gekommen. Neu aufgetreten ist ein Prolaps im Segment L3/L4 sowie Protrusionen und narbige Verziehungen im Segment L5/S1 mit nervalen Bedrängungen (Kernspintomographiebefund vom 28.10.2003). Bei der Untersuchung hat Prof. Dr.L. eine deutliche Bewegungseinschränkung im LWS-Bereich und eine abgelaufene Schädigung der Nervenwurzel S1 festgestellt. Röntgenologisch waren erhebliche degenerative Veränderungen der LWS erkennbar.

Zwar sind die vom Kläger beklagten Beschwerden im Bereich der Rumpfwirbelsäule aufgrund der klinischen und röntgenologischen Befunde bis zu einem gewissen Grad erklärbar. Jedoch führen diese Befunde nicht zu einer zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Die körperliche Belastbarkeit ist insoweit eingeschränkt, als Wirbelsäulenzwangshaltungen und Bewegungsmonotonien zu vermeiden sind. Tätigkeiten ausschließlich im Stehen können nicht mehr abverlangt werden. Die Tätikgeiten sind vielmehr im Wechselrhythmus zwischen Sitzen (80 vH) und Sitzen bzw Gehen (20 vH) zu verrichten. Arbeiten in Kälte und Nässe sowie auf Leitern und Gerüsten sollten im Hinblick auf die Bandscheibenerkrankungen vermieden werden. Aufgrund der degenerativen Veränderungen der LWS und des neurologischen Befundes (sensible Störungen im Ausbreitungsgebiet der Nervenwurzel S1, Ausfall des Trizeps-surae-Reflexes links, Laségue- bzw Pseudolaségue-Zeichen bei 40 Grad) ist die Belastbarkeit auf leichte körperliche Tätigkeiten beschränkt, wobei das Heben und Tragen von Lasten über 3 kg nicht durchgeführt werden sollte. Dauerhafte neurologische Ausfallerscheinungen oder schmerzbedingte Fixierungen eines Wirbelsäulenabschnitts sind jedoch nicht nachweisbar, so dass von einer zeitlichen Aufhebung des Leistungsvermögens nicht auszugehen ist.

Ebenfalls nicht zu einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens führt die von Prof. Dr.L. festgestellte reaktive muskuläre Verspannung im Halswirbelsäulenbereich bei röntgenologisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen. In diesem Bereich waren keine Bewegungsbehinderungen messbar. Sensible Störungen oder motorische Ausfälle bestanden nicht. Die vom Kläger beklagten Beschwerden führte Prof. Dr.L. auf die daraus resultierenden muskulären Verspannungen zurück.

Die festgestellte Bewegungsbehinderung beider Arme in den Schultergelenken bei röntgenologisch nachgewiesener Periarthrosis humero scapularis duplay calcarea bds. sowie Impingement bds. beeinträchtigt das Leistungsvermögen des Klägers insofern, als Arbeiten mit ausgestreckten Armen nicht mehr verrichtet werden können.

Die Bewegungsbehinderung der oberen und der unteren Sprunggelenke links bei röntgenologisch nachgewiesenen Arthrosen führt dazu, dass Tätigkeiten mit ständigem Gehen und Stehen sowie unter Absturzgefahr zu vermeiden sind.

Zu den weiteren Gesundheitstörungen, nämlich - reizfreie Narben am linken Oberarm und am linken Unterarm. Behinderung der Vorderarmdrehung links. Endlagige Bewegungsbehinderung im linken Handgelenk. Leichtes Streckdefizit der Langfingermittelgelenke 3 - 5 bds., - Innendrehbehinderung der Beine in den Hüftgelenken (Kapselkontraktur), - Hallux rigidus links und - Venektasien an beiden Unterschenkeln ohne Blutumlaufstörungen hat Prof. Dr.L. keine oder lediglich geringgradige Funktions- und Belastungseinschränkungen festgestellt, die keinen Einfluss auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers haben.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerarbeiter aus gesundheitlichen Gründen noch gewachsen ist. Der Kläger ist jedenfalls nicht berufsunfähig, weil es für ihn noch zumutbare andere Berufstätigkeiten gibt, in denen er vollschichtig tätig sein kann. Als ungelernter Arbeiter ist er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sozial verweisbar. Zwar war der Kläger zunächst in seinem erlernten Beruf als Fleischer tätig, er hat jedoch - unabhängig davon, ob die von 1991 bis 1996 ausgeübte Tätigkeit als Betriebsmeister als Facharbeitertätigkeit einzuordnen ist - seinen bisherigen Beruf nach einer betrieblichen Umstrukturierung aufgegeben - und war danach als Lagerarbeiter (Verladetätigkeit) tätig.

Da der Kläger nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend eine zustandsangemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Denn solange ein Versicherter in der Lage ist, unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solche Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 90).

Dem steht nicht entgegen, dass Prof. Dr.L. in seinem Gutachten vom Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen alle zwei Stunden mit einer Dauer von 15 Minuten ausgegangen ist (vgl BSG SozR 2200 § 1247 Nr 43 zur Benennungspflicht bei betriebsunüblichen Pausen). Dieser vermehrte Pausenbedarf findet bereits seine Berücksichtigung bei den Anforderungen, die an die vom Kläger noch mögliche Arbeitshaltung zu stellen sind. Prof. Dr.L. beschreibt in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern, dass vom Kläger nur eine Tätigkeit im Wechselrhythmus abverlangt werden kann. Dies bedeutet die Notwendigkeit zum Wechsel der Körperhaltung, wobei nach Prof. Dr.L. die Arbeit überwiegend im Sitzen verrichtet werden sollte. Durch den Wechsel der Körperhaltung wird eine Haltungskonstanz vermieden, die dem Kläger nach Auffassung des Prof. Dr.L. gesundheitlich nicht zumutbar ist. Prof. Dr.L. führt aus, dass beim Kläger im LWS-Bereich eine schwach entwickelte Paralumbalmuskulatur und ein Hartspann paralumbal links besteht. Das Muskelkorsett sei daher nicht in der Lage, eine stabile Körperhaltung auf lange Dauer zu gewährleisten. Allerdings besteht bei einer Tätigkeit im Wechselrhythmus die Möglichkeit zum Haltungswechsel, so dass vom Kläger eine stabile Körperhaltung auf lange Dauer nicht gefordert wird. Auch ergibt sich aus einer zusätzlichen Pause für den Kläger kein Vorteil, da er in der Pause eine der drei Grundhaltungen einnehmen muss. Für die Notwendigkeit, etwa aufgrund anhaltender Schmerzen die Wirbelsäule durch eine liegende Haltung zu entlasten, findet sich kein Anhalt.

Nach alledem hat der Kläger ab dem 01.07.2001 keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs 1 SGB VI aF, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit nicht erfüllt. Nach § 44 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB VI aF ist nicht erwerbsunfähig, wer eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben kann.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI nF hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da er einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann und nicht einmal teilweise erwerbsgemindert ist.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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